Ich kann einfach nicht mehr…

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Marika
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Re: Ich kann einfach nicht mehr…

Beitrag von Marika »

Hallo Christina!

Dieses Gespräch war sehr ehrlich, ja Zwänge verlaufen chronisch. Aber wie du selbst schreibst, die Hoffnung gesund zu werden, musst du behalten. Auch wenn "gesund sein" heißt, langfristig Medikamente zu nehmen. Du weißt, dass ich schon viele Jahre völlig beschwerdefrei lebe, mit einer kleinen AD Dosis.

Allerdings waren 2,5 Jahre Therapie und eine sehr hohe AD Dosis nötig. Diese Zeit war extrem hart, viele Tiefs besonders im ersten Jahr. Aber mein Psychiater hat immer gesagt: "Wir streben zumindest eine Beschwerdefreiheit an, mit weniger geben wir uns nicht zufrieden."

Ich will dir wieder vor Augen halten, dass es möglich ist, ein tolles Leben zu haben, trotz Zwängen oder ZG. Natürlich ist jeder Fall anders, aber bei mir persönlich war und ist das AD die allerwichtigste Stütze. Die Therapie war auch sehr wichtig, denn man muss lernen, mit den ZG richtig umzugehen. Dazu muss man sich konfrontieren, das war für mich oft sehr hart.

Bekommst du zu Fluoxetin noch was anderes? Ich glaube du hast was davon geschrieben, dass sie dir deshalb kein Escitalopram geben, weil sich das nicht verträgt?

Du wirst wahrscheinlich wirklich nicht ohne ZG entlassen werden, dafür wäre die Zeit zu kurz. Aber es ist möglich, diese Biester loszuwerden. Chronisch heißt ja nicht, dass man ständig Symptome hat, es heißt u.a. auch, dass man ohne Medikamente nicht stabil bleibt, mit Medikament aber sehr wohl. Und ich bin stabil, fühle mich völlig gesund.... und wenn es bei mir möglich ist, darfst du immer die Hoffnung haben, dass du das auch erreichen kannst. Ich bin der lebende Beweis! Kämpfe, Kämpfe hart und knie dich rein in die Therapie!❤️
Liebe Grüße von
Marika

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Christina_25
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Re: Ich kann einfach nicht mehr…

Beitrag von Christina_25 »

Hallo liebe Marika,

also wenn chronisch bedeutet, dass ich wieder gesund und glücklich bin aber mein Leben lang Medikamente nehmen muss - dann jederzeit und gerne!

Also ich muss jetzt unterscheiden zwischen meinem Leben bis September (als ich den Satz in dem Buch gelesen habe) und ab September. Bis September hatte ich ja auch meine ZG aber konnte mein Leben noch halbwegs normal führen (konnte auf meinen Sohn aufpassen, bin zum Sport, hab den Alltag gerockt) und ja es gab Phasen da hatte ich richtige Tiefs aber dann auch wieder Hochs.. aber jetzt seit September ist ALLES anders! Ich bin zu nichts fähig.. ich bin unter Dauerangst (macht sich auch körperlich bemerkbar), ich kann überhaupt nicht mehr auf meinen Sohn aufpassen, ich weiß nie wie ich den Tag überstehen soll und bin einfach froh, wenn ich meine Quetiapin einnehme um müde zu werden. Und ich verstehe einfach nicht wie es so weit kommen konnte .. aber das schlimmste ist, dass ich einfach nicht mehr unterscheiden kann zwischen was sind ZG und was sind meine richtigen Gedanken.. und auch wenn die ZG nicht so laut und präsent im Bewusstsein sind dann ist im Hintergrund immer diese Angst und Unsicherheit „was denke ich als nächstes etc.“. Aber das schlimmste ist die Angst, dass ich mir vielleicht doch irgendwann das Leben nehmen möchte..
Also ihr seht ich bin eine komplette Baustelle.. und dann gibt es Tage wie heute an denen mein Nervensystem komplett überlastet ist..

Und ich hatte jetzt Sertralin -> fehlgeschlagen und Venlafaxin auch fehlgeschlagen.. da ist die Hoffnung, dass das neue AD hilft leider sehr gering.. und die Oberärztin meinte halt wirklich, dass das AD nur unterstütztend wirken soll.. aber gleichzeitig weiß ich ja dass bei so vielen von euch das AD der Gamechanger war..
zudem bekomme ich noch EKT und das nimmt mich körperlich auch mit..

Also ich kann nur sagen, ich habe verdammt Angst.. Angst wie es weitergeht und Angst es nicht zu schaffen. Dann denke ich an meinen süßen Kleinen und könnte nur heulen 😓
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Marika
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Re: Ich kann einfach nicht mehr…

Beitrag von Marika »

Bekommst du nur das Quetiapin dazu? Ich frage aus Interesse, weil Escitalopram und Quetiapin lt. Recherche möglich sind. Gibt es sonst einen Grund, der diese Kombi bei dir unmöglich macht?

Du kennst unsere Geschichten und sie zeigen dir aus erster Hand was alles möglich ist. Dass soll dich auf deinem Weg stärken. Halte dir immer wieder die positiven Erfahrungen hier aus dem Forum vor Augen. Es dauert zwar oft lange, aber es ist immer ALLES möglich, auch für dich.

Auch wenn du schon 2 ADs versucht hast, ist da noch lange nicht Schluss. Es gibt noch so viele Möglichkeiten. Dass es keine große Hoffnung gibt, dass Fluoxetin wirkt, sehe ich überhaupt nicht. Es kann sehr gut sein, dass das dein AD ist.

Und merk dir Geschichte von Sarah... sie hat auch nicht mehr an ein Happy End geglaubt. Aber die Kombi aus Escitalopram und Mirtazapin war der Gamechanger... Auch du wirst finden, was dir hilft! ❤️
Liebe Grüße von
Marika

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Re: Ich kann einfach nicht mehr…

Beitrag von Christina_25 »

Ich nehme noch das Lithium - das ist glaube ich das Problem weswegen Escitalopram nicht möglich ist (obwohl das Lithium gar nicht wirksam ist aber aktuell auch nicht aufgestockt werden kann wegen dem EKT)

Ja ich weiß ❤️ es fühlt sich aber leider ganz anders an - als wäre ich even die eine, bei der nichts geholfen hat und die letztendlich aufgegeben hat…

Mein Zwang findet einfach immer wieder irgendwelche Sätze und Argumente womit er mich Schachmatt setzen kann.. kaum merke ich dass die Expos etwas geholfen haben und die Anspannung bei gewissen Sätzen abfällt.. kommen neue Sätze/Ängste/Befürchtungen dazu. Wie ein ewiger Kreislauf..
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Marika
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Re: Ich kann einfach nicht mehr…

Beitrag von Marika »

Ja das kenne ich, ich dachte auch ich bin die Einzige der man nicht helfen kann. Und dass der Zwang sich in Endlosschleife dreht, hatte ich ebenfalls. Es dauert, bis das durchbrochen wird.

Wie lange sollst du in der Klink bleiben? Fühlst du dich dort wohl? ❤️
Liebe Grüße von
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Re: Ich kann einfach nicht mehr…

Beitrag von Marika »

Christina, ich möchte noch mal auf den Satz aus dem Buch kommen, der dich so getriggert hat. Da steht, dass Menschen die aus Angst vor der Ausführung der ZG "an den Rand des Suizid getrieben werden". Da du ja aber Suizidiale ZG hast vor denen du dich so fürchtest, wäre es ja unlogisch aus der Angst vor der Ausführung, Suizid zu begehen. Also man begeht Suizid, weil man Angst hat Suizid zu begehen? Völlig absurd. Daran sieht man sie paradox, unlogisch und in letzter Konsequenz absurd ZG sind.

Ich glaube, da wurden mehr die anderen Betroffenen und deren ZG gemeint, vor allem die, die still vor sich hinleiden. Dich sehe ich darin 0,0%

Ich hoffe, es ist okay, dass das nochmal aufgegriffen habe, aber das geht mir einfach nicht aus dem Kopf.
Liebe Grüße von
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Re: Ich kann einfach nicht mehr…

Beitrag von Christina_25 »

Hallo liebe Marika,

danke für deine Antwort.

Ja es ist wirklich eine Endlosschleife. Es ist für mich einfach so schwer zu verstehen wie es so bergab gehen konnte. Wie gesagt, mir ging es ja schon seit Ausbruch der ZG nicht gut aber wir konnten trotzdem in Urlaub, Festivals, konnte alleine auf meinen Sohn aufpassen etc. Und jetzt weiß ich nie wie ich den Tag überstehe und kämpfe mich durch jede Sekunde 🥺 also es hat ein Ausmaß angenommen.. kaum zu glauben.

Ja das ist es ja, dass es im Grunde genommen total irrational ist. Aber der Zwang ist jetzt soweit gekommen, dass ich eben Angst habe, dass ich ja vielleicht doch nicht mehr leben möchte. Der Zwang bohrt und bohrt, dass man eben selbst ins Zweifeln kommt (was ist, wenn ich es doch will, was ist, wenn ich mir doch irgendwann das Leben nehmen möchte/werde usw.). Und was jetzt ganz neu ist, ist dass die Sätze nicht mehr die ganze Zeit in den Kopf kommen wie zB (ich werde mich umbringen etc.) sondern dass ich bspw mit etwas beschäftigt bin oder an etwas anderes denke aber im Hintergrund bin ich die ganze Zeit am grübeln und die Angst ist allgegenwärtig und die Zweifeln aber wie gesagt alles nicht so präsent sondern im
Hintergrund. Das macht die Angst allgegenwärtig..

Ich fühle mich in der Klinik ziemlich wohl- sind nette Mitpatienten hier. Seit einer Woche mache ich jeden Tag Expos. Ich habe einen Text verfasst wo ich beschreibe wie ich mich umbringen würde.. und dann habe ich mich aufgenommen wie ich Sätze sage wie „ich bringe mich um“ etc. und höre es mir jeden Tag an - das ist so die Konfrontation aber ich muss sagen dieses „aber was wenn doch“ und die Zweifel sind immer noch so groß.. sehr eklig.
Mein Psychologe hat mir auch gesagt, dass ich das Buch mal zur nächsten Stunde mitnehmen soll.

Ich bin immer noch sehr dankbar euch alle zu haben, die mich auf meinem Heilungsweg begleiten ❤️🍀
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Re: Ich kann einfach nicht mehr…

Beitrag von Marika »

Hey Christina!

Ich freue mich sehr, dass du dich wohlfühlst in der Klinik. Und es hört sich wirklich nach sehr harter aber vielversprechender Konfrontation an. Es ist normal, dass die erste Zeit sofort wieder neue ZG kommen, das ganze braucht eine Weile bis es greift. Das Gehirn wird ja mit diesen Übungen quasi "umtrainiert" um nicht mehr zwanghaft ständig die selben Gedankenspiralen zu produzieren. Da geht es auch um eine plastische Veränderung von Gehirnarealen - also dass gewisse nicht mehr überschießend reagieren und andere stärker werden. Und das geht leider nicht von heute auf morgen. Stell dir einfach vor, dass es so ist wie wenn man sonst Muskeln am Körper trainiert, das braucht auch Zeit.

Ich finde, das hört sich wirklich sehr gut an, was in dieser Klinik geboten wird. Haltest du uns auf dem Laufenden, wie das neue AD wirkt?
Liebe Grüße von
Marika

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Re: Ich kann einfach nicht mehr…

Beitrag von Christina_25 »

Hallo ihr Lieben,

ein kurzes update von mir.
Ich hatte heute meine 7. EKT. Und ich muss sagen ich habe immer mal wieder gute Momente. Erst am Wochenende habe ich regelrechte Glücksgefühle verspürt und Zukunftspläne geschmiedet, was vor ein paar Wochen gar nicht möglich war. Nur leider verabschieden sich die guten Gefühle auch wieder schnell.. also es ist ein einziges hin und her. Aber ich bin schon mal dankbar über die guten Momente die ich habe.
Ich mache noch jeden Tag Expos (auch für mich alleine).

Das Fluoxetin wurde am Dienstag nochmal erhöht, ich spüre davon noch nichts denke ich aber das wäre auch viel zu früh. Also ich denke die Kombi aus EKT und täglichen Expos macht es gerade aus.
Aber ich bin noch lange nicht am Ziel…

Ich denke an euch und drücke euch!
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Re: Ich kann einfach nicht mehr…

Beitrag von alibo79 »

Tolle Neuigkeiten von dir, das sind gute Nachrichten, mach weiter so 💪💪
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
Über Jahre zusätzlich noch psychotherapeutische Behandlung
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Marika
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Re: Ich kann einfach nicht mehr…

Beitrag von Marika »

Hallo!

Ich freue mich sehr für dich. Genau so hat es bei mir auch angefangen: erste Momente, wo Glücksgefühle durch kommen, die aber noch nicht bleiben.

Es kann sehr gut sein, dass auch das Fluoxetin eine allererste Wirkung zeigt, natürlich in Kombi mit allen anderen Maßnahmen. Wie lange nimmst du das neue AD jetzt und wieviel davon? ❤️
Liebe Grüße von
Marika

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