Verlustangst

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Jule2006

Verlustangst

Beitrag von Jule2006 »

Hallo!
Seit dem ersten Tag, als mein Kind geboren war, habe ich das Gefühl sie wieder zu verlieren. Seit zwei Jahren lässt es mich nicht los und manchmal stehe ich neben dem schlafenden Kind und sehe es an, als wäre es das letzte mal. Kennt das irgendjemand? Da ich alleinerziehend bin, habe ich logischerweise alle meine Lieben immer wieder verloren oder verlassen. Ich habe irgendwie das Gefühl, daß ich immer alles verliere, was ich liebe.
Sorry, ich komme immer mit so schrecklichen Problemen an, aber ich weiß nicht, wem ich es sonst erzählen soll. Die Freundinnen, die ich habe, interessiert sowas nicht im geringsten oder traue mich nicht, es zu erzählen. Ich habe einfach ein schlechtes Gefühl und werde es nicht los. Alle, oder die wenigen, sind kinderlos, haben eh kein Interesse mehr an Freundschaft. So bin ich froh, daß ich das hier loswerden kann, und bin sehr froh, daß ihr mir beim letzten mal so zahlreich geantwortet habt. Danke!
Jule
Zuletzt geändert von Jule2006 am 01:02:2009 0:02, insgesamt 1-mal geändert.
Zoraya

Beitrag von Zoraya »

Hallo Jule2006,

kann Dich gut verstehen. Du kannst diese Gedanken hier ruhig reinstellen, denn wir befinden uns ja nicht in einem Sommerfrische-Forum. Es ist wichtig, wenn man solche Gedanken jemandem mitteilen kann, und wenn es eben hier im Forum ist.

Mir geht es auch oft so, dass ich Angst bekomme, dass Kind wieder zu verlieren. Bei mir ist auch so viel passiert und keine meiner Beziehungen hat gehalten, vielleicht trug all das dazu bei, dass ich grundsätzlich davon ausgehe, das alles schief gehen muss. Wenn irgend etwas klappt, dann halte ich das für Zufall...

Kann Dir leider kaum einen Rat geben, außer, Dich zu trauen, darüber zu reden.

Liebe Grüße

Zoraya
Jule2006

Beitrag von Jule2006 »

Ja, bei mir ist auch immer irgendwie alles schief gelaufen, privat wie beruflich. Immer die Niete gezogen. Immer der Looser. Ich denke, das macht einem Angst, wenn einem was gutes passiert, daß man automatisch davon ausgeht, daß es eh wieder schief geht. Mein Ex ist ja auch freudig an meinem Stuhlbein zu sägen. Bisher war es zum Glück dann doch sein eigener Stuhl. Aber ich lasse mich immer noch zu schnell einschüchtern oder verärgern.
LG
Jule :roll:
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo!

Verlustängste waren auch bei mir ein ganz starkes Thema in der Depression und haben auch massiv zum Ausbruch meiner Zwangsgedanken damals beigetragen. Also ist auch mir diese Problematik nicht fremd und ich finde es gar nicht furchtbar, dass du diese Gedanken hier reinstellst. Wo sonst, wenn nicht hier!!!!

In meiner Therapie konnte ich sehr gut an dieser Thematik arbeiten und für mich viele Knoten lösen.

Viele liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Wally

Da reih ich mich doch auch gleich ein...

Beitrag von Wally »

Hallo Jule,

ach das kenne ich auch... Ich habe das auch sehr stark und das hat meine Zwangsgedanken enorm geschürt. Ich schätze mal so wie bei Marika.

Ich nehme ADs und ehrlich gesagt, vielleicht nehme ich sie für immer. Ich bin echt hypersensibel und gerade in der PPD hatte ich es ganz schlimm.
Ich kann es jetzt gar nicht so beschreiben, weil die Angst um meinen Mann oder mein Kind sich dann immer gleich in einen Zwangsgedanken geschlichen hat.

Auch jetzt wo es mir wesentlich besser geht, belastet mich das schon oft. Ich könnte nun sofort weinen, wenn ich daran denke meinem Sohn geht es nicht gut oder er wäre verstorben.

Ich bin nur echt immer am überlegen ob das wirklich ein Problem sein muss. Ich denke eigentlich soll es doch so sein. DAs bringt natürlich auch Herz-Schmerz mit sich. Ich habe den Eindruck, dass Gefühle in unserer westlichen Welt ganz unterdrückt werden und es deshalb so im extrem wieder hochkommt. Schau mal irgendwie darf doch nichts schieflaufen hier. Die Werbung, Fernsehen, Gesellschaft alle zeigen immer sie hätte alles unter Kontrolle und so, aber da bleiben ja die Gefühle auf der Strecke.... Mei ich weiß jetzt gar nicht so ob ich mich richtig ausdrücke.

Ich fühle mich auch oft nicht so gut, aber zum Glück nicht mehr so schlimm wie noch vor 6 Monaten. Aber weisst Du, ich glaube irgendwie, wenn man so einen tiefen Schmerz spühren und zulassen kann, dann kann man auch das absolute Glück zulassen.... Und bei mir ist es so, dass das absolute Glücksgefühl auf ganz leisen, kaum hörbaren Sohlen kommt und auch nicht lang bleibt... - Vielleicht braucht man dann so eine große Sensibiliät um überwältigende Gefühle auch in die positive Richtung zu haben...

Weiß nicht, ob das jetzt geholfen hat, aber Du bist nicht alleine. Es ist auch bei mir so....

Alles Gute

Wally
Jule2006

Re: Da reih ich mich doch auch gleich ein...

Beitrag von Jule2006 »

Hi,
also Wally, du hast dich sehr gut ausgedrückt. Ich habe mich keinem anvertraut, außer hier mit diesen Zwangsgedanken, auch nicht meiner Freundin, dessen Sohn nur 5 Wochen älter ist als Julia. Sie tut immer so stark, sagt aber nie etwas über ihre Gefühle. So traute ich mich nicht, etwas zu sagen. Hinzukommt, daß meine Freundin auch meine Cousine ist und es in der Familie rumgetratscht werden könnte. Obwohl sie ein totales Stresskind hat, nun noch ein zweites Baby dazu und einen Zwangsumzug gen Osten, es kommt kein Wort rüber. Sie könnte glatt im Fernsehen auftreten und diese Werbung machen, wo alles klasse ist.
ADs habe ich auch schon viele ausprobiert, aber es ist nicht so mein Fall. Sie unterdrücken zu sehr meine Gefühle. Der Stress kommt immer, wenn mein Ex kommt, um Julia abzuholen. Mittlerweile geht er auch nur noch bis zur Türschwelle. Ich bin auch supersensibel, leider viel zu sehr, könnte bei jedem bißchen losheulen, tu es dann auch, was raus muss, muss raus. Auch heute, wo sie schon 27 Monate alt ist, denke ich noch manchmal, ich könnt sie ermurksen, ohne jeglichen Grund. Ist das eine Art von Selbstzerstörung? Wenn man das Liebste auf der Welt zerstören will? Das ist doch irgendwo krank oder?
Ich weiß nicht, woher die Verlustangst kommt, das hatte ich schon als ganz kleines Kind, hatte Angst meine Mutter zu verlieren. Es wurde erst besser, als Julia zur Welt kam.
Gerade hat mein Ex sie abgeholt für das WE. Mittlerweile komme ich damit zurecht, ich darf nur keine schwermütige Musik hören. Anfangs kümmerte er sich ja kaum, nach 19 Monaten ging es dann los mit dem Wechsel am WE und ich heulte das ganze WE und es geht schon fast wieder los, daß ich mich traurig fühle. Aber ich sage mir, ich kann endlich mal ausschlafen, ohne daß hinterher die Wohnung Kopf steht. Im Moment steht sie noch auf dem Kopf. :shock: Julia ist sehr aufgedreht, so wie ihr Papa und ich bin eher ein ruhiger Mensch, der nicht immer Action machen kann oder verträgt. Da ich auch keine anderen Mamas kenne, leben wir ziemlich zurückgezogen und das tut mir so leid für Julia.
Was das Glück angeht, die Gefühle traue ich mir schon lange nicht mehr zu. Je glücklicher man sich fühlt, desto tiefer fällt man. Ich weiß, daß das totaler Schwachsinn ist, aber ich könnte es nicht ertragen. Hört sich irgendwie krank an oder? Ich lasse sie immer nur kurz zu, wenn ich meine Tochter ansehe oder sie mich in den Arm nimmt, was jetzt ganz neu ist bei ihr. Aber ich denke, mein Ex, der leider nun mal nicht mehr wegzuradieren ist, zieht mich immer wieder runter, egal wie er drauf ist. Ich bringe es nicht fertig drüber zu stehen oder daß er mir egal ist.
Es ist immer gut zu wissen, daß man nicht der einzige Mensch auf Erden ist, der irgendwie merkwürdig denkt oder handelt.
Liebe Grüße
Jule
djosch

Beitrag von djosch »

Hey Jule,das kenne ich gut,ich hatte z.b. eigentlich immer als Lieblingsschlaflied "Guten Abend Gute Nacht", habe aber, seit ich meinen Sohn habe, immer wieder Probleme,ihm das ohne komische Gedanken wegen der Stelle "morgen früh,wenn gott will,wirst du wieder geweckt" vorzusingen,wenn ich ihn ins Bett bringe...könnte ja sein,daß er in der Nacht stirbt,und ich habe ihm auch noch wie eine Art Prophezeihung dieses Lied als letztes vorgesungen...so in dem Stil...und am besten an ganz schlechten tagen kommt dann noch so ein leichter ZG anflug parallel dazu, daß ich angst habe,daß ich paar Minuten lang nicht mehr Herr über meine Handlungen bin und ihm, während ich das singe,ihm ein Kissen aufs Gesicht drücke(aber das ist ja dann shcon wieder ne andere Baustelle...)
Na,ja,je nach Tagesform lasse ich das Lied eben lieber weg und singe was anderes, oder ich singe es demonstrativ weiter und sage mir"so ein Quatsch, bist wohl wieder auf dem überbesorgte Mutter Psychotrip..."
:roll:
Ach ja,und was Deine Freundin/Cousine betrifft, denk dran, die, bei denen alles extrem super und perfekt zu laufen scheint,da icht es hinter der Fassade oft am schlimmsten...kenne ich von mir selber,hi,hi...die,von denen man denkt,menschg,die sind doch immer so super drauf und so stark, die trifft es oft am schlimmsten/ehesten...sind nur prima im kaschieren,vor sich selbst und der Umwelt, denn "FASSADE IST ALLES...!" :wink:
Jule2006

Fassade

Beitrag von Jule2006 »

Danke Djosch,
das mit der Fassade denke ich mir auch, denn jetzt, nach ihrem Umzug nach Halle, schrieb sie lediglich eine email, bekommt keinen Kindergartenplatz für ihren Schreihals. Puh, das Kind würde ich echt nicht überleben. Dann noch ein zweites Kind. Und völlig alleine, denn Mann geht ja bald arbeiten. Sie erzählte lediglich, daß alles toll sei und blabla, Stadt ansehen, wen interessierts?
Das Schlaflied mit der Stelle "morgen früh,wenn gott will,wirst du wieder geweckt" hasse ich, wie die Pest. Ich würde es meiner Tochter nie vorsingen. Auch Gott hat nicht zu bestimmen, ob mein Kind wieder aufwacht. Niemand!!! Selbst wenn er Gott heißt. Es flößt einem doch nur Angst ein. Und? Hat Gott mein Kind überleben lassen??? Nee, schlechte Suggestion!!! Das sind alles alte Lieder, wo man noch nicht genau drüber nachdachte. Man redet sich nur schlimme Sachen ein. Sing doch einfach was anderes an der Stelle, wie morgen frühüüüüüüühüüüüü, wirst du wieder geweckt. ;) Ich bete zwar fast jeden Abend zu Gott, daß er meine Kleine beschützen soll, aber das Lied ist nur schlechte Suggestion, finde ich.
Was die andere Baustelle angeht, ich hatte die ZG ja auch. Als sie ein Baby war, fing ich einfach an zu ihr zu sagen: "Alles wird gut!" Das half. Heute, zwei Jahre später, schicke ich sie schnell fort. Selbst wenn sie weint, immerhin lebt sie dann noch. Eklig, diese Gedanken! Wenn ich eines Tages herausfinde, warum man ZG hat, werde ich es auf jeden Fall hier verbreiten.
LG
Jule
djosch hat geschrieben:Hey Jule,das kenne ich gut,ich hatte z.b. eigentlich immer als Lieblingsschlaflied "Guten Abend Gute Nacht", habe aber, seit ich meinen Sohn habe, immer wieder Probleme,ihm das ohne komische Gedanken wegen der Stelle "morgen früh,wenn gott will,wirst du wieder geweckt" vorzusingen,wenn ich ihn ins Bett bringe...könnte ja sein,daß er in der Nacht stirbt,und ich habe ihm auch noch wie eine Art Prophezeihung dieses Lied als letztes vorgesungen...so in dem Stil...und am besten an ganz schlechten tagen kommt dann noch so ein leichter ZG anflug parallel dazu, daß ich angst habe,daß ich paar Minuten lang nicht mehr Herr über meine Handlungen bin und ihm, während ich das singe,ihm ein Kissen aufs Gesicht drücke(aber das ist ja dann shcon wieder ne andere Baustelle...)
Na,ja,je nach Tagesform lasse ich das Lied eben lieber weg und singe was anderes, oder ich singe es demonstrativ weiter und sage mir"so ein Quatsch, bist wohl wieder auf dem überbesorgte Mutter Psychotrip..."
:roll:
Ach ja,und was Deine Freundin/Cousine betrifft, denk dran, die, bei denen alles extrem super und perfekt zu laufen scheint,da icht es hinter der Fassade oft am schlimmsten...kenne ich von mir selber,hi,hi...die,von denen man denkt,menschg,die sind doch immer so super drauf und so stark, die trifft es oft am schlimmsten/ehesten...sind nur prima im kaschieren,vor sich selbst und der Umwelt, denn "FASSADE IST ALLES...!" :wink:
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Beitrag von Marika »

Jule, du schreibst, wenn du irgendwann heraus findest, warum man ZG hat, dann schreibst du es hier.... also... es ist ja längst bekannt, WARUM MAN ZG hat, wie sie enstehen und weshalb! Ich selber habe darum schon ellenlange Beiträge geschrieben!!! :idea:

ZG sind harmols - und wenn du schreibst, du schickst deine Tochter weg, wenn du ZG hast, dann würde sie immerhin noch leben... ZG führt man nie aus, also ist deine Schlußfolgerung nicht richtig!!!!!

Liess doch noch mal etwas durch im Bezug auf ZG, dann wirst du sehen WARUM UND WIE sie enstehen.

Buchtipp: "Der Kobold im Kopf - die Zähmung der Zwangsgedanken"
von Lee Baer

lg
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Jule2006

Beitrag von Jule2006 »

Danke Marika,
ich wusste das nicht oder habe es im Stress wieder vergessen. Ich hab mir den Titel aufgeschrieben.
LG
Jule
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Beitrag von Marika »

Gern geschehen - nichts zu danken!!!

Schau mal hier ein paar Beiträge zu ZG:

http://www.schatten-und-licht.de/forum2 ... php?t=6093

http://www.schatten-und-licht.de/forum2 ... php?t=5995

http://www.schatten-und-licht.de/forum2 ... php?t=5853

http://www.schatten-und-licht.de/forum2 ... php?t=5763

http://www.schatten-und-licht.de/forum2 ... php?t=5476

Vielleicht magst du die Beiträge ja mal lesen, wenn du Zeit hast - da stehen viele informative Sachen bzgl. ZG drinn!!!

Liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Jule2006

Beitrag von Jule2006 »

Danke, werde bei Gelegenheit reinschauen. Im Moment zu fertig. Jugendamt hat meine Kleine zu meinen Eltern verbannt, weil ich psychisch zu labil sei. Also im Mom kinderlos... :cry:
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