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Fritzi

Hallo zusammen!

Beitrag von Fritzi »

Hallo zusammen!
Ich gehöre auch zu den Neuen hier im Forum und möchte mich gerne vorstellen.
Ich bin 26 Jahre alt. Vor einer Weile bin ich mit meinem Freund in eine andere Stadt gezogen, weil ich die Uni gewechselt habe. Mein Freund ist selbständig, insofern konnte er problemlos mitkommen. Hier wurde ich dann auch schwanger und habe mein Töchterchen vor 3,5 Monaten bekommen. Die Schwangerschaft war anfänglich etwas anstrengend, dann sehr schön und die letzten Monate waren wieder sehr schwer. Ich war immer sehr zierlich und klein und meine Kleine war von Anfang an ein sehr großes Baby. Ich hatte einen Riesenbauch und konnte die letzten Monate kaum laufen oder sonst was machen. 5-10minütige Spaziergänge waren schon eine große Sache gewesen. Die Geburt war auch alles andere als leicht. Es dauerte etwas über 30 Stunden und die Geburtsbedingungen im Krankenhaus waren schrecklich. Es war vollkommen überfüllt. Ich wünschte mir eigentlich eine Wassergeburt, aber am Ende bekam ich nicht mal einen eigenen Kreißsaal, schon zu schweigen von dem Kreißsaal mit der Wanne. Ich wurde die ganze Zeit hin- und hergeschoben. Erst wurde ich auf der Baby-Intensivstation "abgestellt", ein klitzekleiner Raum, wo nur mein Bett reinpasste und ein Sessel für meinen Freund. Dann wurde ich aufs Zimmer verlegt. Dann bekam ich doch einen Kreißsaal. Dann gab es Frauen, die ihn dringender brauchten und ich wurde wieder ins Zimmer verlegt usw. Ich kann mich kaum mehr an alles erinnern, wo ich überall war, weil ich von den Schmerzen und vom vielen Schmerzmittel so fertig war. Was ich noch als sehr schlimm empfunden habe, war, dass ich keine eigene Hebamme hatte. Meine betreuende Hebamme macht nur Hausgeburten, sie hat mir aber versichert, dass ich im KH gut aufgehoben bin und dort jemand für mich da sein wird. Und es kam genau anders: Die diensthabende Hebamme war zwischen drei Gebärenden hin- und hergerissen und total im Stress. Mein Freund konnte irgendwann auch nicht mehr, er musste mal was essen uns schlafen und so sind meine Eltern mitten in der Nacht losgefahren (sie wohnen 300 km entfernt) und meine Ma hat mich bis zum Ende begleitet, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Klar, als die Kleine endlich da war, war erstmal alles vergessen, so glücklich war ich. Aber mit der Zeit kamen die Erinnerungen an die Entbindung hoch. Auch jetzt beim Schreiben merk ich, dass mir schwindlig wird, schon allein von der Erinnerung...

Die ersten paar Wochen hatte ich Stillprobleme, die dann aber weg waren. Auch der Babyblues dauerte nur einige Tage. Ich war trotz Schlafmangel gut drauf und glücklich, die Depression kam sehr schleichend. Es ging los mit Stimmungsschwankungen, totaler Gereiztheit, dann einfach nur Niedergeschlagenheit. Ich fühlte mich plötzlich kraftlos, bekam Schwächeanfälle und litt unter Schwindel, hatte Konzentrationsprobleme und konnte mich kaum entspannen. Trotz Müdigkeit konnte ich tagsüber kaum einschlafen, wenn die Kleine schlief, und nachts hatte ich ab und an auch Schlafprobleme. Mir ist ein treffender Vergleich eingefallen: Ich fühle mich, als wäre ich ein Gerät, welches jederzeit ausgeschaltet werden kann... Ich hoffte, das sei Eisenmangel oder die Schilddrüse, dann wäre alles nach 1-2 Wochen mit Tabletteneinnahme vorbei, aber die Blutwerte waren ok. Meine Ärztin sagte, ich sei sehr erschöpft und ich müsse mir unbedingt Hilfe besorgen, denn so könne es nicht weitergehen. Ich muss dazu sagen, dass wir hier immer noch keine Freunde gefunden haben und auch keine Verwandtschaft in nächster Nähe haben. Ein paar lose Bekannte, die dann und wann auf unsere Katze aufpassen, wenn wir mal weg sind, mehr nicht. Dadurch, dass mein Freund hier seine Firma aufbaut, arbeitet er sehr viel. So komme ich mir manchmal ein wenig wie alleinerziehend vor, auch wenn er hilft, wo er kann.

Einen wichtigen Punkt gibt es noch. Ich leide seit über 10 Jahren an einer Angst- und Panikstörung, die mit depressiven Phasen einhergeht. Insofern ist mir das Gefühl der Depression schon bekannt. Nur ist es diesmal doch anders, weil ja jetzt ein klitzekleiner Mensch mit dran beteiligt ist. Jedenfalls ist das Gute dran, dass ich wegen der Angststörung schon länger in psychotherapeutischer Behandlung bin, d.h. ich werde aufgefangen und muss nicht monatelang auf einen Therapieplatz warten. Das Schlechte an der Geschichte ist, dass ich Agoraphobie habe, d.h., dass ich nur sehr schwer aus der Wohnung und unter Menschen gehen kann. Das ist eh schon ein sehr großes Problem, aber jetzt während der PPD ist es fatal. Rein instinktiv spüre ich, dass während der PPD viel frische Luft, Bewegung und soziale Kontakte wahrscheinlich sehr gut tun (das schätz ich jetzt einfach mal) und genau das kann ich nicht oder nur unter hohem Kraftaufwand. Es fühlt sich an wie ein Teufelskreis - ich habe kaum Kraft für den Alltag, woher soll ich dann noch die Kraft nehmen, spazieren zu gehen, Menschengruppen (Krabbelgruppe etc.) zu besuchen? Für einen Menschen, der diese Angst nicht kennt, ist es sehr schwer nachzuvollziehen. Stellt euch einfach vor, ihr hättet panische Angst vor Spritzen und müsstet jeden Tag zur Impfung. So ungefähr fühlt sich das an.

Meine Mutter hat eine Woche Urlaub genommen und ist jetzt hier und hilft sehr viel. Sie ist eigentlich die meiste Zeit mit der Kleinen beschäftigt. Ich brauche einfach eine Pause von ihr, auch wenn es sehr schmerzt, sich das einzugestehen. Ich kann jetzt etwas mehr schlafen und muss auch das Mittagessen nicht selbst machen und fühle mich schon etwas besser. Wenn ich aber dran denke, dass sie bald wieder weg ist und ich wieder den ganzen Tag mit der Kleinen allein bin, dann packt mich ein leichter Horror. Ich fühle mich überfordert und sehr, sehr allein :(

Das ist schon ein sehr langer Beitrag geworden, deshalb mach ich hier erstmal einen Punkt. Danke euch fürs Zuhören, das hat schon sehr gut getan, alles loswerden zu können.

LG
Fritzi
Sas

Beitrag von Sas »

Liebe Fritzi,

erstmal herzlich willkommen hier. Du bist genau richtig, so ziemlich jede hier kann Dir all das nachempfinden. Ich habe ähnliches wie Du durchgemacht, von daher kann ich Dir auf jeden Fall sagen: das wird wieder gut! Auch bei mir verstärkte die Depression eine Erkrankung, den Zwang. Der war in anderer Form schon vorher vorhanden und traf mich dann mit voller Wucht. Die Geburtssituation bei Dir war ja wirklich alles andere als schön, manche Krankenhäuser sollten sich da echt mehr Sensibilität zu legen. Ja, ich weiß, die sind da unterbesetzt usw. Aber trotzdem...
Mich traf diese Krankheit ca. 10 Tage nach der Entbindung und sie kam für mich damals sehr schlagartig, wobei ich beim Zurückblicken aber jetzt schon sagen muss, es gab vorher Anzeichen und ich habe sie verdrängt.
Das Gefühl, das frische Luft und Bewegung bei Depressionen gut tun, das täuscht Dich nicht. Bewegung und auch Sonne wirken antidepressiv. Alsu versuche, trotz Deiner Agoraphobie und auch wenn es schwer fällt. Versuche, jeden Tag zu planen, jeden Tag was zu unternehmen. Strukturierte Tagesabläufe sind soooo wichtig zur Heilung. Und ich weiß, WIE schwer das ist, ich hatte selbst fürcherliche Angst vor dem rausgehen
Aber mit Medis, verschiedenen stationären Therapien und einer ambulanten kognitiven Verhaltenstherapie habe ich es dann geschafft.

Und Du schaffst das auch, Du mußt "nur" Deinen Weg da raus finden. Da gibt es leider kein Patentrezept und man braucht sehr viel Geduld. Nimmst Du Medikamente? Wenn das nichts für Dich ist, dann gibt es hier auch viele Frauen, die mit alternativen Heilmethoden/Homöopathie Erfolge hatten. Gut, dass Du schon einen Therapieplatz hast! Das ist sehr sehr wichtig, finde ich.

Ich grüße Dich ganz lieb und wünsche Dir alles Gute!

Saskia
Fritzi

Beitrag von Fritzi »

Hallo Sas!
Danke für deine Antwort! :)
Medikamente nehme ich zur Zeit nicht. Als ich erfahren habe, dass ich schwanger bin, habe ich sie sofort abgesetzt - ich nahm Moclobemid, davor Aponal und zwischenzeitlich auch mal nichts. Zur Homöopathin bin ich auch jahrelang gegangen und einen stationären Aufenthalt hatte ich auch. Die Homöopathie hat mir nicht wirklich viel gebracht, ich habe zig Globuli und Bachblüten ausprobiert und langfristig war das alles nix. Hat mich nur viel Geld gekostet :roll: . Ich habe eigentlich gehofft, es diesmal ohne Medis zu probieren, denn sie hatten immer irgendwelche unangenehmen dauerhaften Nebenwirkungen (trockender Mund oder Libidoverlust z.B. :oops: ) Meinst du, man kann aus der PPD auch ohne Medis herauskommen?

Ich muss aber sagen, dass mein Glaube daran, dass es mir psychisch irgendwann wirklich gut gehen wird, mittlerweile sehr geschrumpft ist. Ich bin schon 10 Jahre in Therapie, ich bemühe mich immer, die Angst und Depression nicht über mich siegen zu lassen, aber dauerhaft wird es nie was. Es kommt immer wieder und jeder Tag ist irgendwie auch ein Kampf...

LG
Fritzi
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Marika
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Beitrag von Marika »

Liebe Fritzi,

auch von mir ein ganz liebes Hallo, schön dass du dich uns angeschlossen hast.

Da du bereits eine Vorgeschichte mit der Angststörung und depressiven Phasen hast, ist es fast nicht verwunderlich, dass du jetzt auch eine PPD bekommen hast. Ich selber war schon mein ganzes Leben Agoraphobisch - aber ich habe das nie wirklich erkannte - erst als ich die PPD bekam, kam auch das endlich, endlich in meiner Therapie heraus und konnte mit behandelt werden. Also ich kenne diese Angst raus zu gehen, unter Leute oder an einer großen Menschenansammlung vorüber zu gehen, auch wenn auch in abgeschwächter Form. Bei mir waren die Zwansgedanken gegen mein Baby vorherrschend, die in mir so enorme Ängste entwickelten, dass ich glaube, verrückt zu werden.

Ob es ohne Medikmante geht? Manche haben es ohne Medi geschafft, manche mit Alternativmedizin, manche mit Johanniskraut, wieder andere brauchten ein Schilddrüsenhormon. Möglich ist es, aber wenn ich mir deinen Beitrag durchlese und dann spühre ich einen enormen Leidensdruck... und dieser war es schließlich bei mir, weshalb ich mich FÜR ein AD entschieden habe.... und es war die beste Entscheidung meines Lebens. Zusammen mit meiner Psycho-/Verhaltenstherapie habe ich ganz viel über mich gelernt, aufgearbeitert was ganz viele Jahre verschüttet war und habe heute eine nie gekannte Lebensqualität. Sogar das raus gehen ist kein Problem mehr, keine Spur von Agoraphobie mehr, ich habe Selbstvertrauen und Selbstliebe entwickeln können und das beste: Ich konnte mein AD nach 3,5 Jahren Einnahme um mehr als 3/4 der Dosis wieder reduzieren und es geht mir weiterhin trotzdem sehr gut.

Gut, dass du bereits einen Therapieplatz hast. Du schreibst, du hast schon Medikamente genommen... hast unter deren Einnahme und auch während deiner Therapie Erfolge gemerkt, wegen deiner Agoraphobie?

P.S.: habe gesehen, dass du einen MAO-Hemmer genommen hast, hat dir dieses Medi geholfen? Ich frage nur aus Interesse, weil mir ein z.B. ein normales SSRI (Selektiver Serotonin Wiederaufnahme Hemmer) bestens auch gegen meine Angst, Panik, Zwansgedanken aber eben auch gegen die Agoraphobie sehr gut geholfen hat.

Ganz liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Fritzi

Beitrag von Fritzi »

Hallo Marika!
Stimmt, es war eigentlich fast klar, dass die PPD kommt. Gestern hat mir meine Mutter auch erzählt, dass sie nach der Geburt von mir und meinem Bruder auch so etwas hatte, insofern ist es wohl auch genetisch bedingt.

Der MAO-Hemmer war anfangs ganz gut, er wirkte antriebssteigernd. Aber irgendwann ließ die Wirkung nach und dann wurde ich auch schon schwanger. Die Aponal-Einnahme ist schon lange her und, um ehrlich zu sein, sind mir da nur die Nebenwirkungen in Erinnerung geblieben, es war also auch nicht so das Wahre.

Deine Geschichte hört sich super an, schön, dass es dir so gut geht :D Wenn ich mir das so durchlese, dann werde ich schon ein wenig neidisch und überlege mir, ob ich das nicht doch wieder versuchen sollte mit den Medis... Meine Lebensqualität ist wirklich nicht besonders, ich habe mich anscheinend schon so daran gewöhnt, dass ich gar nicht glauben kann, dass es besser sein kann. Vielleicht frage ich das nächste Mal einfach meine Therapeutin, wie sie meine Lage einschätzt. Bisher haben wir über Medikamente gar nicht gesprochen.

LG
Fritzi
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