hanna hat geschrieben:Liebe Milla
Ach, das tut mir leid, dass Dich der Abend so runtergezogen hat. Ich kann mich in jeder Situation, die Du schilderst wiederfinden, wirklich, solche Abende bringen einen so an den Anschlag.
Natürlich darfst Du deshalb nicht an Dir zweifeln, liebe Milla, Du bist keineswegs eine VErsagerin, im Gegenteil, Du leistest Grossartiges!! Es ist so verzwickt, dass man diese Situationen, die ja objektiv gesehen nicht mehr als sehr anstrengend sind, dazu führen, dass man sofort in ein Loch fällt, sich als Versagerin fühlt, traurig wird etc. Ich sehe im Gegensatz dazu immer meinen Mann, der - wenn er selber so Situationen erlebt - sich zwar nervt und auch schon mal genervt mit den Kindern umgeht, aber nie an sich selber zweifelt- wenigstens nicht in dem Ausmass. Er sagt dann, "ja gut, ist halt anstrengend", "schlaf ich später" oder "kann ja morgen ausschlafen" oder "spätestens wenn sie heiraten hat sich das ausgewachsen" und gut ist.
Am besten den Abend als ... abhaken und den heutigen Tag geniessen. Und mit Sicherheit wird es Dir aber längerfristig besser gehen, wenn Du dir richtige Medikation hast. Dann werden Dir diese Situationen auch nicht mehr so zu schaffen machen, bzw. nicht mehr als notwendig. Weisst Du, am Wochenenden habe ich mit meinen Kindern Videos von vor einem Jahr angschaut. Ich habe Dir ja mal erzählt, dass ich bei einem ganz schlimmen Mittagessen mit Riesenchaos die Videokamera gezückt habe und dass mir das in dem Moment Abstand zur Situation gegeben hat. Ich weiss noch, wie ich damals dachte: Ich flipp jetzt aus, ich schlag einfach drein, ich hau alle oder laufe einfach aus dem Haus und überlasse diese Saugoofen ihrem Schicksal DAnn habe ich gefilmt und mir gings besser. Ja und am Sonntag gucke ich diese Szene an und was stelle ich fest: Es ist ja gar nicht so dramatisch gewesen, das Geschrei war weniger als ich es in Erinnerung hatte, am Boden lagen nur ein paar Erben, nicht das GANZE ESSEN, wie ich das in Erinnerung hatte. Aber DIE WAHRNEHMUNG damals war ganz eine andere, auch weil es mir damals noch viel schlechter ging. Eine Freundin von mir sagt immer: Wenn beide zusammen schreien, das finde ich richtig grossartig, eine wunderbar groteske Situation. Ich versuche das auch so zu sehen und seit es mir stabiler besser geht, ist mir das auch gelungen.
Kopf hoch, liebe Milla. Sieht der heutige Tag nicht besser aus?
Liebe Grüsse
Hanna
Liebe Hanna!
Vielen Dank für deine aufmunternde Worte,vor Allem diese:
"Du bist keineswegs eine VErsagerin, im Gegenteil,
Du leistest Grossartiges!!"
Da hast du vollkommen Recht!!!
Und du hast sicherlich Recht:die Wahrnehmung eines solchen stressigen Moments spielt auch eine große Rolle in dem Empfinden der Stressintensität.Ist man an einem solchen Tag psychich gesund,gelassen,innerlich ruhig,dann empfindet man das Chaos und das Schreien als nicht besonders stressig und vor Allem man kann sich selber sagen:"Ok,es ist nur ein Moment,in einer Stunde ist es vorbei,spätestens Morgen,also, nicht aufregen!"Das ist z.B. typisch für den Haushalt:es gibt schlechte Tage, wo die Verzweiflung gleich hochkommt,wenn ich den Saustall um mich herum sehe:"Mensch,ich habe das Haus gestern pico bello aufgeräumt,heute schaut es wieder, als ob ich nichts gemacht hätte.Ich bin wirklich nur die Putzfrau hier,zum ewigen Putzen und Aufräumen verdammt".Geht es mir aber gut,dann fange ich ganz einfach an aufzuräumen und zu putzen,ohne mich aufzuregen oder mich als Opfer zu fühlen.
Ja, an diesem Abend waren die Nerven unabhängig von der Situation schon angespannt,da hätte ich die absolute Ruhe gebraucht,um nicht auszuflippen.Aber ich war müde,wollte eben diese Ruhe und konnte sie nicht bekommen und da waren mir das normale, lebhafte Verhalten meiner Kinder schon zu viel.
Jedesmal,wenn mir sowas passiert, stelle ich mir im Nachhinein die Frage, was ich hätte anders machen können,um nicht gleich zu explodieren.Ich muß ehrlich sagen,ich weiß es nicht.Außer vorbeugen und dafür sorgen,daß ich an solchen Tagen nicht allein mit den Kids bin,was bedeutet,daß mein Sohn bei der Oma z.B. schläft, was ein großes Glück ist.
Aber ich wollte es diesmal nicht so machen,denn ich wollte mir selber beweisen,daß ich imstande bin,2 lebhafte Kinder abends allein ins Bett zu bringen.Ich glaube, es war der tatsächliche Fehler,mein eigener Stolz.
Andererseits wäre das Ganze sicherlich nicht so eskaliert,wenn mein Mann gleich erreichbar gewesen wäre und eine Viertelstunde später gekommen wäre.Stattdessen geht er abends ins Restaurant und schaltet sein Handy ab.Mann,war ich sauer auf ihn!Ich fühlte mich in Stich gelassen,verraten (es war ausgemacht,daß ich ihn bei Pb sofort anrufen sollte), allein mit meinen Pb gelassen.Da ich ihn nicht erreichen konnte,ist bei mir die Panik gleich hochgekommen,ich habe gedacht, jetzt muß ich noch bis 22-23 Uhr mit den 2 Tyrannen allein bleiben,es wird nicht besser, sondern immer schlimmer...aaaaaaahhhhhhhhhh!
Ich muß jetzt wirklich ein Gespräch mit meinem Mann führen,ihm klar machen,daß er abends immer erreichbar sein soll.Jetzt haben wir beschlossen,daß mein Sohn in seiner Abwesenheit immer bei der Oma schlafen wird,was er sehr gerne tut (darum habe ich da kein schlechtes Gewissen,denn es ist für ihn viel besser so,als eine hyterische Mama zu erleben).
Ich weiß aber immer noch nicht,falls diese Situation wieder eintreffen soll,z.B. weil die Oma in Urlaub wäre,was ich da machen könnte,um nicht durchzudrehen.Ja, vielleicht mir wieder eine Tafil-Packung zur Beruhigung besorgen,wäre schon was.
An deine Küchenkastastrophe mit deinen 3 Schreihälsen,das kaputte Gläschen inmitten der verschütteten Erbsen, kann ich mich gut erinnern.Ich finde es prima, daß du die Szene gefilmt hast,darüber kann man bestimmt später lachen und vielleicht auh nebenbei dem Ehemann den Beweis zeigen,daß Hausfrau eben kein cooler Job ist,wieviele Ehemänner sich das oft vorstellen!
Aber in diesem Fall wäre es mir komisch vorgekommen,meine 2 schreienden Kinder zu filmen.Und die Kraft dazu hätte ich nicht gehabt,dieses Schreien macht mich wahnsinnig,da bin ich nach einem schreienden Papa und 2 Schreibabys regelrecht "schreitraumatisiert".Mein Adrenalinspiegel schießt gleich in die Höhe,wenn ich dieses Schreien nur 1 Sekunde höre,ich bin dann so angespannt,daß ich nicht mehr imstande bin,meine Kinder zu beruhigen.Im Gegenteil,mein Körper bereitet sich auf die Flucht vor,mein Kopf wünscht sich nur noch die Flucht und um so mehr ich innerlich fliehe,um so mehr schreien die Kinder....ein Teufelskreis.Wäre immer jemand im Haus,um sich mal 5 Minuten um sie zu kümmern,dann würden solche Szenen nie passieren.Aber ich bin leider die meiste Zeit allein mit ihnen,nur abends und am WE kann sich mein Mann um sie kümmern,es sei denn,er ist auf Diensreise oder im Restaurant mit Kunden/Kollegen.
Ja, es geht mir wieder ganz gut,abgesehen von der Übelkeit und den Rückenschmerzen,die wahrscheinlich Nebenwirkungen des Verhütuungsringes sind.Hauptsache, der Kopf ist frei!
Danke Hanna für deine offene,ehrlich Antwort!Es tut einfach gut,zu erfahren,daß man nicht allein ist,daß andere Ähnliches erfahren haben,daß man kein Monster ist,weil man in stressigen Momenten die Nerven verliert.
Weißt du, was ich dabei wunderbar finde?Daß meine Kinder in ihrem zarten Alter so viel Verständnis für ihre kranke Mama haben,daß sie mir immer gleich verzeihen,wenn ich so ausgerastet bin.Mein Sohn hat mir z.B. am gleichen Abend 2 dicke Bussis gegeben,nachdem sein Papa ihn ins Bett gebracht hatte.Da habe ich Krokodiltränen geweint und habe mich um so mehr geschämt,ihn so angeschrien zu haben.Ich habe mich bei ihm entschuldigt und er hat mir verziehen.Am nächsten Tag ist er mir mit einem breiten Lächeln in den Arm gesprungen und da habe ich gewußt,daß er mich trotz diesen schrecklichen Momenten mich bedingungslos liebt,wie nur ein Kind lieben kann.Ich finde meine Kinder einfach wunderbar,ihre Liebe ist so rein,selbstlos,sie sind so dankbar, so verständnisvoll und wenn sie mir ihre Liebe zeigen,weiß ich, daß es richtig war,sie auf die Welt zu bringen!