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Verfasst: 24:12:2006 9:48
von Milla
Hallo Anna!

Ja, wir sind viele hier,die von traumatischen Kindheitserlebnissen gequält werden,obwohl wir keine Kinder mehr sind,leider!Ich bin auch davon überzeugt,daß diese Trauma (meine Therapeutin sprach von "posttraumatischer Belastungsstörung") die Hauptursache meiner Depressionen und Stimmungsschwankungen sind.

Es ist meiner Erfahrung nach sehr schwierig,das verletzte Kind in sich zu heilen (also sich nicht mehr als verletztes,abhängiges Kind zu fühlen,sondern als starker,unabhängiger Erwachsener),wenn man weiterhin Kontakt zu dem verletzenden,manipulierendem Elternteil hat,denn dadurch hat er die Möglichkeit uns weiter zu verletzen.

Mir z.B. geht es eindeutig besser,seitdem mein Vater gestorben ist.Er war mein "Hauptfolterer" und ich habe erst angefangen,mich selber zu spüren,mein "eigenes" Leben zu führen,meine eigene Ziele zu verfolgen,seitdem er gestorben ist.Auch wenn dieser Prozess bei Weitem noch nicht fertig ist (bin 36 Jahre alt) und ich von einer Abhängigkeit (die zu meinen Eltern) in die andere (die zu meinem Mann) gestolpert bin,bin ich guter Hoffnung,daß ich es irgendwann schaffen werde,diese Wunden definitiv zu heilen (wohl gemerkt,es sind Wunden,die bei neuen Verletzungen-z.B. durch den Partner,durch Mobbing am Arbeitsplatz,usw.,sich wieder öffnen können und schmerzen können-aber sie schliessen sich wieder!).

Zu meiner Mutter habe ich mittlerweile ein sehr gutes Verhältnis,denn sie hat sich auch seit dem Tode meines Vaters sehr zum Positiven verändert,von ihr höre ich keine Kritiken mehr,bekomme keine Befehle,sondern nur Liebe.Ich bin sehr glücklich darüber.

Sie hat übrigens auch geleugnet , daß ich als Kind und Jugendliche von meinem Vater geprügelt wurde.Jetzt spreche ich dieses Thema nicht mehr an,weil es keinen Sinn hat.Und ich möchte auch unsere neue harmonische Beziehung nicht dadurch gefährden.

Liebe Anna, ich weiß nicht,wie du es schaffen kannst,daß diese Vergangenheit dich nicht mehr quält.Ich denke aber,daß du deiner Mutter zu nichts verpflichtet bist,daß du nicht verpflichtet bist,sie weiter zu besuchen oder in Kontakt mit ihr zu bleiben (telefonisch z.B.)wenn sie dich weiter verletzt.Es ist absolut dein Recht,dich vor diesen Verletzungen zu schützen.

Meine väterliche Oma war auch eine solche manipulierende,ja perverse Frau (deren Glück also darin bestand,andere zu manipulieren,zu demütigen und verletzen).Meine Eltern fühlten sich trotzdem verpflichtet sie ein Mal im Monat zu besuchen (3 Stunden Fahrt).Diese Besuche waren mir ein Gräuel:diese Frau hat uns (mir und meiner Schwester,ihre einzigen Enkelkinder) nie ein Geschenk gegeben,nicht mal ein Bonbon.Bei diesen Besuchen war alles grau in grau:das Wetter,diese Großstadt (Lyon in Frankreich),das Altenheim,diese böse Oma.

Ich sage dir was:als sie endlich gestorben ist,waren wir alle erleichtert!!!

Ich schreibe dir das, weil ich nicht glaube,daß du dich verpflichtet fühlen solltest,deine Mutter weiter zu besuchen,nur damit deine Tochter ihre Oma sehen kann.Vielleicht ist es für deine Tochter auch nicht schön,diese Frau zu besuchen.

So,hier ein paar Infos noch zu Möglichkeiten,diese Trauma zu verarbeiten:

1)Zuerst die Bücher von Susann Forward:

Susan Forward

Vergiftete Kindheit. Vom Mißbrauch elterlicher Macht und seinen Folgen.

http://www.amazon.de/Vergiftete-Kindhei ... F8&s=books

Emotionale Erpressung. Wenn andere mit Gefühlen drohen.

2)Dann die Emdr-Therapie,die Marika gerade angefangen hat.Leider ist diese Therapie in Deutschland trotz zahlreicher wissentschaftlicher Beweise nocht nicht offiziel anerkannt und daher von den Krankenkassen nicht bezahlt:

http://www.amazon.de/Emotionale-Erpress ... F8&s=books

http://www.emdr-institut.de/

http://www.emdria.de/pages/service/down ... lieder.pdf

http://de.wikipedia.org/wiki/EMDR

http://www.traumatherapie.de/emdr/index.html

http://www.wbpsychotherapie.de/Homepage ... /EMDR.html

Die Erfinderin dieser neuen Therapie ist Francine Shapiro,eine amerikanische Psychologin:

Francine Shapiro

"EMDR in Aktion. Die neue Kurzzeit-Therapie in der Praxis"


http://www.amazon.de/EMDR-Aktion-neue-K ... F8&s=books


David Servan-Schreiber,französischer Psychiater,schreibt über diese Therapie in seinem sehr guten Buch:

"Die Neue Medizin der Emotionen
Stress, Angst, Depression : Gesund werden ohne Medikamente"


http://medizin-der-emotionen.deleg.oxym ... _article=2

http://www.nofreudnoprozac.org/

Ich überlege selber,eine solche Therapie anzufangen,leider ist der nächste Therapeut 3 Stunden (hin-und-zurück) von meinem Wohnort entfernt.

Ich wünsche dir ,daß du mindestens für die weihnachtliche Zeit diese schlimmen Verletzungen vergessen kannst und entspannte,erholsame Ferien mit deiner Familie verbringen kannst!
:D

LGMIlla

Verfasst: 24:12:2006 10:00
von Milla
Noch was:meine Therapeutin hatte mir ein Therapiekonzept gegeben,kurz bevor sie die Therapie abgebrochen hat (weil ich kein AD damals nahm und sie Angst hatte,ich könnte Selbstmord begehen und sie könnte von der Staatsanwaltschaft dafür verantwortlich gemacht werden,als strafrechtlich verfolgt werden-mir war es Recht,denn die Therapie hat mir gar nichts gebracht! :wink: ).

In diesem Konzept steht u.A. Folgendes:

"Sytematischer Ansatz:

Die Rollenzuweisung in dem sozialen System unserer Herkunfstfamilie ist oft ein Schlüssel zum Verständnis unserer seelischen Störung.In einem dysfunktionalen Familiensystem "opfern" sich die Kinder auf,um das kranke System aufrechtzuerhalten.

Durch die Familienaufstellung ermöglichen wir unseren Patientinnen,zu erfahren,welche Rolle ihnen durch Delegation zugewiesen wurde.Wir erarbeiten alternative funktionalere Rollen im Familiensystem,um den Patientinnen zu ermöglichen,eine Korrektur der stereotypen Rolleneinnahme in sozialen Systemen vorzunehmen."

Essgestörte Mädchen entwickeln z.B. oft ihre Krankheit, wenn die Ehe der Eltern droht,auseinander zu gehen.Durch die gemeinsame Sorge um die Tochter bleiben die Eltern miteinander.Die Krankheit der Tochter hilft also , das kranke Familiensystem aufrechtzuerhalten.Gleichfalls für die Depression oder andere seelische Störungen.

LGMilla

Verfasst: 26:12:2006 11:48
von crapaud
Liebe Milla,

tausend Dank für die Mühe, die Du Dir mit Deinem langen Beitrag gemacht hast - wow, ich bin ganz platt!

Das was Du über Deine Familie schreibst, finde ich sehr bedrückend. Ich kann mir gut vorstellen, dass Dich solche Erlebnisse heute noch verfolgen.

Es geht mir ganz ähnlich wie Dir: Nun bin ich schon 38 und fühle mich in Gegenwart meiner Mutter immer noch wie ein ausgeliefertes kleines Kind, wenn sich wieder dieser Mechanismus abspielt. Da ist irgendeine Situation, z. B. dass Lea oder ich ein furchtbar teures Geschenk von meiner Mutter bekommen haben (mein Mann meint, dass sie sich da von ihrem schlechten Gewissen freikaufen möchte). Als höflicher Mensch bedankt man sich ja dafür - und dann knallt meine Mutter kurz darauf wieder irgendeinen Spruch hin, für den ich ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen würde. Aus "Höflichkeit" murmle ich eine abgemilderte Erwiderung vor mich hin. Manchmal platzt mir aber der Kragen und ich schreie sie an, so wie neulich.

Das ist so eine blöde Mischung aus anerzogenem Dulden und dem Wunsch nach Freiheit, der nicht respektiert wird.

Deine Oma hätte sich sicher wunderbar mit meiner Mutter verstanden. War sie auch so gräßlich selbstgefällig und sah sich stets als liebevolle Frau, die sich für ihre Familie "aufgeopfert" hat?
Teile meiner Kindheitserlebnisse habe ich schon anderen Leuten erzählt und die fragten mich allen Ernstes, wie ich es geschafft habe, diese Frau nicht umzubringen - ha ha!

Deine Buchtipps finde ich super, besonders das 1. Buch scheint genau unser Thema zu treffen. Aber ich sage Dir, ich habe richtig Angst davor, dieses innere Kind zu treffen. Dann kommen wieder diese gräßlichen Gefühle hoch, andererseits kostet es wahrscheinlich mehr Energie und Lebensfreude, immer einem "Ersatzglück" hinterherzuhecheln, anstatt sein eigenes Leben zu leben.

Teilweise gelingt mir das ja, aber die Berührung mit meiner Familie ist immer noch häufig demütigend und wirft mich immer wieder zurück in die Vergangenheit. Es ist ja nicht nur meine Mutter alleine, sondern sie hat ein System aufgebaut, in dem auch meine Schwestern mich als mit ihrer Billigung und ihrer Meinung nach völlig zu Recht als Blitzableiter und für ihre Demütigungen mißbrauchen durften. Sie waren ja viel älter als ich und alle fanden es z. B. ok, das ich den Schwestern als Kind wie eine kleine Dienstbotin Knabbergebäck und Orangensaft (oder was sie sonst noch wollten) bringen mußte (das ist jetzt ein harmloses Beispiel für die Herabsetzungen). Erst später fragte ich, weshalb die beiden sich nicht in Bewegung setzen würden. Dann schauten mich alle betroffen an und erklärten mir wieder, wie böse ich doch sei. HILFE! Mit den beiden habe ich fast gar keinen Kontakt, aber ich vermisse sie auch nicht. Sie behandeln mich heute noch genauso wie damals und machen sich keinerlei Gedanken, ob es in Ordnung ist, ein Kind als Aschenputtel zu behandeln. Nun ja, dafür habe ich den Prinzen gekriegt :-)

Ich habe mich auch schon gefragt, ob das besser wird, wenn die betreffenden Personen nicht mehr leben. Dann denke ich mir, ob ich mir nicht Vorwürfe machen werde, wenn ich den Kontakt zu meiner Mutter zu Lebzeiten ganz abbreche. Schwierig. Ich denke, mein Kompromiß wird sein, dass ich sie Lea sehen lasse, aber ansonsten ganz aus meinem Leben herauszuhalten versuche. Übel ist es, wenn das nicht gelingt, wie z. B. neulich, als sie von meinem Autounfall hörte und gleich genüßlich halb Deutschland anrief (da war das Auto wahrscheinlich noch nicht mal abgeschleppt...). Nicht im Sinne von, "Die arme Anna", sondern "He he, hört mal, ich weiß was neues". Ekelhaft. DA ist mir dann die Wutader geplatzt und ich fragte sie, ob sie nicht noch die Zeitung anrufen wolle. Da war die arme Frau natürlich wieder ganz entsetzt über ihre grundlos böse Tochter....

Milla, Du hast doch die empfohlenen Bücher gelesen, wird denn da wirklich ein machbarer Lösungsweg angeboten?????
Eines wollte ich noch erzählen: Meine Schulzeit fand ich auch gräßlich und leider gab es da Situationen, die sehr an meine Familie erinnerten. Noch heute träume ich oft, dass ich wieder in der Schule sitze und einen sadistischen Lehrer vor mir habe. Und weißt Du, was dann jedes Mal passiert? Im Traum fällt mir dann ein, dass ich ja schon längst mein Abi habe und ich stehe auf und sage diesem Lehrer, dass ich den ganzen Kram nicht mehr nötig habe und stehe auf und GEHE und fühle mich unendlich frei. Ist das nicht toll?

Zwei Familienaufstellungen habe ich übrigens auch schon gemacht, war aber nicht so begeistert davon. Vom Grundsatz her klingt diese Theorie sehr interessant und würde wohl auch etwas bringen. Mich hat aber gestört, dass die betreffenden Therapeutinnen eine "guru-artige" Aura um sich aufbauten und ich fand, dass sie die Leute ziemlich manipuliert haben. So im Sinne, nun vergeß' mal Mama und Papa und mach aber auch schön artig, was die Therapeutin dir sagt und stell' ja keine kritischen Fragen. Von einer Abhängigkeit zur nächsten. Na ja.

Liebe Grüße
Anna

Verfasst: 27:12:2006 10:02
von Martina
Es geht mir ganz ähnlich wie Dir: Nun bin ich schon 38 und fühle mich in Gegenwart meiner Mutter immer noch wie ein ausgeliefertes kleines Kind, wenn sich wieder dieser Mechanismus abspielt. Da ist irgendeine Situation, z. B. dass Lea oder ich ein furchtbar teures Geschenk von meiner Mutter bekommen haben (mein Mann meint, dass sie sich da von ihrem schlechten Gewissen freikaufen möchte). Als höflicher Mensch bedankt man sich ja dafür - und dann knallt meine Mutter kurz darauf wieder irgendeinen Spruch hin, für den ich ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen würde. Aus "Höflichkeit" murmle ich eine abgemilderte Erwiderung vor mich hin. Manchmal platzt mir aber der Kragen und ich schreie sie an, so wie neulich.

Das ist so eine blöde Mischung aus anerzogenem Dulden und dem Wunsch nach Freiheit, der nicht respektiert wird.

Deine Oma hätte sich sicher wunderbar mit meiner Mutter verstanden. War sie auch so gräßlich selbstgefällig und sah sich stets als liebevolle Frau, die sich für ihre Familie "aufgeopfert" hat?
Teile meiner Kindheitserlebnisse habe ich schon anderen Leuten erzählt und die fragten mich allen Ernstes, wie ich es geschafft habe, diese Frau nicht umzubringen - ha ha!
Sag mal, Anna, du sprichst von mir, meiner Mutter und *meiner* Oma, oder?!? Ist ja nicht zu fassen, die Parallelen! GENAU so ist das bei mir auch.
Deine Buchtipps finde ich super, besonders das 1. Buch scheint genau unser Thema zu treffen. Aber ich sage Dir, ich habe richtig Angst davor, dieses innere Kind zu treffen. Dann kommen wieder diese gräßlichen Gefühle hoch, andererseits kostet es wahrscheinlich mehr Energie und Lebensfreude, immer einem "Ersatzglück" hinterherzuhecheln, anstatt sein eigenes Leben zu leben.


Anna, ich habe dir ja schonmal geschrieben, dass auch ich gelernt habe, mich mit meinem inneren Kind auseinanderzusetzen. Es ist beängstigend und schmerzhaft, ich weiß, aber die Begegnung lohnt sich. Du lernst, Verständnis für DICH zu bekommen, nachsichtig dir selbst gegenüber zu werden, zu verstehen, woher deine Schmerzen kommen und dir zuzugestehen, sie überhaupt haben zu dürfen. Du lernst, DEINEM inneren Kind DAS zu geben, das es von anderen nicht bekommen hat.

Neben dem Buch von Susan Forward, das Milla empfohlen hat, kann ich dir auch noch 2 weitere empfehlen (mein vorher erwähntes Lieblingsbuch "Liebeskummer lohnt sich doch" übrigens nicht zu vergessen, das ist der absolute Hammer ;-)) - "Das Kind in uns" von John Bradshaw" und "Aussöhnung mit dem inneren Kind" von Erika J. Chopich (dazu ist auch das sog. Arbeitsbuch sehr empfehlenswert).

Solange wir uns damit nicht auseinandersetzen werden wir von diesem nicht gehörten, noch schmerzenden inneren Kind gelenkt. Es ist wie ein Abszess - der wird auch erst heilen, wenn du ihn aufschneidest und das Schlechte darin rausdarf...
Ich habe mich auch schon gefragt, ob das besser wird, wenn die betreffenden Personen nicht mehr leben. Dann denke ich mir, ob ich mir nicht Vorwürfe machen werde, wenn ich den Kontakt zu meiner Mutter zu Lebzeiten ganz abbreche. Schwierig.
Genau solche Gedanken habe ich auch schon gehabt, grausam, nicht wahr?

Übrigens - auch ich habe keinen Kontakt mehr zu meinem Bruder und vermisse auch nichts!

Ich wünsche dir viel Erfolg auf deinem Weg,
liebe Grüße
Martina

Verfasst: 27:12:2006 13:28
von Milla
Hallo liebe Anna!
crapaud hat geschrieben:Liebe Milla,

tausend Dank für die Mühe, die Du Dir mit Deinem langen Beitrag gemacht hast - wow, ich bin ganz platt!
Nichts zu danken.Wenn wir uns da draußen keiner hilft,dann helfen wir uns hier gegenseitig!Das ist weibliche Solidarität!
crapaud hat geschrieben:Das was Du über Deine Familie schreibst, finde ich sehr bedrückend. Ich kann mir gut vorstellen, dass Dich solche Erlebnisse heute noch verfolgen.
Eigentlich nicht.Durch den Tode meines Vaters und den relativ großen Abstand zu diesen Ereignissen,habe ich das meiste hinter mir gebracht.Alles kommt aber wieder hoch,wenn mein Mann mich wieder verletzt.Da ich fühle ich mich wieder wie dieses hilfslose,gedemütigtes Kind von damals.Ich glaube,als Kind wollte ich schon sterben.Ich erinnere mich,wie ich abend im Bett lag und mir sagte:"Im September bin ich nicht mehr da,dann bin ich tot!"
crapaud hat geschrieben:Es geht mir ganz ähnlich wie Dir: Nun bin ich schon 38 und fühle mich in Gegenwart meiner Mutter immer noch wie ein ausgeliefertes kleines Kind, wenn sich wieder dieser Mechanismus abspielt. Da ist irgendeine Situation, z. B. dass Lea oder ich ein furchtbar teures Geschenk von meiner Mutter bekommen haben (mein Mann meint, dass sie sich da von ihrem schlechten Gewissen freikaufen möchte). Als höflicher Mensch bedankt man sich ja dafür - und dann knallt meine Mutter kurz darauf wieder irgendeinen Spruch hin, für den ich ihr am liebsten eine Ohrfeige verpassen würde. Aus "Höflichkeit" murmle ich eine abgemilderte Erwiderung vor mich hin. Manchmal platzt mir aber der Kragen und ich schreie sie an, so wie neulich."
Ja,genauso war es oft zwischen mir und meinen Eltern.Ich weiß noch,das war kurz bevor meine Mutter ihr Verhalten mir gegenüber geändert hat,2-3 Jahre vielleicht nach dem Tode meines Vaters.Ich war zu Besuch mit meinem Freund (mein Mann heute) , es war 11.30 Uhr oder sowas und ich saß gemütlich auf dem Sofa.Plötzlich schrie meine Mutter vom oberen Stockwerk:"Milla,deckt den Tisch!" so,mit ihrem Oberlehrerinton (sie war Lehrerin und kommandierte tatsächlich ihre Schüler-3 Jährigen!-tatsächlich wie ein Kommandant!).5 Minuten später geht sie runter und schrie mich wieder an:"Was,du hast den Tisch noch nicht gedeckt!Ich habe dir vor eine Viertelstunde gesagt du sollst ihn decken!" oder so etwas,auf einem sehr agressiven und gedemütigenden Ton,als ob sie mit einer 10jährigen sprechen würde.Ich habe aber diesmal nicht schweigsam gehorcht,wie damals als ich 10 Jahre alt war,sondern habe ihr gesagt,sie soll mir keine Befehle mehr geben,ich sei keinen Hund,oder so etwas.Ja, ich glaube,es war,als ob ich einen Hund gewesen wäre.

Ich glaube,das war das letzte Mal, daß sie mit mir so gesprochen hat.Sie hat sich dann verändert,ich weiß nicht warum.

Und so bin ich meine ganze Kindheit lang von ihr und meinem Vater behandelt worden.Sie haben mein Selbstwertgefühl systematisch begraben.
crapaud hat geschrieben:
Deine Oma hätte sich sicher wunderbar mit meiner Mutter verstanden. War sie auch so gräßlich selbstgefällig und sah sich stets als liebevolle Frau, die sich für ihre Familie "aufgeopfert" hat?
Teile meiner Kindheitserlebnisse habe ich schon anderen Leuten erzählt und die fragten mich allen Ernstes, wie ich es geschafft habe, diese Frau nicht umzubringen - ha ha!
Ich habe diese Frau persönlich zu wenig gekannt,um das zu wissen.Ich weiß nur,welche Bösheiten sie meinen Eltern angetan hat(ich war 6-7 Jahren als sie gestorben ist und habe sie nur während dieser Besuche gesehen).

crapaud hat geschrieben:Deine Buchtipps finde ich super, besonders das 1. Buch scheint genau unser Thema zu treffen. Aber ich sage Dir, ich habe richtig Angst davor, dieses innere Kind zu treffen. Dann kommen wieder diese gräßlichen Gefühle hoch, andererseits kostet es wahrscheinlich mehr Energie und Lebensfreude, immer einem "Ersatzglück" hinterherzuhecheln, anstatt sein eigenes Leben zu leben.
Ja, ich verstehe es.Bei mir ist es dasselbe.Als ich in der Therapie über die Mißhandlungen durch meinen Vater gesprochen habe,ging es mir so dreckig,daß ich der Therapeutin gesagt habe,daß ich nicht mehr über meine Vergangenheit sprechen wollte.Diese Erinnerung waren eine Art Re-Traumatisierung!
crapaud hat geschrieben:Teilweise gelingt mir das ja, aber die Berührung mit meiner Familie ist immer noch häufig demütigend und wirft mich immer wieder zurück in die Vergangenheit.
Oh,ja genau war es auch,als mein Vater noch lebte und bevor sich meine Mutter änderte.Meine Schwester zeigte aber,bevor ich vor 1 Jahr den Kontakt abbrach,das gleiche Verhalten.In einem Telefonat (das Letzte!) von gerade 5 Minuten schaffte sie es,mir 5 Kritiken an den Kopf zu werfen ("Warum machst du das?"und"Warum hast du das gemacht?""Du machst alles falsch" usw.Ich habe ihr gute Nacht gesagt,Tschüss gesagt und seitdem nie wieder mit ihr gesprochen!).Als wir zusammen wohnten,waren diese Kritiken und Demütigungen täglich:ich hatte die falschen Klamotten,die falsche Frisur,usw..(ihr ging es sowieso nur um das Äußere!).
crapaud hat geschrieben:Es ist ja nicht nur meine Mutter alleine, sondern sie hat ein System aufgebaut, in dem auch meine Schwestern mich als mit ihrer Billigung und ihrer Meinung nach völlig zu Recht als Blitzableiter und für ihre Demütigungen mißbrauchen durften. Sie waren ja viel älter als ich und alle fanden es z. B. ok, das ich den Schwestern als Kind wie eine kleine Dienstbotin Knabbergebäck und Orangensaft (oder was sie sonst noch wollten) bringen mußte (das ist jetzt ein harmloses Beispiel für die Herabsetzungen). Erst später fragte ich, weshalb die beiden sich nicht in Bewegung setzen würden. Dann schauten mich alle betroffen an und erklärten mir wieder, wie böse ich doch sei. HILFE! Mit den beiden habe ich fast gar keinen Kontakt, aber ich vermisse sie auch nicht. Sie behandeln mich heute noch genauso wie damals und machen sich keinerlei Gedanken, ob es in Ordnung ist, ein Kind als Aschenputtel zu behandeln. Nun ja, dafür habe ich den Prinzen gekriegt :-)
Ja,du hast es richtig verstanden,das ist ein Familiensystem,wo ein Kind das Opfer ist (wie die Juden es für die Christen in unserer Gesellschaft bis Hitler waren).
crapaud hat geschrieben:Ich habe mich auch schon gefragt, ob das besser wird, wenn die betreffenden Personen nicht mehr leben. Dann denke ich mir, ob ich mir nicht Vorwürfe machen werde, wenn ich den Kontakt zu meiner Mutter zu Lebzeiten ganz abbreche. Schwierig. Ich denke, mein Kompromiß wird sein, dass ich sie Lea sehen lasse, aber ansonsten ganz aus meinem Leben herauszuhalten versuche. Übel ist es, wenn das nicht gelingt, wie z. B. neulich, als sie von meinem Autounfall hörte und gleich genüßlich halb Deutschland anrief (da war das Auto wahrscheinlich noch nicht mal abgeschleppt...). Nicht im Sinne von, "Die arme Anna", sondern "He he, hört mal, ich weiß was neues". Ekelhaft. DA ist mir dann die Wutader geplatzt und ich fragte sie, ob sie nicht noch die Zeitung anrufen wolle. Da war die arme Frau natürlich wieder ganz entsetzt über ihre grundlos böse Tochter....
Hum,wie schon gesagt,mir es deutlich besser,seitdem mein Vater gestorben ist.Und ich meine Schwester nicht mehr sehe oder höre!
Wohnt deine Mutter in der gleichen Stadt?Wie hat sie erfahren,daß du einen Autounfall gehabt hast?

Ganz ehrlich,Anna,ich würde an deiner Stelle den Kontakt mit deiner Mutter,so wie du es mit deinen Schwestern schon gemacht hat,komplett abbrechen,auch wenn der Preis dafür ist,daß deine Tochter ihre Oma nicht mehr sieht.Denn nur so kannst du verhindern,daß sie dich nicht mehr verletzt und manipuliert.Denn im Grunde ist es ein Spiel für sie:sie provoziert dich durch ihre Bösheit, du reagierst darauf mit Gewalt und sie hat einen guten Grund,dich als böse abzustempeln und dir Schuldgefühle zu geben,so daß du dich verpflichtet fühlst,sie weiter zu sehen.


crapaud hat geschrieben:Milla, Du hast doch die empfohlenen Bücher gelesen, wird denn da wirklich ein machbarer Lösungsweg angeboten?????
Leider,wie ich das gerade Patricia geschrieben habe,habe ich diese Bücher noch nicht gelesen.Ich habe nur die erste Kapitel von Vergiftete Kindkeit gelesen.Zuerst aus Angst vor der Konfrontation mit den Wunden meiner Kindheit und auch wegen Zeitmangel.Aber das bißchen, was ich gelesen habe,war Klasse.Ja, sie gibt Rezepte , um diese Wunden zu heilen.Wie sie ausschauen und ob sie klappen,kann ich dir leider nicht sagen.Da mußt du das Buch selber,um es herauszufinden.

crapaud hat geschrieben:Eines wollte ich noch erzählen: Meine Schulzeit fand ich auch gräßlich und leider gab es da Situationen, die sehr an meine Familie erinnerten. Noch heute träume ich oft, dass ich wieder in der Schule sitze und einen sadistischen Lehrer vor mir habe. Und weißt Du, was dann jedes Mal passiert? Im Traum fällt mir dann ein, dass ich ja schon längst mein Abi habe und ich stehe auf und sage diesem Lehrer, dass ich den ganzen Kram nicht mehr nötig habe und stehe auf und GEHE und fühle mich unendlich frei. Ist das nicht toll?
Oh,ja, das ist klasse!!!ES ist sehr gut,meiner Meinung nach,wenn man REBELLIERT,Rebellion ist das Gegenteil von Depression,die im Grunde Resignation vor dem Feind bedeutet.Das heißt,du hast viele Ressourcen in dich,um gegen deine Folterer zu rebellieren und dich von ihrer Macht zu befreien.Sehr gut!!!
crapaud hat geschrieben:Zwei Familienaufstellungen habe ich übrigens auch schon gemacht, war aber nicht so begeistert davon. Vom Grundsatz her klingt diese Theorie sehr interessant und würde wohl auch etwas bringen. Mich hat aber gestört, dass die betreffenden Therapeutinnen eine "guru-artige" Aura um sich aufbauten und ich fand, dass sie die Leute ziemlich manipuliert haben. So im Sinne, nun vergeß' mal Mama und Papa und mach aber auch schön artig, was die Therapeutin dir sagt und stell' ja keine kritischen Fragen. Von einer Abhängigkeit zur nächsten. Na ja.
Ja, mit diesen Familienaufstellungen kann ich mich auch nicht wirklich anfreunden.Viele Heilpraktiker machen das und genau diese esotherische Kiste mag ich überhaupt nicht.Und diese Abhängigkeit,auch zu einem normalen Psychologen,davor habe ich auch Angst.

LGMilla

Liebe Grüße

PS Was das teuere Geschenk an deine Tochter anbelangt (was war das?):es scheint hier auch eine Methode zu sein,um dich zu manipulieren.Damit wollte sie erreichen,daß du dich ihr gegenüber schuldig fühlst.Und damit gibt sie sich selbst das Recht,dich zu demütigen.Also ich würde sagen:teuere Geschenke darf sie deiner Tochter weiter geben,aber DU als Mutter (und Nichtbeschenkte) bedankt dich nicht dafür!
Deine Tochter könnte das selber machen,indem sie ihrer Oma eine Zeichnung oder einen selbstgeschriebenen Brief schreibt.Aber DU hälst
dich da raus und gibt deiner Mutter dadurch keine Angriffsfläche.

Verfasst: 27:12:2006 14:14
von Martina
Milla,

ich kann dem nichts mehr hinzufügen. Du hast alles gesagt, und gut gesagt.

LG
Martina

Verfasst: 02:01:2007 21:55
von crapaud
Liebe Martina, liebe Milla,

erstmal Euch beiden und allen anderen Frauen im Forum alles, alles gute zum neuen Jahr!!!!

Milla, vielen Dank für Deinen neuen Beitrag. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie sehr es mich tröstet, dass ich nicht die einzige "böse Tochter" eines kranken Familiensystems bin! Manchmal ertappe ich mich wirklich bei dem Gedanken, ob nicht vielleicht ich selber verrückt bin, weil die anderen doch in der Überzahl sind.

Aber solch ein Familiensystem ist krank und demütigend und mein Psychologe meinte, dass solch eine Familie wie meine (und Deine!!!!) JEDEN Menschen in die Depression getrieben hätten. Als Kind hast Du ja nur die eine Familie und wenn sie Dich systematisch einkocht, zerbrichst Du irgendwie innerlich. Dass Du auch als Kind an Selbstmord gedacht hast, spricht für sich. Schrecklich. War es bei Dir auch so: Hauptsache, die Kleidung und die Nägel waren sauber und die Nachbarn wurden gegrüßt - wie mies es Dir innerlich ging, merkte keiner?

Wie verhält sich Deine Mutter denn gegenüber Deiner Schwester? Meine meinte doch tatsächlich, ICH solle mich bei denen entschuldigen. Unglaublich. Auch deren Verhaltensweisen ähneln denen in Deiner Familie: Ständige Kritik und ständige Hiebe unter die Gürtellinie. Für meine eine Schwester war ich stets die "Blöde" und der "Idiotin". Die andere bezeichnete mich als "Fettie" (ich trage Größe 36!) und als "Trampel". Die beiden hielten ja immer zusammen gegen meine Mutter.
Sie laden sich heute noch zu Weihnachten und Silvester ein - ich dagegen wurde nie (schon seit Jahrzehnten eine Tradition) eingeladen und wenn, dann nur, um meine Mutter zu fahren (das wurde mir auch so gesagt). Meine Mutter meinte dann allen Ernstes, ich solle auch noch bei den beiden während ihres schönen Festes anrufen (sie war natürlich immer mit dabei) und frohe Weihnachten wünschen. SOOO bescheuert ging es bei uns zu. Ich war selbstverständlich wieder die Böse und man sprach nicht mehr mit mir, weil ich mich weigerte, das zu tun. Soviel Selbstachtung hatte ich zum Glück auch in meinen schlimmsten Zeiten noch.

Allerdings tappen meine Schwestern auch heute noch in die ewige Krankheitsfalle unserer Mutter. Sie ist ja kerngesund, hat uns aber mit ihren ständigen Leiden von früh bis spät terrorisiert. Natürlich waren immer die Kinder an ihrer Unpäßlichkeit schuld. Mein Vater war dagegen wirklich sterbenskrank - aber neben Mama durfte es ja keinen Kranken geben. Deshalb wurde das Ganze totgeschwiegen, bis er wirklich tot war. Der arme Mann.

Milla, Du hast angedeutet, dass Du von Deinem Mann keine besondere Unterstützung erhältst. Das tut mir sehr leid. Ich weiß nicht, ob Du darüber schon im Forum berichtet hast. Du brauchst natürlich nichts darüber zu sagen, aber ich wollte trotzdem nachfragen, was da los ist.
Ich habe das Gefühl, dass Menschen mit einer Kindheitsgeschichte wie wir sich oft genau die Menschen als Partner und Freunde aussuchen, bei denen sie das Gleiche nochmal erleben. Angeblich will man so auch später immer wieder das eigene Kindheitstrauma aufarbeiten. Hoffentlich ist das bei Dir nicht so.

Meinen Freundeskreis habe ich jedenfalls ziemlich "entrümpelt", als mir das klar wurde.

Liebe Grüße
Anna

Verfasst: 02:01:2007 22:08
von sarah
liebe anna,

es gab zeiten, da habe ich mir so sehr gewünscht, dass meine eltern tot seien, speziell meine mutter.

es hat mich maßlos enttäuscht, dass sie offensichtlich kein interesse an meinen kindern zeigte. denn dieses gefühl kenne ich doch nur zu gut, der mutter egal zu sein, nicht beachtet zu werden, immer um aufmerksamkeit betteln, jede laune sensibelst abchecken und sich danach fügen.

ich habe aufgehört, erwartungen an meine familie zu stellen. jede nichterfüllung schmerzte noch mehr.

vieles habe ich versucht: therapie, briefe schreiben, meine wut und enttäuschung geradeaus ihr mitzuteilen, bücher gelesen ohne ende etc.

dann habe ich den kontakt total abgebrochen, aber nicht um den streit zu vergrößern, sondern um abstand und ruhe zu finden. langsam, ganz langsam hat sich dann etwas in den köpfen meiner eltern geregt.

aber ich bin immer auf der hut; denn ein gebranntes kind scheut ja bekanntlich das feuer.

lg, sarah

Verfasst: 03:01:2007 13:44
von Maria
Hallo Mädels!!!

Also wie ich schon in einem anderen Beitrag gesagt habe, war ich lange nicht mehr hier, ich hab diesen hier gerade gefunden.

Ich finde es furchtbar, daß einige von euch immer noch unter ihrer Mutter leiden müssen, und dann auch noch unter Geschwistern?
Ich dachte immer, es wäre schön gewesen, wenigstens einen Bruder oder eine Schwester gehabt zu haben, damit man wenigstens einen hat. Denn ich dachte, Geschwister halten zusammen, gerade in solchen Zeiten.
Aber das ist mir unverständlich... dazu fehlen mir die Worte.

Anna: wenn du von deiner Familie so abwertend behandelt wirst, denkst du nicht, es wird Zeit, mal komplett mit ihnen abzuschließen? Wenn du von deiner Mutter, wie du sagst, zu Festtagen nur gut genug bist für eine Fahrgelegenheit bzw Gastgeberin, dann, tut mir leid, wieso tust du dir das an? Irgendwann muß es doch mal möglich sein, in Frieden leben zu können, oder? Würdest du dich denn nicht auch z. B. von Freunden distanzieren, die so mit dir umspringen? Und bei der eigenen Familie ist das doch noch viel schlimmer. Ob Familie oder nicht, du mußt dein Leben leben, und wirklich entweder solche Dinge von dir abprallen lassen oder aber damit abschließen, das allein macht doch schon krank auf Dauer.

Nun, die Familie meines Mannes, in dessen Umkreis ich seit über acht Jahren lebe, ist vielleicht nicht direkt damit zu vergleichen. Aber man war dort lange Zeit auch nur ständigen Lästereien, Vorwürfen usw ausgeliefert, man wurde ausgenutzt bis nichts mehr zu holen war und wurde dann beleidigt weggeschoben (sinnbildlich gesprochen). Bis es mir irgendwann reichte. (Nun hat mein Mann mich allerdings unterstützt, er ist auch nicht bei denen komplett aufgewachsen, vielleicht deshalb.)
Irgendwann hab ich gelernt NEIN zu sagen, das hat ihnen zwar erstmal nicht gepasst, aber zumindest hab ich jetzt meine Ruhe. Und ehrlich gesagt, egal, wer das ist, mir ist es egal, ob es ihnen passt oder nicht, wichtig ist mein Gemütszustand und das Familienleben meiner eigenen kleinen Familie. Meine Kinder sollen sich diesen Quatsch nicht abkucken und vor allem nicht antun.
Oder?

Ob man negative Kindheitserinnerungen je vergessen kann? Nein, ich denke nicht. Man kann seinen Eltern vielleicht verzeihen, also ich kann es zumindest, das hängt aber stark davon ab, wie sie jetzt damit umgehen. Ich denke außerdem, vielleicht soll man es auch gar nicht vergessen, um es selber besser zu machen, aus diesem Kreislauf rauszukommen.
Zumindest nicht vergessen in diesem Sinne, wohl aber seinen Frieden damit schließen, es annehmen.

Vielleicht hilft es ein bißchen, sich klar zu machen, daß Frauen wie wir hier im Forum, unseren Eltern schon wenigstens einen Schritt voraus sind.
Wir versuchen, diesen Kreislauf zu durchbrechen, beschäftigen uns mit unseren Fehlern, machen uns Gedanken um unsere Kinder. Versuchen, es richtig zu machen. Ich würde sagen, wir sind auf dem richtigen Weg.

Das hab ich mir gedacht, als meine Mutter behauptete, sie hätte sich nichts vorzuwerfen, mir aber gleichzeitig trotzdem eine Erklärung gegeben hat. Da meine Mutter immer perfektes Verhalten von mir verlangt hat, und wehe, wenn nicht, (obwohl sie selber in Bezug auf liebevolles und verständnisvolles Verhalten so ziemlich alles falsch gemacht hat), war mir das wichtig, ihr gegenüber einen Vorsprung zu haben. Versteht ihr? Besser zu sein. Ich hatte lange Zeit Probleme damit, mich so anzunehmen, wie ich bin, und manchmal kommt das heute noch durch, wenn auch eher selten.
Mein Schritt war es, mich mit ihr auszusprechen. Entweder sie macht es oder nicht. Ich dachte mir, wenn nicht, dann hab ich ihr zumindest eine Gelegenheit gegeben, sich zu erklären, mich mit ihr zu versöhnen, dafür sollte sie eigentlich dankbar sein. Denn immerhin habe ich versucht, Verständnis für sie aufzubringen trotz dem, was sie mir angetan hat.
Aber sie hat es getan. Und dabei kamen Dinge zum Vorschein, die ich noch nicht wusste, z. B. dass mein Vater sie geschlagen haben soll.
Jetzt müsst ihr wissen, dass ich immer ein Papa-Kind war, und das natürlich ein Schock für mich war, vor allem, weil ich mich nicht daran erinnern konnte. Wieso konnte ich das nicht?
Nun, einmal, weil sie mich beim Streit meist ins Zimmer geschickt haben. Ich kann mich nur an einen Vorfall erinnern, nach dem meine Mutter sich den Arm gebrochen hat. Vor meiner geschlossenen Zimmertür. Meine Mutter behauptete, mein Vater hätte ihr den Arm gegen den Türrahmen geknallt, er behauptete, das stimmt nicht, es wäre ein Unfall gewesen. Jetzt kannte ich aber meine Mutter, wusste, dass sie sich gerne in was reinsteigert, es hätte wirklich ein Unfall sein können. Da mein Vater meine einzige Bezugsperson war, hab ich ihm geglaubt.
Und was soll ich jetzt glauben?
Ich glaube nicht, dass sie mittlerweile einen Grund hätte, sich das auszudenken, sie hat es mit der Wahrheit immer sehr genau genommen. Vielleicht ist sie überzeugt davon, dass es so gewesen ist, vielleicht war es so. Keine Ahnung.
Bei meinem letzten Besuch zu Hause, kam mein Vater zu Besuch. Es ist schrecklich. Ich habe für ihn nur Mitleid empfunden. Wir hatten die letzten Jahre keinen Kontakt, müsst ihr wissen. Er entschuldigte sich dafür, dass wir keinen Kontakt hatten, ich wollte nicht, dass er das tut. Ich habe zwar aus gutem Grund den Kontakt abgebrochen, weil ich es nicht einsah, ihm immer hinterher zu telefonieren, seit er eine neue Familie hat, aber mit einer Entschuldigung ist es nicht getan, deshalb hätte er sich das eigentlich sparen können.
Nun, naja, er versucht es jedenfalls jetzt. Zwar hat er noch nicht angerufen, immer nur per SMS, aber naja, vielleicht traut er sich auch nicht. Vielleicht hat er gemerkt, das sich was verändert hat. Er unterschreibt seine Texte mit seinem Vornamen...
Diese Leere und das Mitleid, das ich für ihn empfinde, erschrecken mich. Ich bin normalerweise nicht so. Es ist so, als wäre er nur ein armer, alter Mann.

Von daher ist es wohl doch noch nicht ganz durchgestanden. Aber ehrlich gesagt, solange ich noch hier lebe, werde ich auf keinen Fall mit ihm reden. Dabei muss ich ihm ins Gesicht sehen und die richtige Gelegenheit abwarten.

Liebe Grüße
Maria

Verfasst: 03:01:2007 22:35
von crapaud
Liebe Maria,

Du hast da etwas sehr Wichtiges geschrieben: Wir Frauen im Forum sind schon einen wesentlichen Schritt weiter als unsere Eltern! Wir machen uns Gedanken und allein schon die Tatsache, dass man schlimme Dinge erkennt und benennt, bringt einen schon viel viel weiter als die Leute, die immer noch alles leugnen und schön reden.

Mit meinen Schwestern habe ich keinen Kontakt mehr. Maria, sogar mir, die ich immer noch an das Rosarote glauben will, reichte deren Verhalten irgendwann. Die Nettigkeiten zu Weihnachten waren da einer der Auslöser. Ich hatte es irgendwann satt, denen immer hinterherzulaufen und dafür solche Bosheiten zu kassieren.

Wenn ich von anderen Leuten höre, wie gut sie sich mit ihren Geschwistern verstehen und wie sehr sie zusammenhalten, wird mir trotzdem manchmal ganz wehmütig zumute. Aber man kann die Menschen eben nicht ändern und meine Schwestern sind halt so. Deshalb werde ich mich ihnen aber ganz bestimmt nicht mehr aussetzen. Merkwürdig nur, dass sie meine Mutter zwar auch hassen, aber trotzdem deren Spielchen (meine Ausgrenzung gehört da auch dazu) weiter mitspielen. Dabei sind beide schon fast fünfzig!

Gräßlich ist meine Mutter. Ich versuche ja wirklich einen sachlichen Umgang mit ihr und sie scheint sich auch Mühe zu geben, obwohl sie überhaupt nicht checkt oder nicht checken will, was sie uns angetan hat. Für ihre Verhältnisse ist sie momentan durchaus nett zu mir.

Nur gibt es eben Dinge, die wie "hotbuttons" bei mir wirken, d.h. wenn ein bestimmter Spruch von ihr fällt, schrillt bei mir der Adrenalinspiegel ins Unendliche und ich fühle nur noch Haß. In solchen Momenten frage ich mich dann wieder, weshalb ich mir das antue und ob ich es nicht ganz bleiben lassen sollte. Bei solchen Äußerungen fahre ich sofort von ihr weg oder beende ein Telefonat. Diese Freiheit nehme ich mir schon.

Ich vermisse meine Mutter auch nicht, wenn ich keinen Kontakt zu ihr habe. Weshalb ich ihn nicht ganz abbreche? Schwierig zu sagen. Zum einen spielen da sicher ihre per Gehirnwäsche eingetrichterten Schuldgefühle eine Rolle. Zum anderen habe ich aber in den letzten Jahren auch viel über den Buddhismus gelesen und denke, dass sich auch meine Mutter Mühe gibt und ich sie nicht genauso mit Füßen treten sollte wie sie mich. Trotzdem alles schwierig. An meinem Selbstwertgefühl kratzt die alte Geschichte immer noch - ganz gleich, ob ich meine Mutter sehe oder nicht - und ich wüßte gerne, wie ich da herauskomme.

Maria, Deine Familiengeschichte klingt aber auch nicht so rosig. Ich finde es gut, dass Du den Schritt einer Aussprache gewagt hast und sich vieles klären ließ. Ich kenne Deine Eltern ja nicht, aber für mich stellt sich auch die Frage, was Deine Mutter davon hätte, wenn sie heute Geschichten über Mißhandlungen erfinden würde. Da scheint vielleicht doch etwas Wahres dran zu sein. Das erklärt sicher vieles, was Dir bisher merkwürdig vorkam. Schlimm, wenn so etwas passiert ist.

Liebe Grüße
Anna