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Schwierig
Verfasst: 11:07:2009 14:59
von Deria
Huhu,
mag auch was schreiben.
Ihr habt schon ganz tolle Dinge geschrieben und wie es immer so ist, jede von uns weiß doch im Grunde, was los ist (oder auch nicht) und trotzdem ist es so, das man selber gute Tipps geben kann und die für sich leider seltenst durchsetzt.
Was du schreibst, Leuchtkäfer, fühlt sich an wie eine einsame Kriegerin, die alles wuppen muss und nur ja niemanden um Hilfe bitten möchte oder kann. Ich finde das so wichtig: das dein Mann weiß, warum du manchmal so stinkig bist: hol' ihn dir ins Boot, Dinge, von denen man weiß, sind nicht mehr so irroational.
Es sind ja deinen Ängste und Befürchtungen und wenn du sie nicht teilst, bleibst du in deiner Spirale stecken.
Damals vor 22 Jahren, als meine Tochter geboren wurde, gab's Therapie in dem Sinne noch nicht und wie aus der alten Schule, mußte ich mich über mein Kind freuen (obwohl ich es mir auch oft weg wünschte) und immer piccobello aussehen, strahlendes Lächeln auf den Lippen und einen perfekten Haushalt.
Möglichst noch am Abend in rosafarbenem Neglige den Mann verführen - weil wir ja so top drauf sind.
Weißt du, was ich heute machen würde? Ich würde meinen Haushalt Haushalt sein lassen, würde mich um mein Kind kümmern, in den Tag hineinleben und das neue Leben gemeinsam mit meinem Kind verbringen.
Hätte ich die Chance die Uhr zurückzudrehen, dann wäre alles andere nicht mehr so wichtig, als das Kind und ich.
Dann würde ich um 16 Uhr immer noch im Schlafanzug rumrennen, ungeföhnt und ungeschminkt.
So können wir das nicht tun.
Meine Tochter war später ein sehr anhängliches Kind, was ja nicht grundsätzlich schlimm ist. Aber, sehr unsicher in ihrem Handeln und Tun. Ich hatte ja immer Angst, ich mache etwas falsch.
Habe ich es denn falsch gemacht?
Ich wußte doch nicht, wie's richtig geht. Ich habe intuitiv meine Tochter versorgt und hütete meine Zunge.
Ja, ich war oft genervt und heute würde ich mir das zugestehen.
Dieser Perfektionismus alles supertoll machen zu müssen: es liegt viel in dem Wort müssen. Wer sagt denn das?
Nur unserer innerer Antreiber, der eben meint: gib 1000 Prozent.
Anerkennung über Leistung.
Ein Baby zu bekommen und ein Kind großziehen ist so "normal"...das machen halt viele Familien.
Und doch: wenn ich ein Bild sehe mit einer wunderbaren Frau, einem symphatischen, gutaussehenden Mann und dem tollen gestylten Kind dazu - kann ich doch nicht hinter die Fassade gucken.
Medien tun eben ihr Übriges: in keiner Serie steht die Frau morgens verwuschelt und ungeschminkt aus dem Bett. Nein, sie küßt ihren Partner sogar noch (bäh, ich würde das nicht tun, der Nachtbelag hängt noch zwischen den Zähnen)...so gaukeln sie uns etwas vor, was in der Realität überhaupt nicht passiert.
Wenn man nicht alleine bleibt mit seinen Gefühlen, um Hilfe bitten mag (was ja kein Armutszeugnis für einen ist), dann haben Gefühle auch Platz, weil sie uns nicht überrennen und wir sie wohldosiert loslassen können...
Lg
Deria
Verfasst: 12:07:2009 13:33
von Leuchtkäfer
Hallo Euch allen,
vielen Dank, daß Ihr so tolle Antworten gegeben habt, die zeigen, daß Ihr über das nachdenkt, was ich geschrieben habe. Das freut mich sehr.
Tja, was soll ich sagen? Ich muß das alles wohl noch einige Male in Ruhe durchlesen.
mici: Das ist wirklich ein sehr schöner Text, den Du geschrieben hast, ich habe auch verstanden, was Du damit meinst.
Es ist nicht so, daß Ich Wut nicht kenne, ich kenne sogar Jähzorn bis zur sprichwörtlichen Weißglut. Wenn ich darüber nachdenke, weiß ich schon, warum ich nicht wütend sein will: Ich denke dann immer meine Freunde und die Familie mögen mich dann nicht mehr. Und im Moment habe ich kein Ventil für diese ganze Wut.
Die andere Frage, was perfekt ist: Es geht mir nicht um den Haushalt, die gut gestylte Ehefrau oder das blitzsauber angezogene, wohlerzogene Kind. Diese Ansprüche habe ich tatsächlich überhaupt nicht.
Mein Perfektionismus bezieht sich auf die Gefühlsebene. Ich möchte mich immer so verhalten, daß mein Kind glücklich ist und immer nur liebevolle Gefühle für meinen Sohn haben. Daß das nicht geht, weiß ich ganz genau.
Ich muß deswegen auch zugeben, daß mir die Tips mit Haushalt eben mal liegenlassen und Zeit für mich verbringen nicht viel bringen. Das ist nicht das Problem. Die ungewaschene Wäsche , die dreckige Küche oder der leere Kühlschrank stören mich nicht mehr oder weniger als vor dem Kind. Ich muß die ganze Zeit grübeln, ob ich gefühlsmäßig alles gut und richtig mache. Ständig und immer und immer vergleiche ich mich mit allen Müttern, die ich sehe und schneide als Rabenmutter ab, denn die sind sicher ach so glücklich.
Ihr merkt schon am Schreibstil, daß ich sehr wohl weiß, wie falsch diese Gedanken sind, aber wie ich schon geschrieben habe, es kommt in mir nicht ein Stück an. Wann wird das denn mal besser?
Marika: Deine Beispiele mit den Gegensätzen fand ich sehr schön. Ich habe auch schon versucht, für meine vermeindlich "schlechten Eigenschaften" positive Aspekte zu finden. Geholfen hat mir, daß Du sagst, es ging natürlich nicht von heute auf morgen und daß es Geduld braucht. Ich möchte auch lieber ein Mensch mit Ecken und Kanten sein, denn das macht doch die Persönlichkeit aus und das ist es, was ich an anderen interessant finde und nicht so ein aalglattes, auf Hochglanz poliertes Selbst. Aber, um bei dem Bild zu bleiben, an den Ecken und Kanten stoße ich mich zur Zeit selbst ganz schön...
Ich werde mir demnächst mal rausschreiben, was mir an Euren vielen guten Antworten schon weitergeholfen hat und das dann immer mal wieder lesen.
Nina: Du hast Recht, mein Sohn ist bestimmt zufrieden bei mir zu sein. Ich muß mich dann nur immer fragen, ob das reicht und was ist, wenn das nicht so bleibt. Sprich, ich mache mir Gedanken über ungelegte Eier. Darüber ärgere ich mich dann schon wieder und möchte, daß das nicht so ist... Wegen des Medikaments werde ich mal bei einen anderen Unterpunkt anfragen.
Also nochmal allen vielen Dank für die Antworten, ich wäre sehr froh, wenn Ihr mir noch weiter Denkanstöße geben würdet, das klar Denken ist im Moment irgendwie nicht meine Stärke.
Viele Grüße, Leuchtkäfer
Verfasst: 12:07:2009 14:32
von lotte
Hallo Leuchtkäfer,
Du schreibst u.a., dass Du immer nur positive Gefühle für deinen Sohn haben willst. Nun, er braucht aber auch die andere Seite, dass Mama mal wütend ist, oder keinen Bock hat usw. Auch Du bist nicht immer 100% glücklich - dass kann a) keiner von uns sein und
b) deswegen wird Dich aber niemand ablehnen. Ich hatte das auch mal ne Zeitlang (immer schön lieb, keine Aggressionen haben, es anderen recht machen durch Lächeln etc), aber genau das gehört ja auch zu mir, oder zu Dir dazu. Die andere Seite, unsere Schwächen, Ängste und schlechte Laune. Kein Grund zum Fürchten

Wie Marika schon schreibt, beides gehört einfach zum Leben dazu.
Ständig glücklich sein würde auf Dauer niemand aushalten (verliebte Paare zb sind anfangs voller Adrenalin etc, dann geht es runter, weil sie diesen Zustand nicht ewig vertragen könnten - auch rein biologisch

Und: auch wenn es Dir weh tut, dein Sohn kann nicht immer glücklich sein, weil er auch seine "Schattenseiten" haben wird, ja sogar haben wird müssen!
Wenn Du ihm "vorspielst", alles sei immer nur voller Liebe, wie soll er sich später zurecht finden im Leben? Wo es eben auch anders zugehen kann.
Außerdem darf und muss er lernen, dass auch Du "nur" ein Mensch bist, der sich für seine Gefühle - egal welche, nicht zu schämen braucht oder gar anderen was vorspielen muss (immer glücklich). Genau da liegt der Hund begraben: je mehr du dir vermeintlich neg. Gefühle regelrecht verbietest, desto "unglücklicher" kannst Du werden. Die berühmte Waage eben.
Ich bin mir sicher, dass es einfach ein bisserl Training braucht, damit es besser wird. Probiere doch mal aus, was passiert, wenn du deinen Gefühlen freien Lauf lässt. Keiner wird deswegen unglücklich sein oder dich gar ablehnen. Try and Error sozusagen
Hoffe, ich konnte etwas beisteuern

LG
Lotte
Verfasst: 12:07:2009 15:10
von lotte
Mit vorspielen meinte ich natürlich nicht, dass Leuchtis Gefühle nicht echt wären. Natürlich liebt sie ihren Sohn, keine Frage! Es ging mir darum, dass ich denke, dass Leuchtkäferchen sich die anderen Gefühle nicht eingestehen möchte/kann/will. Und/oder denkt, sie dürfe ihrem Sohn keine neag. Gefühle gegenüber haben/zeigen.
Hoffe, es ist jetzt bissi klarer?

LG
Lotte
Verfasst: 12:07:2009 19:12
von mici
Hallo Leuchtkäfer,
vielen Dank für das Kompliment.
Leuchtkäfer hat geschrieben:
Es ist nicht so, daß Ich Wut nicht kenne, ich kenne sogar Jähzorn bis zur sprichwörtlichen Weißglut. Wenn ich darüber nachdenke, weiß ich schon, warum ich nicht wütend sein will: Ich denke dann immer meine Freunde und die Familie mögen mich dann nicht mehr. Und im Moment habe ich kein Ventil für diese ganze Wut.
Zum Thema "Wut" habe ich noch eine kleine Frage. Worauf bist Du eigentlich so wütend? Sorry, wenn ich das vielleicht überlesen habe. Oder bist Du darauf wütend, dass Du lauter glückliche, gute Mütter siehst und dies selber nicht empfinden kannst? Oder ist es, dass Du wütend bist auf diese Gedanken, die Dir dann kommen, dass andere Mütter es so viel besser können, als Du?
Deine Vorstellung davon, wie Du Deinem Sohn gefühlsmäßig begegnen willst, erinnern mich an die buddhistische Lebensweise. Dort wird Gleichmut groß geschrieben. d.h. alle extremen Gefühlslagen sollen sich in der Mitte einpendeln. Man sollte möglichst auch keine Euphorie etc. mehr für etwas empfinden bzw. sich über etwas (sein Baby, z.B.) hellauf freuen. Also eine wie ich finde etwasfreudlose Angelegenheit. Meine Mutter folgt diesem Vorbild, so gut sie kann. Naja, jedem das seine.
Apropos Freud: Buddha war ja vor Freud und letzterer wiederum hat ja von der sog. Dreiteilung der Seele gesprochen, dem Ich, dem ES und dem Über-Ich. Und er hat auch allen drei Teilen die gleiche Gewichtung verliehen. Ich weiß nicht, was Du von Freud und der Psychoanalyse hältst. Man landet auf der Couch, wenn das Ich sich nicht mehr gegen Es und Über-Ich behaupten kann, wenn man also gar nicht mehr richtig spürt, was man eigentlich will, was man nicht will, was man darf etc. Dann hilft der Analytiker und bringt wieder etwas Ordnung in die Angelegenheit. Bei Dir habe ich auch ganz stark das Gefühl, dass Du selber, also Dein Ich, irgendwie verschüttet ist. Es wird umkämpft von Es und Über-Ich. Das Es (Triebe, Affekte, auch Wut) meldet sich und macht sich in Deinem Gefühlsleben breit. Dann kommt das Über-Ich (kann man auch mit Gewissen bezeichnen) und sagt: Zum Teufel mit der ganzen Wut! Wer wird denn da so wütend werden?!! Das darf aber nicht sein! Und das Ich? Sitzt mal wieder zwischen allen Stühlen und guckt ganz bedröppelt aus der Wäsche - wann die wohl endlich Ruhe geben, denkt es sich, und zieht ´ne Flunsch
MICI
Etwas zum Nachdenken
Verfasst: 12:07:2009 21:13
von AmoebeMS
Hallo Leuchtkäfer,
jetzt „mische ich mich auch ein“. Zwinker.
Vorab geschickt: ich finde diesen Beitrag wirklich klasse und alle Antworten. Ein sehr schöner Austausch, der hoffentlich vielen weiter helfen wird! Ist kein Scherz, sondern sehr ernst gemeint.
Leuchtkäfer, du schriebst:
„Ich muß die ganze Zeit grübeln, ob ich gefühlsmäßig alles gut und richtig mache. Ständig und immer und immer vergleiche ich mich mit allen Müttern, die ich sehe und schneide als Rabenmutter ab, denn die sind sicher ach so glücklich.“
Leuchtkäfer, hast du schon mal in die Seele einer der anderen Mütter hinein blicken können? Wenn ja, dann verrate mir bitte wie das geht? Das Gefühl, welches du von anderen Müttern vermittelt bekommst, ist nur ein subjektives Gefühl. Das wahre ICH der Personen kennst du nicht! Woher willst du wissen, dass sie alles richtig machen und du machst es falsch?!?!
Ich würde mich sehr freuen, wenn du uns allen mal schreibst, um welche Gedanken es dir speziell geht, die dich bedrücken. Damit wir noch mehr helfen können. Du hast den Perfektionismus und den Haushalt (unter dem auch viele leiden) bereits ausgeschlossen. Bleiben also „NUR“ die Gedanken und Gefühle. Würdest du / könntest du sie noch näher beschreiben?
Ich persönlich halte dies für extrem wichtig, weil man hier im Forum Frauen um sich hat, die gleiche Situationen durchgemacht haben und eben in diesen speziellen Situationen auch Hilfestellungen leisten können, wie man sein „Denken“ in einer solchen Phase wieder etwas umpolen kann.
Ganz liebe Grüße
Von AmoebeMS
P.S. Vielleicht könnte mir endlich mal jemand per PN sagen, wie ich Zitate einfügen kann. Dahinter bin ich nach 5 Monaten immer noch nicht gestiegen!
Verfasst: 13:07:2009 0:22
von Leuchtkäfer
Hallo Ihr alle,
nur noch mal ganz kurz, weil Ihr alle so lieb schreibt.
Ab morgen bin ich eine Weile verreist, gucke danach aber wieder rein.
Also erstmal Entwarnung wegen der Gefühle/Liebe aus lottes und Ninas Antworten. Ich weiß, daß ich meinen Sohn liebe und er sich bei uns wohfühlt (ich weiß nicht, ob man bei so einem kleinen Wesen schon von Gegenliebe sprechen kann, das ist doch irgendwie was Bewußtes. Aber Geborgenheit und Aufgehobensein spürt er sicher).
Ja, den Gefühlen freieren Lauf lassen. Das ist so ein Ding, mal sehen, muß ich wohl mal ausprobieren.
mici: Das trifft es wieder ganz gut. Ich kann echt nicht sagen, was ich will, nicht will oder gerade brauche. Das Gespür dafür ist mir abhanden gekommen. Ich bin generell total wütend und agressiv in mir drin. Es reicht eine Kleinigkeit und ich könnte explodieren. Nee, auf andere Mütter bin ich nicht wütend, da werde ich traurig. Vor allem bin ich wütend auf mich, weil ich so eine blöde Kuh bin und das alles hier nicht geregelt kriege.
Amoebe: Du, rational weiß ich, daß ich nicht in Leute reingucken kann und die natürlich auch nicht immer glücklich sind, das fühle ich nur in den Momenten nicht, wenn ich ihnen begegne. Ich versuche dann immer schon mir das selber zu sagen, hilft nur leider selten...
Perfektionismus ist keinesfalls aus dem Rennen. Nur eben einer auf der Gefühlsebene und nicht der nach außen hin. Ich glaube sogar im Gegenteil, daß das ein Hauptproblem ist.
So, neue Erkenntnisse habe ich auch nicht,
Euch also eine schöne Woche, ich melde mich,
Leuchtkäfer
Verfasst: 13:07:2009 7:14
von Marika
@Mici: Genau diese "Ich-Überich-Es" Theorie von Freud habe ich in Worten und sogar als Graphik hier bei mir über dem Bürotisch an die Wand gehängt - mein Psychiater hat sie mir gegeben. Man kann anhand dieser sehr gut verstehen, wie man zu so einem "Gefühlsdilemma" kommen kann.
Mir hat das damals auch ein Stück weit geholfen, zu verstehen, zu akzeptieren. Die Arbeit meines Psychiaters lag tatsächlich darin, mein "ICH" zu stärken, er übernahm in der Therapie die Rolle meines "gesunden Ich" um ein Spiegelbild zu erzeugen, wie er mir am Ende der Therapie dann mal erklärt hat!
Liebe Grüße von
Noch mal das gleiche, aber lang, tut mir leid.
Verfasst: 21:07:2009 22:50
von Leuchtkäfer
Hallo alle zusammen,
ich muß nochmal etwas zu demselben Thema schreiben. Bitte versteht mich jetzt nicht falsch, ihr habt bisher schon soviel geschrieben, aber irgendwie kommt in meinem Kopf nichts an. Ich kann gar nicht so recht in Worte fassen, was los ist.
Was mache ich denn falsch, was ist denn los, daß gar nichts in meinen Kopf geht?
Amoebe, Du hast geschrieben, ich soll doch mal konkret meine Gedanken äußern, ja vielleicht ist das gut, damit alles klarer wird.
Ich verstehe nicht, was ich gerade so schlimm finde, ich merke nur, daß ich mein Leben so nicht will, wie es gerade ist. Wenn ich nachdenke, was ich denn ändern möchte habe ich keine konkreten Ideen, weil doch eigentlich alles gut ist. Dann ärgere ich mich sofort über meine Gedanken, das ist doch einfach nur bescheuert. Ich habe anscheindend zuviel Zeit mir um alles und jedes einen Kopf zu machen...
Ich bin superangeödet vom nur zu Hause sein, habe aber auch keine Lust, mich zu verabreden, zu telefonieren oder was zu unternehmen.
Von dieser Lustlosigkeit werde ich nur noch unzufriedener und wütender.
Der Alltag mit meinem Sohn geht mir wahnsinnig auf die Nerven und das macht mir solche Schuldgefühle. Ich sollte es doch genießen, einen Sommer mit einem süßen Kind verbringen zu dürfen. Aber das kann ich blöde, blöde Kuh einfach nicht, sondern muß alles versauen, weil ich so eine beschissene PPD bekommen mußte.
Schau Dir doch andere Frauen an, die sehnsüchtig ein Kind wollen und Du hast ein gesundes, süßes bekommen und fragst Dich ständig, ob Du eins wolltest und kannst Dich nicht genug freuen. Was bist Du für ein undankbares Miststück.
So, jetzt bin ich richtig in Fahrt!!!
Was willst Du eigentlich im Leben? Bei Deiner Arbeit bist Du genauso schnell gelangweilt wie jetzt zu Hause, das kann es also auch nicht sein. Also, nicht aus vollem Herzen arbeiten wollen, das Kind nicht gerne haben wollen, alleine ist Dir aber auch schnell langweilig, verreisen tust Du auch nur ungern. Was für dämliche Kuh bist Du!?
Jetzt guck Dir an, wie süß und niedlich Dein SOhn ist. Der hat so eine Mutter wie Dich nicht verdient, die anscheinden nicht mal selber weiß, wo sie im Leben hinwill. Ja, ja und nach außen denken immer alle: Die kriegt alles toll hin, wie sie das macht ist es super. Wenn die wüßten, was Du denkst und was Du für eine doofe Kuh bist.
Kannst Du den Kopf nicht einfach mal ausschalten, Dir weniger Gedanken machen und die Dinge so nehmen wie sie kommen. Das kann ja wohl nicht so schwer sein.
So, das wars erstmal. Ihr müßt da nichts Schlaues drauf schreiben, das geht ja auch wohl kaum.
Wer bis hierher gekommen ist, Danke fürs Lesen. Ich bin so verwirrt, Sinnvolles bekomme ich im Moment nicht hin.
Gute Nacht von Leuchtkäfer
Verfasst: 21:07:2009 23:02
von Leuchtkäfer
Ach so, nochwas:
Ich will einfach nur in den Arm genommen werden und getröstet werden und jemand da haben, der sagt: Du Arme, das ist aber alles schlimm, ohne mir gleich vorszuhalten, was doch eigentlich alles gut ist.
Das weiß ich doch!!! Ich kann doch aber nichts dafür, daß ich das nicht so sehen kann.
Nochmal Gute Nacht
P.S. Morgen tun mir meine Worte und das Zuschwallen bestimmt Leid, ich will Euch ja nicht als seelischen Mülleimer benutzen.
Sicher kein schlauer Text, aber immerhin
Verfasst: 21:07:2009 23:45
von AmoebeMS
Hallo Leuchtkäfer,
ich musste gerade ganz breit grinsen. Tue ich meistens, wenn mir ein Text ganz toll gefällt. Zwinker.
Da du es so oft erwähntest: willkommen im Club der dämlichen Kühe! Kleiner Scherz am Rande; sollte doch erlaubt sein.
Missverstehe mich bitte nicht Süße, ich bin keine Ärztin oder so was, ich leide auch unter keiner PPD, sondern einer stinknormalen Depression, aber wenn ich mir deine Worte durchlese, so würde ich dir ein persönliches Attest für eine typische PPD ausstellen. Gegenmeinungen erwünscht.
Fazit: du stellst alles, jedes und jeden in Frage, du magst dein Leben nicht, bist angeödet und lustlos, magst dich plötzlich an rein gar nichts mehr erfreuen. Obwohl doch eigentlich alles prima läuft in deinem Leben, gell? Alles was du dir gewünscht hast, ist in Erfüllung gegangen. Nur scheint es gerade so zu sein, als wenn du eine Brille aufhättest mit Brillenstärke minus 4 Dioptrin bei gesunden Augen. Übertrage das jetzt bitte auf die Depression und dein Gehirn.
Die Botenstoffe spielen dir gerade einen netten Streich und die Gedanken im Kopf tun dann ihr übriges.
Leuchtkäfer, dir zu raten deine Gedanken zu kontrollieren und sie geringer werden zu lassen, ist schwer für mich. Hast du es in diesen Situationen schon mal mit STOP Anweisungen probiert? Ist mir ganz gut gelungen. Immer wenn ich grübelte, rief ich mir STOP zu (wink, an unsere "Kroatin" smaugerl, und ein dickes Danke (ihr Tipp)) und versuchte mich gleich abzulenken mit einer Tätigkeit, sei es Aufräumen, Sachen von rechts nach links tragen, egal. Ich weiß nicht wann diese Gedanken immer bei dir auftraten, aber bei mir waren sie sehr oft an den gleichen Stellen und Orten. Damit meine ich zb das Auto. Da habe ich dann Fingerspiele gemacht oder tief ein uns aus geatmet. Kommt so ein Gedanke, dann setze ich ihm etwas dagegen „Guten Morgen, auch schon wieder da“ oder „jetzt nicht bitte, komm in 10 min noch mal wieder“.
Jetzt noch zwei Sachen, ganz kurz:
1.) ich nehme aber ein AD! Du, glaube ich nicht. Das ist ein Unterschied. Mein Botenstoffhaushalt wird dadurch beeinflusst und wieder geordnet, so dass ich auch leichter meine Gedanken wieder unter Kontrolle bringen kann bzw. das Erlernte (die ganzen Übungen) auch leichter anwenden kann. Die „Gegenübungen“ werden vom Gehirn wieder gespeichert und stellen den „Normalzustand“ wieder her.
2.) Meiner Ansicht nach hast du eine Depression. Leider oder auch nicht leider, denn daraus kann man für die Zukunft viel mitnehmen – für sich UND seine Kinder. Vorsorge sozusagen. Das frühe Erkennen eines solchen Zustandes. Du solltest dir rasch Übungen beibringen, die dir helfen, in den verschiedensten Situationen deinen Gedanken entgegen zu wirken. Hast du Bücher zu Hause?
Du, ich nehme dich mal gerade virtuell in den Arm, aber sage ganz sicher nicht wie toll dein Leben doch eigentlich ist. Nein, sage ich nicht. Denn ich weiß, dass die Gedanken in deinem Kopf leider dazu beitragen, dass dein Leben gerade mal eine Achterbahnfahrt macht. Keine Sorge, aus einer Achterbahn kommt man wieder lebendig raus, wenn auch manchmal kotzend.
Es grüßt einer der seelischen Mülleimer
in diesem Fall die Amoebe
P.S. Wenn dir dein Text morgen wirklich leid tut, dann bist du auf dem aufsteigenden Ast bzw. hast einen „guten“ Tag!
Verfasst: 22:07:2009 21:08
von Leuchtkäfer
Hallo,
Danke fürs Lesen und die lieben Antworten.
Mir tut das Schreiben nicht leid, es geht mir heute aber trotzdem besser.
Die letzte Therapiestunde trägt etwas Früchte und ich bin nicht mehr ganz so hoffnungslos.
Außerdem muß ich zugeben, daß das Schreiben gestern über die ganze Wut mir echt geholfen hat. Das werde ich dann wohl öfter mal machen.
Aber kein Angst, nicht hier

.
Ich habe jetzt leider viel Angst vor dem nächsten "Loch", aber Angst vor der Angst war ja hier schon öfter Thema, bestimmt finde ich da was.
Jetzt noch eine für mich ganz elementare Frage, die irgendwie immer schon im Kopf war, jetzt aber mit Macht nach vorne drängt:
Schafft Ihr es, Euch so zu akzeptieren, wie Ihr seid (also z.B. mit viel, viel Wut im Bauch) und wenn wie macht Ihr das? Wie habt Ihr das gelernt, was hilft da?
Ich weiß, das geht nicht von heute auf morgen, aber das scheint bei mir ein Knackpunkt zu sein.
Einen schönen Abend noch,
Grüße von Leuchtkäfer
Verfasst: 23:07:2009 7:30
von Marika
Hallo,
ja - ich akzeptiere mich heute genau so wie ich bin mit all den guten Seiten und auch den anderen Gefühlen wie Wut, Ärger usw.
Geholfen das zu schaffen hat mir meine Therapie. Ich habe da gelernt, diese total überzogen Forderungen und Ansprüche an mich selber abzulegen. Mit der Stärkung meines Selbstvertrauens wuchs die Selbstliebe und mit ihr kam diese Akzeptanz, dass ich genau so wie ich bin liebenswert bin.
Es ist ein gutes Stück Weg bis dahin, aber es ist absolut zu schaffen!
Liebe Grüße von
Verfasst: 23:07:2009 8:45
von Elisabeth11
Hallo!
Jetzt muss ich da auch mal was dazu sagen: Ihr sprecht mir wirklich alle aus der Seele und auf der einen Seite find ich das fürchterlich traurig, dass es uns allen so schlecht geht. Aber die andere Seite ist doch die, dass wir eben krank sind. Und es ist eine Krankheit, die behandelbar ist. Meine ADs haben eben endlich ein wenig zu wirken begonnen, aber ich hab Angst vor dem nächsten Ab.
Und das ist das, was ich am schlimmsten finde. Diese blöde Krankheit verschleiert unsere wahrnehmung komplett. Vor lauter Angst vor dem nächsten Down können wir die guten Zeiten gar nicht so genießen und wir vergessen, dass wir in der Zeit "davor" auch schlechte Tage hatten. Ach Gott, als mein letzter Freund mit mir Schluss gemacht hat, hab ich ein Monat lang durchgeheult - aber ich hatte keine Angst vor einer Depression, das war der Unterschied. Ich hab den auch, den Anspruch, immer glücklich sein zu wollen und frag mich, wie ichs hinkriegen soll, bei einem schlechten Tag nicht gleich zu denken, scheiße, jetzt ist die PPD wieder da.
Und mit meiner ersten Tochter hatte ich keine PPD, aber scheiße gings mir trotzdem oft und geheult hab ich und müde war ich und unmotiviert und drei Kreuzzeichen hab ich gemacht, wenn endlich mein Mann nach Hause kam.
Außerdem muss ich sagen, hatte ich irgendwie die Vorstellung, wenn ich ADs nehme, bin ich wieder wie vorher und es gibt diese Downs nicht mehr. Ich denke, ich war einfach zu schlecht informiert.
Mein Ziel ist es, dahin zu kommen, wo ich, wie früher, gar nicht mehr drüber nachdenke, obs mir grad gut oder schlecht geht, sondern das eben hinzunehmen.
Aber ich denke, bis dahin ist es noch ein Stückchen Weg - und wir werden den gemeinsam gehen, was meint ihr?
Irgendwer hat gesagt, solange wir noch traurig sein können, können wir auch noch glücklich sein....
Lg Elisabeth
Verfasst: 23:07:2009 22:54
von mici
Hallo Leuchtkäfer,
alles, was Du in Deinem vorletzten Beitrag geschildert hast, sind typische Symptome einer PPD. Du hast quasi eine Stichwortliste abgeliefert derjenigen Symptome, die fast unvermeidlich mit einer PPD einhergehen. Du schilderst die Symptome und fragst Dich, was Du falsch machst, dass Du sie hast. Aber das ist genau der Punkt: Wenn Du Migräne hast und Dich deswegen übergeben musst (als ein mögliches Symptom von Migräne), fragst Du Dich doch auch nicht, was Du falsch gemacht hast. Du bist an einer PPD erkrankt und Du schreibst am Ende des Beitrages selber, dass Du doch nichts dafür kannst, dass sich bestimmte rationale Einsichten noch nicht auf der emotionalen Ebene niederschlagen, damit gibst Du Dir doch quasi die Antwort auf die Frage, was Du falsch machst, nämlich nichts! So einfach ist das. Klar wäre es schön, wenn Du MIT DER ZEIT Antworten auf viele Deiner Fragen finden würdest, Deine letzte Therapiesitzung hat Dir diesbezüglich vielleicht einen guten Anstoß geboten, aber MIT DER ZEIT verlieren Deine Fragen auch an Dringlichkeit und an Bedeutung für Dich, nämlich dann, wenn Du "über den Berg" bist und wieder auf dem Weg zur Gesundung.
Wie hast Du eigentlich inzwischen wegen der AD´s entschieden?!! Ich bin ja immer dafür, dass man es sich nicht schwerer machen sollte, als es ohnehin schon ist - Du setzt Dich so intensiv mit Dir auseinander, da wären AD´s vielleicht eine gute Unterstützung.
Wenn mein Therapeut von Deinem "Fall" hören würde, dann würde er sagen, dass Du deshalb im Moment keine Freude und keinen Antrieb verspürst, weil zwischen Dir und dem realen Leben etwas dazwischen steht. Nämlich die Wut. Du schreibst es immer wieder: Du spürst Wut auf Dich, auf Dein Leben etc, darfst es aber gleichzeitig nicht sein, weil Du Angst hast, dann nicht mehr gemocht zu werden. Du schreibst, dass Du in den Arm genommen und getröstet werden willst, OHNE gleich wieder allem etwas Positives abgewinnen zu müssen! Du schreibst es selber: Endlich hier mal richtig wütend sein zu dürfen und alles zu schreiben, tut Dir gut! Also gönn es Dir öfter, sei wütend auf Dich, auf Deinen Sohn, Deinen Mann, ... wie auch immer - es geht doch bei Dir darum, dass Du die Wut als ein Dir zugehöriges Gefühl anerkennst. Wenn Du das schaffst, dann wirst Du sie damit milde stimmen können.
Und: Ja, ich kann mich mittlerweile auch mit all meiner Wut ganz so annehmen, wie ich eben bin. Ich finde, dass man nie "fertig" ist, dass man nie einfach nur der ist, der man eben ist, sondern es gibt immer auch noch Entwicklungsmöglichkeiten, wenn man Zeit seines Lebens am Ball bleibt. Deswegen macht es mich nicht mehr nervös, wenn ich an mir etwas feststelle, was mich vielleicht stört. Ich sage mir einfach, dass ich dieses Feld beackern werde, wenn ich mal wieder Zeit dafür habe und bis dahin lebe ich halt einfach mit meinen Schwächen / offenen Fragen.
Weißt Du, ich habe es ja schon erwähnt, meine Mutter hat sich der buddhistischen Gesellschaft angeschlossen. Sie war Zeit ihres Lebens eine "graue Maus", ein Mauerblümchen sozusagen. Aber für ihre Arbeit bei "den Buddhisten" bereitet sie Vorträge vor, in denen sie über Stolz und Eitelkeit spricht, zwei sogenannten Untugenden, die es abzulegen gilt. Ich bin damals mit ihr wahnsinnig aneinander geraten, weil sie einfach beides nicht ist: nicht stolz und nicht eitel und trotzdem spricht davon, wie sie beides überwinden will. So wie Du. Du verkneifst Dir das Wütend-Sein und denkst schon darüber nach, wie Du es ganz loswerden willst! Das kann nicht funktionieren! Du musst es erst zulassen, wirklich! Glaub mir! Dann kannst Du es überwinden lernen.
Herzlichst, MICI