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Verfasst: 30:11:2006 23:07
von Jenny
Ich muss jetzt doch mal was dazu sagen.
Während meiner Depression war ich sogar ausgesprochen aggressiv - oder sagen wir besser "zickig". Ich wollte eigentlich nur meine Ruhe haben, am Liebsten gar nicht mehr da sein, aber das ging ja nicht. Ich hatte nicht nur das Neugeborene zu versorgen (was das geringste Problem war), sondern auch noch Mann, Hund, Haushalt und die damals zehnjährige Tochter.
Ich hatte es ja soo toll, musste nimmer arbeiten gehen, "nur" für die ganze Familie da sein - ich war einfach überfordert! Und wenn dann was net nach Plan lief (was läuft in einer Familie schon nach Plan?) und ich habe improvisieren müssen - da bin ich dann schon fast am Rande meiner Kraft gewsen. Und wehe, das Improvisierte war dann in meinen Augen net so perfekt wie das ursprünglich Geplante!
Ich habe geschimpft, geschrieen und geheult oder einfach gar nichts mehr gesagt. Oder einfach nur noch das Nötigste gemacht, denn es hatte ja in meinen Augen eh alles keinen Sinn...
Ich bin nicht der Typ, der schnell handgreiflich wird, aber in dieser Zeit habe ich die Älteste geohrfeigt und geschubst und meinem Mann eine heiße Tasse Kaffee ins Gesicht geschüttet
Wenn ich in dieser Situation in einem Umfeld gewesen wäre, das Gewalt akzeptiert - ich weiß nicht, was passiert wäre.
Ich denke, man ist in der psychischen Erkrankung schon anders als man "normalerweise" ist, aber nicht so sehr anders, als dass die Persönlichkeit nicht doch noch durchschimmern würde.
Man sagt immer:"Das fiele mir im Traum nicht ein!" wenn man sich etwas gar nicht vorstellen kann. Und wenn man sich gar nicht vorstellen kann, sein Kind zu misshandeln, wird man es auch in der Depression nicht tun.
Ich denke einfach, dass solche psychischen Ausnahmezustände genau wie Alkohol oder Drogen das, was in einem ist, noch verstärkt. Deshalb kann man nicht pauschal sagen, dass Frauen, die in der PPD sind, grundsätzlich ihre Kinder gefährden. Ein Auge drauf haben sollte man aber schon.
Verfasst: 01:12:2006 0:40
von Maria
@beka: sorry ich meinte Petra damit, hab ich vergessen, dazu zu schreiben.
Darauf, daß sie meinte, Aggression wäre das Gegenteil von Depression.
Ich gebe dir vollkommen recht, beka
LG Maria
Verfasst: 01:12:2006 12:57
von Julia73
Hallo auch,
ich war ja schon während der Schwangerschaft depressiv und da hatte ich auch ein gesteigertes Aggressionspotential. Es sind in der Zeit Legokästen (von meinem Partner) durch die Gegend geflogen, Türen haben sehr, sehr laut genknallt und ich habe eine Heizköperverkleidung eingetreten. Ganz schlimm, ich bin ansonsten wirklich kein agressiver Mensch. Nach der Geburt hat das dann aber erstaunlicherweise abgenommen. Ich glaube aber trotzdem nicht, dass sich in einer Krise befindende Frauen, eher auf ihr Kind los gehen, als andere. Die Agressionen kann man ja auch anders rauslassen (s.o.).
Zum Glück habe ich einen Partner an der Seite, der das alles mitgemacht hat und mich dann immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt hat (er hat in der schlimmsten Zeit am meisten meiner Wutausbrüche abgekriegt). Mannomann, schon krass, was "das" mit einem macht ...
Das noch mal von mir
Julia
Verfasst: 05:12:2006 7:40
von Runespoor
Hallo!
Es ist schwierig da eine pauschal Lösung zufinden. Von mir kann ich sagen das ich mehr Tendenzen hatte mir selbst weh zutun als anderen.
Sprich beim stillen immer wieder dumpf den Kopf gegen die Wand zu hauen usw.
Meinen Sohn schreie ich häufiger an, bin ungeduldig und geohrfeigt habe ich ihn auch schon ein paarmal. Aber ich denke es gibt da noch einen Unterschied zwischen Ohrfeigen und richtiger Mißhandlung. Und da sehe ich auch nen Unterschied. Meine Erfahrung bei den Thema Mißhandlung ist, das Mütter die es wirklich tun meist davon überzeugt sind die Supermamas zu sein, die alles richtig machen und nur das Kind ist so blöd das es nicht so funktioniert wie es soll.
Während Jenny, glaube ich zumindestens und ich auch nach einer Ohrfeige gegen unsere KInder selbst in der Ecke saßen und geheult haben das wir schlechte Mütter sind und das ist der Beweis für die Unfähigkeit mit den Kind umzugehen.
Meine Kleine habe ich auch schon ein paarmal angeschnauzt "Was sie für ein blödes Huhn" ist und mich dabei selbst schrecklich gefühlt.
Denke da ist es schwierig die richtige Balance zufinden. Aber ich bin froh das mir mein Freund vertraut und weiß das ich trotz psychischer Erkrankung mein bestes gebe das es den Kindern gut geht.
Gruß Antje
Verfasst: 05:12:2006 8:32
von Marika
Hallo!
Antje hat sicher recht - es ist bei jeder Mama wohl anders.
Ich persönlich konnte wohl wegen meiner ZG überhaupt keine Agrissivität gegen Noah zeigen. Das kann ich (Gott sei dank) auch heute noch nicht. Dafür tue ich mir aber auch schwer, dem Noah Grenzen zu setzen. Das ist dann die Kehrseite der Medaile.
Die ZG haben mich so fertig gemacht, dass ich alles nur erdenklich "Gute" für Noah getan habe. Nicht falsch verstehen - ich will mich nicht selber loben - möchte damit einfach nur sagen, dass es bei mir anders rum war und auch ist. Bei mir gibts nicht mal nen Fingerklopfer. Obwohl ich jetzt auch gelernt habe, mal strenger mit Noah zu sein und dass ich durchaus auch schimpfen kann und muß.
Liebe Grüße von
Verfasst: 05:12:2006 9:29
von Jenny
@ Runespoor: Ja stimmt, wenn ich meiner Großen mal eine gelangt hab, hats mir anschließend am Meisten weh getan.
War aber immer super erschreckt, was da doch kurz vor dem "Klatsch" an Hass und Wut zu spüren war.
Ich hätte manchmal die halbe Wohnung zertrümmern können und nur schreien, schreien, ... Trotzdem hatte ich immer das gefühl, dass das net wirklich erleichtern würde.
Verfasst: 05:12:2006 13:02
von hanna
Ich dachte am Anfang immer, ich bin sicher nicht depressiv, da sitzt man ja nur da und weint und ich bin vor allem wütend, auch traurig, aber sehr agressiv. Habe Sachen rumgeschmissen, auf den Boden geknallt etc., u.a. nur, damit ich meine Kinder nicht schlage (die aber ob der herumfliegenden Sachen und der schreienden Mutter sicher nicht weniger erschrocken sind). Andererseits hat sich ein Grossteil der Agression auch gegen mich gerichtet, vor allem in Form von Gedanken, Selbstmordgedanken und VErsagergedanken etc, oft aber auch körperlich, z.B. Kopf gegen Wand oder Boden. Meine Thera meinte mal zum Problem des Umgangs mit Schwierigkeiten und schweren (psychischen) Belastungen: Männer landen im Gefängnis, Frauen in der Psychiatrie, die einen kehren es gegen aussen, die anderen gegen sich selber. Ich fand, das hat was.
Verfasst: 08:12:2006 8:47
von Ava
Hallo alle,
bei mir waren während der Depression die Gefühle völlig verschüttet.
Erst als ich allmählich aus der Depression wieder auftauchte, FÜHLTE ich, was für eine RIESENWUT ich während der Depressionen hatte - WUT auf meinen Partner, weil er immer alles besser wußte, mich aber nicht unterstützte, sondern nur schlau daherredete, aber keine Gefühle mehr für mich hatte und kalt und hart war wie ein Eisklumpen. WUT auf meine Kinder, die mir tagtäglich vor Augen führten, dass ich überfordert war und nicht mehr klarkam und den Anforderungen nicht gewachsen war. Die WUT DER VERZWEIFLUNG über meine schlechte Ehe, die Ausweglosigkeit, die ich fühlte, richtete ich gegen mich - und wollte nur noch sterben. Ich gab mir die Schuld an allem. Ich habe meine Wut ganz ganz selten an meinen Kindern ausgelassen - und habe mich, wie viele PPD-Frauen, immer danach noch schlechter und schuldiger gefühlt.
Ich glaube, wir PPD-Frauen sind Meister im WUT unterdrücken. Ich finde aber auch, dass Wut rauslassen und an den Kindern auslassen nicht das Mittel der Wahl sein kann. Es ist doch ein Unterschied, ob ich auf mein Kinder wütend bin, weil er zum hundertsten Mal etwas tut, das es nicht tun soll - diese Wut zeige ich dann auch - oder ob ich wütend bin, weil ICH überfordert bin - dafür können die Kinder nichts, und deshalb ist es auch falsch, diese Wut, die mehr mit uns selbst zu tun hat, rauszulassen.
WUT ist ein ganz großes Thema bei Depressionen, finde ich.
Jetzt habe ich Euch zugetextet. Danke fürs Lesen, Ava