Verfasst: 03:06:2013 14:03
Hallo Graureiherin,
danke für die Informationen über Sabine Bode. Ich habe mit dem Buch von ihr angefangen (hatte leider noch nicht soviel Zeit dafür, wie ich mir wünsche), und finde es schon einmal interessant, wie die Kriegskinder durchgehend ihre Gefühle verdrängten (viele bis heute) und für wie selbstverständlich sie dieses Verdrängen empfinden bzw. gar nicht bemerken.
Mich macht es auch etwas traurig, dass die Zwangserkrankung eine chronische Erkrankung ist, aber ich habe trotzdem etwas Hoffnung (siehe etwas weiter unten). Ich finde überhaupt nicht, dass Du auf "hohem Niveau jammerst". Für mich hörst Du Dich so tapfer an, und man darf doch auch mal frustriert sein. Ich finde es verständlich, dass Du Dir Heilung durch Expositionen erhofft hast!
Ich finde es tröstlich, immer wieder von Erfolgen zu lesen, z. B. auf Zwänge.de, wo eine "Ehemalige" schreibt, dass sie tatsächlich geheilt ist von ihrer Zwangserkrankung und auch von so vielen anderen, denen es so viel besser geht nach einer Therapie und vielen Erkenntnissen. Z. B. der Erkenntnis, dass man sich annehmen darf, so wie man ist, mit allen Fehlern, mit allen Schwächen, dass man sich vertrauen darf, und das gerade als Zwängler! Ich glaube, wenn man sich das wirklich einmal verinnerlicht, und das bringt die Zeit und die Erfahrung, kann tatsächlich so etwas wie eine Gesundung eintreten.
Ich weiß nicht, ob ich es hier schon einmal geschrieben habe, aber mir hilft es sehr, was der Zwangsexperte David Althaus in seinem Buch schreibt:
Der menschliche Geist produziert (laut Salkovski) fortwährend mehr oder weniger sinnvolle und unsinnige Gedanken. In dem ständigen Strom menschlicher Assoziationen stellt das Auftauchen aller möglichen Gedankenzusammenhänge einen wichtigen Aspekt der möglichen Problemlösungskapazität dar. Man könnte den Vorgang mit einer Art Brainstorming vergleichen, bei dem zunächst alles Mögliche generiert wird, letztlich aber nur ein ganz kleiner Teil zur Anwendung kommt. Bei Zwangspatienten scheint es nun so zu sein, dass sie auf der Grundlage ungünstiger Grundhaltungen bereits die vorurteilsfreie Betrachtung der gesamten Bandbreite an produzierten Ideen als potentiell gefährlich bewerten. Allein schon das Auftauchen bestimmten Ideen erscheint auf der Basis ihrer Wertvorstellungen und Moral als problematisch, etc.....
Weiterhin schreibt er, dass wir Zwangspatienten diese Gedanken fehlinterpretieren.
Klar, diese Gedanken werden wir unser Leben lang haben, denn es sind ja an sich normale Gedanken, die jeder hat. Auch "fiese" Gedanken innerhalb dieses "Brainstormings" gehören ja zum normalen Gedankenrepertoire. Wir Zwangspatienten müssen "nur" lernen, diese Gedanken angemessen zu bewerten, und zu erkennen, dass sie umso kommen, je mehr man sie sich verbietet. Gerade Zwangspatienten sind ja aufgrund ihres hohen Moralempfindens und weil sie ein hohes Verantwortungsgefühl haben, besonders feinfühlig, fühlen sich vielleicht aber auch schneller überfordert in stressigen Situationen. Wenn man lernt, sich zu vertrauen, erschrickt man auch nicht mehr so sehr vor diesen Gedanken und erkennt, dass sie genauso da sein dürfen wie "schöne" Gedanken.
Ich bin jedesmal dankbar und auch ein bißchen stolz, wenn ich es geschafft habe, einen ZG als solchen zu identifizieren und mich nicht mehr so früher deswegen zu zerquälen.
Deine Frage bezüglich des Fallens in alte Muster (recht machen):
Muster:
Situation: Ich habe z. B. eine andere (unkonventionelle) Meinung als
eine von mir als wichtig empfundene, aber (meist) konservative (oder aber auch dominante) Person.
Alte Reaktion: Ich muss es dieser Person trotzdem irgendwie recht machen, mich verbiegen, sonst : Ablehnung, Ausgrenzung etc., da sie stärker, mächtiger ist als ich.
Neue Reaktion: Ich bin alleine stark (und gar nicht so hilflos, dumm, schlecht, wie ich immer befürchtet habe und der andere nicht unbedingt "besser" als ich. )
Und darüberhinaus mir klarmachen: Es gibt andere Menschen, die mich mögen.
Die Gruppe und mein Therapeut (und auch mein Freund, teilweise Familie, meine Freunde) helfen mir da unermüdlich. Es braucht einfach Zeit, das zu verinnerlichen. Aber ich sehe immer häufiger kleine Erfolge:
Ich habe dies und jenes alleine geschafft und darauf geachtet, es alleine zu schaffen, habe diese und jene Person aus meinem Leben entlassen, weil sie mir nicht gut tut, empfinde hier und da richtig Liebevolles für mich etc.
Kennst Du das Buch "Besuch bei den Hottentotten" von Manuela Golz? Sie beschreibt dort die Auseinandersetung eines Mädels in der Pubertät mit ihrem autoritären Vater und ihre Besuche in der Landkommune ihres Bruders Anfang der 80er Jahre.
So wie es dort beschrieben ist, hätte ich selber gerne mich abzugrenzen gelernt.
Mein Therapeut meinte, bei mir fehlt wohl dieser Entwicklungsabschnitt.
Zum Thema Traumatherapie:
Ich weiß nicht, ob ich es überlesen habe: gibt es so wenige Traumexperten und sind diese so chronisch ausgebucht?
Liebe Grüße und ich hoffe, Dir geht es wieder besser!
danke für die Informationen über Sabine Bode. Ich habe mit dem Buch von ihr angefangen (hatte leider noch nicht soviel Zeit dafür, wie ich mir wünsche), und finde es schon einmal interessant, wie die Kriegskinder durchgehend ihre Gefühle verdrängten (viele bis heute) und für wie selbstverständlich sie dieses Verdrängen empfinden bzw. gar nicht bemerken.
Mich macht es auch etwas traurig, dass die Zwangserkrankung eine chronische Erkrankung ist, aber ich habe trotzdem etwas Hoffnung (siehe etwas weiter unten). Ich finde überhaupt nicht, dass Du auf "hohem Niveau jammerst". Für mich hörst Du Dich so tapfer an, und man darf doch auch mal frustriert sein. Ich finde es verständlich, dass Du Dir Heilung durch Expositionen erhofft hast!
Ich finde es tröstlich, immer wieder von Erfolgen zu lesen, z. B. auf Zwänge.de, wo eine "Ehemalige" schreibt, dass sie tatsächlich geheilt ist von ihrer Zwangserkrankung und auch von so vielen anderen, denen es so viel besser geht nach einer Therapie und vielen Erkenntnissen. Z. B. der Erkenntnis, dass man sich annehmen darf, so wie man ist, mit allen Fehlern, mit allen Schwächen, dass man sich vertrauen darf, und das gerade als Zwängler! Ich glaube, wenn man sich das wirklich einmal verinnerlicht, und das bringt die Zeit und die Erfahrung, kann tatsächlich so etwas wie eine Gesundung eintreten.
Ich weiß nicht, ob ich es hier schon einmal geschrieben habe, aber mir hilft es sehr, was der Zwangsexperte David Althaus in seinem Buch schreibt:
Der menschliche Geist produziert (laut Salkovski) fortwährend mehr oder weniger sinnvolle und unsinnige Gedanken. In dem ständigen Strom menschlicher Assoziationen stellt das Auftauchen aller möglichen Gedankenzusammenhänge einen wichtigen Aspekt der möglichen Problemlösungskapazität dar. Man könnte den Vorgang mit einer Art Brainstorming vergleichen, bei dem zunächst alles Mögliche generiert wird, letztlich aber nur ein ganz kleiner Teil zur Anwendung kommt. Bei Zwangspatienten scheint es nun so zu sein, dass sie auf der Grundlage ungünstiger Grundhaltungen bereits die vorurteilsfreie Betrachtung der gesamten Bandbreite an produzierten Ideen als potentiell gefährlich bewerten. Allein schon das Auftauchen bestimmten Ideen erscheint auf der Basis ihrer Wertvorstellungen und Moral als problematisch, etc.....
Weiterhin schreibt er, dass wir Zwangspatienten diese Gedanken fehlinterpretieren.
Klar, diese Gedanken werden wir unser Leben lang haben, denn es sind ja an sich normale Gedanken, die jeder hat. Auch "fiese" Gedanken innerhalb dieses "Brainstormings" gehören ja zum normalen Gedankenrepertoire. Wir Zwangspatienten müssen "nur" lernen, diese Gedanken angemessen zu bewerten, und zu erkennen, dass sie umso kommen, je mehr man sie sich verbietet. Gerade Zwangspatienten sind ja aufgrund ihres hohen Moralempfindens und weil sie ein hohes Verantwortungsgefühl haben, besonders feinfühlig, fühlen sich vielleicht aber auch schneller überfordert in stressigen Situationen. Wenn man lernt, sich zu vertrauen, erschrickt man auch nicht mehr so sehr vor diesen Gedanken und erkennt, dass sie genauso da sein dürfen wie "schöne" Gedanken.
Ich bin jedesmal dankbar und auch ein bißchen stolz, wenn ich es geschafft habe, einen ZG als solchen zu identifizieren und mich nicht mehr so früher deswegen zu zerquälen.
Deine Frage bezüglich des Fallens in alte Muster (recht machen):
Muster:
Situation: Ich habe z. B. eine andere (unkonventionelle) Meinung als
eine von mir als wichtig empfundene, aber (meist) konservative (oder aber auch dominante) Person.
Alte Reaktion: Ich muss es dieser Person trotzdem irgendwie recht machen, mich verbiegen, sonst : Ablehnung, Ausgrenzung etc., da sie stärker, mächtiger ist als ich.
Neue Reaktion: Ich bin alleine stark (und gar nicht so hilflos, dumm, schlecht, wie ich immer befürchtet habe und der andere nicht unbedingt "besser" als ich. )
Und darüberhinaus mir klarmachen: Es gibt andere Menschen, die mich mögen.
Die Gruppe und mein Therapeut (und auch mein Freund, teilweise Familie, meine Freunde) helfen mir da unermüdlich. Es braucht einfach Zeit, das zu verinnerlichen. Aber ich sehe immer häufiger kleine Erfolge:
Ich habe dies und jenes alleine geschafft und darauf geachtet, es alleine zu schaffen, habe diese und jene Person aus meinem Leben entlassen, weil sie mir nicht gut tut, empfinde hier und da richtig Liebevolles für mich etc.
Kennst Du das Buch "Besuch bei den Hottentotten" von Manuela Golz? Sie beschreibt dort die Auseinandersetung eines Mädels in der Pubertät mit ihrem autoritären Vater und ihre Besuche in der Landkommune ihres Bruders Anfang der 80er Jahre.
So wie es dort beschrieben ist, hätte ich selber gerne mich abzugrenzen gelernt.
Mein Therapeut meinte, bei mir fehlt wohl dieser Entwicklungsabschnitt.
Zum Thema Traumatherapie:
Ich weiß nicht, ob ich es überlesen habe: gibt es so wenige Traumexperten und sind diese so chronisch ausgebucht?
Liebe Grüße und ich hoffe, Dir geht es wieder besser!