Da bin ich nun - entschuldigt, der Beitrag ist ellenlang...
Verfasst: 28:02:2012 15:21
Hallo,
ich habe mehrere Nächte an meinem Vorstellungs-Beitrag geschrieben, leider ist er viel zu lang geworden. Ich habe versucht ihn zu kürzen, aber irgendwie halte ich alle darin enthaltenen Informationen für relevant. Entschuldigt also den schriftlichen Erguß - es hat aber auch gut getan, sich alles mal runterzuschreiben...
Im September 2011 kam unsere Tochter per Kaiserschnitt zur Welt; die Risikoschwangerschaft hatte ich nur bedingt genießen können, ich hatte immer Angst, es würde mir oder dem Kind etwas passieren. Den Kaiserschnitt empfand ich (obgleich er geplant war und kein Not-KS) als irgendwie traumatisch, und es hat mich lange in meinen Träumen verfolgt (inzwischen hat sich das ein wenig gelegt).
Ziemlich fertig gemacht hat es mich, dass während der Schwangerschaft immer und wieder Erinnerungen an die eigene Kindheit hochkamen, unschöne Erinnerungen. Ich bemerkte, dass ich zu meinen Eltern hin mehr und mehr auf Distanz ging. Der Kontakt zu den Schwiegereltern ist nicht unfreundlich, aber sehr oberflächlich - die sind einfach so, dass man sich mit ihnen prima übers Wetter unterhalten kann, mehr aber auch nicht.
Nachdem das Kind auf der Welt war, fühlte ich erst einmal nichts; dann kamen die Schmerzen. Die (große) KS-Narbe tat natürlich sehr weh, und es dauerte drei Monate, ehe ich mich wieder ansatzweise wie "ich" fühlte. Ganz schlecht ging es mir nach dem Kontrolle-Ultraschall, der vor Verlassen der Klinik nach der Geburt nochmal gemacht wurde: bis dahin war eigentlich alles okay gewesen. Aber nun fuhr dieser Arzt mit dem Ultraschallkopf über meinen Bauch, und darin… war nichts mehr. Vor wenigen Tagen hatte da noch meine kleine Maus gezappelt, und nun war sie weg. Dass sie ein paar Türen weiter im Bettchen schlief bedeutete mir in dem Moment nichts. Ich weinte. Dann kamen Wassereinlagerungen, Verstopfung, darauf aufbauend Probleme mit Hämorrhoiden bzw. Fissuren, ein Neurodermitis-Schub im Gesicht, Wurzelbehandlung - ständig war was.
Das Schlimmste war jedoch: unser Baby ist ein Schreibaby. Die ersten 3,5 Monate hat sie praktisch in einem Stück gebrüllt - sie wurde getragen und gestillt, im Familienbett bekuschelt, doch es nutzte nichts. Sie schrie so laut, dass keine Unterhaltung mehr möglich war - das ging quasi schon im Kreißsaal los. Meine Ohren "flatterten" richtig, ich weiss nicht, wie ich das beschreiben soll. Ich war völlig hilflos. Die Zeit war endlos. Der Haushalt verwahrloste, ich konnte nur essen, wenn mein Mann mir was richtete. Der wiederum konnte jeden Morgen duschen und anschließend zur Arbeit fahren - was hab ich ihn beneidet.
Mein Frauenarzt überwies mich mit Verdacht auf PPD an eine Therapeutin; den Termin nahm ich auch wahr, auch wenn ich mich da fast nicht hintraute. Sie wollte sich aber gar nicht so recht unterhalten, ließ mich meine Situation kaum schildern, sondern wollte mir direkt Medikamente verschreiben. Sie gab mir ein Rezept für Sertralin (?), das ich aber nicht einlöste. Im Beipackzettel steht, es sei das Mittel der Wahl in der Stillzeit, doch keiner weiß, was davon beim Kind ankommt. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, meinem Kind eventuell damit zu schaden, und den Gedanken ans Abstillen konnte ich überhaupt nicht ertragen.
Das Stillen ist ganz ein problematisches Thema: am Anfang lief es wunderbar, aber nach den ersten 2 Wochen zu Hause kam der Einbruch, kaum noch Milch, das Kind ständig Hunger. Ich war oft kurz vorm Abstillen, und das einzige, was mich davon abhielt war der Gedanke: das Stillen ist das einzige, was mich "einzigartig" für meine Tochter macht. Solange ich sie stille, braucht sie mich. Und dann muss ich sie auch dann an mich heranlassen, wenn ich eigentlich nicht will - nach ihren stundenlangen Schreiattacken hätte ich sie meist am liebsten weit von mir weg gehalten. Oft habe ich den Eindruck, das Stillen sei das einzige, was mich mit meiner Tochter verbindet. Und der einzige Moment, in dem sie sich bei mir wohl fühlt. Inzwischen läuft das Stillen sehr gut, aber ich denke schon mit Panik an die Einführung der Beikost.
Inzwischen schreit sie etwas weniger, und sie kann sogar sehr viel und total niedlich lachen. Sie ist so süß wenn sie gluckst. Aber sie hat einen starken Willen, auch der Kinderarzt ist davon immer wieder beeindruckt. Im täglichen Leben sieht das dann so aus, dass sie tobt, wenn ich sie beispielsweise anziehe. Mit Menschenmengen kann sie auch nichts anfangen, oder auch sowas wie das Einkaufszentrum - das mag sie gar nicht. Von hier auf jetzt wird sie hochrot im Gesicht, und sie schreit so laut, dass alle im Umkreis erschrecken. Sie holt kaum Luft dabei und tobt regelrecht, und jetzt, wo sie langsam mobiler wird, fuchtelt sie auch mit den Armen um sich, was durchaus schmerzhaft sein kann. Das Schlimme ist jedoch, dass ich damit nicht umgehen kann: ich werde inzwischen, und das war anfangs tatsächlich nicht so, nervös, und meine Hände und Knie fangen an zu zittern. Ich glaube, ich habe Angst vor meinem Kind und seinen Ausbrüchen. Ich bin einerseits traurig, dass sie traurig ist und sich nicht trösten lassen kann, aber ich bin auch regelrecht aggressiv, weil alle mich anstarren und jeder nun mein offensichtliches Unvermögen sieht: ich kann mein Kind nicht trösten. Ich tue, was ich kann, und ich tue sogar noch darüber hinaus, doch sie ist unzufrieden. Oft habe ich den Eindruck, dass sie mich einfach nicht mag. Dass sie nicht schreit, obwohl ich sie doch auf dem Arm halte, sondern eben WEIL ich sie auf dem Arm halte. Wenn mein Mann morgens das Haus verlässt, würde ich mich am liebsten an sein Bein ketten und sagen "lass mich nicht allein mit dem Kind, bitte nicht". An manchen Tagen bin ich regelrecht wütend auf ihn, was ja nun völlig hanebüchen ist, schließlich MUSS er ja zur Arbeit - der Partnerschaft förderlich ist das ganz sicher nicht. Ich träume schlecht. Ich schlafe unruhig, und ich schwitze mich im Schlaf halbtot. Wir hatten seit vor der Geburt keinen Sex mehr, allein bei dem Gedanken daran läuft es mir kalt den Rücken runter - ich hab doch den ganzen Tag schon die Kleine auf Tuchfühlung, da bin ich froh, wenn ich mal ein wenig für mich sein kann… Ich habe Angst, ihr wehzutun. Ein schrecklicher und öfter wiederkehrender Albtraum war, dass ich sie aus Versehen in ihrer Badewanne ertrinken lasse. Das ging soweit, dass ich mich kaum noch traute sie zu baden (das hat sich aber gebessert inzwischen).
Ich hatte eine Nachsorge-Hebamme; deren Augenmerk lag allein auf der Gewichtszunahme des Kindes. Sie hatte kein Verständnis für meine Tränen, sie rechnete mir immer nur vor, was ich falsch mache. Einmal fuhr sie mich regelrecht an "ob ich etwa vorhätte so eine Wochenbett-Depression zu entwickeln". Da traute ich mich dann auch nicht mehr zu zeigen, wenn es mir schlecht ging, und wenn sie da war, dann verstellte ich mich einfach.
Nach der 8. Woche kam sie dann nicht mehr, und ich versuchte, Anschluss zu finden. Ich besuchte einmal pro Woche ein Still-Café, weil ich dachte, dort mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Aber ich sitze am Rand. Meist schreit mein Kind die Gruppe derart zusammen, dass ich vorzeitig gehe. Meist schreien die anderen Kinder früher oder später alle mit, und ich hab den Eindruck, die Gruppe denkt sich "oh Mann, DIE schon wieder", wenn sie mich/ uns nur von Weitem sieht. Ich versuche auch Rückbildungsgymnastik zu machen, aber meistens schreit mein Kind auch diese Gruppe zusammen, so dass wir im Endeffekt stillend in der Ecke sitzen, während die anderen turnen. Immer öfter breche ich nach solchen Attacken auf dem Rückweg in Tränen aus, eine Mischung aus Verzweiflung und Wut.
Mein Mann kümmert sich, wenn er zu Hause ist, mit um die Maus, und die beiden sind ein tolles Team. Er versucht mich zu unterstützen, ist traurig, dass ich so anders bin als vor der Schwangerschaft. Ich habe kein Problem damit, ihm das Kind zu überlassen, auch mal eine Stunde einkaufen zu fahren oder so. Allerdings ertrage ich es kaum, mit der Kleinen bei meinen Eltern zu sein - denn sie machen genau das, was sie bei mir als Kind damals gemacht haben. An meine eigene Babyzeit habe ich natürlich keine Erinnerungen mehr, aber ich habe die Art meiner Eltern immer gehaßt - sie machen, wie SIE wollen, und wenn man sich beschwerte hieß es immer nur "stell dich nicht so an". So ziehen sie meinem Baby nun immer das Däumchen aus dem Mund ("Das ist MEIN Daumen!"), und wenn es zu schreien anfängt heisst es "was stellt sie sich so an" bzw. es wird nur gelacht und weitergemacht. Da sie nicht darauf eingehen wenn ich sage, sie sollen das lassen, schränke ich den Kontakt mehr und mehr ein. Darüber sind sie böse, denn eigentlich würden sie viel lieber sehen, dass ich das Kind stundenweise bei ihnen ablade. Überhaupt ist meine Mutter der Meinung, die Bindung zwischen mir und meiner Tochter sei "durch das Stillen viel zu eng" und ich dürfe mich nicht so an sie binden bzw. sie an mich. Die Schwiegereltern sind der Meinung, das Kind sei durch das Stillen nicht richtig versorgt und labern ständig, ich solle mal "was Richtiges" geben; sobald ich die Kleine da aus den Augen lasse muss ich damit rechnen, dass sie sie mit Keksen füttern. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, das Kind von jemandem - egal von wem - fremdbetreuen zu lassen. Ich kann das nicht so recht in Worte fassen.
Freunde habe ich nur wenige, die wohnen weit weg und sind berufstätig. Ich war auch mal berufstätig, hatte einen guten Job, hab schön verdient und nette Kollegen gehabt. Jetzt sitze ich täglich zu Hause und lasse mich anschreien. Ich hoffe morgens, dass der Tag schnell rumgeht, und abends, dass die Nacht schnell rumgeht - als würde ich auf etwas warten, aber ich weiss nicht, worauf. Ich vermisse mein altes selbstbestimmtes Leben, und wenn ich in das Gesichtchen meiner Tochter schaue verabscheue ich mich für diese Gedanken. Sie hat doch nicht darum gebeten, in die Welt gesetzt zu werden. Und dennoch macht mich ihr Kreischen im Moment völlig aggressiv. So hat sie mich vorhin nach nur 2 Stunden Schlaf wieder hochgescheucht - sie selbst schlief nach einer halben Stunde wieder weiter, ich bin seither wach. Es ist sehr oft so, dass ich nach der ersten nächtlichen Stillmahlzeit wachliege. Einschlafen kann ich sowieso nur noch, wenn ich den MP3-Player in einem Ohr habe, der meine Gedanken übertönt (früher war ich jemand, der vor dem laufenden Fernseher schlief).
Irgendwie bin ich auf der Suche nach Hilfe; doch meine Nachsorge-Hebamme reagierte wie oben beschrieben, meine Hausärztin meinte nur "tja, Kinder sind halt stressig" und das mit dem Still-Café ist auch nicht so doll. Das wird von einer Hebamme betreut, und ich hatte irgendwie die Hoffnung, sie würde auf mich zukommen. Aber sie nimmt die Kleine immer nur als lebendes Beispiel dafür, in welchen Fällen Chamomilla D6 Wirkung zeigen könnte. Ein paarmal sagten sie dort vorwurfsvoll "wenn das Kind SO schreit, dann fehlt ihm was." Inzwischen erwäge ich, auch dort nicht mehr hinzugehen. Selbstredend waren wir mehrfach beim Kinderarzt und auch beim Osteopathen; körperlich ist sie kerngesund. Ich traue mich nicht mehr um Hilfe zu bitten weil ich Angst habe, man nimmt mir meine Tochter weg - obwohl ich gleichzeitig irgendwie denke, dass es ihr überall besser gehen würde als bei mir. Es funktioniert meist einige Tage wunderbar - dann ist die Maus gut drauf, ich spiele und quassele mit ihr, wir gehen spazieren und kuscheln und stillen. Dann denke ich mir, dass es ja doch irgendwie zu schaffen sein müsste. Aber dann kommt in der Regel der Einbruch, auf zwei gute Tage folgt eine schlechte Woche, und sie wird nachts jede Stunde wach, um dann eine Stunde lang zu stillen, kreischt pausenlos in den höchsten Tönen - was mich ganz wuschig macht, und so schaukelt sich das dann vermutlich hoch… Ich muß dazu sagen, dass die Leute, die mich im Umgang mit meiner Tochter öfter erleben - mein Mann also, auch meine Mutter - öfter betonen, dass sie die Geduld bewundern, mit der ich mich um das Kind kümmere. Offenbar vermittle ich nach Außen nicht die Verzweiflung, die ich fühle. Dabei bilde ich mir ein, jeder müßte es mir an der Nasenspitze ablesen können, was hier alles schiefgeht.
Und so treibe ich mich in Webforen herum und schäme mich, weil ich fremde Leute mit meinen Problemen behänge. Der Tonfall hier im Forum hat mir gefallen, und ich hoffe auf ein wenig Verständnis - und vielleicht ein wenig Hilfestellung. Es tut mir leid, dass das nun so lang geworden ist. Allen ein herzliches Dankeschön fürs Lesen.
ich habe mehrere Nächte an meinem Vorstellungs-Beitrag geschrieben, leider ist er viel zu lang geworden. Ich habe versucht ihn zu kürzen, aber irgendwie halte ich alle darin enthaltenen Informationen für relevant. Entschuldigt also den schriftlichen Erguß - es hat aber auch gut getan, sich alles mal runterzuschreiben...
Im September 2011 kam unsere Tochter per Kaiserschnitt zur Welt; die Risikoschwangerschaft hatte ich nur bedingt genießen können, ich hatte immer Angst, es würde mir oder dem Kind etwas passieren. Den Kaiserschnitt empfand ich (obgleich er geplant war und kein Not-KS) als irgendwie traumatisch, und es hat mich lange in meinen Träumen verfolgt (inzwischen hat sich das ein wenig gelegt).
Ziemlich fertig gemacht hat es mich, dass während der Schwangerschaft immer und wieder Erinnerungen an die eigene Kindheit hochkamen, unschöne Erinnerungen. Ich bemerkte, dass ich zu meinen Eltern hin mehr und mehr auf Distanz ging. Der Kontakt zu den Schwiegereltern ist nicht unfreundlich, aber sehr oberflächlich - die sind einfach so, dass man sich mit ihnen prima übers Wetter unterhalten kann, mehr aber auch nicht.
Nachdem das Kind auf der Welt war, fühlte ich erst einmal nichts; dann kamen die Schmerzen. Die (große) KS-Narbe tat natürlich sehr weh, und es dauerte drei Monate, ehe ich mich wieder ansatzweise wie "ich" fühlte. Ganz schlecht ging es mir nach dem Kontrolle-Ultraschall, der vor Verlassen der Klinik nach der Geburt nochmal gemacht wurde: bis dahin war eigentlich alles okay gewesen. Aber nun fuhr dieser Arzt mit dem Ultraschallkopf über meinen Bauch, und darin… war nichts mehr. Vor wenigen Tagen hatte da noch meine kleine Maus gezappelt, und nun war sie weg. Dass sie ein paar Türen weiter im Bettchen schlief bedeutete mir in dem Moment nichts. Ich weinte. Dann kamen Wassereinlagerungen, Verstopfung, darauf aufbauend Probleme mit Hämorrhoiden bzw. Fissuren, ein Neurodermitis-Schub im Gesicht, Wurzelbehandlung - ständig war was.
Das Schlimmste war jedoch: unser Baby ist ein Schreibaby. Die ersten 3,5 Monate hat sie praktisch in einem Stück gebrüllt - sie wurde getragen und gestillt, im Familienbett bekuschelt, doch es nutzte nichts. Sie schrie so laut, dass keine Unterhaltung mehr möglich war - das ging quasi schon im Kreißsaal los. Meine Ohren "flatterten" richtig, ich weiss nicht, wie ich das beschreiben soll. Ich war völlig hilflos. Die Zeit war endlos. Der Haushalt verwahrloste, ich konnte nur essen, wenn mein Mann mir was richtete. Der wiederum konnte jeden Morgen duschen und anschließend zur Arbeit fahren - was hab ich ihn beneidet.
Mein Frauenarzt überwies mich mit Verdacht auf PPD an eine Therapeutin; den Termin nahm ich auch wahr, auch wenn ich mich da fast nicht hintraute. Sie wollte sich aber gar nicht so recht unterhalten, ließ mich meine Situation kaum schildern, sondern wollte mir direkt Medikamente verschreiben. Sie gab mir ein Rezept für Sertralin (?), das ich aber nicht einlöste. Im Beipackzettel steht, es sei das Mittel der Wahl in der Stillzeit, doch keiner weiß, was davon beim Kind ankommt. Ich konnte den Gedanken nicht ertragen, meinem Kind eventuell damit zu schaden, und den Gedanken ans Abstillen konnte ich überhaupt nicht ertragen.
Das Stillen ist ganz ein problematisches Thema: am Anfang lief es wunderbar, aber nach den ersten 2 Wochen zu Hause kam der Einbruch, kaum noch Milch, das Kind ständig Hunger. Ich war oft kurz vorm Abstillen, und das einzige, was mich davon abhielt war der Gedanke: das Stillen ist das einzige, was mich "einzigartig" für meine Tochter macht. Solange ich sie stille, braucht sie mich. Und dann muss ich sie auch dann an mich heranlassen, wenn ich eigentlich nicht will - nach ihren stundenlangen Schreiattacken hätte ich sie meist am liebsten weit von mir weg gehalten. Oft habe ich den Eindruck, das Stillen sei das einzige, was mich mit meiner Tochter verbindet. Und der einzige Moment, in dem sie sich bei mir wohl fühlt. Inzwischen läuft das Stillen sehr gut, aber ich denke schon mit Panik an die Einführung der Beikost.
Inzwischen schreit sie etwas weniger, und sie kann sogar sehr viel und total niedlich lachen. Sie ist so süß wenn sie gluckst. Aber sie hat einen starken Willen, auch der Kinderarzt ist davon immer wieder beeindruckt. Im täglichen Leben sieht das dann so aus, dass sie tobt, wenn ich sie beispielsweise anziehe. Mit Menschenmengen kann sie auch nichts anfangen, oder auch sowas wie das Einkaufszentrum - das mag sie gar nicht. Von hier auf jetzt wird sie hochrot im Gesicht, und sie schreit so laut, dass alle im Umkreis erschrecken. Sie holt kaum Luft dabei und tobt regelrecht, und jetzt, wo sie langsam mobiler wird, fuchtelt sie auch mit den Armen um sich, was durchaus schmerzhaft sein kann. Das Schlimme ist jedoch, dass ich damit nicht umgehen kann: ich werde inzwischen, und das war anfangs tatsächlich nicht so, nervös, und meine Hände und Knie fangen an zu zittern. Ich glaube, ich habe Angst vor meinem Kind und seinen Ausbrüchen. Ich bin einerseits traurig, dass sie traurig ist und sich nicht trösten lassen kann, aber ich bin auch regelrecht aggressiv, weil alle mich anstarren und jeder nun mein offensichtliches Unvermögen sieht: ich kann mein Kind nicht trösten. Ich tue, was ich kann, und ich tue sogar noch darüber hinaus, doch sie ist unzufrieden. Oft habe ich den Eindruck, dass sie mich einfach nicht mag. Dass sie nicht schreit, obwohl ich sie doch auf dem Arm halte, sondern eben WEIL ich sie auf dem Arm halte. Wenn mein Mann morgens das Haus verlässt, würde ich mich am liebsten an sein Bein ketten und sagen "lass mich nicht allein mit dem Kind, bitte nicht". An manchen Tagen bin ich regelrecht wütend auf ihn, was ja nun völlig hanebüchen ist, schließlich MUSS er ja zur Arbeit - der Partnerschaft förderlich ist das ganz sicher nicht. Ich träume schlecht. Ich schlafe unruhig, und ich schwitze mich im Schlaf halbtot. Wir hatten seit vor der Geburt keinen Sex mehr, allein bei dem Gedanken daran läuft es mir kalt den Rücken runter - ich hab doch den ganzen Tag schon die Kleine auf Tuchfühlung, da bin ich froh, wenn ich mal ein wenig für mich sein kann… Ich habe Angst, ihr wehzutun. Ein schrecklicher und öfter wiederkehrender Albtraum war, dass ich sie aus Versehen in ihrer Badewanne ertrinken lasse. Das ging soweit, dass ich mich kaum noch traute sie zu baden (das hat sich aber gebessert inzwischen).
Ich hatte eine Nachsorge-Hebamme; deren Augenmerk lag allein auf der Gewichtszunahme des Kindes. Sie hatte kein Verständnis für meine Tränen, sie rechnete mir immer nur vor, was ich falsch mache. Einmal fuhr sie mich regelrecht an "ob ich etwa vorhätte so eine Wochenbett-Depression zu entwickeln". Da traute ich mich dann auch nicht mehr zu zeigen, wenn es mir schlecht ging, und wenn sie da war, dann verstellte ich mich einfach.
Nach der 8. Woche kam sie dann nicht mehr, und ich versuchte, Anschluss zu finden. Ich besuchte einmal pro Woche ein Still-Café, weil ich dachte, dort mit Leuten ins Gespräch zu kommen. Aber ich sitze am Rand. Meist schreit mein Kind die Gruppe derart zusammen, dass ich vorzeitig gehe. Meist schreien die anderen Kinder früher oder später alle mit, und ich hab den Eindruck, die Gruppe denkt sich "oh Mann, DIE schon wieder", wenn sie mich/ uns nur von Weitem sieht. Ich versuche auch Rückbildungsgymnastik zu machen, aber meistens schreit mein Kind auch diese Gruppe zusammen, so dass wir im Endeffekt stillend in der Ecke sitzen, während die anderen turnen. Immer öfter breche ich nach solchen Attacken auf dem Rückweg in Tränen aus, eine Mischung aus Verzweiflung und Wut.
Mein Mann kümmert sich, wenn er zu Hause ist, mit um die Maus, und die beiden sind ein tolles Team. Er versucht mich zu unterstützen, ist traurig, dass ich so anders bin als vor der Schwangerschaft. Ich habe kein Problem damit, ihm das Kind zu überlassen, auch mal eine Stunde einkaufen zu fahren oder so. Allerdings ertrage ich es kaum, mit der Kleinen bei meinen Eltern zu sein - denn sie machen genau das, was sie bei mir als Kind damals gemacht haben. An meine eigene Babyzeit habe ich natürlich keine Erinnerungen mehr, aber ich habe die Art meiner Eltern immer gehaßt - sie machen, wie SIE wollen, und wenn man sich beschwerte hieß es immer nur "stell dich nicht so an". So ziehen sie meinem Baby nun immer das Däumchen aus dem Mund ("Das ist MEIN Daumen!"), und wenn es zu schreien anfängt heisst es "was stellt sie sich so an" bzw. es wird nur gelacht und weitergemacht. Da sie nicht darauf eingehen wenn ich sage, sie sollen das lassen, schränke ich den Kontakt mehr und mehr ein. Darüber sind sie böse, denn eigentlich würden sie viel lieber sehen, dass ich das Kind stundenweise bei ihnen ablade. Überhaupt ist meine Mutter der Meinung, die Bindung zwischen mir und meiner Tochter sei "durch das Stillen viel zu eng" und ich dürfe mich nicht so an sie binden bzw. sie an mich. Die Schwiegereltern sind der Meinung, das Kind sei durch das Stillen nicht richtig versorgt und labern ständig, ich solle mal "was Richtiges" geben; sobald ich die Kleine da aus den Augen lasse muss ich damit rechnen, dass sie sie mit Keksen füttern. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, das Kind von jemandem - egal von wem - fremdbetreuen zu lassen. Ich kann das nicht so recht in Worte fassen.
Freunde habe ich nur wenige, die wohnen weit weg und sind berufstätig. Ich war auch mal berufstätig, hatte einen guten Job, hab schön verdient und nette Kollegen gehabt. Jetzt sitze ich täglich zu Hause und lasse mich anschreien. Ich hoffe morgens, dass der Tag schnell rumgeht, und abends, dass die Nacht schnell rumgeht - als würde ich auf etwas warten, aber ich weiss nicht, worauf. Ich vermisse mein altes selbstbestimmtes Leben, und wenn ich in das Gesichtchen meiner Tochter schaue verabscheue ich mich für diese Gedanken. Sie hat doch nicht darum gebeten, in die Welt gesetzt zu werden. Und dennoch macht mich ihr Kreischen im Moment völlig aggressiv. So hat sie mich vorhin nach nur 2 Stunden Schlaf wieder hochgescheucht - sie selbst schlief nach einer halben Stunde wieder weiter, ich bin seither wach. Es ist sehr oft so, dass ich nach der ersten nächtlichen Stillmahlzeit wachliege. Einschlafen kann ich sowieso nur noch, wenn ich den MP3-Player in einem Ohr habe, der meine Gedanken übertönt (früher war ich jemand, der vor dem laufenden Fernseher schlief).
Irgendwie bin ich auf der Suche nach Hilfe; doch meine Nachsorge-Hebamme reagierte wie oben beschrieben, meine Hausärztin meinte nur "tja, Kinder sind halt stressig" und das mit dem Still-Café ist auch nicht so doll. Das wird von einer Hebamme betreut, und ich hatte irgendwie die Hoffnung, sie würde auf mich zukommen. Aber sie nimmt die Kleine immer nur als lebendes Beispiel dafür, in welchen Fällen Chamomilla D6 Wirkung zeigen könnte. Ein paarmal sagten sie dort vorwurfsvoll "wenn das Kind SO schreit, dann fehlt ihm was." Inzwischen erwäge ich, auch dort nicht mehr hinzugehen. Selbstredend waren wir mehrfach beim Kinderarzt und auch beim Osteopathen; körperlich ist sie kerngesund. Ich traue mich nicht mehr um Hilfe zu bitten weil ich Angst habe, man nimmt mir meine Tochter weg - obwohl ich gleichzeitig irgendwie denke, dass es ihr überall besser gehen würde als bei mir. Es funktioniert meist einige Tage wunderbar - dann ist die Maus gut drauf, ich spiele und quassele mit ihr, wir gehen spazieren und kuscheln und stillen. Dann denke ich mir, dass es ja doch irgendwie zu schaffen sein müsste. Aber dann kommt in der Regel der Einbruch, auf zwei gute Tage folgt eine schlechte Woche, und sie wird nachts jede Stunde wach, um dann eine Stunde lang zu stillen, kreischt pausenlos in den höchsten Tönen - was mich ganz wuschig macht, und so schaukelt sich das dann vermutlich hoch… Ich muß dazu sagen, dass die Leute, die mich im Umgang mit meiner Tochter öfter erleben - mein Mann also, auch meine Mutter - öfter betonen, dass sie die Geduld bewundern, mit der ich mich um das Kind kümmere. Offenbar vermittle ich nach Außen nicht die Verzweiflung, die ich fühle. Dabei bilde ich mir ein, jeder müßte es mir an der Nasenspitze ablesen können, was hier alles schiefgeht.
Und so treibe ich mich in Webforen herum und schäme mich, weil ich fremde Leute mit meinen Problemen behänge. Der Tonfall hier im Forum hat mir gefallen, und ich hoffe auf ein wenig Verständnis - und vielleicht ein wenig Hilfestellung. Es tut mir leid, dass das nun so lang geworden ist. Allen ein herzliches Dankeschön fürs Lesen.