Servus
Verfasst: 14:01:2013 14:18
Gerne schließe ich mich der Tradition an und stelle mich und meine Situation hier kurz einmal vor.
Ich bin inzwischen 40 Jahre alt und habe schon seit längerem einen -diffusen- Kinderwunsch. Es dauerte eine Weile, bis sich die passende Lebenssituation einstellte, aber nun bin ich seit ziemlich genau 20 Wochen Mama eines kleinen Sohnes. Nun sollte ich mich darüber angesichts der langen Wartezeit sehr freuen, aber leider ist es nicht so, jedenfalls oft nicht.
Die Schwangerschaft war bis auf kleinere Wehwehchen problemlos, aber ich war nicht gerne schwanger. Ich habe mich sehr über die Tatsache gefreut, mochte aber den Zustand nicht. Dann kam die Geburt - zwei Wochen vor Termin. Natürlich hatte ich nicht mit einem Spaziergang gerechnet, aber was dann kam war doch zu viel für ein Weichei wie mich. Die PDA wirkte nicht richtig, in den Presswehen kamen wir auf normalen Wege einfach nicht weiter, denn es stellte sich heraus, dass der Kleine ein Sternengucker war, den man dann nach allen regeln der Entbindungskunst (Kristeller-Handgriff, Saugglocke) nach 1,5 Stunden Presswehen aus mir heraus "geprügelt" hat. Die Oberärztin brauchte eine Stunde, um mich wieder zusammenzuflicken und murmelte was von "schweren Geburtsverletzungen". Was das genau zu bedeuten hatte, habe ich erst ein paar Tage später erfahren. Stillen konnte ich für ungefähr eine Woche, dann waren die Brustwarzen erstmal hinüber. Ich freute mich auf zu Hause und auch darauf, mich selbst von den Strapazen zu erholen. Leider hatte der Kleine erhöhte Bilirubin-Werte, so dass er insgesamt drei Mal unter die Fototherapielampe musste, was unseren Klinikaufenthalt verlängerte. Und durch die täglichen Nachkontrollen nach der Entlassung war es mit Erholung für mich auch nicht weit her. Ein insgesamt blöder Start, aber das muss ja nichts heißen.
Ich brauchte dennoch etwa drei bis vier Wochen, um die Geburt halbwegs zu verdauen. Ok war es erst, als ich mich endlich traute, mir den "Schaden" zusammen mit meiner Hebamme mal anzusehen und festzustellen, dass es ja wenigstens nicht so schlimm aussah, wie ich dachte. Optik ist natürlich das eine, Funktionalität das andere und an der Front habe ich leider noch zu kämpfen.
Ungefähr zur selben Zeit fing der Kleine an zu schreien, Tag für Tag, mehrere Stunden. Und war meistens durch nichts zu beruhigen, außer durch seine eigene Erschöpfung. Wir also gleich zur Osteopathin, die feststellte, dass auch der Zwerg durch die schwierige Geburt Schaden genommen hatte, in Form von Blockaden: er überstreckte sich und war asymmetrisch, alles gute Gründe zum schreien. Die Behandlung schlug nicht an. Ich führte Gespräche mit Schreibabyberaterinnen, ging zu Schreiambulanz, las Bücher, machte und tat, aber das Geschrei wollte nicht verstummen. Am Anfang hatte ich uns für viele Kurse angemeldet, Babymassage, Rückbildung mit Baby, PEKiP, nachdem aber auch dort geschrien wurde, meldete ich uns wieder ab. Dass ich vom Pucken bis hin zum Schaukeln alles probiert habe, muss ich vermutlich nicht sagen.
Ich habe gedacht, irgendwann gewöhne ich mich an das Schreien, aber das Gegenteil war der Fall. Ich bin im Laufe der Zeit immer dünnhäutiger geworden. Unsere Familien sind weit weg, der Mann tagsüber bei der Arbeit - also war (und bin) ich jeden Tag von morgens bis abends alleine mit dem Problem. Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich schon mit dem Kleinen um die Wette geweint habe.
Inzwischen ist der Kleine natürlich schon etwas älter und reifer, kann mehr, lacht viel und hat daher auch mal schreifreie Phasen. Aber er kippt nach wie vor von jetzt auf gleich um und schreit sich ein und es ist total schwer, ihn da raus zu bekommen. Da er so gut wie gar nicht von alleine einschläft, ist unser Ritual seit Monaten, dass er abends schreiend in meinem Arm einschläft. Ich finde das sooo schlimm, es zerreisst mir das Herz.
Das eine ist, dass der Zwerg mir Leid tut dafür, dass er aus irgendeinem Grund so viel schreien muss. Das andere ist aber, dass ich merke, wie ich selbst durch die Situation immer "weniger" werde. Es dreht sich alles nur noch darum, die Tage irgendwie durchzustehen, ohne dass meine Nerven reißen. Ob ich den Zwerg mag? Ja, das tue ich. Aber ich muss zugeben, dass er die weitaus meiste Zeit an meinen Nerven zehrt. Ich käme nicht auf die Idee, ihm was anzutun, aber ich habe schon ein paar Mal gedacht, dass ich am liebsten aus dem Fenster springen würde, damit das endlich aufhört. Mach ich natürlich nicht, aber heimlich wünsche ich mir mein altes Leben zurück, denn das hier ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe.
Habe viele Freundinnnen, die auch vor Kurzem Kinder bekommen haben. Bei denen läuft alles super und ich bin wirklich neidisch. Denn mit dem Geschrei habe ich mich auch ziemlich aus allem zurückgezogen und versuche, mich nur auf vertrauten Pfaden zu bewegen, um Herrin der Lage zu bleiben. Es ist mir unendlich peinlich, wenn der Kleine in der Öffentlichkeit schreit und ich ihn nicht beruhigen kann und dafür schäme ich mich außerdem.
Ob ich an einer postpartalen Depression leide, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich gerne eine glückliche Mama wäre und es nicht bin. Ich habe Angst, dass das die Beziehung zu meinem Kind, aber auch die zu meinem Freund schädigt.
Liebe Grüße
Räubermama
Ich bin inzwischen 40 Jahre alt und habe schon seit längerem einen -diffusen- Kinderwunsch. Es dauerte eine Weile, bis sich die passende Lebenssituation einstellte, aber nun bin ich seit ziemlich genau 20 Wochen Mama eines kleinen Sohnes. Nun sollte ich mich darüber angesichts der langen Wartezeit sehr freuen, aber leider ist es nicht so, jedenfalls oft nicht.
Die Schwangerschaft war bis auf kleinere Wehwehchen problemlos, aber ich war nicht gerne schwanger. Ich habe mich sehr über die Tatsache gefreut, mochte aber den Zustand nicht. Dann kam die Geburt - zwei Wochen vor Termin. Natürlich hatte ich nicht mit einem Spaziergang gerechnet, aber was dann kam war doch zu viel für ein Weichei wie mich. Die PDA wirkte nicht richtig, in den Presswehen kamen wir auf normalen Wege einfach nicht weiter, denn es stellte sich heraus, dass der Kleine ein Sternengucker war, den man dann nach allen regeln der Entbindungskunst (Kristeller-Handgriff, Saugglocke) nach 1,5 Stunden Presswehen aus mir heraus "geprügelt" hat. Die Oberärztin brauchte eine Stunde, um mich wieder zusammenzuflicken und murmelte was von "schweren Geburtsverletzungen". Was das genau zu bedeuten hatte, habe ich erst ein paar Tage später erfahren. Stillen konnte ich für ungefähr eine Woche, dann waren die Brustwarzen erstmal hinüber. Ich freute mich auf zu Hause und auch darauf, mich selbst von den Strapazen zu erholen. Leider hatte der Kleine erhöhte Bilirubin-Werte, so dass er insgesamt drei Mal unter die Fototherapielampe musste, was unseren Klinikaufenthalt verlängerte. Und durch die täglichen Nachkontrollen nach der Entlassung war es mit Erholung für mich auch nicht weit her. Ein insgesamt blöder Start, aber das muss ja nichts heißen.
Ich brauchte dennoch etwa drei bis vier Wochen, um die Geburt halbwegs zu verdauen. Ok war es erst, als ich mich endlich traute, mir den "Schaden" zusammen mit meiner Hebamme mal anzusehen und festzustellen, dass es ja wenigstens nicht so schlimm aussah, wie ich dachte. Optik ist natürlich das eine, Funktionalität das andere und an der Front habe ich leider noch zu kämpfen.
Ungefähr zur selben Zeit fing der Kleine an zu schreien, Tag für Tag, mehrere Stunden. Und war meistens durch nichts zu beruhigen, außer durch seine eigene Erschöpfung. Wir also gleich zur Osteopathin, die feststellte, dass auch der Zwerg durch die schwierige Geburt Schaden genommen hatte, in Form von Blockaden: er überstreckte sich und war asymmetrisch, alles gute Gründe zum schreien. Die Behandlung schlug nicht an. Ich führte Gespräche mit Schreibabyberaterinnen, ging zu Schreiambulanz, las Bücher, machte und tat, aber das Geschrei wollte nicht verstummen. Am Anfang hatte ich uns für viele Kurse angemeldet, Babymassage, Rückbildung mit Baby, PEKiP, nachdem aber auch dort geschrien wurde, meldete ich uns wieder ab. Dass ich vom Pucken bis hin zum Schaukeln alles probiert habe, muss ich vermutlich nicht sagen.
Ich habe gedacht, irgendwann gewöhne ich mich an das Schreien, aber das Gegenteil war der Fall. Ich bin im Laufe der Zeit immer dünnhäutiger geworden. Unsere Familien sind weit weg, der Mann tagsüber bei der Arbeit - also war (und bin) ich jeden Tag von morgens bis abends alleine mit dem Problem. Ich weiß nicht, wie viele Stunden ich schon mit dem Kleinen um die Wette geweint habe.
Inzwischen ist der Kleine natürlich schon etwas älter und reifer, kann mehr, lacht viel und hat daher auch mal schreifreie Phasen. Aber er kippt nach wie vor von jetzt auf gleich um und schreit sich ein und es ist total schwer, ihn da raus zu bekommen. Da er so gut wie gar nicht von alleine einschläft, ist unser Ritual seit Monaten, dass er abends schreiend in meinem Arm einschläft. Ich finde das sooo schlimm, es zerreisst mir das Herz.
Das eine ist, dass der Zwerg mir Leid tut dafür, dass er aus irgendeinem Grund so viel schreien muss. Das andere ist aber, dass ich merke, wie ich selbst durch die Situation immer "weniger" werde. Es dreht sich alles nur noch darum, die Tage irgendwie durchzustehen, ohne dass meine Nerven reißen. Ob ich den Zwerg mag? Ja, das tue ich. Aber ich muss zugeben, dass er die weitaus meiste Zeit an meinen Nerven zehrt. Ich käme nicht auf die Idee, ihm was anzutun, aber ich habe schon ein paar Mal gedacht, dass ich am liebsten aus dem Fenster springen würde, damit das endlich aufhört. Mach ich natürlich nicht, aber heimlich wünsche ich mir mein altes Leben zurück, denn das hier ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe.
Habe viele Freundinnnen, die auch vor Kurzem Kinder bekommen haben. Bei denen läuft alles super und ich bin wirklich neidisch. Denn mit dem Geschrei habe ich mich auch ziemlich aus allem zurückgezogen und versuche, mich nur auf vertrauten Pfaden zu bewegen, um Herrin der Lage zu bleiben. Es ist mir unendlich peinlich, wenn der Kleine in der Öffentlichkeit schreit und ich ihn nicht beruhigen kann und dafür schäme ich mich außerdem.
Ob ich an einer postpartalen Depression leide, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass ich gerne eine glückliche Mama wäre und es nicht bin. Ich habe Angst, dass das die Beziehung zu meinem Kind, aber auch die zu meinem Freund schädigt.
Liebe Grüße
Räubermama