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Schwierigkeiten, mich selber anzunehmen ...
Verfasst: 22:04:2013 10:54
von schneehase
Hallo liebe Zwänglerinnen,
ich bin neu hier im Forum. Zunächst einmal: Ich fühlte mich beim Mitlesen schon so oft aufgebaut und ermuntert durch Mitglieder wie Marika und Co.. Durch sie ist das Forum so positiv, das das Mitlesen schon einen therapeutischen Effekt hat.
Nun habe ich bisher noch keine Kinder, da ich stark unter Zwangsgedanken (Zwangsbefürchtungen etc.) leide und spüre, dass ich psychisch gar nicht stark genug dafür bin bisher.
Was mich momentan sehr quält, sind meine negativen Charakterseiten. Hier wurde schon oft geschrieben, das Zwänglerinnen oft besonders liebe, sensible Menschen sind, Irgendwie bin ich ja auf der einen Seite sehr für Harmonie, liebevolles Miteinander etc, aber auf der anderen Seite habe ich leider auch wirklich negative Seiten. Ich habe manchmal gehässige Gedanken, bin manchmal ablehnend, erschrecke ich mich so sehr, dass es mich ins Bodenlose zieht. Diese Gedanken ziehen mich nur bei über alles geliebten Menschen so runter. Seitdem ich gelesen habe, dass psychotische Menschen oft mißtrauisch sind, ertappe ich mich dabei, dass ich öfters überkritische Gedanken gegenüber geliebten Menschen habe und könnte völlig verzweifeln, dass ich nur so denken kann. Ich habe schon Angst vor den nächsten Gedanken, die ich so nicht haben will. Ich hab dann so eine Angst vor mir selbst, dass ich einfach nicht weiß, wie "tief" meine Negativität ist, weil ich doch eigentlich immer "lieb und gut"" sein möchte. Ich habe sogar schon öfters Sensationslust bei mir entdeckt. Im nächsten Moment erschrecke ich mich, weil es ja bedeutet, dass ich ja gespannt darauf bin auf irgendetwas Schädliches für andere. Wie abscheulich. Ich weiß nicht, ob irgendjemand etwas ähnliches kennt.
Liebe Grüße an Euch alle.
Verfasst: 22:04:2013 16:35
von Marika
Hey du,
schön, dich hier kennen zu lernen. Ich freu mich auch, dass du dich hier im Forum gut aufgehoben fühlst.
Wie du weißt, habe ich auch sehr unter Zwangsgedanken und Ängsten gelitten. Und was du schreibst, kenne ich auch von mir, als die Krankheit noch gar nicht richtig ausgebrochen war und ich noch nicht mal meinen Sohn hatte. Ich denke, dass dies alles Symptome des gemeinen Zwanges sind. Das hat sicher nichts mit psychotisch bei dir zu tun, sondern eher auch mit den viel zu hohen moralischen Ansprüchen die du an dich und deine Gedanken stellst. Wir Zwängler gestehen uns ja meist nicht die kleinste "Verfehlung" in Form eines "bösen Gedanken" zu - schon gar nicht, wenn es sich um einen geliebten Menschen handelt. Dabei ist das völlig normal, nur wir reagieren "falsch" auf solche Gedankengänge.
Deine Aussage, dass du dann schon "Angst vor dem nächsten Gedanken hast, den du so nicht haben willst" zeigt klar: Hier ist der Zwang am Werk und keine Psychose oder deine "dunkle Seite", wie wir Zwängler ja oft von uns selber denken.
Insofern hast du recht: Du akzpetierst die negativen Gedanken und Gefühle die du und (und jeder Mensch!!!!) hast, nicht. Das kannst du aber lernen, mir ist das sehr gut in meiner Therapie gelungen. Zwar nicht 100 % alles, wie du ja in meinem Thread mit dem "Frust" so toll beantwortet hast

, aber doch soweit, dass ich heute ein tolles Leben führe. Der Zwang stellt mir so gut wie nie mehr ein Bein - jetzt mit Sohn ein bissl, aber damit kann ich was anfangen und kann arbeiten - dank auch deiner hilfreichen Antwort.
Ich war mal bei einer Kinesiologin, die mir sagte: Alle Anteile von dir sind wichtig und richtig - deine positven und deine negativen - beide haben unbedingte Berechtigung in deinem Leben. Sonst wärst du nicht DU, sonst wärst du nicht komplett - kein Mensch wäre das.
Machst du eigentlich Therapie und/oder Medikamente?
Verfasst: 23:04:2013 12:50
von schneehase
Hi Marika,
danke Dir zunächst einmal für die netten Worte zur Aufnahme ins Forum.
Ja, ich mache eine Therapie. Mein Therapeut ist zwar leider nicht direkt auf Zwänge spezialisiert, ansonsten aber schon ein ganz guter Psychologe. Ich lese zudem sehr viel über dieses Thema. Vor allem Deine Beiträge hier haben mir beim Mitlesen schon so oft geholfen.
Es tut gut, Deine Sicht der Dinge, die ich beschrieben habe, zu lesen, danke Dir. Ich mache zwar eine Therapie und zusätzlich eine Gruppentherapie (Nichtzwängler), aber ich habe bisher noch nie einen Nichtbetroffenen erlebt, der "zwangsinterne" Themen nachvollziehen kann.
Du hattest ja zum Glück einen tollen Psychiater, der sich gut einfühlen konnte. Das ist wirklich Gold wert.
Oft kann ich mir inzwischen sagen, dass dies ein ZG ist , der eine bestimmte Ursache aus meiner Vegangenheit hat (z. B. zu strenger moralischer und Maßstab (Angst vor Strafe, schuldig fühlen), Überkontrolle, Angst vor Unberechenbarkeit etc.), aber bei bestimmten Themen kann ich es leider noch nicht.
Das, was Deine Kinesiologin sagte mit ALLEN Anteilen, die da sein dürfen, versuche ich mehr und mehr zu verinnerlichen.
Momentan habe ich noch das Problem, dass ich manchmal nicht weiß, ob ein negatives Gefühl wie Wut oder Ablehnung, das ich gerade spüre, aufgrund meiner Gedankenunterdrückung entsteht (Gebot meinerseits: man darf nichts Negatives denken) oder ob ich jetzt wirklich ein negatives Gefühl/Gedanke habe.
Ich habe mal ein Antidepressivum genommen, habe es aber nach einer Zeit wegen massiver Nebenwirkungen wieder abgesetzt.
Ich glaube, Du nimmst eines, in niedriger Dosierung, nicht wahr?
LG Carmen
Verfasst: 24:04:2013 8:24
von Marika
Hi Carmen,
ja ich nehme ein AD auch in niedriger Dosierung. Ich habe es mal komplett abgesetzt, aber nach 9 Monaten kamen wieder die bekannten Symptome. Das wollte ich mir nicht antun und hab wieder angefangen damit. Schön ist, dass ich von den ehemals 30 mg Cipralex nur noch 10 mg brauche um gesund zu bleiben. Ich befrüchte, dass die psych. Erkrankung bei mir chronisch ist und denke, ich werde wohl immer ein AD brauchen. Aber immerhin: nur 10 mg - das ist für mein toller Erfolg.
Ich kenne das sehr gut: Wut, Zorn - alles negative hinterfragen wir: bin ich das, oder ist es der Zwang, den wir unterdrücken. Es ist beides. Denn einerseits hat jeder Mensch genau diese Emotionen - Wut, Zorn, Agressionen - sie sind MENSCHLICH!!! Bei uns verstärken sie sich teilweise, wenn wir den Zwang unterdrücken. Somit kommen uns diese ganz normalen Emotionen unwirklich vor und wir können nicht genau erfühlen, woher sie kommen. Das hat bei mir auch gedauert, bis ich mir das wirklich verinnerlicht hatte: Sie gehören zu mir, sie sind ein Teil von mir und dürfen absolut sein. Ich mußte dafür viel üben, diese Seite in mir anzunehmen, obwohl sie ja völlig normal ist. Schon hart: Was für andere Menschen völlig normal ist - nämlich auch mal zornig und wütend zu sein, müssen wir uns hart erarbeiten.
Mal ein Tipp wegen Therapeuten bzw. Vorträgen oder Hilfsangebote für Zwänge - schau mal hier:
http://www.zwaenge.de/
Hier haben schon ein einge von uns hier Therapeuten gefunden bzw. sonst auch Gruppentreffen usw. Da sind wirklich Profis am Werk!
Auch meine Ursachen für Zwang rühren viel aus der Kindheit - da ähneln wir beide uns sehr.
Mich würde interessieren, da du kein AD nimmst: hat sich dein Zwang trotzdem gemildert, wie groß sind die Fortschritte bei dir? Mein Traum wäre eigentlich auch kein AD zu brauchen - wer von uns hat den nicht!

Sehe aber da für mich noch keine Alternative. Daher würde es mich echt interessieren, wie lange du schon mit Zwang kämpfst und wie sich dein Alltag gestaltet mit diesem Monster.
Ach ja: Was für ein AD hast du damals genommen? Hoffe meine Fragen sind dir nicht unangenehm, aber Austausch mit Menschen die Zwänge auch kennen, sind für mich immer eine enorme Bereicherung!

Verfasst: 24:04:2013 12:16
von schneehase
Hi Marika,
ich danke Dir für Deine Erklärung bezüglich der Erklärung der negativen Emotionen. Es tut mir so gut, verstanden zu werden und das Gefühl vermittelt zu bekommen, ok zu sein, so wie ich bin.
Danke Dir auch für den Link von Zwänge.de. Ich kenne ihn auch schon, und finde ihn auch sehr hilfreich.
Jetzt bin ich doch erleichtert: Deine Fragen sind mir nicht unangenehm, im Gegenteil. Denn ich hatte meinerseits so ein bißchen die Befürchtung, dass Dir meine Fragen unangenehm sind.
Ich habe vor ca. 10 Jahren ein trizyklisches AD von einer Psychiaterin verschrieben bekommen. Das habe ich dann eine ganze Zeit genommen und dann wegen zu großer Nebenwirkungen abgesetzt.
Ich glaube, diese Psychiaterin hatte die Zwangserkrankung nicht erkannt. Sie hat mir jedenfalls nicht gesagt, dass ich an einer Zwangserkrankung leide.
Sie ließ mich nur reden, hat selber kaum etwas gesagt und ihre Erkenntnisse nicht mitgeteilt. Ich habe die Therapie dann abgebrochen und war von Therapien erst einmal enttäuscht.
In meiner jetzigen 2. Therapie (seit 3 Jahren) arbeitete mein Therapeut heraus, dass meine Zwangserkrankung (sowie eine generalisierte Angsterkrankung) in der Jugend anfingen sich zu entwickeln. Vor 3 1/2 Jahren wurden sie manifest.
Ich hatte damals eine regelrecht krankhafte Panik vor Medikamenten, und so habe ich kein AD genommen.
Der Alltag war teilweise kaum zu bewältigen.
Da ich ganztags arbeite und von den vielen ZG und Befürchtungen oft extrem erschöpft war, habe ich oft gedacht, jetzt geht es wirklich nicht mehr weiter.
Irgendwann kamen auf einmal die aggressiven ZG, und so bin ich auf dieses Forum und Dich gestoßen. Vor allem Du (andere Zwänglerinnen hier sind natürlich auch sehr hilfreich) haben mich oft vor der größten Verzweiflung gerettet. Ich kann Euch nicht genug danken!
Mein Therapeut ist eher von der "harten" Sorte und meint, da müsse ich durch mit diesen ZG. Wir arbeiteten es u. a. so heraus, den ZG zu erkennen, sich davon zu distanzieren und ihn in die Ecke zu stellen. Das ging für mich fast gar nicht, denn ich konnte mich nicht so richtig davon distanzieren. Er wollte meine Verzweiflung nicht anhören, dass ich Angst habe, etwas Schlimmes zu tun und dann für immer ausgestoßen zu werden und irgendwo verachtet vor mich hinzudarben.
Irgendwie fühlte ich mich manchmal von meinem Therapeuten im Regen stehen gelassen, wenn er "brutal" sagt, dass dies wieder mal ein ZG und er sich weigert, weiterhin auf den Inhalt einzugehen etc. (er ist aber ansonsten ein recht lieber Mensch, ich hätte trotzdem gerne mehr Zuwendung, Trost, Verständnis etc. von ihm).
Zu Deiner Frage, ob sich meine Zwänge gemildert haben, obwohl ich kein AD nehme:
Ich wage es kaum zu sagen, aber vielleicht hilft es sogar, die harte Tour zu gehen mit einem Therapeuten, der die selbständige Erwachsene in einem herausfordert und ohne Medikamente zu "überleben" (obwohl ohne Medikamente war ja meine Entscheidung).
Auch wenn ich es kaum glaube, habe ich die letzten 3 1/2 überlebt und viele Zwänge habe ich wohl wirklich überwunden, da ich so massiv mit ihnen konfrontiert wurde und nicht ausweichen konnte. Ich hätte es mir eigentlich gar nicht zugetraut, da ich massive existentielle und andere Ängste hatte und so gar kein Zutrauen mehr in das Leben und mich selber und völlig von den ZG vereinnahmt war.
Jetzt habe ich oft schon wieder richtig gute Momente, das heißt, ich kann teilweise schon wieder richtig "normal" denken. Wir waren kürzlich abends bei Freunden und da dachte ich, wie absurd doch ZG sind. Manchmal geht es mir sogar mehrere Tage lang am Stück gut.
Wie man oben im Thread sehen kann, habe ich immer wieder Einbrüche, was das Selbstvertrauen (und Selbstliebe usw.). angeht. Diese waren so ganz und gar auf dem Boden, und so ganz langsam baut sich das etwas auf, sehr, sehr langsam.
Dabei tun mir Deine obigen Zeilen schon beim Lesen gut. Ich werde sie mir ausdrucken, damit ich bei Bedarf immer wieder darauf zurückgreifen kann.
Wie ergeht es Dir jetzt im Alltag und wie verträgt Du das (niedrig dosierte) AD? Ich muß dazu sagen, dass ich Deine Beiträge nicht chronologisch gelesen habe, das meiste aus den Jahren 2006 - ca. 2010.
Liebe Grüße
Carmen
Verfasst: 24:04:2013 19:52
von Marika
Liebe Carmen,
ja du gehst in dem Fall wirklich einen harten Weg. Ich hätte es nicht gepackt glaub ich ohne AD. Ich hatte ZG gegen mein Kind (hast vielleicht gelesen) - das hat mich fast umgebracht vor Schmerz. Gerade meinem gelieben Kind gegenüber diese Gedanken zu haben, waren für mich so unerträglich, dass ich mich für das AD entschieden habe.
Ich denke dein Thera macht das schon richtig - nämlich nicht auf jeden Inhalt deiner ZG ausführlich einzugehen. Das hat meiner auch nicht getan, denn so kann man dem Zwang unbewußt eher auch Nahrung geben. Die Profis wissen da schon was sie tun. Es ist dann für uns nur nicht sehr toll - wir oder besser gesagt der ZG - will ja Aufmerksamkeit.
Es ist aber wirklich toll zu hören, dass du auch ohne AD Fortschritte machst. Ich trau mir das nicht zu - ob nur "nocht nicht" oder "nie" - weiß ich nicht wirklich. Dazu müßte ich sicher wieder in Therapie, es ginge mir wieder schlechter, wieder die Gedanken gegen meinen Sohn - davor habe ich so eine Angst, dass ich schon alleine beim daran denken, fast "verrückt" werde.
Das Cipralex vertrage ich sehr gut - ich spüre es nicht, bzw. spüre nur, dass ich nix spüre - weder ZG, noch Nebenwirkungen des AD´s. Na ja - mit dem Gewicht ist es schwieriger also ohne AD, ich würde da schon zunehmen, muss immer sehr drauf achten. Das ist etwas gemein, aber viel weniger als die ZG.
Meine ZG haben in der Teenie Zeit angefangen - deine auch?
Verfasst: 24:04:2013 20:56
von Vicky
Hallo Ihr Lieben ZGgequälten,
mir ist da grad was bei Euch aufgefallen, was auch ich in der Therapie erst lernen mußte.
Ihr scheint jeden Gedanken in Kategorie gut und schlecht, also positiv und negativ zu sortieren.
WARUM ist Wut negativ????
In der Thera lernt man eigetnlich, daß jedoch Gefühl wahrgenommen werden soll und nicht in gut und schlecht eingeordnet wird.
Nur weil ein Gefühl sich unangenehm anfühlt ist es nicht negativ.
Wut z. B. gibt Kraft zur Abgrenzung und Veränderung.
Neid kann eine Antriebsfeder für eigene Leistungen sein.
.... .
Jedes Gefühl ist willkommen. Ein schlechter Mensch ist man deswegen nicht.
Vicky
P.S.: Welch wütendes Geschrei kommt von meinem Säugling, wenn die Milch nicht in 1 Minute in den Rachen läuft.
Was kann diese Wut in Bewegung setzten! Es ist doch beeindruckend.
In Kürze rennt eine gesamte Familie.
Ist das deswegen negativ?
Verfasst: 25:04:2013 8:00
von Marika
Hi Vicky,
du hast recht, wir lernen das natürlich in unseren Therapien.

Vom Kopf her ist es uns dann auch klar - nur das Bauchgefühl dazu fehlt bei uns dann noch.
Ich nehme das Wort "negativ" nicht weil ich "schlecht" meine, sondern umschreibe damit nur all diese Emotionen, damit ich sie nicht einzeln aufschreiben muss!

Aber du hast mich trotzdem auf etwas gebracht: Ich sollte das Wort "negativ" durch was anderes ersetzen - fällt dir dazu was ein Carmen?
Weißt du Vicky, wir Zwängler wissen vom Kopf her alles über unser Krankheitsbild - aber das Gefühl dazu stellt sich nicht immer ein. Und das obwohl Zwänlger extrem sensilbe und emotionale Menschen sind - ein Paradoxn schlechthin. Unser frontale Kortex hinter Stirn triftt dann einfach doch die Unterscheidung zwischen "gut und böse" - obwohl wir genau wissen, dass das Quatsch ist. Hammer gell!
Also, was nehmen wir jetzt für Wort statt "negativ Emotionen"?
Verfasst: 25:04:2013 10:01
von schneehase
Hallo Ihr Lieben,
meine Zwangsstörung hat auch in der Jugendzeit angefangen. Liebe Marika, genau Deine ZG kenne ich ja selber auch nur zu gut. Ich empfinde sie wie eine Art schweres Trauma, in der Hoffnung, dass es vielleicht durch den Aufbau des Gefühls von Vertrauen verarbeitet und vielleicht sogar geheilt werden kann.
Vicky, ich finde es toll, wie Du die Sache mit der Bewertung der Gefühle noch einmal so auf den Punkt gebracht hast.
Marika, kann man die sogenannten "negativen" Gefühel nicht einfach, so wie Vicky es schon beschreibt, GEFÜHLE DES WUNSCHS ZUR VERÄNDERUNG benennen? Hört sich natürlich umständlich an, vielleicht fällt Euch was Besseres ein?
Vicky schreibt ja praktisch so:
Wut = Gefühl des Wunsches zur Abgrenzung und Veränderung
Neid = Gefühl des Wunsches, eigene Leistungen anzutreiben.
Und diese Wünsche (Gefühle) gestehen wir uns ja oft nicht zu.
Bei mir ist es z. B. so, dass ich Angst vor meiner eigenen Wut habe, aus Angst mit ihr nicht angemessen umgehen zu können, und zum anderen befürchte ich öfters, mich nicht abgrenzen zu dürfen. Mir tut dann der andere leid, dass ich mich von ihm abgrenzen möchte und habe Angst, dass ich ihn mit meinem Abgrenzen verletze.
Und Angst vor Strafe (und wenn es nur in Form von Beleidigtsein des anderen ist) habe ich als Beigabe evtl. dann auch noch.
Vielleicht fällt Euch ja auch noch etwas ein, wie man es besser benennen kann, oder vielleicht habt Ihr noch ganz andere Ideen?
Liebe Grüße
Verfasst: 26:04:2013 8:12
von Marika
Hallöle,
wie wärs mit "Wunschgefühle oder Veränderungsgefühle"? Ist ja echt schwer, da einen passenden Ersatz für das Wort "negativ" zu finden. Denn das Wort ist ja nur ein Wort, das mit was Unangenehmen behaftet ist. So suggerrieren wir uns täglich ganz viel mit so Worten oder auch Affirmationen, das ist uns aber meist gar nicht bewußt.
Ja, als Trauma empfinde ich die ZG auch. Und eben Wut ist so eine Emotion, mit der ich lange gar nicht umgehen konnte. Auch genau wie du Carmen, weil ich mir nicht zutraute, damit angemessen ungehen zu können. Und als dann die ZG dazu kamen, war immer die Angst dabei, ich könnte die ZG ausführen, wenn ich Wut o.ä. empfinde. Daher dann auch das Vermeiden. Ich glaube so richtig nachvollziehen kann das nur, wer selber ZG hat oder hatte. Für andere klingt das voll bescheuert.

Finden wir ja selber oft genug!
Es liegt ganz viel am mangelndem Selbstvertrauen, dass wir unsere anderen Seiten und Gefühle nicht annehmen können. Ich kann für mich klar sagen, dass mir das eben genau nicht vermittelt wurde in der Kindheit. Mir wurde eigentlich alles abgenommen, teils aus Liebe, teils aus Angst, mir könnte was passieren. Nur war das für meine Entwicklung nicht gerade förderlich.

Bei meinem Sohn versuche ich diesen Fehler nicht zu machen und es mir doch einiges gelungen. Aber er hat eindeutig auch meine eher introvertierte Persönlichkeit geerbt und wäre ein prädestinierter Kandität für Zwänge, wenn ich nicht genau da drauf schauen würde. Genau wie du Carmen, könnte ich mir Kinder mit bestehender Zwangserkranung nicht vorstellen - also ich meine mit den Symptomen. Das ist soooo was von grausam, gegen das eigene Kind ZG zu haben, ich kanns nicht in Worte fassen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum ich das AD gleich genommen habe - ohne wenn und aber. Ich weiß nicht was gewesen, wäre wenn die ZG einen anderen Menschen betroffen hätten. Aber gegen mein Kind - das war der Super GAU.
Wenn ich die PPD nicht bekommen hätte nach der Geburt, wäre mein Sohn ziemlich sicher auch mit Zwängen konfrontiert worden. Somit ist es ein "Glück" meine PPD - ich mußte in Therapie und mich stellen. Somit habe ich viel gelernt, was mir heute bei meinem Sohn Gold wert ist. Denn wie gesagt: Die introvertierte Persönlichkeitsstruktur hat er schon von mir - o.k. da ist noch eine Portion Leichtigkeit und Sturheit von meinem Mann dabei....die ist in dem Fall seeeehr hilfreich!
Hast du einen Kinderwunsch, Carmen? Ich bin schon 40, daher ist bei uns eh alles schon abgeschlossen.
Verfasst: 26:04:2013 9:08
von schneehase
Hallöchen zurück,
ich finde, es geht in die richtige Richtung, diese Gefühle zu benennen. Mir tut es richtig gut, mich mit Euch darüber auszutauschen.
Ich habe durch unseren Austausch darüber schon einen entspannteren Blick darauf bekommen und versuche mich jetzt an dieser Sichtweise zu orientieren. Wie geht es Dir damit, Marika?
Ich glaube, meine Angst vor Aggressionen hat ihren Ursprung in meiner Jugendzeit, als ich aversive Gefühle meiner Mutter gegenüber hatte und die Aggressionen ihr gegenüber nie richtig verarbeiten konnte.
Diese Schuldgefühle usw. sind bei mir zurückgeblieben und gerade bei den von mir über alles geliebten Menschen erlaube ich mir nicht ein Fünkchen dieser in diesem Moment unerwünschten Gefühle. Da tritt dann natürlich der "Denk ja nicht an den blauen Elefanten"-Effekt auf und die aggressiven, einem zum Verzweiflung bringenden ZG sind geboren.
Du schreibst, Du bist introvertiert. Ich glaube, Du arbeitest an der Kassa (ich glaube, das nennt man bei Euch in Österreich so, oder?). Wie ist die Arbeit für Dich da mit den bestimmt vielen verschiedenen Menschen? Bist Du in vertrauterem Rahmen auch mal extrovertierter und bei Leuten, die Du nicht so kennst, eher introvertiert?
Oder bist Du von der Persönlichkeit generell introvertiert?
Darf ich fragen, wie Du mit ablehnenden, hochnäsigen Zeitgenossen auf der Arbeit und allgemein umgehst? Mich würde einmal interessieren, ob wir Zwänglerinnen uns generell schneller abgewertet fühlen, und es uns eher zu Herzen nehmen als andere, wenn sie unfreundlich behandelt fühlen oder ob ich da so ein Spezialfall bin.
Ja, ich habe einen Kinderwunsch, trau mich aber nicht, bevor ich stabiler bin.
Liebe Grüße ins schöne Österreich und an alle anderen, die mitlesen,
Carmen
Verfasst: 26:04:2013 9:55
von Graureiherin
Hallo Ihr Lieben,
jetzt war ich ein paar Tage nicht im Forum und dann laufen solch tolle Austausche. Ich selber bin auch Zwänglerin. Marika weiß ja teils gut bescheid über mich. Ich bin richtig froh darüber, dass mal wieder "gezielt "ein Zwängleraustausch hier im Forum stattfindet.
ich gebe euch mal einen (hoffentlich kurzen) Einblick in meine Zwangsgeschichte. Die Zwangserkrankung ist mir als junge Erwachsene mit 18 Jahren zum erstenmal richtig bewußt geworden, da sich aggressive ZG´s gegenüber Freunden, Lebensgefährte, Schwester, Mutter etc. entwickelt haben. Sicherlich hatte ich bereits vorher zwanghafte Teile, die ich aber gar nicht bemerkte bzw. für mich normal waren.
Ich war damals in Therapie, aber keiner der Therapeuten hat mir die Diagnose Zwangserkrankung gesagt. Vermutlich weil die Erkrankung damals auch noch nicht so bekannt war, bzw. die Forschung dazu vermutlich noch in der Kinderschuhen?
Die Zwangsgedanken wurden nach ca. 1-2 qualvollen Jahren (qualvoll, weil ich außer mit meinem Therapeuten mit niemandem darüber geredet habe... zudem angefangen habe mich selber zu verletzen, um das "Böse" aus mir herauszuschneiden...) immer weniger und sind nach ca. 3-4 Jahren völlig verschwunden.
Damals dachte ich, dass ich in keinem Fall ein Kind bekommen darf, da ich es dann umbringen würde. Mit viel Therapie und viel verschiedener Lebenserfahrung bin ich zu einem psychisch weitgehende stabilen Menschen geworden. Die damalige ZG´s hatte ich zwar noch als grauenhafte Erfahrung in Erinnerung, dachte aber dass es eben eine merkwürdige Zeit war und ich darüber hinweg bin. Ich war naiv! Denn mit der Geburt meiner Tochter (und war bereits 40!!!

) wurde die Erkrankung wieder losgetriggert. Diesmal mit ausschließliche aggressiven ZG´s gegen meine Tochter.
Ich war unendlich dankbar, dass meine Erkrankung einen Namen hat, an dem ich mich festhalten kann. die Forschung viel weiter ist und die Erkrankung therapiert werden kann. Daher nahm ich den Tipp mit Cipralex dankbar an und nehme zur Zeit 20 mg und es geht mir gut damit. Gegen Neuroleptika habe ich mich zum Glück entschieden, obwohl es mir geraten wurde. Die Medireduktion ist also noch in weiter Ferne. Ich wünsche mir natürlich wie jeder Mensch, dass ich irgendwann ohne Medi gut leben kann. Willst Du denn irgendwann doch nochmals einen Reduktionsversuch starten Marika? Auch in dem Bewußtsein, dass Zwänge auch botenstoffliche Ursachen haben.
Erst gestern beim spazieren dachte ich: " Hmmmm , wenn ich nochmals schwanger werden sollte (was sehr unwarscheinlich ist, da ich vernarbte Eileitern habe), dann wäre das hart aber ich würde es schaffen! Deshalb bin ich überzeugt davon, dass Du Schneehase, wenn Du etwas stabiler bist eine prima Mutter werden wirst. Überhaupt finde ich deine Beiträge sehr angenehm zu lesen und Du reflektierst viel. Du bist echt mutig.
Was Schneehase zu ihrem Therapeuten schreibt kenne ich von meiner Verhaltenstherapeutin auch. Sie ist knallhart. Herzlich ist ein Begriff der auf sie sicher nicht zutrifft. Ich nenne sie meine "Methoden und TheorienTherapeutin" und habe zusätzlich einmal im Monat meine sogenannte "Herztherapeutin". Die harte, "emotionslose" Therapietour bringt mir gezielt gegen meinen Zwang viel. Alles drum herum braucht aber auch mal gefühlvolles Verständnis.
Mensch, nun hat Schneehase gerade wieder was gepostet.... hechel hechel ich komme gar nicht hinterher mit schreiben. Deswegen zum aktuellen Thema Abwertung.
Ich fühle mich tatsächlich immer noch häufig angegriffen und auch abgewertet. Früher habe ich das alles geschluckt und mich häufig unendlich lange schlecht gefühlt. Mittlerweile gelingt es mir ganz gut, sehr schnell zu reagieren und die Situationen anzusprechen. Komme ich in eine Situatiuon die mir erst in der Nacht im Kopf rumkreist und bewusst wird, dann spreche ich sie nach Möglichkeit sobald wie möglich an. Die Situationen die ich als abwertend empfinde sind aber insgesamt weniger geworden. Durch Unterhaltungen mit Freunden würde ich aber sagen, dass ich mich mittlerweile nicht mehr und nicht weniger abgewertet fühle als die meisten anderen "sensiblen" Menschen die ich kenne. Ich denke aber schon, dass unsere hohe angreifbare Emotionalität zur Entstehung der Zwangserkrankung mit beiträgt. Allerdings ja auch noch viele andere Faktoren dazukommen... ihr kennt sie ja selber.
Bis ich das Selbstwertgefühl erlangt habe, das ich heute habe musste ich aber auch viel, viel, viel tun dafür... ich habe 5 Jahre Improvisationstheater gespielt (ich wollte als Kind und Jugenlich NIE auf der Bühne stehen, das war immer ein Graus für mich, sichtbar zu werden für die anderen und vielleicht hochrot im Gesicht, rotgefleckt am "Hals zu "versagen".....) ich habe Vorträge gehalten, unterrichtet, bin politisch aktiv etc. etc.
Derzeit versuche ich mich zuzusagen "einzupendeln". Halte mich sogar teils bewusst zurück und versuche immer, immer, immer wieder meinen wirklichen Wünschen und meinen persönlichen, dringenden Forderungen Ausdruck zu verleihen und mir vor allem deren bewußt zu werden.
Durch das Theaterspielen etc. habe ich auch viele meiner Ängste und Selbstzweifel verloren. Auch wenn es mich immer noch manchmal Überwindung kostet im Mittelpunkt zu stehen... aber ich kann es (aushalten). Verstecken gibt es bei mir nur noch gaaaaaanz selten. ist aber selbstverständlich von meiner Tagesform abhängig.
So nun erst einmal genug, ich schau heute Abend wieder rein...
eure Graureiherin
Verfasst: 26:04:2013 12:02
von schneehase
Liebe Graureiherin,
ich war eigentlich schon auf dem Sprung weg ins Wochenende, schaute aber noch einmal neugierig hier ins Forum und will mich noch kurz für Deine netten Worte bedanken.
Ich finde Dich auch ganz schon mutig, erstens diese Zuversicht, dass Du eine weitere Schwangerschaft schaffen würdest, was mich ermutigt, zweitens dass Du solche Dinge gemacht hast wie Improvisitionstheater zu spielen, Vorträge gehalten etc. Das ist ja ein ideales Training.
Wie sprichst Du denn etwas an, wenn jemand z. B. abwertend ist? Je "abhängiger" ich von einer Person bin, desto schlimmer.
Finde ich eine gute Idee, noch eine zweite "Herztherapeutin" zu haben, denn gefühlvolles Verständnis drumherum brauche ich auch. Deswegen fühl ich auch hier so wohl hier mit Euch mit der gegenseitigen Aufmunterung, Verständnis und Unterstützung.
Ich wünsche Dir und den anderen ein schönes Wochenende
Liebe Grüße
Verfasst: 26:04:2013 22:05
von Graureiherin
Liebe Carmen,
Hmmm wie spreche ich etwas an… dazu geht mir gerade viel im Kopf rum. Am besten ich fange gleich damit an. Bei eben Deiner Frage, wie ich etwas anspreche kam es zunächst zu folgenden Gedankengängen bei mir: Oh, hoffentlich kann ich Carmen gute Antworten geben... andere könnten das bestimmt besser als ich… dann noch mit meinen Schreibfehlern und Kommafehlern… also erst wurde ich unsicher (typisch Zwängler). Dann wurde mir eben diese Unsicherheit bewusst und ich dachte, das ist doch „prima“ schreib ihr das doch gleich mal. Das ist ja gerade ein Punkt wie ich mit (eigen produziertem Abwertungsdenken) umgehe. Ich werde mir darüber bewusst und spreche es baldmöglichst an. Weiter denke ich, wenn Carmen meine Antwort nicht gefällt dann ist das eben so. Punkt. Wichtig ist mir dabei in erster Linie, dass ich ehrlich bin und zu mir stehe mit allen meinen Unsicherheiten.
Zudem übe ich seit Jahren mich bewusst in Situationen daneben zu benehmen. Kennst Du den Film „Harold and Maude“. Da kommt der Satz vor „Jeder Mensch hat das recht einen Narren aus sich zu machen“. Der Film ist überhaupt super genial, das nur nebenbei. Mittlerweile kann ich das oft ganz gut und ich genieße es eine Närrin zu sein.
Dann achte ich darauf, wenn ich neu in einer Gruppe bin, mich nicht zu verstecken. Ich versuche mir so schnell wie möglich eine sichtbare und hörbare Position zu erarbeiten. Ich habe viel Humor und benutze diesen dann unter anderem auch dafür. Früher bin ich in Gruppen komplett unter gegangen. Ich war so unsichtbar, dass ich noch nicht mal zu den Außenseitern gehört habe. Ich habe 2,5 Jahre eine Gruppentherapie gemacht, das hat mir dabei unglaublich viel geholfen. Du machst ja ein Sozialkompetenztraining, die Effekte sind sicher ähnlich/die selben… Die Gruppentherapie hat mir geholfen überhaupt im Leben zunächst bestehen zu können.
Meine Eltern waren aus verschiedenen Gründen nicht in der Lage mich auf das Leben vorzubereiten. Ich habe mir, das was ich heute bin, fast alles selber erarbeiten müssen. Dass ich das geschafft habe, macht mich stark. Es gibt mir die Kraft und die Zuversicht zu wissen, dass ich auch mit anderen Schwierigkeiten fertig werden kann. Wenn mich jemand anderer (als ich selber) gezielt abwertet, fahre ich meine Klauen aus. Denn Abwertungen waren in meiner Familie mein täglich Brot… du kannst das nicht… Du bist doch blöd… die anderen sind alle besser etc. etc. Ich spreche diejenige Person sofort (immer gelingt mir das nicht) darauf an. Manche entschuldigen und korregieren sich oder machen recht schnell einen Rückzieher.
Ich habe mir auch angewöhnt andere zu beobachten. Vor allem wenn diesen Situationen widerfahren, die ich als abwertend erleben würde. Ahhh, denke ich dann, so kann man also auch damit umgehen, das probiere ich bei passender Gelegenheit aus.
Ich weiß nicht genau was Du damit meinst „je abhängiger“ Du von einer Person bist. Meinst Du damit deine Vorgesetzten oder Deinen Lebensgefährten… ?
Ach und mir fällt noch ein, dass ich gerade innerhalb meiner Verhaltentherapie meiner „knallharten“ auf Zwänge spezialisierten Therapeutin kontra zu geben übe, wenn Aussagen ihrerseits für mich nicht stimmig erscheinen. Auch dort übe ich (ohne ihr Wissen) ihr NICHT immer gefallen zu MÜSSEN. Meine Therapeutin ist übrigens Carmen Oelkers. Sie ist tatsächlich super auf Zwänge spezialisiert, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass sie bestimmte routinebedingten Schablonen im Kopf hat, die auf alle Zwängler zutreffen müssen. Ich bin aber ein Individuum!
Du merkst sicher ich übe und übe und übe... nicht zu angepasst zu sein... nicht gefallen zu wollen... nicht immer anständig zu sein... mich nicht selber abzuwerten etc. etc. etc. das ist ganz schön viel Arbeit... und mein Therapieprozess ist noch lange nicht zu Ende...
Sodele das ist aber nun viel geworden. Wie gehst Du (ihr) denn mit Abwertungssituationen bisher um? Welche hilfreichen Mechanismen hat Du Dir (ihr euch) angeeignet?
eine gute Nacht und ein wunderschönes Wochenende
wünscht die Graureiherin
Verfasst: 27:04:2013 8:33
von Marika
Hallo ihr Hübschen,
mensch, was für ein toller Austausch. Mir tut das grad sooo was von gut!!! Auch für mich ist das Forum immer noch wie eine weitere Therapie bei eine Herztherapeutin. Mein Therapeut war auch eher der "trockene Psychiater", obwohl er schon auch mal einen Scherz machen kann. Aber fürs Herz waren dann auch bei mir andere zuständig: Das Forum hier, meine Nachsorgehebamme die TCM gemacht hat, oder auch die Kinesiologin.
Ich sehe, dass wir bzw. wohl die meisten Zwängler etwas absolut gemein haben: Uns fällt es deutlich schwerer etwas anzusprechen, oder mit Abwertungssituationen um zu gehen. Mir absolut auch und ich mußte mir das ebenfalls erst aneignen. Graureiherin - ich finds super, dass du Theatergespielt hast und du Carmen mit dem Sozialkompetenz Training bist auch auf dem besten Weg. Carmen du hast auch gefragt ob ich generell introvertiert bin: Ja - das ist auf jeden Fall meine angeborene Wesenstruktur. Aber je vertrauter mir die Menschen um mich sind, umso mehr geh ich aus mir raus - kann sogar ein echter Clown sein.

So wie Graureiherin schreibt, habe ich doch eine Portion Humor mit bekommen und mit dem kann ich gut "arbeiten", wenn ich in unbekannte Situationen komme oder neue Menschen treffe. Ich bin Verkäuferin, viel an der Kasse in einem Drogeriemarkt - genau Carmen. Da fällt es mir aber sehr leicht, auf die Menschen zuzugehen. Ich glaube das hängt damit zusammen, dass ich mir SICHER BIN, ich weiß da wovon ich rede, kenne mich aus und weiß was die Leute von mir wollen, wenn sie kommen: Einkaufen - und Infos über Produkte, die ich kenne. Ich glaube es ist die Sichhereit, die mir da meine Introvertiertheit nimmt - schon komisch, dieser Widerspruch ist mir so noch nie aufgefallen. Ich introvertierte arbeitet aktiv mit Menschen.

Vielleicht ist das auch eine tägliche Übung für mich!
Wenn ich mich mal in Abwertungssituationen befinde, es ist für mich sicher nicht so leicht, wie für andere Menschen. Aber ich kann mich doch mittlerweile gut abgrenzen. Schönes Beispiel: Am MO gabs Streit im Geschäft zwischen mir und einer Kollegin. Ich bin ganz schön gestiegen und hab meine Meinung gesagt - sie mir ihre. Das ist ganz schön in meinem Kopf rumgekreist - und hat mich nicht losgelassen. Gestern hab ich dann das Gespräch gesucht, was nicht leicht für mich war, ich hab mich aber überwunden, mich in diese unangenehme Situation zu begeben und mir evlt. das "Recht aus mir einen Narren zu machen" zu nehmen - herrliches Zitat, Graureiherin! Ich habe schon gelernt, dass es nicht schlimm ist Fehler zu machen - und dass ich deshalb nicht schlecht bin.
Das Paradoxi ist übrigens, dass alle sagen, ich sei die geborene Rednerin. Nie zu lange, immer die richtigen Worte, einen schöne Stimme - man höre mir sehr gerne zu. Ich aber vor anderen eine Rede halten? DER ABSOLUTE HORROR!!!!

Ich mußte mal spontan bei einer Beerdingung die Lesung halten, weil meine Cousine die das machen sollte, kurz davor ohnmächtig geworden war. Ich stand da und las - es fühlte sich an als hätte ich meinen Körper verlassen.... Ich hatte keine Erinnerung danach, was ich gesagt hatte - aber alle kamen und gratulierten mir unter Tränen zu der "wunderschönen Rede"... - ich dachte ich bin im falschen Film!

Das deckt sich auch mit Erfahrungen die andere Zwängler machen: Wir unterliegen der Täuschung, dass wir schlecht sind oder etwas nicht können - und die anderen sehen uns total anders! Wir haben eine gestörte Wahrnehmung von uns selber. Ich dachte ja immer, ich sei eine schlechte Mutter - man sagte mir aber: Du bist so eine tolle Mami! Wieder das Gefühl im falschen Film zu sein!
Kennt ihr das so auch? Und wenn wir schon dabei sind: Was macht ihr Beruflich?