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Schuldfrage

Verfasst: 20:05:2014 21:26
von Leena91
Und gleich noch ein Post hinterher.

Ich merke, dass ich oft Angst vor Schuld habe. Darum dreht es sich bei meinen Ängsten, beim Zwang - also eigentlich meistens. Meine schlimmste Angst ist zum Beispiel Schuld an einer Situation zu haben, von der ich jetzt nicht weiß, wie ich sie aushalten sollte.
Zum Beispiel, würde ich mein Kind gefährden, nicht früh genug mit ihr zum Arzt gehen oder so was und es würde etwas Schlimmes passieren, dass nicht rückgängig gemacht oder werden kann. Das führt natürlich konkret dazu, dass ich dazu neige überängstlich zu sein. Zwanghaft. Nur, um am Ende nicht Gefahr zu laufen, Schuld zu sein.

Kennt ihr das? Wisst ihr evtl. woher das kommt (Kindheit, Charakter, usw.?)? Habt ihr Tipps, die einem helfen?

Re: Schuldfrage

Verfasst: 23:05:2014 8:05
von Marika
Hallo meine Liebe,

oh ja - ich kenne das! Meine ZG haben sich auch ganz stark um dieses Thema damals gedreht. In meiner Therapie konnte ich die Gründe sehr gut heraus arbeiten: mein sehr geringes Selbstvertrauen war hauptursächlich schuld daran. Denn wenn du "dir selbst nicht traust oder dir wenig bis nichts zutraust" - wie sollst du dann fest und sicher für das Wichtigste im Leben - dein Kind - Verantwortung übernehmen können und im weiteren Sinne Vertrauen in deine Fähigkeiten haben? Du "traust dir selber nicht" - das ist der Grundpfeiler für Zwänge, ZG und diese Ängste etwas zu übersehen. Du zweifelst DICH selbst an - weil dein Selbstvertrauen zu gering ist.

Bei mir hat die Stärkung und Bildung des Selbstvertrauens in der Kindheit nie stattgefunden. So wurde ich zu einer ängstlichen und zwanghaften Erwachsenen. Als dein mein Sohn zur Welt kam, stand ich vor der größten Aufgabe die man überhaupt haben kann: Das begleiten eines hilflosen Wesens in diese Welt. Wie hätte das mit meiner Persönlichkeitsstruktur gehen sollen? In meiner Therapie habe ich das erkannt und mir das fehlende Selbstvertrauen erarbeitet. Und je stärker dieses wurde, um so weniger wurden die ZG, um so weniger wurden die Ängste ich könnte mit meinem Kind etwas falsch machen. Weil ich mir immer sicherer MIR SELBER gegenüber wurde, mich nicht mehr anzweifelte und den Glauben "ich kann was" bekam.

Aber auch gesunden Mamas geht es oft anfangs so: Sie sind sehr verunsichert, wenn da plötzlich dieses kleine Baby liegt, dass zu 100 % auf einen angewiesen ist. Diese Verantwortung ist erst mal oft einfach beängstigend. Also ein Stück weit machen das ganz viele Mamas durch, holen sich dann aber wieder da raus, weil sie ihr Selbstvertrauen einschalten.

Wie würdest du dich selbst beschreiben bzgl. deines Selbstvertrauens?

Re: Schuldfrage

Verfasst: 23:05:2014 8:58
von Hanna3756
Hallo Marika,

ich lese ja immer gerne mit. Wie hast du es denn geschafft dein Selbstvertrauen aufzubauen?? Hast du da irgendwelche Tipps. Geht das denn überhaupt mit einem Medikament?? LG Hanna

Re: Schuldfrage

Verfasst: 23:05:2014 9:52
von Marika
Hallo,

also ein Medikament baut kein Selbstvertrauen auf, :wink: aber es bildet im Gehirn die Botenstoff - chemische Grundvoraussetzung, dass du das lernen und auch anwenden kannst. Die eigentliche Arbeit ist die Therapie.

Im Groben gesagt, bestand meine Aufgabe darin, langsam aber stetig "angstmachende" Situationen (die nicht wirklich gefährlich waren, sondern nur für mich angstbehaftet waren) nicht mehr zu meiden, sondern mich drüber zu trauen.

Beispiel:
Ich traue mich nicht mit dem Baby alleine daheim zu sein!
Übung: Eine Stunde lang diese Situation durch zu stehen und danach kam z.B. meine Mama vorbei - was ich wusste. Trotzdem war die Übung am Anfang sehr schwer für mich.

oder:
Ich traue mich nicht über offene Plätze zu gehen, weil ich denke, jeder schaut mich an! (Agoraphobie)
Übung: Ich überwinde mich und tue es. Mit jedem Mal gings leichter - heute denk ich mir gar nix mehr dabei.

Das ist aktive Verhaltenstherapie, die alte krankmachende Verhaltensmuster erkennt, umtrainiert und somit ermöglicht, das Selbstvertrauen zu steigern!

Re: Schuldfrage

Verfasst: 23:05:2014 11:08
von Hanna3756
Danke Marika,

ich denke manchmal ich muss ohne das AD, alles nochmal vorne lernen, alleine ohne Hilfsmittel... Ist das richtig?

Re: Schuldfrage

Verfasst: 23:05:2014 12:23
von Marika
Warum solltest du das "müssen"? Ich nehme mein AD noch heute und werde es - zwar in niedriger Dosis - aber eben doch - wohl für immer nehmen müssen, damit die Gehirnchemie konstant bleibt. Eine Therapie kann sehr viel - aber manchmal eben nicht alles beheben. Und das AD kann ebenfalls enorm viel, aber eben halt auch nicht alles grade biegen. Aber die Therapie hat bei mir bewirkt, dass ich mein AD um 2/3 der ursprünglichen Dosis reduzieren konnte und nun schon wieder fast 5 Jahre mit dieser kleinen Dosis lebe, als wäre nie was gewesen!

Daher ist die Kombi zwischen beiden vor allem am Anfang sehr gut. Ob man das AD dann länger braucht oder nicht, das ist von Fall zu Fall völlig verschieden.

Re: Schuldfrage

Verfasst: 23:05:2014 17:54
von kleiner prinz
hallo marika,danke für deine offenheit,das macht mut nicht daran zu verzweifeln..und das man daran arbeiten kann.danke,danke :-) :-) schönes wochenende wünsche ich euch.glg martina

Re: Schuldfrage

Verfasst: 23:05:2014 18:12
von Hanna3756
Ja ich weiß auch nicht wieso ich das muss. Ich hab sone Gedanken manchmal... Wenn ich in so einer gedankenspirale stecke, dann grübelt mein Gehirn immer nach was kann man besser machen, wo kommt das her...und ich stecke fest, weil ich ja eh nicht auf eine richtige Lösung komme. LG

Re: Schuldfrage

Verfasst: 23:05:2014 22:22
von Nickolakala
Hallo,

auch ich lerne in meiner Therapie gerade das gleiche wie es auch Marika beschrieben hat. Ich soll in die von mir angstbesetzten Situationen bewusst rein, die Angst annehmen und bleiben bis die Angst wieder nachlässt. Somit jedesmal "gestärkt" aus der Angstsituation heraus gehen und jedesmal wird die Angst ein kleines bißchen weniger.

Also ich diese Woche einen Tag "kinderfrei" hatte hab ich die Situation bewusst genutzt (ohne Therapie wär ich sicher daheim geblieben) und bin ich ein grosses Einkaufszentrum gefahren um dort zu bummeln.

Und tatsächlich: daheim war die Angst da: schwindelig, Herzklopfen, aber dort hab ich wirklich SPASS empfunden, hab eine tolle Verkäuferin gehabt die mich SEHR GUT beraten hat und hab mir tolle neue Klamotten gekauft !!! OHNE ANGST !!!

Ja mein Thera meint ich solle einfach "neue" WEge gehen. Woanders einkaufen, woanders tanken, nicht immer die gleichen Geschäfte...........damit mein Körper merkt, dass nichts passiert.

Hoffe, ich habe mich einigermassen verständlich ausgedrückt !!!

Alles Gute
N.

Re: Schuldfrage

Verfasst: 24:05:2014 8:47
von Marika
Hallo Nicko,

suuuuuuper!!! Du hast es ganz toll erklärt und vor allem super umgesetzt! Anfangs ist die Angst da, aber sie wird mit dem "Durchstehen" immer kleiner und wir "verlernen" so zu sagen unnötige Angst zu haben! Und das wieder um steigert das Selbstvertrauen, was zu einer Minimierung der ZG usw. führt. Das ist das Ziel der Verhaltenstherapie. Und es wirkt auch!