Was habt ihr die ersten Momente nach der Geburt erlebt?
Verfasst: 11:07:2014 22:35
Ich möchte so gerne aussprechen, mich erleichtern um das, was mir unmittelbar nach der Geburt durch den Kopf ging und was keine der anwesenden Hebammen, der Vater des Kindes, die im Enkelwahn völlig abgedrehten Erst-(schwieger-)Großeltern, diese Heile-Welt-Gesellschaft gerne um die Ohren geknallt bekommen hätte:
Mein Kind flutschte gerade aus mir raus und fing direkt und ohrenbetäubend an zu schreien, was über gefühlte 10-15 Minuten anhielt und er beruhigte sich auch längst nicht damit, als er mir gezwungenermaßen auf den Bauch gelegt wurde. Meine ersten Gedanken waren:
"Ach Gott, das wird ein Schreikind! War ja klar bei meinen Depressionen. Denn er merkt bestimmt, dass ich ihn nicht wirklich haben wollte. Verdammt, hoffentlich merkt das keiner der hier Anwesenden."
Und dann lag er auf meinem Bauch (ich musste ihn ja als Erste haben. Er wurde mir quasi aufgezwungen, denn ich bin ja DIE MUTTER!) und seine Haut roch so fremd und gummiartig. Das war kein angenehmer, kein vertrauter Geruch und das blieb auch die ersten Wochen so, dass er für mich vom Geruch her so wenig Menschliches und auch so wenig Eigenes an sich hatte. Bis heute (er ist fast ein halbes Jahr alt) hat er immer noch keinen eigenen Körpergeruch für mich, wenn ich von dem Milch-/Käsekotzgeruch mal absehe. Ich find das irgendwie komisch, denn ich erinnere mich sehr gut daran, dass meine kleinste Schwester, als sie geboren wurde, so einen warmen, angenehm süßlichen Eigengeruch hatte, den mein Bruder so sehr geliebt hat. Hängt es mit meiner Depression zusammen, dass ich ihn nicht wirklich riechen kann?
Was ich auch nicht gefühlt habe, war Freude im Augenblick nach der Geburt. Ich habe nur Fremdheit gespürt, als mein Sohn das erste Mal auf mir lag. Und er war so glitschig, unhandlich, wusste ihn kaum zu fassen. Die Hebammen mussten ihn zu zweit mit mir zum Bett tragen. Ich wirkte wohl so, als würde ich ihn jeden Augenblick fallen lassen.
Wie froh war ich dann, als er mir endlich abgenommen wurde, weil er abgenabelt und ich an den Genitalien inspiziert werden musste. Ich war so froh um jede Minute nach der Geburt, die ich ihn wieder los war. Ich war froh, dass ich ihn nicht anziehen musste, war froh, dass ich ihn nicht die Treppe runter tragen musste zum Auto (täuschte stattdessen wirkungsvoll Kreislaufschwäche vor). Ich wollte dieses Kind nicht sehen. Als ich ihn dann auf der Rückfahrt nach Hause ( 3 h nach der Geburt) neben mir im Autositz betrachtete, dachte ich nur: "Wenn du jetzt sterben würdest, ich würde dich nicht vermissen, ..denn ich kenne dich nicht. Du bist mir so fremd."
Als wir zuhause aus dem Auto stiegen, rannte ich zur Tür vor, ging ins Haus, ließ meinen Freund wurschteln...wollte/ konnte das alles noch nicht wahrhaben, dass wir jetzt einer mehr waren, ganz real einer mehr waren (der Kleine in meinem Bauch war für mich die ganze Schwangerschaft über etwas völlig Irreales, auch wenn er ein sehr aktives Baby schon damals war).
Ich bin so froh, dass ich das hier niederschreiben konnte. Niemandem habe ich je meine Gedanken um die ersten Minuten/ Stunden der Geburt anvertraut. Stattdessen habe ich allseits die glückliche, tapfere Mutter gemimt, wie alle das so erwarten. Dass ein Frischgeborenes nach der Geburt wie Gummi stinkt, passt ja nicht zum romantischen "Wunder der Geburt".
Was ich mich auch frage: Ist es unnormal, wenn man kurz nach der Geburt keine Freudentränen vergießt vor Überwältigung über das frischgeborene Glück? Ich und der Vater haben beide nicht weinen müssen. Ich habe auch nie zu fragen gewagt, was er gefühlt hat. Für mich sah er einfach nur geflasht aus und wirkte genauso hilflos und überfordert wie ich. Irgendwie hatten wir uns das beide anders ausgemalt. Zuvor hatten wir uns fast alles an Amateuraufnahmen zum Thema Geburt angesehen, was Youtube so hergibt und wir glaubten uns gut vorbereitet. In den Videos weinen die Mütter alle immer vor Glück, wenn das Kind auf der Welt ist. Der Vater freut sich.
Warum war das bei uns nicht so. Hatten wir beide schon eine PPD zu dem Zeitpunkt?
Ich würde so gerne wissen, ob es anderen hier ähnlich ergangen ist. Ob mein Erleben typisch ist für Frauen mit PPD/ depressiver Vorgeschichte.
Übrigens: Mein Kind ging auch nicht wie in den ganzen Videos schnell und zügig von allein an die Brust. nein, er musste erst mühsam dorthin gelenkt werden und brauchte ganz viel Unterstützung, dauerte bestimmt eine Stunde, bis er endlich mal einen Schluck trank und dann rutschte er immer noch wieder ab. - Ein weiter Vorgeschmack auf das, was mir danach, in den nächsten Wochen, blühte: Ich hatte ein extrem schwieriges Stillkind, was u.a. wohl mit meinem sehr verhaltenen Milchfluss zusammenhing (durch Depressionen? Schilddrüse? - Ich habe nach der Geburt ein ganz schlimmes Struma entwickelt.) Mein Kind wollte in den nächsten Wochen permanent an der Brust hängen und hat mich damit psychisch völlig mürbe gemacht. Nach 5 Wochen Qual sind wir aufs Zufüttern umgestiegen, was sich als wahrer Segen für uns beide erwiesen hat, nach gut drei Monaten war er dann ein voll mit der Flasche gefüttertes Kind, was sich für uns beide als die beste Lösung erwiesen hat (zum Glück war er ein völlig unkompliziertes Kind, was die Akzeptanz der Flasche anbetraf und er konnte auch während der Zwiemilchphase innerhalb weniger Züge sein Saugverhalten auf Flasche bzw. Brust umstellen).
Das noch am Rande.
Nun bin ich gespannt auf eure Berichte.
Mein Kind flutschte gerade aus mir raus und fing direkt und ohrenbetäubend an zu schreien, was über gefühlte 10-15 Minuten anhielt und er beruhigte sich auch längst nicht damit, als er mir gezwungenermaßen auf den Bauch gelegt wurde. Meine ersten Gedanken waren:
"Ach Gott, das wird ein Schreikind! War ja klar bei meinen Depressionen. Denn er merkt bestimmt, dass ich ihn nicht wirklich haben wollte. Verdammt, hoffentlich merkt das keiner der hier Anwesenden."
Und dann lag er auf meinem Bauch (ich musste ihn ja als Erste haben. Er wurde mir quasi aufgezwungen, denn ich bin ja DIE MUTTER!) und seine Haut roch so fremd und gummiartig. Das war kein angenehmer, kein vertrauter Geruch und das blieb auch die ersten Wochen so, dass er für mich vom Geruch her so wenig Menschliches und auch so wenig Eigenes an sich hatte. Bis heute (er ist fast ein halbes Jahr alt) hat er immer noch keinen eigenen Körpergeruch für mich, wenn ich von dem Milch-/Käsekotzgeruch mal absehe. Ich find das irgendwie komisch, denn ich erinnere mich sehr gut daran, dass meine kleinste Schwester, als sie geboren wurde, so einen warmen, angenehm süßlichen Eigengeruch hatte, den mein Bruder so sehr geliebt hat. Hängt es mit meiner Depression zusammen, dass ich ihn nicht wirklich riechen kann?
Was ich auch nicht gefühlt habe, war Freude im Augenblick nach der Geburt. Ich habe nur Fremdheit gespürt, als mein Sohn das erste Mal auf mir lag. Und er war so glitschig, unhandlich, wusste ihn kaum zu fassen. Die Hebammen mussten ihn zu zweit mit mir zum Bett tragen. Ich wirkte wohl so, als würde ich ihn jeden Augenblick fallen lassen.
Wie froh war ich dann, als er mir endlich abgenommen wurde, weil er abgenabelt und ich an den Genitalien inspiziert werden musste. Ich war so froh um jede Minute nach der Geburt, die ich ihn wieder los war. Ich war froh, dass ich ihn nicht anziehen musste, war froh, dass ich ihn nicht die Treppe runter tragen musste zum Auto (täuschte stattdessen wirkungsvoll Kreislaufschwäche vor). Ich wollte dieses Kind nicht sehen. Als ich ihn dann auf der Rückfahrt nach Hause ( 3 h nach der Geburt) neben mir im Autositz betrachtete, dachte ich nur: "Wenn du jetzt sterben würdest, ich würde dich nicht vermissen, ..denn ich kenne dich nicht. Du bist mir so fremd."
Als wir zuhause aus dem Auto stiegen, rannte ich zur Tür vor, ging ins Haus, ließ meinen Freund wurschteln...wollte/ konnte das alles noch nicht wahrhaben, dass wir jetzt einer mehr waren, ganz real einer mehr waren (der Kleine in meinem Bauch war für mich die ganze Schwangerschaft über etwas völlig Irreales, auch wenn er ein sehr aktives Baby schon damals war).
Ich bin so froh, dass ich das hier niederschreiben konnte. Niemandem habe ich je meine Gedanken um die ersten Minuten/ Stunden der Geburt anvertraut. Stattdessen habe ich allseits die glückliche, tapfere Mutter gemimt, wie alle das so erwarten. Dass ein Frischgeborenes nach der Geburt wie Gummi stinkt, passt ja nicht zum romantischen "Wunder der Geburt".
Was ich mich auch frage: Ist es unnormal, wenn man kurz nach der Geburt keine Freudentränen vergießt vor Überwältigung über das frischgeborene Glück? Ich und der Vater haben beide nicht weinen müssen. Ich habe auch nie zu fragen gewagt, was er gefühlt hat. Für mich sah er einfach nur geflasht aus und wirkte genauso hilflos und überfordert wie ich. Irgendwie hatten wir uns das beide anders ausgemalt. Zuvor hatten wir uns fast alles an Amateuraufnahmen zum Thema Geburt angesehen, was Youtube so hergibt und wir glaubten uns gut vorbereitet. In den Videos weinen die Mütter alle immer vor Glück, wenn das Kind auf der Welt ist. Der Vater freut sich.
Warum war das bei uns nicht so. Hatten wir beide schon eine PPD zu dem Zeitpunkt?
Ich würde so gerne wissen, ob es anderen hier ähnlich ergangen ist. Ob mein Erleben typisch ist für Frauen mit PPD/ depressiver Vorgeschichte.
Übrigens: Mein Kind ging auch nicht wie in den ganzen Videos schnell und zügig von allein an die Brust. nein, er musste erst mühsam dorthin gelenkt werden und brauchte ganz viel Unterstützung, dauerte bestimmt eine Stunde, bis er endlich mal einen Schluck trank und dann rutschte er immer noch wieder ab. - Ein weiter Vorgeschmack auf das, was mir danach, in den nächsten Wochen, blühte: Ich hatte ein extrem schwieriges Stillkind, was u.a. wohl mit meinem sehr verhaltenen Milchfluss zusammenhing (durch Depressionen? Schilddrüse? - Ich habe nach der Geburt ein ganz schlimmes Struma entwickelt.) Mein Kind wollte in den nächsten Wochen permanent an der Brust hängen und hat mich damit psychisch völlig mürbe gemacht. Nach 5 Wochen Qual sind wir aufs Zufüttern umgestiegen, was sich als wahrer Segen für uns beide erwiesen hat, nach gut drei Monaten war er dann ein voll mit der Flasche gefüttertes Kind, was sich für uns beide als die beste Lösung erwiesen hat (zum Glück war er ein völlig unkompliziertes Kind, was die Akzeptanz der Flasche anbetraf und er konnte auch während der Zwiemilchphase innerhalb weniger Züge sein Saugverhalten auf Flasche bzw. Brust umstellen).
Das noch am Rande.
Nun bin ich gespannt auf eure Berichte.