Ich bin Ende dreißig und habe im Januar 16 meine Tochter geboren. Ich wollte nie so recht Kinder, es war nie Thema für mich, aber mein Mann wollte immer Kinder. Da bei mir langsam die Uhr tickte, habe ich mich darauf eingelassen. Wenn es dann nicht klappen sollte, hätten wir es zumindest probiert (ein anderes Gefühl, als es nie probiert zu haben). Ich dachte natürlich, dass es erstmal dauern wird, bin aber prompt und für uns beide unerwartet schnell schwanger geworden. Mein Mann freute sich sehr, aber mich überforderte die Situation zunächst völlig, da ich einfach "nicht wollte". Ich hatte schon in früheren Lebensphasen Depressionen und Angststörungen, und nachdem es mir endlich seit längerem und über längere Zeit gut ging, hat mich die Schwangerschaft und die Aussicht auf das, was auf mich mit Kind zukommt, wieder zurückgeworfen. Zumal ich einfach nie diesen Kinderwunsch nachvollziehen konnte.
Meine Umwelt konnte mit meinen Gefühlen nur schwer umgehen (sofern ich sie artikulierte), ich fühlte mich einfach nur unverstanden; es ist vermutlich ein Tabu-Thema, wenn frau sich "in freudiger Erwartung" so fühlt, wie ich mich fühlte. Um einen neutralen Gesprächsrahmen zu haben und "vorzubauen", nahm ich Beratungsstunden bei der Diakonie, ein Versuch, um mit mir irgendwie ins Reine zu kommen. Eine Therapie wäre für mich nicht in Frage gekommen, da ich aus einer früheren Therapie absolut unzufrieden rausgegangen bin und mir das Ganze zu langwierig erschien; da es aber ja nicht mehr nur um mich, sondern auch um ein ungeborenes Kind ging, erschien mir der Weg einer solchen Beratung, die auch kurzfristig zu organisieren ist, am besten. Der Ansatz der Beratung tat mir auch sehr gut, und nach ein paar Beratungsstunden ging es mir tatsächlich besser: Ich konnte der Situation zwar "abwartend", aber nicht unbedingt negativ gestimmt, entgegen sehen. Wichtig war mir mit der Beratung auch, direkt einen Ansprechpartner zu haben, wenn es nach der Geburt Probleme geben sollte.
Die Geburt verlief völlig problemlos, und mein Mann und ich konnten in die gemeinsame Elternzeit einsteigen (er blieb für drei Monate zu Hause). Anfangs lief alles recht gut, und wenn ich mal verzweifelte, waren wir zu zweit. Je näher sein Arbeitsbeginn rückte, desto häufiger kamen jedoch in mir emotionale Achterbahnfahrten hoch: Eine Mischung aus "ich kann nicht Mutter sein" und "ich will nicht Mutter sein", Vorwürfe gegen meinen Mann, dass er alles an mir hängen lässt (er arbeitet sehr viel), obwohl er Kinder wollte und nicht ich, Wut und Angst, gleichzeitig Schuldgefühle gegenüber dem Kind, das ja nichts kann für seine Mutter, die so denkt etc.
Ich hatte mich schon während der Schwangerschaft neben der Beratung im Depressionsforum der Stiftung Deutsche Depressionshilfe angemeldet, wo es einen Thread zum Thema PPD gab. Dort konnte ich mich austauschen, aber in der Zeit nach der Geburt kam nur wenig Rückmeldung zu meinen Beiträgen, die Situation um die Geburt ist vielleicht doch etwas zu speziell. Da die emotionalen Achterbahnfahrten häufiger wurden, habe ich bei der Diakonie wieder um Beratungstermine angefragt, aber wegen der Feiertage und Krankheit waren nach dem ersten Termin für ein paar Wochen keine Termine möglich. Mir ging es sehr gemischt und ich recherchierte weiter im Internet. Dabei stieß ich auf das Forum von Schatten und Licht, bei welchem ich mich und meine Situation in den Beiträgen in verschiedenen Aspekten wiederfand. In der Zwischenzeit hat mein Mann wieder begonnen zu arbeiten, und ich hielt bzw. halte mich über Wasser und es gibt auch durchaus gute Tage, aber eben auch die schlechten.
Ich weiß nicht, ob ich eine postpartale Depression habe oder ob es meine typisch "depressive Reaktion" auf gravierende Veränderungen ist, die ich von mir schon über viele Jahre kenne, kombiniert damit, ein Kind bekommen zu haben, ohne nie ein Bedürfnis danach gehabt zu haben. Es gibt Phasen, die sind völlig in Ordnung, und dann wieder legt sich ein Schalter um und ich weiß nicht mehr weiter, will das alles nicht. Auch fühle ich mich oft anders, fremd und alleine zwischen den Müttern, die ich in irgendwelchen Kursen treffe (die ich u.a. mache, damit ich rauskomme und Leute kennenlerne).
Ginge es nur um mich, hätte ich vermutlich genügend Strategien, um durch diese Tiefs durchzugehen, ich kenne mich ja nun schon ein paar Jährchen und kann mich vermutlich auch halbwegs gut einschätzen, wann ich wirklich mehr Unterstützung brauche. Entsprechend haben mich die Einbrüche in der Schwangerschaft und den ersten Monaten nach der Geburt auch so erschüttert. Und jetzt geht es auch um meine Tochter, die nichts dafür kann, dass sie so eine Mutter hat.
Da ich inzwischen wieder bei der Beratung war, kann ich momentan wieder etwas positiver in die Zukunft schauen. In der Stunde wurden sehr schnell ein paar "wunde Punkte" angesprochen, die es vermutlich wirklich anzusehen lohnt.
Mein Mann unterstützt mich soweit er es kann (er kennt mich lange genug, um zu wissen, dass es bei mir zu solchen Probleme kommen kann), aber das Problem wenig Zeit und keine Unterstützung durch Großeltern o.ä. vor Ort werden wir irgendwie kompensieren lernen müssen; vermutlich sind es auch diese Punkte, die mich immer wieder so überfordert und alleine fühlen lassen.
Es ist jetzt doch ganz schön viel Text geworden, vielen Dank fürs Lesen …

Viele Grüße
Uma