Schwangerschaftsabbruch
Verfasst: 28:04:2024 22:50
Hallo zusammen. Ich schreibe hier um ein sehr sensibles wie auch umstrittenes Thema „Schwangerschaftsabbruch“.
Ich bin 39 Jahre alt und leide seit meinem 19. Lebensjahr an einer generalisierten Angststörung mit allen Höhen und Tiefen. Es gab Zeiten, da wollte ich nicht mehr leben, weil ich die Ängste und die daraus resultierenden Depressionen nicht mehr aushalten konnte und wollte. Durch Medikamente konnten diese Peaks zum Glück abgefangen werden. Ich habe sehr viel Therapie gemacht und war auch schon 2x stationär in einer psychosomatischen Klinik. Trotz diesem Päckchen bin ich immer arbeiten gewesen und habe den Alltag gemeistert.
Ich habe lange über das Thema Kinder nachgedacht. Die Angst natürlich ganz vorne mit dabei „du schaffst das nicht“, was ist wenn du wieder in eine Klinik musst“, was ist wenn, was ist wenn…… Mein Partner hat mir viel Mut gemacht, er wäre ja auch noch da sowie meine Eltern. Alle würden mich unterstützen.
Gesagt getan. Mit 33 haben wir es darauf ankommen lassen. 3 Fehlgeburten folgten in den darauffolgenden 3 Jahren. Das hat mich geschlaucht, psychisch richtig fertig gemacht. Hab mir eingeredet als Frau versagt zu haben. Jeder Depp kann Kinder bekommen nur du nicht, etc. Als ich mich beruflich neu orientieren wollte bin ich mit meiner Tochter schwanger geworden. Oh aber da war sie wieder die Angst. Klopfte an die Tür und sagte mir jeden Tag, dass ich das nicht schaffe mit immer denselben Fragen, was ist wenn, was ist wenn. Meine Gedanken haben mich sichtlich zerlegt. Ab dem 7. Monat und viel Therapie wurde es besser. Aber nur etwas. Dann der Schock, sie kam 6 Wochen zu früh. Mir ist einfach die Fruchtblase geplatzt. Aber zum Glück ist alles gut gegangen. Sie war fit und konnte nach 2 Wochen Klinik ohne Probleme nach Hause.
Was soll ich sagen? Meine Tochter hat mein Leben verändert, mein Leben in jeglicher Hinsicht bereichert und ich hatte bzw. habe eine Aufgabe, die mich fordert und nicht so viel nachdenken lässt. Ich liebe es Mama zu sein. Ja es war hart. Dieser Schlafentzug war nicht ohne. Mein Stresspegel war ja schon seit Jahren hoch durch die massiven Ängste und so haben mich viele Situationen schnell an meine Grenzen gebracht. Aber es war alles machbar und die Liebe zu meiner Tochter hat alles in den Hintergrund gerückt. Ich hatte auch keine Wochenbettdepression oder Probleme mit den Gefühlen zu meiner Tochter. Nach einem Jahr bin ich auch wieder in Teilzeit arbeiten gegangen. Sogar in dem neuen Job mit den neuen Aufgaben, den ich ja eigentlich schon vor meiner Tochter machen wollte. Es klappte alles im Großen und Ganzen gut. Klar gab es auch mal Tage, an denen ich am Ende war, aber die positiven Tage haben überwogen.
Als meine Tochter ca 1,5 Jahre alt war kam der Wunsch nach einem zweiten Kind auf. Noch nie habe ich so eine Liebe empfunden und meine Tochter ist das Beste was mir je passiert ist. Das war letztes Jahr Spätsommer. Wir haben es wieder drauf ankommen lassen und drei Monate später war ich schwanger. Ich hatte zu dieser Zeit noch Therapie. Aber schon ein paar Wochen vor der Schwangerschaft merkte ich, dass ich nicht so stabil bin und die Ängste wieder stärker wurden. Meine Therapeutin und ich fanden heraus, dass es vermutlich der Druck mit dem Thema zweites Kind ist und die Sorge, die wieder überhand nahm. Sie sagte, man könne auch mit einem Kind glücklich sein und ich solle doch mal schauen was ich bisher schon geschafft hätte, etc. 2 Wochen nach diesem Gespräch war der Test positiv.
Erst war ich geschockt, aber gleichzeitig freute ich mich auch. Und dann ging alles wieder von vorne los. Angst, Panikattacken, ein Gedankenkarussell des Grauens. Konnte nicht mehr schlafen und musste sogar Tavor nehmen, weil ich vor Angst zerfressen war. Dann saß ich da, heulend vor meinem Mann und ich sagte immer wieder „ich schaff das nicht“. Das Thema „Schwangerschaftsabbruch“ stand im Raum und ich sah nur noch diesen einen Weg auß dieser Angstspirale rauszukommen. Ich habe direkt einen Termin bei ProFamilia gemacht und naja was soll ich sagen drei Tage später war der frühe Abbruch. Ich war wie im Trance.
Jeder der mir jetzt sagt was für ein Schwein ich sei, dem gebe ich Recht. Ich habe etwas ganz furchtbares gemacht und ich kann jeden verstehen, der mir die Pest an den Hals wünscht.
Drei Monate konnte ich das Erlebte ausblenden. Aber jetzt kommt alles hoch. Was bitte habe ich da getan? Was bin ich für ein schrecklicher Mensch, der ein so besonderes Geschenk wegmachen lässt? Der allerschlimmste Schmerz ist jedoch die Erkenntnis, dass meine Angst GEWONNEN hat. Sie hat gesiegt. Sie hat mich zu dem gebracht was ich mir in meinen schlechtesten Träumen niemals vorstellen konnte. Ich, die dachte so viel Liebe und Kraft für ein zweites Kind zu haben sitzt nun vor einem Scherbenhaufen. Von Schuldgefühlen zurecht zerfressen. Ich habe eine intakte Schwangerschaft abgebrochen. Warum haben wir uns keine Hilfe geholt? Bei meiner Tochter waren die Ängste am Anfang genauso schlimm. Und jetzt ist es das Schönste was ich habe. Warum hat mein Mann mich nicht bestärkt, dass wir es schaffen könnten? Ich habe so eine unfassbare Wut auf mich, auf meine Erkrankung. Und die Fragen und Vorwürfe hören nicht auf. Ich sitze jeden Tag vor dem Ultraschallbild und bin völlig fassungslos was ich da getan habe. Ich hätte es doch besser wissen müssen.
Ich kann das Geschehene nicht rückgängig machen. In unserem Freundeskreis hagelt es jetzt überall die zweiten Kinder. Es ist der blanke Horror für mich. Auch hier wieder der Gedanke“jeder wuppt es irgendwie mit einem zweiten Kind nur du hast mal wieder Angst gehabt. Musstest eine Schwangerschaft abbrechen, weil du nicht Herr deiner Ängste geworden bist“. Wie erbärmlich.
Ich weiß tatsächlich nicht genau was ich mit dem Post bezwecken möchte. Vielleicht hat jemand etwas Ähnliches erlebt und kann mir ein paar Ratschläge geben wie man das jemals verarbeiten soll? Dass man zu seinen Ängsten aufblicken und sagen muss „ja du hast gewonnen“? Es ist eine Demütigung, aber trotzdem muss es ja irgendwie weitergehen.
Ich danke euch herzlich fürs Lesen.
Ich bin 39 Jahre alt und leide seit meinem 19. Lebensjahr an einer generalisierten Angststörung mit allen Höhen und Tiefen. Es gab Zeiten, da wollte ich nicht mehr leben, weil ich die Ängste und die daraus resultierenden Depressionen nicht mehr aushalten konnte und wollte. Durch Medikamente konnten diese Peaks zum Glück abgefangen werden. Ich habe sehr viel Therapie gemacht und war auch schon 2x stationär in einer psychosomatischen Klinik. Trotz diesem Päckchen bin ich immer arbeiten gewesen und habe den Alltag gemeistert.
Ich habe lange über das Thema Kinder nachgedacht. Die Angst natürlich ganz vorne mit dabei „du schaffst das nicht“, was ist wenn du wieder in eine Klinik musst“, was ist wenn, was ist wenn…… Mein Partner hat mir viel Mut gemacht, er wäre ja auch noch da sowie meine Eltern. Alle würden mich unterstützen.
Gesagt getan. Mit 33 haben wir es darauf ankommen lassen. 3 Fehlgeburten folgten in den darauffolgenden 3 Jahren. Das hat mich geschlaucht, psychisch richtig fertig gemacht. Hab mir eingeredet als Frau versagt zu haben. Jeder Depp kann Kinder bekommen nur du nicht, etc. Als ich mich beruflich neu orientieren wollte bin ich mit meiner Tochter schwanger geworden. Oh aber da war sie wieder die Angst. Klopfte an die Tür und sagte mir jeden Tag, dass ich das nicht schaffe mit immer denselben Fragen, was ist wenn, was ist wenn. Meine Gedanken haben mich sichtlich zerlegt. Ab dem 7. Monat und viel Therapie wurde es besser. Aber nur etwas. Dann der Schock, sie kam 6 Wochen zu früh. Mir ist einfach die Fruchtblase geplatzt. Aber zum Glück ist alles gut gegangen. Sie war fit und konnte nach 2 Wochen Klinik ohne Probleme nach Hause.
Was soll ich sagen? Meine Tochter hat mein Leben verändert, mein Leben in jeglicher Hinsicht bereichert und ich hatte bzw. habe eine Aufgabe, die mich fordert und nicht so viel nachdenken lässt. Ich liebe es Mama zu sein. Ja es war hart. Dieser Schlafentzug war nicht ohne. Mein Stresspegel war ja schon seit Jahren hoch durch die massiven Ängste und so haben mich viele Situationen schnell an meine Grenzen gebracht. Aber es war alles machbar und die Liebe zu meiner Tochter hat alles in den Hintergrund gerückt. Ich hatte auch keine Wochenbettdepression oder Probleme mit den Gefühlen zu meiner Tochter. Nach einem Jahr bin ich auch wieder in Teilzeit arbeiten gegangen. Sogar in dem neuen Job mit den neuen Aufgaben, den ich ja eigentlich schon vor meiner Tochter machen wollte. Es klappte alles im Großen und Ganzen gut. Klar gab es auch mal Tage, an denen ich am Ende war, aber die positiven Tage haben überwogen.
Als meine Tochter ca 1,5 Jahre alt war kam der Wunsch nach einem zweiten Kind auf. Noch nie habe ich so eine Liebe empfunden und meine Tochter ist das Beste was mir je passiert ist. Das war letztes Jahr Spätsommer. Wir haben es wieder drauf ankommen lassen und drei Monate später war ich schwanger. Ich hatte zu dieser Zeit noch Therapie. Aber schon ein paar Wochen vor der Schwangerschaft merkte ich, dass ich nicht so stabil bin und die Ängste wieder stärker wurden. Meine Therapeutin und ich fanden heraus, dass es vermutlich der Druck mit dem Thema zweites Kind ist und die Sorge, die wieder überhand nahm. Sie sagte, man könne auch mit einem Kind glücklich sein und ich solle doch mal schauen was ich bisher schon geschafft hätte, etc. 2 Wochen nach diesem Gespräch war der Test positiv.
Erst war ich geschockt, aber gleichzeitig freute ich mich auch. Und dann ging alles wieder von vorne los. Angst, Panikattacken, ein Gedankenkarussell des Grauens. Konnte nicht mehr schlafen und musste sogar Tavor nehmen, weil ich vor Angst zerfressen war. Dann saß ich da, heulend vor meinem Mann und ich sagte immer wieder „ich schaff das nicht“. Das Thema „Schwangerschaftsabbruch“ stand im Raum und ich sah nur noch diesen einen Weg auß dieser Angstspirale rauszukommen. Ich habe direkt einen Termin bei ProFamilia gemacht und naja was soll ich sagen drei Tage später war der frühe Abbruch. Ich war wie im Trance.
Jeder der mir jetzt sagt was für ein Schwein ich sei, dem gebe ich Recht. Ich habe etwas ganz furchtbares gemacht und ich kann jeden verstehen, der mir die Pest an den Hals wünscht.
Drei Monate konnte ich das Erlebte ausblenden. Aber jetzt kommt alles hoch. Was bitte habe ich da getan? Was bin ich für ein schrecklicher Mensch, der ein so besonderes Geschenk wegmachen lässt? Der allerschlimmste Schmerz ist jedoch die Erkenntnis, dass meine Angst GEWONNEN hat. Sie hat gesiegt. Sie hat mich zu dem gebracht was ich mir in meinen schlechtesten Träumen niemals vorstellen konnte. Ich, die dachte so viel Liebe und Kraft für ein zweites Kind zu haben sitzt nun vor einem Scherbenhaufen. Von Schuldgefühlen zurecht zerfressen. Ich habe eine intakte Schwangerschaft abgebrochen. Warum haben wir uns keine Hilfe geholt? Bei meiner Tochter waren die Ängste am Anfang genauso schlimm. Und jetzt ist es das Schönste was ich habe. Warum hat mein Mann mich nicht bestärkt, dass wir es schaffen könnten? Ich habe so eine unfassbare Wut auf mich, auf meine Erkrankung. Und die Fragen und Vorwürfe hören nicht auf. Ich sitze jeden Tag vor dem Ultraschallbild und bin völlig fassungslos was ich da getan habe. Ich hätte es doch besser wissen müssen.
Ich kann das Geschehene nicht rückgängig machen. In unserem Freundeskreis hagelt es jetzt überall die zweiten Kinder. Es ist der blanke Horror für mich. Auch hier wieder der Gedanke“jeder wuppt es irgendwie mit einem zweiten Kind nur du hast mal wieder Angst gehabt. Musstest eine Schwangerschaft abbrechen, weil du nicht Herr deiner Ängste geworden bist“. Wie erbärmlich.
Ich weiß tatsächlich nicht genau was ich mit dem Post bezwecken möchte. Vielleicht hat jemand etwas Ähnliches erlebt und kann mir ein paar Ratschläge geben wie man das jemals verarbeiten soll? Dass man zu seinen Ängsten aufblicken und sagen muss „ja du hast gewonnen“? Es ist eine Demütigung, aber trotzdem muss es ja irgendwie weitergehen.
Ich danke euch herzlich fürs Lesen.