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seit einer woche...

Verfasst: 06:12:2006 22:32
von June
Hallo,

ich bin 34, verheiratet, z.Z. nicht berufstätig und habe 2 Kinder. Mein Sohn erblickte 1998 nach einer bestialischen, traumatischen Geburt das (grelle) Licht und schlief im 1.Jahr max. 7h kleckerweise über den Tag verteilt. Es wurde nie wirklich entspannter mit ihm - heute hat er (zumindest diagnostiziertes) ADHS mit all den furchtbaren Problemen. Natürlich ging ich zeitweise am Stock, aber wirklich umgehauen hat mich die Überbelastung nie. Trennung von seinem Vater - Überlebenskunst als Alleinerziehende - neuer Partner - Umzug - Hausbau - 2.Kind: meine Tochter wurde nach einer wundervollen, rein hebammenbegleiteten Schwangerschaft sahnemässig zu Hause geboren. Wochenbett und Stillen prima. Ich fühlte mich geheilt, stolz und superstark. Ich war so glücklich wie noch nie in meinem Leben.

Genau 6 Wochen später wendete sich mein Leben: mein Mann gestand mir die 3 Monate alte Beziehung zu einer anderen Frau. Er würde mich verlassen, mit ihr zusammeneben und Kinder haben wollen. Ich bin in das tiefste Loch meines Lebens gefallen und abrupt wieder rausgerissen worden, als mein Mann nach weiteren 2 Wochen zurückkehrte. Wir haben seither nächtelang geredet, geweint, geschrien, uns paartherapieren lassen und wieder glücklich zueinander gefunden. Ich habe ihm verziehen.

Ich schweife ab. Seit 10 Monaten befinde ich mich in einer Gesprächstherapie, die mir sehr gut tut. Dennoch bin ich seit einer Woche tief depressiv. Plötzlich, mittags, spukten schlimme Gedanken in meinem Kopf und dann bekam ich Angst. Aus der Angst wurde Panik und seither fühle ich mich wie in Watte gepackt, taub und dennoch zittere ich manchmal vor Angst. Meine Lethargie ist quälend, ich fühle die Zeit an mir vorbeirasen und ich krieg nichts mehr mit. Ich werde bald 35, habe ein schönes Haus, zwei Kinder, eine intakte Partnerschaft. Und jetzt? Jetzt scheint es mir so, als sei mein Leben vorbei. Wird es mir ab jetzt nur noch schlecht gehen?

Ich bin so tief verzweifelt und mache mir Sorgen um mich. Habe ich eine verschleppte PPD? Mein Tochter ist jetzt 18 Monate alt. Eine Neigung zu Ängsten und daraus resultierenden depressiven Anfällen hatte ich schon immer. Aber so "grundlos" unglücklich war ich noch nie in meinem Leben.

Liebe Grüsse

June

Verfasst: 06:12:2006 23:26
von funkebna
Hallo und willkommen im Forum!

Bist Du "nur" in psychotherapeutischer Behandlung, oder auch in ärztlicher?

Verfasst: 06:12:2006 23:58
von Patricia
Hallo,

erst mal herzlich willkommen hier im Forum.

Ich glaube für eine Beurteilung ob krank oder nicht bist du hier an falscher Stelle. Diese frage gehört an einen arzt gerichtet oder eben an einen therapeuten.

Aber für eines bist Du hier auf jeden fall richtig: Beistand!

rede doch in deiner Therapie einmal über deine Bedenken, Du hast einiges mitgemacht mit deiner partnerschaft und ich glaube dass sowas einen auch runter reissen kann ohne dass man jetzt gleich an einer depression leidet.

aber wie gesagt, rede bei der Therapie oder mit einem arzt darüber.

Viele Grüße

Patricia

Verfasst: 07:12:2006 10:20
von Bianka
Hallo June,

erstmal herzlich Willkommen hier im Forum.
Der Begriff bestialisch hat mich total erschreckt. Magst Du mehr davon berichten. Ich denke Dein Sohn hat auch ein heftiges Geburtstrauma und hat deswegen die ADHS.

Verfasst: 07:12:2006 10:27
von Carlotta
Hi June,
ich glaube nicht, dass man so was wie die Trennung und den "Seitensprung" deines Mannes und danach die Rückkehr einfach so "verarbeiten" kann, um danach ganz "normal" weiterzuleben. Auch, wenn Du ihm verziehen hast, also, wenn ich mir das so vorstelle, wie das für mich wäre, ich glaube, der Schock sässe tief und die Angst kommt ja meist nicht zeitgleich in Stressmomenten, sondern hinterher.
Eine "echte" Diagnose kann ich natürlich nicht stellen, ich würde das aber, sofern Du es eh nicht schon machst - alles mal in deiner Therapie besprechen. Ich bin mir sicher, dass Du nicht völlig "grundlos" unglücklich bist, sondern das die Ursachen dafür eben irgendwo liegen. Das findest Du aber in deiner Thera raus, du hast ja erst vor kurzem damit angefangen.

Verfasst: 07:12:2006 10:29
von Carlotta
P.S. Meine Thera hat über 2 Jaher gedauert, also, auch, bis ich an den Kern der Angst gekommen bin, deshalb sagte ich "vor kurzem". Das muss bei Dir natürlich nicht auch so sein.

Verfasst: 07:12:2006 10:40
von June
Hallo Funkebna, hallo Patricia,

vielen Dank für Eure Antworten. Ich bin in nichtärztlicher, psychotherapeutischer Behandlung, mein Hausarzt weiss bescheid, ich war vor einigen Monaten einmal beim Psychiater. Zu meiner Therapeutin habe ich grosses Vertrauen, zu Ärzten generell weniger. Ich habe selbst eine medizinische Ausbildung und einige Ärzte in der Familie, die mir gerne eine kategorische Diagnose aufpfropfen (jeder meint etwas anderes), aber auch nicht wirklich weiterhelfen können.

Nein, ich erwarte hier von niemanden ein Urteil, ob ich krank sei oder nicht. Wo zieht man da die Grenze zwischen reaktiv und neurobiologisch? Zwischen "normaler" Reaktion und medizinisch behandlungsbedürftigem Verhalten? Das kann (jedenfalls bei mir) niemand genau sagen. Ich war einfach nur froh, auf diese Seite zu stossen und zu erfahren, dass ich mit meinen Gefühlen scheinbar nicht alleine auf der Welt bin! Ich interessiere mich dafür, wie Ihr im Alltag klarkommt und was Euch hilft/geholfen hat.

Gibt es eigentlich auch Berichte von Frauen, denen es wieder gut geht und die nicht mehr auf dieses Forum angewiesen sind?

Liebe Grüsse von June

Verfasst: 07:12:2006 11:04
von June
Liebe Carlotta,

ich habe den Schock des "Seitensprunges" nicht "einfach so" verarbeitet. Ich habe fast 1,5 Jahre hart an mir und meinem Leben gearbeitet. Natürlich ist es nicht so, dass mein Mann sich besinnt hat, zurückgekehrt ist und alles war wieder so wie vorher, auch wenn das durch meine kompakte Schreibweise vielleicht so rüberkommt. Ich habe diese sehr tiefe Verletzung auch als Chance ergriffen. Unsere Beziehung ist reichhaltiger und wahrhaftiger geworden. Doch der Stachel sitzt tief und kratzt an alten, lange zurückliegenden Verletzungen. Diese gilt es aufzudecken. Wahrscheinlich so ähnlich wie bei Dir. Ich bin gerade pessimistisch, dass ich das schaffen werde, alles zu reflektieren und irgendwann zu überwinden.

Ich glaube auch, das meine Mutterrolle momentan mehr als frustrierend ist und mich zusätzlich noch herunterzieht. Und eine gewisse seelische Anfälligkeit habe ich auch. Ich leide unter Klaustrophobie und zeitweise generalisierten Angstzuständen, die ich durch Ausdauersport einigermassen in den Griff kriege.

Liebe Grüsse von June

Verfasst: 07:12:2006 11:17
von Carlotta
Hi June,
mir geht es eigentlich schon länger gut, durch meine Verhaltenstherapie habe ich alles aufgearbeitet, jetzt heisst es einfach: MACHEN. Ich war gestern zb alleine mit dem Auto zu einem Geschäftstermin unterwegs, insgesamt 500 km, das hätte ich vor einem 1/2 Jahr alleine nicht geschafft, da war meine Freundin dabei.
Ich kann für mich bestätigen, dass das arbeiten (bin Freiberuflerin aus der Medienbranche) mir sehr hilft, mein Ego wieder aufzubauen und Bestätigung zu bekommen. Meine Grosse geht in eine Ganztages-Grundschule und die Kleine vormittags in die Krabbelstube, so dass ich das alles gut vereinbaren kann.
Du musst ja nicht ALLES auf einmal reflektieren und überwinden, lass Dir Zeit und gehe Schritt für Schritt deinen Weg.
P.S. Ich habe oder hatte keine "reine" PPD mit Zwangsgedanken, sondern eher eine Angststörung (die vor rund 10 Jahren das erste mal auftrat und vor 2 Jahren eben noch mal nach der Geburt), also bin ich auch für so was anfälliger. Ausserdem hat auch meine Mum eine Angststörung, von ihr habe ich das sozusagen "erlernt", als Kind.

Verfasst: 07:12:2006 11:20
von Carlotta
Ach so: Im Forum bin ich noch, weil ich hoffe, anderen Frauen ein bisschen helfen zu können. Ausserdem kann man sich auch wunderbar zu Alltäglichem oder Kinderfragen austauschen. Angewiesen bin ich nicht mehr, aber gerne hier. :lol:

Verfasst: 07:12:2006 15:25
von June
Hallo Carlotta,

Dein Beitrag macht mir Mut - vielen Dank!!!

June

Verfasst: 07:12:2006 17:31
von bellami1983
Hallo June,

ich möchte dich auch noch herzlich willkommen heißen!

Ich denke es sollte wirklich ein Arzt oder eine Therapeutin einschätzen, ob du eine verschleppte PPD hast oder nicht. Hast du es schon mal während deiner Gesprächstherapie angesprochen? Dir geht es ja nun eine Woche richtig schlecht, hattest du denn da schon die Gelegenheit dies anzusprechen?

Das ist ganz ganz wichtig, aber ich denke das wirst du tun.

Und, liebe June, ich kann noch nicht von Heilung sprechen, aber ja, es ging mir zeitweise schon mal ganz gut, aber im Moment bin ich auch stark depressiv. Jedoch bin ich mir sicher, dass wir alle - und damit auch du - gesund werden und ein schönes und gutes Leben führen können.

Warum glaubst du, dass deine Mutterrolle derzeit mehr als frustrierend ist? Gibt es dafür einen Grund?

Dir erstmal alles alles Gute und schön, dass du hergefunden hast!

LG Isabell

An June

Verfasst: 08:12:2006 9:11
von Micha
Hallo June,

da kann ich mich Carlotta nur anschließen. Auch mir geht es wieder sehr gut, allerdings mit Medikamenten.

Ich bin auch nur noch im Forum, weil ich mich hier sehr wohl fühle und ich anderen betroffenen Frauen zur Seite stehen will.

Micha

Hallo June

Verfasst: 04:07:2008 20:44
von supermario
Ich weis, dass Dein Beitrag schon eine Weile her ist, aber ich finde mich total in Deiner Geschichte wieder.

Ich habe auch 3 Wochen nach der Geburt meines 2. Sohnes erfahren, dass mein Lebensgefährte und Vater meiner zwei Söhne eine Beziehung zu einer anderen Frau hat. Die Beziehung zu dieser Frau dauerte 8!!!!!! Monate, die für mich die Hölle waren......................

Wir haben uns aber auch wieder zusammengerauft. So leicht kann man sich in der heutigen Zeit nicht einfach trennen. Wir hatten ein Haus gebaut,wir hatten zwei Kinder, wir hatten Schulden (durch das Haus). Da geht man nicht "einfach"........

Das ganze war im Jahr 2004. Ich habe sehr lange gebraucht, das Ganze zu verarbeiten und wieder Vertrauen aufzubauen. Selbst heute traue ich ihm noch nicht 100 %ig.

Ich hasse ihn heute noch, dass er mich - die sein 2. Kind zur Welt gebraucht hat noch währen des Wochenbettes betrogen hat..............

Mich würde interessieren, wie es Euch heute geht. Wir haben nämlich schon unsere Probleme.

LG
supermario