Vergangenes endlich ruhen lassen…?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

Moderator: Moderatoren

Antworten
Malieka

Vergangenes endlich ruhen lassen…?

Beitrag von Malieka »

Guten morgen ihr alle.

Zum einen möchte ich euch meine volle Bewunderung aussprechen. Ich finde es toll, wie ihr für eure Gesundheit, eure Kinder und Familien kämpft! :D Weiterhin alles Gute und viel Kraft dafür von ganzen Herzen.

Im Grunde bin ich hier falsch. Ich habe keine PPD.
Allerdings bin ich der mehr oder weniger festen Überzeugung, dass es nach der Geburt meines Sohnes so etwas oder ähnliches gewesen sein muss. Das ist mehr als 6 Jahre her. Und egal, was auch immer es damals war, es ist nun vorbei. Mein Kind ist groß und ich könnte doch zufrieden damit sein, dass jetzt wieder alles gut ist.
Und hier kommt der Haken: das klappt einfach nicht.

Ich hänge wie in einer Zeitspirale, sehe Bilder und Situationen vor den Augen die mich traurig, wütend und hilflos machen. Wenn ich das ganze logisch angehe müsste es mir eigentlich helfen die Schuldgefühle los zu werden, die ich meinem Sohn gegenüber habe, damals keine gute Mutter gewesen zu sein. Spätestens jetzt weiß ich ja, warum ich das nicht konnte, dass ich kein Monster bin sondern Hilfe gebraucht hätte.

Im letzten Jahr habe ich auch den Zusammenhang begriffen, warum mein Kind Probleme hat mit seinen Gefühlen umzugehen: im Kindergarten (auch zu hause) hatte Wutanfälle, hat sich Situationen (und andere Kinder)gesucht um seine Aggression los zu werden, ist absichtlich über Grenzen getreten um auf sich aufmerksam zu machen. Dafür sehe ich mich und mein abweichendes Verhalten in den ersten Lebensjahren für verantwortlich (Schuldgefühl Hallo auch). Vermutlich spielt da auch die Trennung von seinem Vater eine Rolle, aber die habe ich wiederum gewollt, was mich wieder glauben lässt ich trage dafür die Verantwortung. :roll:

Auch wenn der Kindergarten superklasse ist und dort eine gute Zusammenarbeit und Austausch zwischen Erziehern und Eltern stattfindet war mir klar, dass das alleine an Förderung nicht ausreichen wird. Somit macht er jetzt eine Spieltherapie seit ca. 3 Monaten.
Alles auf einem guten Weg… Janniks Verhalten hat sich sehr zum Positiven verändert, ob das nun an der Therapie liegt vermag ich nicht zu sagen.
Warum also kann ich damit nicht abschließen, wenn doch jetzt alles so „gut“ ist?

Grade gestern habe ich jemanden den Rat gegeben auf sein Gefühl zu hören und dem zu vertrauen. Mir selber fällt das grade sehr schwer. Ich frage mich ob ich nur Aufmerksamkeit damit erzeugen will, einen Grund suche damit es mir schlecht geht und ich dadurch anderes Entschuldigen kann?
Oder aber ist es möglich, dass man so eine Lebensphase nicht verarbeitet haben kann und sie damit jederzeit wieder auf den Tisch kommen kann?
Um etwas abzuschließen müsste man sich damit noch einmal komplett befassen, es vielleicht nocheinmal durchleben. Davor hätte ich aber eine riesen Angst. :?

Fakt ist, dass ich total durchhängt deswegen… anstatt mich aufs lernen zu konzentrieren hänge ich in Gedanken von damals. Alltägliches fällt mir schwer…
Deshalb die Frage in die Runde, ob jemand sowas kennt, oder eine Idee hat, wie man die bösen Geister zur Ruhe bekommt.

Was ich nicht erreichen wollte, dass jemand Angt bekommt, Kinder müssten verhaltensauffällig werden. Das ist mit Sicherheit nicht so und da spielen auch noch andere Faktoren mit rein. Jannik hat auch stark ausgeprägte soziale Kompetenzen gegenüber kleineren und benachteiligten Kindern. Falls ich damit jemanden Angst gemacht habe so tut es mir leid, das war sicher nicht meine Absicht. :(

malieka
Petra

Beitrag von Petra »

hallo malieka!

kann es sein dass durch die therapie jetzt vieles wieder hervorkommt was dich damals so belastet hat?
in meiner therapie war das der fall und ich habe diese phase ganz schrecklich gefunden doch sind die themen für mich nun abgeschlossen. mir geht es besser als je zuvor!

ich denke ein aufarbeiten bestimmter belastungen im leben heißt nicht diese zu vergessen oder keine negativen gefühle mehr bei erinnerungen zu erleben, sondern ein annehmen und akzeptieren dieser.
das bedauern und trauern um "verpasste" möglichkeiten, chancen, situationen usw. egal was damals der auslöser oder grund war, egal ob man "schuld" war oder einfach die umstände so gegeben waren, ist gut und wichtig um abschließen zu können!
vielleicht bist du nun ganz einfach dabei mit deiner vergangenheit abzuschließen? das ist nicht einfach und sicherlich schmerzhaft und eben auch wie du sagst von schuldgefühlen begleitet.

ich finde du machst das ganz toll mit deiner therapie und auch dass dein sohn die richtige unterstützung bekommt ist ein zeichen dass du viel an dir arbeitest!

glg petra
Sas

Beitrag von Sas »

Liebe Malieka,

hast Du über diese Gefühle schon mal mit dem Therapeuten gesprochen? Mir scheint nämlich, dass Du aus dieser schlimmen Zeit einiges noch nicht ganz verarbeitet hast. Ich denke schon, dass Du hier immer noch richtig bist, denn das ganze Problem hat ja anscheinend mit der Geburt angefangen. Viele Frauen kämpfen noch Jahre später mit dem Kram, weil sie es damals nicht wußten, weil sie spät Hilfe angenommen haben usw. Ich kann das mit dem schlechten Gewissen verstehen, aber eigentlich brauchst Du das nicht zu haben. Du kannst nichts dafür, dass die Dinge so gelaufen sind, Du kannst Dich nur jetzt bemühen, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Weißt Du, leider gibt es viele "auffällige" Kinder, auch von durchaus gesunden Müttern. Ich habe mal einen total verzogenen 8-Jährigen gesehen, der auf dem Spielplatz alle Kleineren geärgert und geschlagen hat. Meine 2-Jährige Kleine ist dann zu dem hin und hat ihm gesagt, dass er das nicht darf. Die Mutter saß nur blöd dabei und hat dumm geguckt. Jedenfalls ist der Bub dann auf meine Tochter los und wollte sie an den Haaren hinter sich her schleifen. Ich wollte ihr helfen, aber als ich zu ihr kam lag der Junge schon auf dem Boden. Sie hatte ihm einen Schwinger in die Weichteile verpasst.
:lol:

Was macht diese blöde Mutter dann? Sagt mir, ich solle mein rabiates Kind bestrafen, ihr Herzilein hätte ja nur gespielt. :evil:
Na, die hat was zu hören bekommen! :twisted:

Jedenfalls bist Du nicht so. Du machst was mit Jannik und es trägt Früchte.
Liebe Grüße, Saskia
Julia73

Beitrag von Julia73 »

Liebe Malieka,

ich kann mir auch vorstellen, dass durch die Therapie einiges wieder hervorgeholt wird ... Aber das ist auch gut so, denn alles was man bewusst be- bzw. verarbeitet kann dann auch einen Abschluss finden. Und ich glaube auch, dass du auf einem guten Weg dahin bist, das Vergangene ruhen zu lassen.

Dieses schlecht Gewissen kann ich verstehen, ich habe auch oft eines ... Vielleicht auch ein Stück weit normal für eine Mutter :). Es sollte einen aber natürlich nicht überhand nehmen.

Und dass dein Sohn jetzt anfängt sein Verhalten zu ändern, ist doch toll. Das liegt bestimmt auch an der Spieltherapie. Also ist Jannik doch auch auf dem Weg.

Du wirst sehen, mit der Zeit wird sich das alles geben, Stück für Stück!

Ganz lieb
Julia
Condea

Beitrag von Condea »

Hallo Malieka!

Ich hatte nach der geburt meines ersten Sohnes vor 5 Jahren wahrscheinlich auch eine PPD, habe damals aber keinen Arzt aufgesucht. Ich habe die ersten 4 Monate sehr gelitten.
Immer wieder habe ich versucht, über meine Gefühle zu sprechen, aber damals, auch wenn es nur 5 Jahre her ist, war das Thema PPD noch sehr verschwiegen.
Als es mir wieder besser ging, da merkte ich, daß ich nicht mehr die "alte" war. Irgendwas hatte sich verändert. Der Wunsch nach einem 2. Kind war dann sehr groß, aber ich hatte auch sehr viel Angst, wieder in ein Loch zu fallen.
Auf der anderen Seite habe ich ein 2. Kind aber auch als Chance für mich gesehen, wieder zu mir zurück zu finden. Es hört sich ein bißchen komisch an, aber ich hatte die Fantasie, als ob ich mich in einer Art warteschleife bewegt habe und nun die Chance nutzen könnte, herauszukommen.

Im August wurde mein 2. Sohn geboren. Die ersten 3-4 Wochen habe ich auch etwas durchgehangen, die Gefühle von damals waren wieder so present. Aber es verging sehr schnell und nun geht es mir mit jeder Woche besser und ich habe das Gefühl, mein Umkreis auch, daß ich besser drauf bin als damals nach der 1. Geburt.

Was ich sagen will ist, daß man sich auf jeden Fall mit dem Thema auseinandersetzen sollte, in welcher Form auch immer. So eine Lebenskrise kann man vielleicht die erste Zeit verdrängen, aber irgendwann holt sie einem wieder ein.
Du bist mit deiner Therapie bestimmt auf dem richtigen Weg, Du befindest Dich in der Zeit der Aufarbeitung, natürlich zieht das runter, weil ja alles wieder hochkommt.

Ich wünsche Dir alles Gute, LG Anja.
Malieka

Beitrag von Malieka »

Vielen Dank für eure Antworten...

Die Therapie mach ich ja nun schon eine Weile... aber so richtig haben wir über diese Sache noch nie gesprochen. Schon dass ich recht früh Mutter geworden bin (mit 20) was auch zu Spannungen führt, aber es gab immer aktuelle Themen die wichtiger waren (Stress mit Freund, Eltern, Selbstwertgefühl, etc.) Habs vermutlich einafch gut verdrängt.
Jetzt bin ich wieder darauf gestoßen, weil ich mich auf eine Psychologieprüfung vorbereiten wollte (ich studiere Behindertenpädagogik). Hab mir ja genau das richtige ausgesucht :roll:
Anstatt zu lernen hätte ich bei fast jedem Satz den ich gelesen habe laut ausfschreien können JA GENAU SO!

Ja, vermutlich habt ihr alle Recht damit, dass verarbeiten nicht ohne bearbeiten geht. Da ist so ein Bedürfnis in mir diese ganze Wut und Trauer mal rauszuschreien... auch irgentwie logisch, wenn die 6 Jahre lang zurüchgehalten wurde. Also, die Frau Psychologin kann sich schon mal warm anziehen. :lol:

@ Sas: Danke dir, ich hatte schon Sorge, dass ich mich hier breit mache und wichtigeren Themen im Weg stehe. Ich lese mich durchs Forum und bin schockiert über so viel Leid was ertragen werden muss und worüber "da draußen" keiner spricht.

@ condea: das klingt sehr vertraut. Über sowas wurde in meiner Umgebung "damals" auch nicht gesprochen. Ich kann mich sogar noch an den Vorbereitungskurs erinnern, wo die Hebamme erzählt hat, wenn das Kind dann da ist, sind alle glücklich und jeder Schmerz vergessen. Heute würde ich ihr ins Gesicht sagen: Lügnerin. Denn ich hab ihr geglaubt.
Wenn ich über ein zweites Kind nachdenke sind da immer zwei Stimmen in mir:
die eine sagt, dass ist die Chance, all das was nicht so war wie du es wolltest doch noch mal zu erleben: eine schöne Geburt, Freude und Glück.
Die andere: ne nee, lass mal lieber, du fällst wieder in das Loch.

Ich glaube aber, wenn der richtige Mann vor mir steht und die äusseren Bedingungen stimmen, dann ürde ich es wagen. Zumindest weiß ich jetzt mehr. Und wenn es wieder kommt, dann weiß ich ja auch, was ich tun kann. Und brauch mich nicht unnötig lange schuldig fühlen deswegen.

Meine Therapeutin hat grade Urlaub. in genau 2 Wochen kann ich erst wieder zu ihr und mir kommt das vor wie eine Ewigkeit. Deshalb musste ich das hier loswerden... ihr habt mir das betätigt was ich wohl selber wusste aber dennoch nicht sehen konnte. Vielen dank dafür.

Ich wünsch mir jetzt grad eine Gummizelle für mich ganz alleine... ich möchte einfach nur hemmungslos durchdrehen...............

malieka
Antworten