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Sind das wirklich nur Gedanken??? Bin mir unsicher!

Verfasst: 20:07:2007 14:24
von Memo
Hallo liebe Leidensfreunde!

Ich bin neu hier, habe aber schon öfter bei euch im Forum gelesen. Ich bin 28 Jahre alt und habe eine 10 Monate alte Tochter. Sei ca. 1 Monat nach der Geburt leide ich unter PPD. Besonders quälend sind für mich die Zwangsgedanken, meiner Tochter was anzutun. Als sie das erste mal auftraten, war ich total am Boden zerstört und hatte fürchterliche Angst vor mir selbst. Dann habe ich im Internet recherchiert und bin auf eure Seite gestoßen. Was ich hier gelesen habe, hat mich erst male ein Stück beruhigt. Meine Angst hatte endlich einen Namen und ich wusste mir geht’s nicht alleine so. Das hat unheimlich gut getan. Vor ca. 1 Monat habe ich mich durchgerungen einen Psychologen aufzusuchen. Bis jetzt hat mir das aber noch nicht geholfen. Meine Therapeutin hält mich hin, weil sie noch keinen Therapieplatz frei hat und führt immer nur Beratungsgespräche mit mir, die mir aber überhaupt nicht weiterhelfen. Das einzige, was sie zu den Zwangsgedanken fragte ist, ob ich mich bis jetzt noch immer im Griff hatte oder ihr schon mal was angetan habe. Das hat bei mir gleich wieder die Panik geschürt, dass sie mir das tatsächlich zutraut. Ich hatte gehofft, dass sie mich beruhigt, dass es nur Gedanken sind usw. Aber nichts dergleichen. Ganz im Gegenteil, sie fing sogar davon an, dass eventuell eine Einweisung in die Klinik notwendig werden könnte. Was soll ich davon halten? Was sagt ihr dazu? Dadurch treten bei mir seit ungefähr 2-3 Wochen wieder neue Zwangsgedanken auf, die mich erneut total beunruhigen. Bislang kamen diese Verletzungsgedanken nur, wenn ich ein Messer etc. gesehen habe und auch nur dann, wenn ich mit meiner Tochter allein war. Seit neuestem sind die Gedanken aber auch da, wenn z.B. mein Freund oder meine Mutter bei mir ist. Sonst war das eigentlich immer die Möglichkeit die Gedanken verschwinden zu lassen. Jetzt muss ich auch nur noch meine Tochter oder ein Foto von ihr anschauen und das reicht schon aus, dass ich wieder Angst bekomme, ihr was anzutun. Ich habe bei euch ja schon ganz oft gelesen, dass es nur Gedanken sind, die man niemals in die Tat umsetzen würde. Ich bin aber ein Mensch, der manchmal ziemlich ausrasten kann, dann trete ich z.B. auch mal ordentlich gegen den PC oder schmeiße mit Sachen um mich. Danach bin ich dann immer ganz entsetzt, dass ich so ausgetickt bin. Nun habe ich natürlich Angst, dass mir das gleiche bei meiner Tochter auch passiert, weil ich auch keine guten Nerven habe und schnell gereizt bin. Ein weiteres „Indiz“ für mich, dass ich die Gedanken wirklich in die Tat umsetzen könnte ist, dass ich als Kind eine Puppe hatte, die ich ganz oft gehauen habe. :oops: Schon früher war ich danach immer ganz aufgelöst und wusste nicht, warum ich so gemein sein konnte. Oder ich hab mit unserem kleinen Nachbarsjungen gespielt und war auch oft zu diesem ziemlich gemein. Als mir das jetzt alles wieder so bewusst wurde, hab ich wirklich die totale Panik, dass es sich bei mir nicht nur um Gedanken handelt, sondern dass ich sie wirklich in die Tat umsetzen könnte. IST DAS NOCH NORMAL? Bitte sagt mir ehrlich eure Meinung. Ich bin total verzweifelt. Ich möchte meine Tochter wieder angucken können, ohne ständig den Gedanken zu haben: „so jetzt schubst du sie ordentlich, so dass sie hinfällt und heult-soll sie doch zusehen“ oder „gleich schlag ich ihr ins Gesicht“. Biite helft mir!!!

Verfasst: 20:07:2007 15:03
von hanna
Liebe Memo

Ich bin zum Glück keine Zwangsgedanken-Geplagte und habe das nie erlebt (dafür andere Seiten der PPD). Und ich kann Dir sagen: Solche Gedanken denke ich auch, ja haben manchmal sogar das Gefühl, ich spüre einen Impuls, das zu tun. Nur im Gegensatz zu den "Zwänglerinnen" machen mir diese Gedanken überhaupt keine Angst.

Ich denke übrigens auch "Ah, dieser Frau mit dem Stock trete ich jetzt den Stock weg" oder "hoffentlich setzt mein Hirn nicht aus und ich gebe Gas und überfahre die Frau auf dem Zebrastreifen" oder "jetzt schmeiss ich Dich bald zum Fenster raus" - und alle diese Gedanken vergesse ich sofort wieder, es sind so wie Geistesblitze, die mich keine Bohne beunruhigen, weil ich weiss, dass ich das nicht tue. Und das tust Du auch NIE.

Es sind normale Gedanken und WIRKLICH NUR GEDANKEN! Auch die Grüblerei und das "Zusammenhänge zu erkennen meinen" scheint mir typisch für die Zwangsgedanken, die sich halt auf irgend einem Weg Einlass verschaffen wollen in Deinen Kopf.

Bestimmt werden Dir die anderen "Zwangsschwestern" mehr dazu sagen können und Dich sicher auch besser beruhigen können als ich. Wichtig ist aber zu wissen, dass Du das nie tun wirst. Ich bin auch sehr aufbrausend, lass meine Wut sehr häufig am Computer, an Türen, an Geschirr etc. aus. Aber ich habe meine Kinder noch nie geschlagen, geschüttelt, umgeschubst, Finger extra eingeklemmt, allein gelassen oder irgendwas, obwohl ich das häufig dachte.
Der erste Schritt ist vielleicht, sich sicher zu sein, dass das GEdanken sind. Das kannst Du sein. Dann kannst Du Dich dran machen, die Angst zu verjagen, die Dir diese Gedanken machen. Hier haben das schon viele geschafft! Kopf hoch
Hanna

Verfasst: 20:07:2007 15:04
von Nenette
Liebe Memo,

erst einmal ein herzliches Willkommen hier im Forum!
Das alles, was du hier schreibst, ist ziemlich typisch für Zwangsgedanken und die Angst davor, diese wirklich auszuführen. Ich glaube, viele Frauen hier können dir ein Lied davon singen.
Bei mir sind die Zwangsgedanken momentan zwar so gut wie gar nicht vorhanden, aber ich litt früher eine Zeit lang recht heftig darunter. Und ich suchte, genau wie du, immer Beweise dafür, dass ich wirklich etwas schlimmes tun und die Kontrolle verlieren könnte. (Daher musste ich über deine Geschichte mit den Puppen schmunzeln. Genau so etwas ging mir damals auch durch den Kopf.) Heute weiß ich, dass man diese schlimmen Dinge, die man denkt, nie ausführen wird. Schließlich will man so etwas ja auch nicht tun und findet diese Gedanken ganz fürchterlich. Sie sind ein Ausdruck der Angst, die sich in einem breit gemacht hat.
Die Fragen und Statements deiner Therapeutin finde ich nicht gerade feinfühlig. Sie müsste doch eigentlich erahnen können, wie solche Äußerungen ankommen und wie sie einen aus der Bahn werfen. Und als „Fachkraft“ müsste sie meines Erachtens auch wissen, dass man Zwangsgedanken niemals ausführt. Warum erwähnt sie eigentlich gleich einen Klinikaufenthalt? Wegen der Zwangsgedanken? Auch das finde ich ein bisschen verwunderlich. Ich kann dich gut verstehen, dass das noch mehr Panik bei dir auslöst. Als mich die Zwangsgedanken plagten, war es meine größte Angst, in eine Klinik eingewiesen zu werden, um die Anderen vor mir zu schützen. Mein Therapeut konnte mich damals jedoch beruhigen. Er versprach mir hoch und heilig, dass ich nie in eine Klinik gehen müsste (Gerade hier in Frankreich wäre das wirklich schlimm. Da hat man noch nicht so gute Standards wie in Deutschland.) und die „Gefahr“ dafür nicht größer wäre als bei ihm. :D Aber gut, fühlst du dich denn sonst wohl bei deiner Therapeutin? Ansonsten könntest du dich ja noch nach anderen Möglichkeiten erkundigen. Es ist wirklich wichtig, dass die Basis in einer Therapie stimmt, man sich völlig öffnen kann und Vertrauen hat.
So, jetzt habe ich aber ganz schön rumgetextet. Ich hoffe, ich konnte dir ein bissel helfen. Keine Angst, du führst diese Gedanken nicht aus! Das kann ich dir versprechen.

Ganz liebe Grüße

Nenette

Verfasst: 20:07:2007 16:40
von Anna2006
Hallo,

ich habe das alles mitgemacht und viel darüber gelesen.
"Wieder neue Zwangsgedanken,was mich wieder sehr beunruhigt..."so oder ähnlich schreibst Du.
An dem ,dass es Dich beunruhigt merkt man den Unterschied zwischen neurotisch(das was Du bist) und psychotisch.
Viktor Frankl schreibt zu Zwangsgedanken ganz erstaunliche Dinge,vor allem,dass ein neurotischer Mensch,der sich vor sich und seinen Gedanken immer mehr fürchtet,davor geschützt ist,eine Psychose zu erleiden!!!!!

Lies mal Viktor Frankl,habt ihr einen Bibliothek?

Alles Gute,hab keine Angst.
Ich habe mich übrigens dadurch geheilt,dass ich mir die schlimmen Gedanken immer herbeigewünscht habe,wenn sie mal kurz Pause machten...so nach dem Motto:"Hey ,ihr Gedanken,kommt wieder und quält mich...."
Hört sich verrückt an,ist aber wirkungsvolle "paradoxe Intention"!

LG,
Anne

Verfasst: 20:07:2007 18:07
von Memo
Danke Mädels, ihr konntet mich schon mal ein Stück weit beruhigen. Es ist echt ätzend, ständig an sich zu zweifeln und immer nach irgendwelchen Gründen zu "suchen", die einem doch noch bestätigen könnten, dass man mal austickt. Ich versuch mir ja schon immer einzureden, dass das alles ganz normale Gedanken sind. Für ´nen Moment klappt das dann auch. Aber dann wenn ich mich gut fühle, kommt so´n ungutes Gefühl in mir hoch-so nach dem Motto, da war doch irgendwas, was dich belastet-und schwupps bin ich wieder in voller Panik :roll:
Ich bin zumindest froh, mich jetzt hier im Forum austauschen zu können. das tut echt gut!!!
Vielleicht können die Zwänglerinnen, wie ihr es so nett nennt, mir ja noch mehr von ihren Erfahrungen berichten. Was hat euch geholfen? Ist eine Verhaltenstherapie angebracht (oder doch ´ne tiefenpsychologische)?
Textet mich ruhig zu :wink: Ich freu mich drauf!

@ Anne: Wie heißt denn das Buch von Viktor Frankl?

Verfasst: 20:07:2007 18:29
von Marika
Liebe Memo!

Hier kommt noch eine Zwänglerschwester! :wink: Die ZG waren bei mir das Hauptsymptom der PPD, die vor 2 Jahren nach der Geburt von meinem Noah aufgetreten ist. Genau wie du hatte ich schreckliche Angst, meinem Sohn etwas anzutun, mich nicht mehr unter Kontrolle zu haben.

Ich konnte keine Messer mehr sehen, hatte Schweißausbrüche wenn ich Noah baden oder wickeln mußte....usw. Ganz schlimm war das alleine sein - da hatte ich ja keinen "Beschützer" mehr, der/die mich von so einer Tat abhalten könnte - dachte ich damals! :roll: :wink:

Heute ist das 2 Jahre her und ich habe keine ZG mehr. Geholfen hat mir in erster Linie die Verhaltenstherapie bei meinem Psychiater, Hypnose und auch Teile der klassischen Tiefenpsychologie. Ganz wichtig war auch das Antidepressiva das ich gleich bekommen habe, um erst mal wieder auf die Beine zu kommen. Denn die Angst war so lähmend, dass ich nur noch weinen konnte und eine Panikattacke nach der anderen bekam. Alternativ sind auch die Bachblüten für mich ein ganz toller Begleiter geworden.

Liebe Memo - es sind wirklich "nur" Gedanken. Solche komischen Gedankengänge hat jeder Mensch jeden Tag. Nur wir "bemerken" sie und verbeissen uns an ihnen, andere Menschen vergessen die gleich wieder. Solche Gedanken gehören zur menschlichen Natur dazu. Normaler Weise werden solche "unwichtigen Gedankengänge" von einem Gehirnteil hinter der Stirn (= orbitofrontaler Kortex) ausgefiltert und auf die "Gehirnmüllhalde" geworfen. Bei uns arbeitet dieser Gehirnteil zu viel - er prüft und prüft immer wieder, so bekommen wir diese Gedanken bewußt mit. Die Folge ist Angst, Panik.... usw. Aber ausführen werden ZG - Geplagte diese Gedanken NIE!!!!!

Ich bin auch etwas erstaunt über die Aussage deiner angehenden Therapeutin. Es ist ja gerade die Angst vor diesen Gedanken die ganz klar zeigen, dass man NIE so etwas tun wird. Ein kompetenter Therapeut/in sollte das eigentlich wissen und dir das auch vermitteln können. Vielleicht magst du dich noch evtl. nach einem anderen Thera umschauen, der gleich Zeit für dich hat? Hast du schon mal über ein Medikament nachgedacht? Lt. WHO ist ein hoch dosierstes AD in Kombi mit einer Verhaltenstherapie die beste Behandlung für Zwangspatienten - und ich kann das nur bestätigen.

P.S.: Die "Bibel" aller ZG - Geplagter heißt:

"Der Kobold im Kopf" von Lee Bear

Ein tolles Buch, in dem genau erklärt wird, was ZG sind, wie sie entstehen und wie man sie wieder zähmen kann.

Liebe Memo, du wirst das schaffen - ich habs geschafft und ich war wirklich ganz unten. Komm immer hier her und frag uns Löcher in die Bäuche - gemeinsam schaffen wir das!!!! :D

Liebe Grüße von

Verfasst: 20:07:2007 21:29
von Anna2006
Hallo,

Viktor Frankl hat viele Bücher geschrieben...
...alle sind empfehlenswert!
"Ärztliche Seelsorge" ist eines davon,aber auch die anderen Bücher sind toll.
Ich glaube,er hat auch ein Buch nur über Neurosen/Zwangsgedanken geschrieben.
"Der Wille zum Sinn" ist auch sehr,sehr gut!
"Der leidende Mensch" auch!

Viel Freude beim Lesen!!!

Anne!!