Gehöre ich überhaupt hierher?
Verfasst: 28:11:2008 18:20
Hallo,
obwohl ich das Gefühl habe, nicht hierher zu gehören, stelle ich mich mal vor. Meinem Gefühl nach gehöre ich sowieso nirgendwo hin, auch nicht auf diese Welt.
Ich bin 31 und seit sieben Jahren glücklich mit meinem Mann liiert. Unser Sohn ist fast 5, unsere Tochter 13 Monate alt. Eigentlich ist bei mir alles prima: gesunde Kinder, liebender Ehemann, keinerlei Geldsorgen, Unterstützung durch beide Omas, so dass ich in Teilzeit arbeiten kann... und manchmal (in letzter Zeit immer öfter) wünsche ich mir nur, endlich zu sterben. Wenn meine Tochter schreit, denke ich manchmal: Wenn sie tot wäre, dann wäre jetzt endlich Ruhe. Dann kommt die Gedankenschleife: Wie kannst du sowas nur denken - du bist eine schlechte Mutter. Ungeduldig mit den Kindern, gefühlskalt. So schlecht, dass die Kinder ohne dich besser dran wären. Mir ist rational betrachtet natürlich schon klar, dass für Kinder auch der Tod der allerschrecklichsten Mutter sehr schlimm ist. In den düstersten Momenten kommt es mir aber so vor, als wäre die gesamte Welt ohne mich besser dran.
Wenn ich nicht gerade solche düsteren Gedanken habe, geht es mir ganz OK, erschöpft zwar, aber das ist wohl normal, wenn das jüngste Kind noch nicht durchschläft und recht fordernd ist (viel auf dem Arm, oft stillen). Und dann denke ich: Was bist du für ein Weichei und pienzt grundlos herum. Anderen Frauen geht es richtig schlecht, die haben vielleicht gar keine Lebensfreude mehr, kaum Unterstützung...
In meinem Leben ging es mir auch schon viel schlechter als jetzt. Schon als Kind war ich häufig traurig ("keiner mag mich, ich bin ein Versager" u.ä.) und wollte dann am liebsten sterben. Stundenlange Gespräche, in denen meine Mutter und meine ältere Schwester versuchten, mir irgendwie zu helfen, führten zu nichts. Mit 11 ging meine Mutter deswegen mit mir zum Hausarzt, der mir zum Joggen und Bildermalen riet (dazu konnte ich mich nicht aufraffen).
Mit 13 ging meine Mutter mit mir regelmäßig zu einem Psychiater, der mit mir Gespräche führte und ein Johanniskrautpräparat verschrieb, von dem ich keine Wirkung verspürte. Dann bekam ich einen Therapieplatz für eine Gesprächstherapie.
Noch vor der ersten Therapiesitzung habe ich etwas "Blödes" gemacht: In einer akuten bösen Gedankenschleife bin ich vom Balkon im ersten Stock meines Elternhauses gesprungen. Ich hatte irgendwie die fixe Idee, dass ich durch das Herunterspringen aus dem Gedankenkreislauf herauskommen würde, und außerdem dachte ich, dass mir aufgrund der geringen Höhe nichts passieren würde. Eine Millisekunde nach dem Absprung war ich tatsächlich frei von der Gedankenschleife, allerdings war der nächste Gedanke "ups, hättest doch nicht springen sollen". Schlussendlich ist mir nichts passiert, es tat halt ziemlich weh, und ich lag eine Woche zur Beobachtung im Krankenhaus. Wir/ich? sagten, es sei ein Unfall gewesen. Als ich das ganze dann bei der ersten Therapiestunde erzählte, meinte die Therapeutin, wenn ich die Wahrheit gesagt hätte, wäre ich in die Psychiatrie gekommen.
Die Therapie lief über fünf Monate, und es ging mir immer besser. Es folgte eine recht schöne Zeit (trotz wiederkehrender Tiefs). Mit 18 wurde es wieder schlimmer. Ich beschloss, zum Arzt zu gehen (der frühere Arzt praktizierte nicht mehr). Da musste ich mir anhören: "Reißen Sie sich zusammen." Anderthalb Jahre später wagte ich an meinem Studienort einen neuen Versuch und geriet an eine sehr sympathische Ärztin, die meine Sorgen ernstnahm. Wir probierten verschiedene Antidepressiva durch, die aber keine Wirkung zeigten (auf und ab ging es ja auch ohne Medikamente). Sie empfahl mir auch, eine Therapie zu machen. Weil ich so verzweifelt war, nahm ich die erstbeste Therapeutin, die einen Platz freihatte, und zog es nach den Probestunden gar nicht in Erwägung, dass diese Therapeutin vielleicht nicht die richtige für mich sein könnte. Ich fühlte mich durchgängig missverstanden, andererseits war die wöchentliche Sitzung wie ein Strohhalm, an den ich mich klammerte. Ich brach die Therapie dann nach einem Jahr vorzeitig ab (es waren noch einige bewilligte Stunden übrig). Der Therapieabbruch war ein befreiendes Gefühl: Ich bestimme selbt und lasse mir nicht mehr von meiner Therapeutin sagen, was ich zu fühlen habe.
Danach ging es mir mehrere Jahre richtig gut. Ich lernte meinen Mann kennen, schloss mein Studium mit glänzendem Ergebnis ab. Wir bekamen unser erstes Wunschkind, und nach ca. einem halbem Jahr ging es mir wieder schlechter. Der Talsohle war als mein Sohn ca. anderthalb war, dann ging es besser.
Tja, und jetzt hoffe ich, dass auch das Tief nach der Geburt meiner Tochter von alleine weggeht. Ich habe die Selbsthilfegruppe hier in Frankfurt kontaktiert (winkzu, Melanie W.) und freue mich auf das erste Treffen dort.
Herzlichen Dank an all jene, die sich diesen Wust durchgelesen haben.
obwohl ich das Gefühl habe, nicht hierher zu gehören, stelle ich mich mal vor. Meinem Gefühl nach gehöre ich sowieso nirgendwo hin, auch nicht auf diese Welt.
Ich bin 31 und seit sieben Jahren glücklich mit meinem Mann liiert. Unser Sohn ist fast 5, unsere Tochter 13 Monate alt. Eigentlich ist bei mir alles prima: gesunde Kinder, liebender Ehemann, keinerlei Geldsorgen, Unterstützung durch beide Omas, so dass ich in Teilzeit arbeiten kann... und manchmal (in letzter Zeit immer öfter) wünsche ich mir nur, endlich zu sterben. Wenn meine Tochter schreit, denke ich manchmal: Wenn sie tot wäre, dann wäre jetzt endlich Ruhe. Dann kommt die Gedankenschleife: Wie kannst du sowas nur denken - du bist eine schlechte Mutter. Ungeduldig mit den Kindern, gefühlskalt. So schlecht, dass die Kinder ohne dich besser dran wären. Mir ist rational betrachtet natürlich schon klar, dass für Kinder auch der Tod der allerschrecklichsten Mutter sehr schlimm ist. In den düstersten Momenten kommt es mir aber so vor, als wäre die gesamte Welt ohne mich besser dran.
Wenn ich nicht gerade solche düsteren Gedanken habe, geht es mir ganz OK, erschöpft zwar, aber das ist wohl normal, wenn das jüngste Kind noch nicht durchschläft und recht fordernd ist (viel auf dem Arm, oft stillen). Und dann denke ich: Was bist du für ein Weichei und pienzt grundlos herum. Anderen Frauen geht es richtig schlecht, die haben vielleicht gar keine Lebensfreude mehr, kaum Unterstützung...
In meinem Leben ging es mir auch schon viel schlechter als jetzt. Schon als Kind war ich häufig traurig ("keiner mag mich, ich bin ein Versager" u.ä.) und wollte dann am liebsten sterben. Stundenlange Gespräche, in denen meine Mutter und meine ältere Schwester versuchten, mir irgendwie zu helfen, führten zu nichts. Mit 11 ging meine Mutter deswegen mit mir zum Hausarzt, der mir zum Joggen und Bildermalen riet (dazu konnte ich mich nicht aufraffen).
Mit 13 ging meine Mutter mit mir regelmäßig zu einem Psychiater, der mit mir Gespräche führte und ein Johanniskrautpräparat verschrieb, von dem ich keine Wirkung verspürte. Dann bekam ich einen Therapieplatz für eine Gesprächstherapie.
Noch vor der ersten Therapiesitzung habe ich etwas "Blödes" gemacht: In einer akuten bösen Gedankenschleife bin ich vom Balkon im ersten Stock meines Elternhauses gesprungen. Ich hatte irgendwie die fixe Idee, dass ich durch das Herunterspringen aus dem Gedankenkreislauf herauskommen würde, und außerdem dachte ich, dass mir aufgrund der geringen Höhe nichts passieren würde. Eine Millisekunde nach dem Absprung war ich tatsächlich frei von der Gedankenschleife, allerdings war der nächste Gedanke "ups, hättest doch nicht springen sollen". Schlussendlich ist mir nichts passiert, es tat halt ziemlich weh, und ich lag eine Woche zur Beobachtung im Krankenhaus. Wir/ich? sagten, es sei ein Unfall gewesen. Als ich das ganze dann bei der ersten Therapiestunde erzählte, meinte die Therapeutin, wenn ich die Wahrheit gesagt hätte, wäre ich in die Psychiatrie gekommen.
Die Therapie lief über fünf Monate, und es ging mir immer besser. Es folgte eine recht schöne Zeit (trotz wiederkehrender Tiefs). Mit 18 wurde es wieder schlimmer. Ich beschloss, zum Arzt zu gehen (der frühere Arzt praktizierte nicht mehr). Da musste ich mir anhören: "Reißen Sie sich zusammen." Anderthalb Jahre später wagte ich an meinem Studienort einen neuen Versuch und geriet an eine sehr sympathische Ärztin, die meine Sorgen ernstnahm. Wir probierten verschiedene Antidepressiva durch, die aber keine Wirkung zeigten (auf und ab ging es ja auch ohne Medikamente). Sie empfahl mir auch, eine Therapie zu machen. Weil ich so verzweifelt war, nahm ich die erstbeste Therapeutin, die einen Platz freihatte, und zog es nach den Probestunden gar nicht in Erwägung, dass diese Therapeutin vielleicht nicht die richtige für mich sein könnte. Ich fühlte mich durchgängig missverstanden, andererseits war die wöchentliche Sitzung wie ein Strohhalm, an den ich mich klammerte. Ich brach die Therapie dann nach einem Jahr vorzeitig ab (es waren noch einige bewilligte Stunden übrig). Der Therapieabbruch war ein befreiendes Gefühl: Ich bestimme selbt und lasse mir nicht mehr von meiner Therapeutin sagen, was ich zu fühlen habe.
Danach ging es mir mehrere Jahre richtig gut. Ich lernte meinen Mann kennen, schloss mein Studium mit glänzendem Ergebnis ab. Wir bekamen unser erstes Wunschkind, und nach ca. einem halbem Jahr ging es mir wieder schlechter. Der Talsohle war als mein Sohn ca. anderthalb war, dann ging es besser.
Tja, und jetzt hoffe ich, dass auch das Tief nach der Geburt meiner Tochter von alleine weggeht. Ich habe die Selbsthilfegruppe hier in Frankfurt kontaktiert (winkzu, Melanie W.) und freue mich auf das erste Treffen dort.
Herzlichen Dank an all jene, die sich diesen Wust durchgelesen haben.