Hallo aus Coburg
Verfasst: 22:06:2009 17:15
> Nach einer Wunschschwngerschaft, die unproblematisch verlief, kam am 16.
> März 2008 unsere Tochter Elisabeth vier Wochen zufrüh, aber sehr schnell &
> gesund auf die Welt. Sie wog 2.500g, war 47cm gross & hatte unmengen von
> schwarzen Haaren auf dem Kopf. Wir nannten sie unser Palmsonntagswunder.
>
> Ich selber erlebte die Geburt als "zu schnell", fühlte mich schlecht betreut
> & alleine gelassen. Ich war sehr unsicher im Umgang mit Elisabeth, hatte
> Probleme mit dem stillen, sie schlief über der Brust ein & ich war unsicher,
> ob sie genung Milch bekam. Außerdem dauerte der Milcheinschuss.
> Am Mittag des Dritten Tages nach der Geburt(dem 19.März) schlug dann die
> Psychose zu: ich bildete mir ein, Elisabeth wäre mit dem Wetter zusammen,
> das schlechter wurde immer schwächer geworden & hätte schließlich nach dem
> Mittagessen zu atmen aufgehört. Ich fing an mich selbst zu verletzten: Biss
> mir in die Daumen & versuchte mich zu erwürgen. Schlug nach Thomas, meinem
> Mann, der versuchte mich zu beruhigen & in den Arm zu nehmen. Eine Schwester
> brachte Elisabeth weg, eine Ärztin kam & gab mir Tavor. Dann wurde ich im
> Krankenwagen nach Wiesloch ins PZN gebracht.
>
> Dort blieb ich vier Wochen auf der geschlossenen Abteilung, wurde mit
> Risperdal behandelt & nach abklingen der psychotischen Symptome auf die
> Station 43 überwiesen. Der Mutter-Kind-Station unter Leitung von Frau DR.
> Hornstein.
> Dort wurde ich erst ohne Elisabeth aufgenommen, weil alle 6
> Mütter-Kind-Zimmer belegt waren. Thomas drängte aber auf ein sehr schnelles
> Nachholen von Elisabeth, er war mit seiner Doktorarbeit im Verzug, sie
> sollte bis August fertig werden, weil Thomas zum September seine erste
> Stelle als Vikar in der evang. Landeskirche Bayern antreten sollte. Wir
> wussten zu dem damiligen Zeitpunkt noch nicht, wohin es gehen sollte. Als
> Wunschraum hatten wir Oberfranken angegeben, weil Thomas Familie in Coburg
> war. Aber es würde uns erst drei Wochen vor Stellenantritt gesagt werden,
> wohin wir letzlich kommen würde.
> Therapeutisch gab es nicht viel, keine Psychotherapie; Nur die Angebote,
> Entspannungstherapie, Babymassage (die bei mir wegviel, weil Elisabeth nur
> brüllte, wenn man sie auszog), Mütterfrühstück (was für mich Stress pur war:
> beobachtung schon beim Frühstück, schrecklich, ich bin kein Morgenmensch-
> ich brauche eigentlich nur meine Tasse Kaffee und eine Stunde Ruhe & Zeit
> für mich), die wöchentlichen Visiten mit Fr Dr Hornstein (auch Stess: muss
> ein gutes Bild von mir vermitteln, damit ich möglichst schnell entlassen
> werde) und die Video-Therapie (noch mehr stress, ich lasse mich nur ungern
> fotografieren, geschweige denn filmen). Medikamentös wurde ich die erste
> Zeit nur auf PPP behantelt mit Risperdal, fatale Nebenwirkung: starke
> Bewegungseinschränkung, die zu noch mehr Unsicherheit im Umgang mit
> Elisabeth führt, habe ständig Angst vor sie fallen zu lassen. Erst sehr
> spät Behandlung auf PPD, zuerst Zyprexa, was nicht anschlägt - dann später,
> erst ab Anfang Mai Seroquel.
> Am 19. Mai Verlegung auf die "beschützende" Station wegen Suzidgedanken. Am
> Montag den 21. Mai zurückverlegung auf die Station 43, Mittags dann mein
> Suzidversuch: bei einem Spaziergang "entdecke" ich einen kleinen Strommast,
> der Hohspannungsmast ist leider abgezäunt, klettere bis auf die erste
> Plattform in 3-4 Metern höhe & springe nach kurzem Überlegen auf die Seite,
> die geteert ist.
> Vom 21. Mai bis Ende Juli bin ich dann in der Chirugie in HD, später erst
> auf der allgemeinen "behütenden" Station Mayr-Gross in HD, dann auf der
> Station Jaspers in HD. Dort "blocke" ich die Therapie ab, kann mich nicht
> auf die Gesprächstherapie einlassen, will eigentlich nur nach Hause & werde
> Mitte August auf eigenen Wunsch hin entlassen.
> Im September ziehen wir nach Coburg, durch den Umzug bedingt & die PPD
> schaffe ich es nicht, mir einen Neurologen zu suchen, der mir die Medis
> verschreibt, beschließe sie abzusetzen - nach einem Montat bin ich wieder
> voll in der PPD (kann nicht einkaufen, nicht kochen, keine Entscheidungen
> treffen, nichtmal raussuchen was Elisabeth anzieht, nicht putzen, gar
> nichts), auf Drängen von Thomas gehe ich schließlich wieder in die Klinik,
> erst wieder auf die "beschützende" Station im Bezirksklinikum Obermain
> (wegen meiner "Vorgeschichte" sind alle behandelnden Ärzte extrem
> vorsichtit) nach 14 Tagen kann ich auf die Station 4C, eine gemischte
> Depressions-Station. Komme langsam zur Ruhe, bin erst nach zwei Tagen fähig,
> den Selbsteinschätzungs-Fragebogen auszufüllen, Schlafe endlich besser, die
> Ergo-therapie macht mir viel Freude. Finde endlich Frauen & auch Männer, die
> mich verstehen. Nach weiteren vier Wochen kann ich endlich heim. Suche mir
> noch aus der Klinik heraus einen Hausarzt, einen
> Psychologen & einen Neurologen.
> Seit Mai 2009 nehme ich keine Medis mehr, aber es geht mir zum Glück immer
> noch gut - auch wenn ich immer wieder lauere: "ist das jetzt nur die Zeit
> vor den Tagen, oder ist das die PPD".
>
> So, das ist in Kürze meine Geschichte, ich bin froh nicht allein zu sein,
> habe gelernt Schwäche zu zeigen ist kein Versagen, bin glücklich, dass
> Elisabeth fröhlich & "normal" ist & möchte anderen Mut machen & versuchen zu
> verhindern, dass bei anderen Frauen soweit kommt wie bei mir.
>
> Herzlich, Nicole (Nici) Amberg
>
> P.S.: eine Kurz-Vita von mir: geboren am 26.12.1978 als Frühchen (dritte
> Tochter) in Nördlingen, vier Monate in Augsburg im Brutkasten (2x
> Atemstillstand). Bin seit 1998 Buchhändlerin, habe 2003 geheiratet (meinen
> ersten Freund) und 2008 mein Kind geboren. Vorher nie depressiv oder
> psychotisch gewesen.
>
> März 2008 unsere Tochter Elisabeth vier Wochen zufrüh, aber sehr schnell &
> gesund auf die Welt. Sie wog 2.500g, war 47cm gross & hatte unmengen von
> schwarzen Haaren auf dem Kopf. Wir nannten sie unser Palmsonntagswunder.
>
> Ich selber erlebte die Geburt als "zu schnell", fühlte mich schlecht betreut
> & alleine gelassen. Ich war sehr unsicher im Umgang mit Elisabeth, hatte
> Probleme mit dem stillen, sie schlief über der Brust ein & ich war unsicher,
> ob sie genung Milch bekam. Außerdem dauerte der Milcheinschuss.
> Am Mittag des Dritten Tages nach der Geburt(dem 19.März) schlug dann die
> Psychose zu: ich bildete mir ein, Elisabeth wäre mit dem Wetter zusammen,
> das schlechter wurde immer schwächer geworden & hätte schließlich nach dem
> Mittagessen zu atmen aufgehört. Ich fing an mich selbst zu verletzten: Biss
> mir in die Daumen & versuchte mich zu erwürgen. Schlug nach Thomas, meinem
> Mann, der versuchte mich zu beruhigen & in den Arm zu nehmen. Eine Schwester
> brachte Elisabeth weg, eine Ärztin kam & gab mir Tavor. Dann wurde ich im
> Krankenwagen nach Wiesloch ins PZN gebracht.
>
> Dort blieb ich vier Wochen auf der geschlossenen Abteilung, wurde mit
> Risperdal behandelt & nach abklingen der psychotischen Symptome auf die
> Station 43 überwiesen. Der Mutter-Kind-Station unter Leitung von Frau DR.
> Hornstein.
> Dort wurde ich erst ohne Elisabeth aufgenommen, weil alle 6
> Mütter-Kind-Zimmer belegt waren. Thomas drängte aber auf ein sehr schnelles
> Nachholen von Elisabeth, er war mit seiner Doktorarbeit im Verzug, sie
> sollte bis August fertig werden, weil Thomas zum September seine erste
> Stelle als Vikar in der evang. Landeskirche Bayern antreten sollte. Wir
> wussten zu dem damiligen Zeitpunkt noch nicht, wohin es gehen sollte. Als
> Wunschraum hatten wir Oberfranken angegeben, weil Thomas Familie in Coburg
> war. Aber es würde uns erst drei Wochen vor Stellenantritt gesagt werden,
> wohin wir letzlich kommen würde.
> Therapeutisch gab es nicht viel, keine Psychotherapie; Nur die Angebote,
> Entspannungstherapie, Babymassage (die bei mir wegviel, weil Elisabeth nur
> brüllte, wenn man sie auszog), Mütterfrühstück (was für mich Stress pur war:
> beobachtung schon beim Frühstück, schrecklich, ich bin kein Morgenmensch-
> ich brauche eigentlich nur meine Tasse Kaffee und eine Stunde Ruhe & Zeit
> für mich), die wöchentlichen Visiten mit Fr Dr Hornstein (auch Stess: muss
> ein gutes Bild von mir vermitteln, damit ich möglichst schnell entlassen
> werde) und die Video-Therapie (noch mehr stress, ich lasse mich nur ungern
> fotografieren, geschweige denn filmen). Medikamentös wurde ich die erste
> Zeit nur auf PPP behantelt mit Risperdal, fatale Nebenwirkung: starke
> Bewegungseinschränkung, die zu noch mehr Unsicherheit im Umgang mit
> Elisabeth führt, habe ständig Angst vor sie fallen zu lassen. Erst sehr
> spät Behandlung auf PPD, zuerst Zyprexa, was nicht anschlägt - dann später,
> erst ab Anfang Mai Seroquel.
> Am 19. Mai Verlegung auf die "beschützende" Station wegen Suzidgedanken. Am
> Montag den 21. Mai zurückverlegung auf die Station 43, Mittags dann mein
> Suzidversuch: bei einem Spaziergang "entdecke" ich einen kleinen Strommast,
> der Hohspannungsmast ist leider abgezäunt, klettere bis auf die erste
> Plattform in 3-4 Metern höhe & springe nach kurzem Überlegen auf die Seite,
> die geteert ist.
> Vom 21. Mai bis Ende Juli bin ich dann in der Chirugie in HD, später erst
> auf der allgemeinen "behütenden" Station Mayr-Gross in HD, dann auf der
> Station Jaspers in HD. Dort "blocke" ich die Therapie ab, kann mich nicht
> auf die Gesprächstherapie einlassen, will eigentlich nur nach Hause & werde
> Mitte August auf eigenen Wunsch hin entlassen.
> Im September ziehen wir nach Coburg, durch den Umzug bedingt & die PPD
> schaffe ich es nicht, mir einen Neurologen zu suchen, der mir die Medis
> verschreibt, beschließe sie abzusetzen - nach einem Montat bin ich wieder
> voll in der PPD (kann nicht einkaufen, nicht kochen, keine Entscheidungen
> treffen, nichtmal raussuchen was Elisabeth anzieht, nicht putzen, gar
> nichts), auf Drängen von Thomas gehe ich schließlich wieder in die Klinik,
> erst wieder auf die "beschützende" Station im Bezirksklinikum Obermain
> (wegen meiner "Vorgeschichte" sind alle behandelnden Ärzte extrem
> vorsichtit) nach 14 Tagen kann ich auf die Station 4C, eine gemischte
> Depressions-Station. Komme langsam zur Ruhe, bin erst nach zwei Tagen fähig,
> den Selbsteinschätzungs-Fragebogen auszufüllen, Schlafe endlich besser, die
> Ergo-therapie macht mir viel Freude. Finde endlich Frauen & auch Männer, die
> mich verstehen. Nach weiteren vier Wochen kann ich endlich heim. Suche mir
> noch aus der Klinik heraus einen Hausarzt, einen
> Psychologen & einen Neurologen.
> Seit Mai 2009 nehme ich keine Medis mehr, aber es geht mir zum Glück immer
> noch gut - auch wenn ich immer wieder lauere: "ist das jetzt nur die Zeit
> vor den Tagen, oder ist das die PPD".
>
> So, das ist in Kürze meine Geschichte, ich bin froh nicht allein zu sein,
> habe gelernt Schwäche zu zeigen ist kein Versagen, bin glücklich, dass
> Elisabeth fröhlich & "normal" ist & möchte anderen Mut machen & versuchen zu
> verhindern, dass bei anderen Frauen soweit kommt wie bei mir.
>
> Herzlich, Nicole (Nici) Amberg
>
> P.S.: eine Kurz-Vita von mir: geboren am 26.12.1978 als Frühchen (dritte
> Tochter) in Nördlingen, vier Monate in Augsburg im Brutkasten (2x
> Atemstillstand). Bin seit 1998 Buchhändlerin, habe 2003 geheiratet (meinen
> ersten Freund) und 2008 mein Kind geboren. Vorher nie depressiv oder
> psychotisch gewesen.
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