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Warten auf den Absturz
Verfasst: 25:09:2009 23:30
von Martina
Hallo Ihr Lieben,
ich war lange nicht mehr aktiv im Forum, bin aber immer still noch da. Ich möchte mich so gerne an euch wenden, weil ich das Gefühl habe in meiner Angst zu erstarren.
Nach über 3 Jahren nach der Geburt meiner Tochter mit anschließender PPD, habe ich mich getraut noch einmal schwanger zu werden. Ich war dann auch recht schnell schwanger.
Ich habe mich entschlossen die Schwangerschaft ganz anders zu erleben und war bei meiner damaligen Nachsorgehebamme zu den Vorsorgeuntersuchungen. Am Montag diese Woche war ich zum ersten US bei der Gyn. In der 12.Woche. Auf dem US war nur die leere Fruchthöhle zu sehen. Mein Kind ist vermutlich schon vor drei Wochen gestorben, und war schon nicht mehr richtig zu sehen.
Ich habe mich entschieden keine Ausschabung machen zu lassen, und am Mittwoch kam es natürlich zum Abgang. Das fühlt sich für mich stimmig an. Ich werde ganz toll von der Hebammenpraxis betreut, die Hebamme war zum Glück auch während der Wehen und des Abgangs da.
Und jetzt sitze ich hier, weiß der Hormonspiegel sinkt, und habe Angst, dass die PPD wieder kommt. Ich habe mich natürlich damit beschäftigt, dass es passieren kann, dass die Depressionen wieder kommen – nächstes Jahr im April (da wäre ET gewesen). Aber jetzt bin ich überfordert. Damit habe ich natürlich nicht gerechnet. Ich traue mich nicht meine Trauer zu zu lassen, weil ich Angst habe dass ich die Grenze zwischen der normalen Trauer und der Depression überschreite. Aber ich bin so traurig.
Wie kann ich mich nur wieder "Bewegen"?
Liebe Grüße
Verfasst: 26:09:2009 7:04
von Hope
Hallo Martina
Es tut mir sehr leit was passiert ist ich weis das für frauen wie uns der entschluß noch ein kind zu bekommen eh schon nicht einfach ist und dann passiert sowas. Aber du must deine trauer raus lassen den wen du dies nicht tust wird es sehr schlimm werden die trauer macht diech verückt und du wirst noch kranker du darfst heulen was das zeug hält oder schreien oder gegen eine wand hauen irgentwas was den schmerz den du in dir hast etwas lindern wird, trau dich . Und hab keine angst vor der PPD du weist ja das es pasieren kann und du weist auch wie du damit umgehn must, ich weis ich kann nicht gut trösten mir fallen nie solche worte wie den anderen ein aber ich bin bei dir und ich wünsche dir das du es gans schnell überwindest.
Lg Hope
Verfasst: 26:09:2009 8:35
von Marika
Ein liebes Hallo!
Lass dich mal fest in den Arm nehmen! Es tut mir unendlich leid, was dir passiert ist und gleichzeitig fühle ich einorme Kraft und Stärke von dir. Das zeigt schon, dass du den natürlichen Abgang duchgemacht hast - unglaublich stark war das.
Ich denke auch, du sollst deine Trauer raus lassen - unbedingt. Gleichzeitig verstehe ich sehr gut, dass du Angst hast DURCH dieses Rauslassen wieder in eine Depression zu rutschen. Ich traute mich auch oft nicht traurig zu sein, weil ich dachte, das würde die Depression wieder verstärken - heute aber weiß ich, dass das Gegenteil der Fall ist: Aufgestaute, unterdrückte Emotionen sind Begünstiger einer Deperssion, nicht das Rauslassen.
Um diese "Bewegung" wieder zuzulassen, könnte dir vielleicht deine Hebamme in der Hebammenpraxis helfen. Ich war damals auch dort, allerdings nach der Geburt mit meiner akuten PPD. Mit meiner Nachsorge Hebamme konnte ich weinen, sie hat es geschafft damals, den Damm in mir zum brechen zu bringen.
Alles alles Liebe und viel Kraft schickt dir
Verfasst: 26:09:2009 9:11
von mici
Liebe Martina,
auch ich sende Dir herzliche, anteilnehmende Gedanken! Es ist furchbar, eine Fehlgeburt zu erleben - ich habe im letzten Jahr viel an der Seite meiner Freundin gestanden, der dies ebenfalls passiert war.
Mir tut dies Ereignis insbesondere deshalb so sehr leid für Dich, weil Du nach den Erfahrungen der PPD beim ersten Kind so wohlüberlegt an die Sache herangegangen bist und Dich um eine erstklassige und auch emotional haltgebende Vorsorge in der SS bemüht hast. Ich kann mir Deine Gedankengänge gut vorstellen, die Euch bei der Entscheidung für eine weitere SS umgetrieben haben - und dann das!
Diesen Schmerz kann Euch keiner nehmen und ich kann Deine Angst sehr gut verstehen, dass sich aus der Trauer um das verlorene Kind wieder eine echte Depression entwickeln könnte.
Doch gib Dir ein bisschen Zeit! Ich gebe Hope völlig recht, dass es wichtig ist, wirklich zu trauern und sich dabei auch nicht zu begrenzen, sondern im Gegenteil: Du darfst im Trauern hemmungslos sein! Jedenfalls für eine Weile.
Du schreibst selber, dass der Hormonspiegel sich gerade wieder verändert; diese Zeitspanne würde ich abwarten und versuchen auszuhalten. Lass die nächsten fünf, sechs Wochen ins Land gehen, warte Deine nächste plänmäßige Menstruation ab und horche erst dann in Dich hinein, ob sich Deine Trauer zu manifestieren droht. Über diese Entwicklung bleibst Du doch auch mit Deiner Hebamme im Austausch, oder?
Ich bin ein Befürworter von ADs. Ich weiß nicht, wie Du dazu stehst. Aber wende Dich rechtzeitig an einen Psychiater, mit dem Du ein passendes Medikament für Dich finden kannst. Es gibt darunter auch solche, die kompatibel mit einer erneuten SS sind.
Das Leben ist nicht planbar. Wir versuchen dies zwar unentwegt, auch, weil wir das Leben mit der Ungewissheit etwas verlernt haben. Alles ist durchorganisiert. Wir leben zwischen lauter Entscheidungen, kein Raum unseres Lebens ist mehr möglichkeitsoffen. Und doch durchkreuzen immer wieder Ereignisse unser Leben, mit den wir nicht gerechnet haben. Diese Ereignisse können Zufälle oder Schicksale sein. Wir können diese nicht einkalkulieren, egal, wie wohl überlegt wir eine SS planen, egal, wie sehr wir die Betreuung in der SS in die vertrauensvollen Hände von Fachpersonal geben usw. Solcherleich Ereignisse überraschen uns immer wieder aufs Neue, egal, wie sehr wir versuchen, uns auf alles vorzubereiten.
Was bleibt? Meine Antwort darauf lautet: Demut. Demut gegenüber all den schönen Ereignissen, die genauso unverhofft unser Leben durchkreuzen und Demut auch in schweren Stunden, in den wir offensichtlich lernen müssen, mit der Not zu leben. Dieses Aushalten- und Hinnehmenmüssen ist vielleicht die größte Herausforderung, die das Trauern so endlos und hoffnunslos erscheinen lässt. Doch das ist es nicht. Trauern ist nicht endlos, sondern ereignisbezogen. Wenn wir in Zeiten der Trauer versuchen, diese auf das konkrete zu betrauernde Ereignis zu richten, dann tun wir unsererseits etwas sehr Konkretes gegenüber der Zufälligkeit und Willkür, mit der uns ein bestimmtes Ereignis ereilt hat. Wir treten aus dem Möglichkeitsraum heraus, indem wir bewusst entscheiden, die Trauer auf das zu betrauernde Ereignis zu richten; damit grenzen wir sie zugleich ein und sorgen somit dafür, dass sie nicht um sich greift und andere Lebensbereiche mit erfasst.
Das wünsche ich Dir - achte auf Dich!
Herzlichst, MICI
Verfasst: 26:09:2009 12:24
von Deria
Liebe Martina,
ich habe dich gelesen und es tut mir sehr leid.
Ich kann nur im Kleinen nachvollziehen, wie es dir gehen mag und möchte dich ermuntern, zu trauern. Das Ermuntern hört sich doof an, aber, es wäre so wichtig. Da es einfach "normal" ist traurig zu sein.
Ich darf traurig sein - statt - Ich warte auf den Absturz.
In der Therapie heißt es: selbsterfüllende Prophezeiung.
Vielleicht hast du psychologische Betreuung, sonst bitte suche dir welche.
Es gibt für alles Hilfe und du musst da nicht alleine durch.
Das sind jetzt zwei verschiedene Paar Schuhe.
Das gilt es auseinanderzuhalten.
Ich wünsche dir ganz viel Kraft und einen Ort, an dem du sein kannst.
Mit allem, was dich grad bewegt.
Auch hier.
Ganz liebe Grüße und wenn du magst, einen sanften Drücker
Deria
Verfasst: 26:09:2009 14:53
von Ylaina
Also, ich bin ja jetzt 31. SSw. Aus diesem Blickwinkel hat mich Deine Geschichte auf zwei Weisen berührt.
Ich wüßte nicht, wie ich damit grad klarkäme und weiß nicht, wie Du etwas von gerade mir auffassen würdest.
Aber vielleicht denkst Du zum Glück erst nicht so, oder verstehst, dass gerade eben ich Dir mein Mitgefühl aussprechen will...
Und ja, trauere. Sehe ich auch so. Wenn es kommt, lass es gehen. Sozusagen..Lass Dich gehen. Für alles ist seine Zeit. Für die Starre, aber auch das Trauern.
Ich lass auch immer wieder nicht zu, weil ich Angst davor habe, dass die Gefühle mich nie wieder zur Ruhe kommen ließen dann. So ist es aber nicht. War es noch nie. Nur immer die Angst davor.
Auf jeden Fall, wenn es kommt: Du bist nicht alleine damit. Wir werden hier sein, ich werd hier sein und wenn Du magst Dich zumindest ein bißchen dabei begleiten.
Verena
Verfasst: 26:09:2009 15:20
von Martina
Hallo Ihr Lieben,
ich danke euch so für eure Worte! Sie zu lesen und eure Anteilnahme und Kraft zu spüren gibt mir das Gefühl, im Fallen, bzw. im Trauern aufgefangen zu werden. Es fühlt sich tatsächlich an, wie ein Netz das weich gepolstert ist, dass sich durch die Worte von jeder einzelnen von euch unter mir gespannt hat (ich möchte nicht pathetisch sein, aber das trifft es genau). Und ich kann mich fallen lassen.
Die Trauer ist heute so groß, die Angst sehr klein. Ich fühle mich traurig, aber mein Inneres ist ruhig. Und ja, Demut stellt sich ein. Demut wenn ich meine Tochter sehe, die für mich Leben bedeutet und nicht Erstarren. Wenn ich Halt und Trost erfahre, wenn ich spüre ich bin nicht allein. Und Demut und Ruhe, dass sich unser zweites Kind für uns als Eltern entschieden hat. Und dass ich es „spüren“ konnte, im Kontakt mit ihm war. Aus welchen Gründen es nicht bleiben konnte weiß ich nicht, aber es ist wohl letztendlich nicht wichtig.
Ich weiß, dass meine Schwangerschaft in der 12. Woche noch nicht so weit fortgeschritten war, aber ich habe mich dem neuen Leben schon so nah gefühlt.
Meine Hebamme kommt vorerst noch jeden Tag, am Dienstag bin ich bei meiner Therapeutin, am Mittwoch bei meiner neuen Frauenärztin die zusätzlich Psychotherapeutin ist und mich wirklich toll begleitet. Und alle haben mit mir ein Auge darauf, dass ich nicht abrutsche. Auch da ist ein Netz gespannt. Jetzt hoffe ich nur, dass ich es nicht noch um den Psychiater und AD erweitern muss. Ich würde sofort wieder ein AD nehmen (habe ich damals auch), ich fürchte mich nur sehr vor den Nebenwirkungen. Was ich damals unter der Einnahme zugenommen habe, bin ich bis heute nicht wieder los.
Ich danke euch noch einmal, auch für die Umarmungen. Ich brauch vielleicht wirklich noch eure Unterstützung und Begleitung.
Liebe Grüße