Hallo aus dem Schwarzwald
Verfasst: 12:12:2009 21:04
Hallo,
mein Name ist Sanni, ich komme aus dem Schwarzwald, bin (noch) 29, in ein paar Tagen feiere ich meinen dritten Runden. Unsere Tochter wird heute 17 Wochen alt und ist kerngesund und sowas von knuffig und goldig. Ich sollte eigentlich allen Grund zur Freude haben, ich habe einen liebevollen Mann, wir leben hier mitten im Wald ohne Verkehrslärm und Hektik, es geht uns nicht schlecht, meine Eltern sind immer für uns und die Kleine da.
Aber ich bin trotzdem ziemlich weit unten.
Abigale, unsere Tochter war und ist ein absolutes Wunschkind, die Schwangerschaft verlief bis auf die ersten drei Monate heftige Übelkeit (was ja normal ist und mich nicht wirklich mitgenommen hat) blendend, ich hatte keine gesundheitlichen Beschwerden, ich bin noch am letzten Tag der Schwangerschaft auf dem Badewannenrand rumgekraxelt um zu putzen, nicht mal die typische Trägheit hat mich erwischt. Die Kleine war zu jeder Zeit gesund, sie lag schon recht früh "richtig rum".
Allerdings hat mich etwa zur Mitte hin ein Stimmungstief mitgenommen, bei dem ich grundlos einfach nur da sass und heulte und ich nicht mehr fertig wurde, da hatte ich schon eine Ahnung, das mich zumindest die Heultage erwischen könnten.
Dann kam die Geburt, aus der von Arzt und Hebamme prophezeiten tollen, unkomplizierten Spontangeburt ohne irgendwelche medikamentösen Hilfen wurde eine Einleitung draus, dann eine PDA, dann ein Kaiserschnitt. Das war alles noch zu verschmerzen, ist fürs Kind lebensnotwendig (und für mich auch), das Köpfchen war zu gross für mein Becken.
Die Heultage, wie mir alle weis machen wollten was ich denn habe, kam etwa am zweiten Tag nach der Entbindung. Nicht genug, das ich mich nicht bewegen konnte, wie ich wollte, weil die OP-Wunde ja sehr weh tat, Stillprobleme machten mir zu schaffen, am dritten Tag verlangte ich heulend die Milchpumpe, weil meine Brustwarzen blutig waren, mein Mann konnte mich nicht mehr alleine lassen und die folgenden zwei Nächte blieb er bei mir im Krankenhaus.
Am vierten Tag ergriff ich buchstäblich die Flucht, ich verlangte meine und der Kleinen ihre Papiere und war auch schon auf dem Weg in die Tiefgarage.
Daheim wurde es nicht besser, im Gegenteil. Ich hatte immer noch das Gefühl des "Störfaktors" der Kleinen gegenüber, ich hatte unheimliche Angst, das sich mein Mann von mir trennen könnte, weshalb auch immer, ich fühlte mich völlig in meiner Integrität zerstört. Ich konnte die Kleine nicht schmusen, nicht knuddeln, nicht mit ihr lachen oder spielen, mein Mann sagte mir, das er das Gefühl hätte das er die Kleine mit in die Ehe brachte.
Oft genug habe ich die Tür zu gemacht, wenn sie sich nicht beruhigen lies und bin auf den Balkon gegangen, das mache ich immer noch. Ich sass heulend auf der Couch und war mit der Welt am Ende, sogar vor der Hebamme brach es immer peinlicherweise aus mir raus.
Zwei Wochen nach der Geburt habe ich sie abgestillt und beim ersten Fläschchen fiel eine Last von mir. 'Geh nie wieder an MEINE Brust. Ich will das nicht. Ich lasse gar keine Kind mehr an meine Brust, sie gehört mir allein!', das waren und sind meine Gedanken. Und es passierte eine Wandlung die mir gar nicht gefällt. Ich wollte immer mehrere Kinder haben, ich war immer jemand, der gewollt kinderlose Frauen schräg angekuckt hat, war gerührt, wenn ein Kind gelacht oder geweint hat. Mittlerweile meide ich Ansammlungen von frischgebackenen Müttern und Kleinkindern, ich drücke mich sogar vor der Rückbildung. Aber die neue Einstellung sagt, ich will überhaupt kein Kind mehr haben, mittlerweile sind Dinge wie Familienbett, stillen im besonderen und Dauerbetüdeln wie ich es nenne, Sachen, die ich regelrecht hasse und verabscheue. Ich ziehe klare Linien zu meinem ganz persönlichsten Bereich, unser Schlafzimmer zum Beispiel hat sie noch nie von innen gesehen. Ich rebelliere gegen die „Durchschnittsmutti“ in bequemen Turnschuhen und Kurzhaarschnitt mit High Heels, extravaganten Klamotten, auch das Rauchen habe ich wieder angefangen (das sind meine 5 Minuten die mir niemand stehlen kann) und provoziere bewusst. In der Zwischenzeit denke ich mir, das ich gar nicht als Mutter gedacht war und es seinen Sinn hatte, das ich jahrelang auf das Kind warten musste, bis ich endlich schwanger wurde, vielleicht besser sogar kein Kind bekommen hätte.
Ich spreche zwar mit meinem Mann über ein zweites Kind weil er sich sehr noch eines wünscht, aber ich habe Angst ihm zu sagen, das für mich das Thema erledigt ist. Ich möchte nicht, das er traurig und enttäuscht von mir ist und ich denke er kann besser damit leben, wenn ich einfach nicht mehr schwanger werden würde, als das ich ihm sage, 'Nein, gibt keins mehr!'.
Es gibt immer noch Tage, wo ich die Kleine in ihr Bettchen lege wenn sie schreit und sich nicht beruhigen lässt und die Tür zumache. Ich werde damit einfach nicht mental fertig. Und das will ich keinem zweiten Kind antun, eine Mutter, die sich selber für eine schlechte Mutter hält und sich nicht so um das Kleine kümmern kann, wie es das verdient hätte (Bzw. ich mir das vorstelle, es aber nicht umsetzen kann).
Ich erkenne mich nicht wieder, das bin nicht ich. Meine Hebamme hat mir zwar die Adresse eines Arztes gegeben, der auf postnatale Probleme spezialisiert ist, aber ich krieg einfach nicht die Kurve anzurufen. Ich lüge sie jedesmal an, wenn sie mich fragt, ob ich schon angerufen hätte.
Und dann ist da noch die Gesellschaft, die unheimlich gerne suggeriert, alle Mütter die ihre Babies nicht mindestens 23 von 24 Stunden am Tag an der Brust hängen haben, es nicht im Elternbett schlafen lassen, anstatt einer stundenlangen Bauchmassage mit dem Körnerkissen einfach mal ein paar Tropfen Lefax geben das sich die Blähung schneller lockert (könnte ja anders unbequem für die Mutter sein!), sich nicht gehen lassen und herrichten und die ihren Haushalt ( und ohne Mist, jüngst in einem Babyforum gelesen: Toilettengang!) ohne schlechtes Gewissen erledigen sind regelrechte Rabenmütter, die armen Kinder! Und das kotzt mich so dermassen an!
Vielleicht finde ich bei euch Leute, die mich verstehn, in einer ähnlichen Situation stecken wie ich, denn teile ich mich "normalen" Müttern mit und äussere mich negativ über beschriebene Dinge wie zum Beispiel das Stillen, werde ich gleich als Rabenmutter abgestempelt. Und dabei weis keiner, wie es in mir aussieht, das ich meine Kleine mehr liebe als alles andere aber es nicht zeigen kann. Und im Moment merke ich wieder, wie ich ins nächste Tief rutsche.
Es tut mir leid, ist ein bisschen länger geworden, aber es tat so gut, das niederzuschreiben und mich mit zu teilen, denn die allerwenigsten können mich verstehn und in dieser Gesellschaft habe ich Angst, das irgendjemanden zu sagen, der mich in Natura kennt.
Viele liebe Grüße, Sanni
mein Name ist Sanni, ich komme aus dem Schwarzwald, bin (noch) 29, in ein paar Tagen feiere ich meinen dritten Runden. Unsere Tochter wird heute 17 Wochen alt und ist kerngesund und sowas von knuffig und goldig. Ich sollte eigentlich allen Grund zur Freude haben, ich habe einen liebevollen Mann, wir leben hier mitten im Wald ohne Verkehrslärm und Hektik, es geht uns nicht schlecht, meine Eltern sind immer für uns und die Kleine da.
Aber ich bin trotzdem ziemlich weit unten.
Abigale, unsere Tochter war und ist ein absolutes Wunschkind, die Schwangerschaft verlief bis auf die ersten drei Monate heftige Übelkeit (was ja normal ist und mich nicht wirklich mitgenommen hat) blendend, ich hatte keine gesundheitlichen Beschwerden, ich bin noch am letzten Tag der Schwangerschaft auf dem Badewannenrand rumgekraxelt um zu putzen, nicht mal die typische Trägheit hat mich erwischt. Die Kleine war zu jeder Zeit gesund, sie lag schon recht früh "richtig rum".
Allerdings hat mich etwa zur Mitte hin ein Stimmungstief mitgenommen, bei dem ich grundlos einfach nur da sass und heulte und ich nicht mehr fertig wurde, da hatte ich schon eine Ahnung, das mich zumindest die Heultage erwischen könnten.
Dann kam die Geburt, aus der von Arzt und Hebamme prophezeiten tollen, unkomplizierten Spontangeburt ohne irgendwelche medikamentösen Hilfen wurde eine Einleitung draus, dann eine PDA, dann ein Kaiserschnitt. Das war alles noch zu verschmerzen, ist fürs Kind lebensnotwendig (und für mich auch), das Köpfchen war zu gross für mein Becken.
Die Heultage, wie mir alle weis machen wollten was ich denn habe, kam etwa am zweiten Tag nach der Entbindung. Nicht genug, das ich mich nicht bewegen konnte, wie ich wollte, weil die OP-Wunde ja sehr weh tat, Stillprobleme machten mir zu schaffen, am dritten Tag verlangte ich heulend die Milchpumpe, weil meine Brustwarzen blutig waren, mein Mann konnte mich nicht mehr alleine lassen und die folgenden zwei Nächte blieb er bei mir im Krankenhaus.
Am vierten Tag ergriff ich buchstäblich die Flucht, ich verlangte meine und der Kleinen ihre Papiere und war auch schon auf dem Weg in die Tiefgarage.
Daheim wurde es nicht besser, im Gegenteil. Ich hatte immer noch das Gefühl des "Störfaktors" der Kleinen gegenüber, ich hatte unheimliche Angst, das sich mein Mann von mir trennen könnte, weshalb auch immer, ich fühlte mich völlig in meiner Integrität zerstört. Ich konnte die Kleine nicht schmusen, nicht knuddeln, nicht mit ihr lachen oder spielen, mein Mann sagte mir, das er das Gefühl hätte das er die Kleine mit in die Ehe brachte.
Oft genug habe ich die Tür zu gemacht, wenn sie sich nicht beruhigen lies und bin auf den Balkon gegangen, das mache ich immer noch. Ich sass heulend auf der Couch und war mit der Welt am Ende, sogar vor der Hebamme brach es immer peinlicherweise aus mir raus.
Zwei Wochen nach der Geburt habe ich sie abgestillt und beim ersten Fläschchen fiel eine Last von mir. 'Geh nie wieder an MEINE Brust. Ich will das nicht. Ich lasse gar keine Kind mehr an meine Brust, sie gehört mir allein!', das waren und sind meine Gedanken. Und es passierte eine Wandlung die mir gar nicht gefällt. Ich wollte immer mehrere Kinder haben, ich war immer jemand, der gewollt kinderlose Frauen schräg angekuckt hat, war gerührt, wenn ein Kind gelacht oder geweint hat. Mittlerweile meide ich Ansammlungen von frischgebackenen Müttern und Kleinkindern, ich drücke mich sogar vor der Rückbildung. Aber die neue Einstellung sagt, ich will überhaupt kein Kind mehr haben, mittlerweile sind Dinge wie Familienbett, stillen im besonderen und Dauerbetüdeln wie ich es nenne, Sachen, die ich regelrecht hasse und verabscheue. Ich ziehe klare Linien zu meinem ganz persönlichsten Bereich, unser Schlafzimmer zum Beispiel hat sie noch nie von innen gesehen. Ich rebelliere gegen die „Durchschnittsmutti“ in bequemen Turnschuhen und Kurzhaarschnitt mit High Heels, extravaganten Klamotten, auch das Rauchen habe ich wieder angefangen (das sind meine 5 Minuten die mir niemand stehlen kann) und provoziere bewusst. In der Zwischenzeit denke ich mir, das ich gar nicht als Mutter gedacht war und es seinen Sinn hatte, das ich jahrelang auf das Kind warten musste, bis ich endlich schwanger wurde, vielleicht besser sogar kein Kind bekommen hätte.
Ich spreche zwar mit meinem Mann über ein zweites Kind weil er sich sehr noch eines wünscht, aber ich habe Angst ihm zu sagen, das für mich das Thema erledigt ist. Ich möchte nicht, das er traurig und enttäuscht von mir ist und ich denke er kann besser damit leben, wenn ich einfach nicht mehr schwanger werden würde, als das ich ihm sage, 'Nein, gibt keins mehr!'.
Es gibt immer noch Tage, wo ich die Kleine in ihr Bettchen lege wenn sie schreit und sich nicht beruhigen lässt und die Tür zumache. Ich werde damit einfach nicht mental fertig. Und das will ich keinem zweiten Kind antun, eine Mutter, die sich selber für eine schlechte Mutter hält und sich nicht so um das Kleine kümmern kann, wie es das verdient hätte (Bzw. ich mir das vorstelle, es aber nicht umsetzen kann).
Ich erkenne mich nicht wieder, das bin nicht ich. Meine Hebamme hat mir zwar die Adresse eines Arztes gegeben, der auf postnatale Probleme spezialisiert ist, aber ich krieg einfach nicht die Kurve anzurufen. Ich lüge sie jedesmal an, wenn sie mich fragt, ob ich schon angerufen hätte.
Und dann ist da noch die Gesellschaft, die unheimlich gerne suggeriert, alle Mütter die ihre Babies nicht mindestens 23 von 24 Stunden am Tag an der Brust hängen haben, es nicht im Elternbett schlafen lassen, anstatt einer stundenlangen Bauchmassage mit dem Körnerkissen einfach mal ein paar Tropfen Lefax geben das sich die Blähung schneller lockert (könnte ja anders unbequem für die Mutter sein!), sich nicht gehen lassen und herrichten und die ihren Haushalt ( und ohne Mist, jüngst in einem Babyforum gelesen: Toilettengang!) ohne schlechtes Gewissen erledigen sind regelrechte Rabenmütter, die armen Kinder! Und das kotzt mich so dermassen an!
Vielleicht finde ich bei euch Leute, die mich verstehn, in einer ähnlichen Situation stecken wie ich, denn teile ich mich "normalen" Müttern mit und äussere mich negativ über beschriebene Dinge wie zum Beispiel das Stillen, werde ich gleich als Rabenmutter abgestempelt. Und dabei weis keiner, wie es in mir aussieht, das ich meine Kleine mehr liebe als alles andere aber es nicht zeigen kann. Und im Moment merke ich wieder, wie ich ins nächste Tief rutsche.
Es tut mir leid, ist ein bisschen länger geworden, aber es tat so gut, das niederzuschreiben und mich mit zu teilen, denn die allerwenigsten können mich verstehn und in dieser Gesellschaft habe ich Angst, das irgendjemanden zu sagen, der mich in Natura kennt.
Viele liebe Grüße, Sanni