Meine Emily & Ich
Verfasst: 19:03:2010 18:33
Ich bin 26 und verheiratet. Meine Tochter (ein Wunschkind) wurde nach einer weitesgehend ereignislosen Schwangerschaft Ende Oktober 2009 geboren. Es war eine geplante Hausgeburt ohne Komplikationen, begleitet von zwei Hebammen. Fürs erste Kind hat es mit 8 Stunden auch nicht sonderlich lange gedauert.
Es gab keine traumatischen Erlebnisse vor, während oder nach der Geburt oder andere entschuldigende Faktoren für meine Reaktion, als Emily auf der Welt war: Da war kein Glücksgefühl. Mein Mann hat vor Freude geweint, aber ich habe diese Situation ganz nüchtern betrachtet. Mein erster Kommentar, als ich meine Tochter sah, war einfach nur: Warum hat sie so einen verformten Kopf?
Dann habe ich mich zurück gelehnt und gewartet, bis die Schmerzen vorbei waren, während die Hebammen und mein Mann sich um das Baby kümmerten. Ich war sehr wütend darüber, dass die Schmerzen nicht automatisch vorbei waren, wie das immer alle sagen. Und ich dachte die ganze Zeit einfach nur: Und nun?
In den Wochen darauf habe ich immer gewartet, dass sich das große Mutterglück einstellt. Dass ich glücklich bin mit der Situation und mich darüber freue, nun ein Baby zu haben. Aber irgendwie empfinde ich alles, was mit dem Baby zu tun hat, als Hausarbeit.
Klar gibt es viele Momente, in denen ich mich freue. Ich finde unsere Tochter auch sehr süß, aber irgendwie werde ich nicht richtig warm mit der Situation. Ich ertappe mich ständig dabei, wie ich viel lieber etwas anderes machen würde als mich um sie zu kümmern. Anfangs habe ich mich dazu gezwungen, sehr viel Zeit mit ihr zu verbringen: wir haben gespielt, Sachen angeguckt, ich habe ihr vorgesungen und gelesen, ich massiere sie und gehe fast jeden Tag mit ihr spazieren. Aber es macht mir keinen Spaß. Zudem werde ich immer nachlässiger mit ihr und verbringe nun viel weniger Zeit mit ihr.
Mein Mann meint, ich bin eine ganz andere Person seit der Geburt. Ich bin ständig gereizt und raste beim kleinsten Vorwand wirklich völlig aus. Außerdem fühle ich mich mit dem Haushalt komplett überfordert (obwohl ich alles jeden Tag erledige). Ich hatte eine Haushaltshilfe für zwei Monate, die alles für mich erledigt hat, aber ich habe immer etwas zu kritisieren gefunden und vor zwei Wochen habe ich sie gefeuert - wohlwissend, dass ich jetzt alles wieder selber machen muss.
Die Haushaltshilfe hat immer mal mit Emily gespielt und ich konnte es nicht ab, wenn sie Sachen zu meiner Tochter gesagt hat wie: Oh, spielt/redet die Mama gar nicht mit dir? Das hat mich rasend gemacht: einerseits fühlte ich mich ertappt so nach dem Motto: Es ist offensichtlich, dass ich sie gar nicht haben will. Andererseits fand ich es so unverschämt, dass sie so etwas sagen würde.
Ich weiß nicht, ob das alles zu einer Depression passt. Ich habe einiges zu dem Thema und auch hier im Forum gelesen, aber alle wollen immer eine schöne Beziehung zu ihren Kindern, und ich habe eine ganz andere Motivation. Ich denke immer häufiger, dass ich einen großen Fehler gemacht habe und keine Kinder hätte haben sollen. Ich dachte, das regelt sich nach der Geburt von ganz allein, dass man alles für sein Kind machen würde, aber ich empfinde ganz anders. Ich wünsche mir, dass jemand anders auf mein Kind aufpasst. Wenn ich mich richtig schlecht fühle, will ich sie einfach nicht mehr haben.
Jeden Sonntag Abend prasselt ein sehr dumpfes Gefühl auf mich ein, dass eine volle Woche allein mit Emily vor mir liegt. Mein Mann verlässt das Haus frühs, wenn sie meist noch schläft, und kommt erst wieder, wenn sie im Bett ist. Das heißt, ich bin allein mit ihr. Jeden Tag zähle ich die Stunden, bis ich sie endlich wieder ins Bett legen kann. Meine und seine Eltern wohnen zu weit weg für Hilfe. Montag Morgen, wenn er aus dem Haus ist, könnte ich mich aufs Sofa setzen und einfach nur noch heulen. Manchmal mache ich das und ignoriere auch Emily, wenn sie weint, aber meist schleife ich mich herum und erledige halt das, was gemacht werden muss. Ich fühle dabei häufig so unkontrollierbare Wut, dass ich Dinge kaputt mache. Tassen zum Beispiel.
Das heute zu schreiben ist gar nicht so einfach, denn es ist Freitag und ich fühle mich toll - das Wochenende steht vor der Tür und ich bin nicht allein mit Emily. Ich habe heute sogar mit ihr gespielt, ohne das als Bürde zu empfinden. Aber ich weiß, dass nächste Woche alles wieder wie eine große Welle über mich drüber schwappt. Schlimm finde ich auch, dass ich ständig das Gefühl habe, beobachtet und als Mutter bewertet zu werden. Als ich heute mit ihr spazieren ging zum Beispiel. Halte ich sie richtig? Soll ich mehr oder weniger mit ihr reden? Soll ich Faxen machen? Es ist fürchterlich: ich sehe mich ständig als dritte Person, die unbeholfen und falsch mit ihrem Kind umgeht.
Ich bin unentschlossen, ob ich überhaupt professionelle Hilfe suchen soll, weil ich mir denke, dass man mir sagt: Sie leiden nicht an Depression, sie sind einfach nur unglaublich egoistisch. Das Schlimme ist, dass ich mich nicht schuldig dafür fühle, aber ich schäme mich und möchte eigentlich niemandem in die Augen schauen, wenn ich das erzähle. Ich lese lieber ein Buch anstatt mit meiner Tochter zu spielen. Besonders wenn mich die Hausarbeit jeden Morgen fertig macht, lasse ich sie immer häufiger schreien. Ich kann dann einfach nicht zu ihr gehen oder ich schreie sie an. Das tut mir leid, denn es ist ja nicht ihre Schuld und ich möchte auch nicht, dass sie irgendwelche Schäden davon trägt, aber gleichzeitig bin ich so rasend vor Wut, dass sie mich einfach nicht in Ruhe lässt. Dabei ist sie ein ganz ruhiges Baby, weint selten, lacht viel und schläft die Nacht 10 bis 12 Stunden mit nur einer Pause. Ich sollte dankbar sein, aber da ist einfach immer ein "aber" irgendwo.
Was meint ihr dazu? Es passen so viele Dinge gar nicht zu einer Depression. Ich schlafe wie ein Murmeltier, habe quasi immer Hunger (was mich tierisch ärgert) und habe auch sehr schöne Tage. Aber richtig ruhig bin ich nur, wenn meine Tochter schläft. Sobald sie die Augen aufmacht, würde ich am liebsten das Haus verlassen. Andererseits spielen wir ja immer noch hin und wieder und lachen. Ich frage mich, ob ich mir das alles nur einrede oder mir nicht genug Mühe gebe?
Es ist ein halber Roman geworden, aber mir fallen so viele Dinge dazu ein. Ich denke, fürs Erste reicht das erstmal.
Danke fürs Zuhören/Lesen.
Es gab keine traumatischen Erlebnisse vor, während oder nach der Geburt oder andere entschuldigende Faktoren für meine Reaktion, als Emily auf der Welt war: Da war kein Glücksgefühl. Mein Mann hat vor Freude geweint, aber ich habe diese Situation ganz nüchtern betrachtet. Mein erster Kommentar, als ich meine Tochter sah, war einfach nur: Warum hat sie so einen verformten Kopf?
Dann habe ich mich zurück gelehnt und gewartet, bis die Schmerzen vorbei waren, während die Hebammen und mein Mann sich um das Baby kümmerten. Ich war sehr wütend darüber, dass die Schmerzen nicht automatisch vorbei waren, wie das immer alle sagen. Und ich dachte die ganze Zeit einfach nur: Und nun?
In den Wochen darauf habe ich immer gewartet, dass sich das große Mutterglück einstellt. Dass ich glücklich bin mit der Situation und mich darüber freue, nun ein Baby zu haben. Aber irgendwie empfinde ich alles, was mit dem Baby zu tun hat, als Hausarbeit.
Klar gibt es viele Momente, in denen ich mich freue. Ich finde unsere Tochter auch sehr süß, aber irgendwie werde ich nicht richtig warm mit der Situation. Ich ertappe mich ständig dabei, wie ich viel lieber etwas anderes machen würde als mich um sie zu kümmern. Anfangs habe ich mich dazu gezwungen, sehr viel Zeit mit ihr zu verbringen: wir haben gespielt, Sachen angeguckt, ich habe ihr vorgesungen und gelesen, ich massiere sie und gehe fast jeden Tag mit ihr spazieren. Aber es macht mir keinen Spaß. Zudem werde ich immer nachlässiger mit ihr und verbringe nun viel weniger Zeit mit ihr.
Mein Mann meint, ich bin eine ganz andere Person seit der Geburt. Ich bin ständig gereizt und raste beim kleinsten Vorwand wirklich völlig aus. Außerdem fühle ich mich mit dem Haushalt komplett überfordert (obwohl ich alles jeden Tag erledige). Ich hatte eine Haushaltshilfe für zwei Monate, die alles für mich erledigt hat, aber ich habe immer etwas zu kritisieren gefunden und vor zwei Wochen habe ich sie gefeuert - wohlwissend, dass ich jetzt alles wieder selber machen muss.
Die Haushaltshilfe hat immer mal mit Emily gespielt und ich konnte es nicht ab, wenn sie Sachen zu meiner Tochter gesagt hat wie: Oh, spielt/redet die Mama gar nicht mit dir? Das hat mich rasend gemacht: einerseits fühlte ich mich ertappt so nach dem Motto: Es ist offensichtlich, dass ich sie gar nicht haben will. Andererseits fand ich es so unverschämt, dass sie so etwas sagen würde.
Ich weiß nicht, ob das alles zu einer Depression passt. Ich habe einiges zu dem Thema und auch hier im Forum gelesen, aber alle wollen immer eine schöne Beziehung zu ihren Kindern, und ich habe eine ganz andere Motivation. Ich denke immer häufiger, dass ich einen großen Fehler gemacht habe und keine Kinder hätte haben sollen. Ich dachte, das regelt sich nach der Geburt von ganz allein, dass man alles für sein Kind machen würde, aber ich empfinde ganz anders. Ich wünsche mir, dass jemand anders auf mein Kind aufpasst. Wenn ich mich richtig schlecht fühle, will ich sie einfach nicht mehr haben.
Jeden Sonntag Abend prasselt ein sehr dumpfes Gefühl auf mich ein, dass eine volle Woche allein mit Emily vor mir liegt. Mein Mann verlässt das Haus frühs, wenn sie meist noch schläft, und kommt erst wieder, wenn sie im Bett ist. Das heißt, ich bin allein mit ihr. Jeden Tag zähle ich die Stunden, bis ich sie endlich wieder ins Bett legen kann. Meine und seine Eltern wohnen zu weit weg für Hilfe. Montag Morgen, wenn er aus dem Haus ist, könnte ich mich aufs Sofa setzen und einfach nur noch heulen. Manchmal mache ich das und ignoriere auch Emily, wenn sie weint, aber meist schleife ich mich herum und erledige halt das, was gemacht werden muss. Ich fühle dabei häufig so unkontrollierbare Wut, dass ich Dinge kaputt mache. Tassen zum Beispiel.
Das heute zu schreiben ist gar nicht so einfach, denn es ist Freitag und ich fühle mich toll - das Wochenende steht vor der Tür und ich bin nicht allein mit Emily. Ich habe heute sogar mit ihr gespielt, ohne das als Bürde zu empfinden. Aber ich weiß, dass nächste Woche alles wieder wie eine große Welle über mich drüber schwappt. Schlimm finde ich auch, dass ich ständig das Gefühl habe, beobachtet und als Mutter bewertet zu werden. Als ich heute mit ihr spazieren ging zum Beispiel. Halte ich sie richtig? Soll ich mehr oder weniger mit ihr reden? Soll ich Faxen machen? Es ist fürchterlich: ich sehe mich ständig als dritte Person, die unbeholfen und falsch mit ihrem Kind umgeht.
Ich bin unentschlossen, ob ich überhaupt professionelle Hilfe suchen soll, weil ich mir denke, dass man mir sagt: Sie leiden nicht an Depression, sie sind einfach nur unglaublich egoistisch. Das Schlimme ist, dass ich mich nicht schuldig dafür fühle, aber ich schäme mich und möchte eigentlich niemandem in die Augen schauen, wenn ich das erzähle. Ich lese lieber ein Buch anstatt mit meiner Tochter zu spielen. Besonders wenn mich die Hausarbeit jeden Morgen fertig macht, lasse ich sie immer häufiger schreien. Ich kann dann einfach nicht zu ihr gehen oder ich schreie sie an. Das tut mir leid, denn es ist ja nicht ihre Schuld und ich möchte auch nicht, dass sie irgendwelche Schäden davon trägt, aber gleichzeitig bin ich so rasend vor Wut, dass sie mich einfach nicht in Ruhe lässt. Dabei ist sie ein ganz ruhiges Baby, weint selten, lacht viel und schläft die Nacht 10 bis 12 Stunden mit nur einer Pause. Ich sollte dankbar sein, aber da ist einfach immer ein "aber" irgendwo.
Was meint ihr dazu? Es passen so viele Dinge gar nicht zu einer Depression. Ich schlafe wie ein Murmeltier, habe quasi immer Hunger (was mich tierisch ärgert) und habe auch sehr schöne Tage. Aber richtig ruhig bin ich nur, wenn meine Tochter schläft. Sobald sie die Augen aufmacht, würde ich am liebsten das Haus verlassen. Andererseits spielen wir ja immer noch hin und wieder und lachen. Ich frage mich, ob ich mir das alles nur einrede oder mir nicht genug Mühe gebe?
Es ist ein halber Roman geworden, aber mir fallen so viele Dinge dazu ein. Ich denke, fürs Erste reicht das erstmal.
Danke fürs Zuhören/Lesen.