Ein paar Gedanken von mir

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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scaramouch

Ein paar Gedanken von mir

Beitrag von scaramouch »

Hallo Mädels,
:roll: Ich kann es fast nicht glauben, wie wohl ich mich in diesem Forum fühle. ENDLICH Menschen, die sogar mich verstehen. Ich habe oftmals versucht zumindest mit meinem Mann und meiner besten Freundin über meine Gefühle zu sprechen, aber es ist für sie nicht greifbar und wenn man dann Sätze sagt wie "Mir ist mein Baby so fremd", wird man angeschaut als sei man eine Rabenmutter :cry:
Ich liebe mein Baby, genau wie meine Grosse, aber wenn ich sie anschaue, bilde ich mir manchmal ein, dass sie nicht mein Kind sein kann weil sie in mir so ein Gefühl des Fremdseins weckt. Mein Gott, wie ich mich schäme :oops: Ich hoffe ihr versteht meine Gedanken :?:
Wann hört es auf so weh zu tun?
Sie war unser Wunschkind, alles sollte perfekt sein wenn sie bei uns ist... Jetzt werde ich täglich panisch, wenn ich sehe, dass schon wieder ein Tag vorbei ist, das es nun schon Mai ist und ich doch eigentlich längst wieder fit sein müsste.
Sie wird 4 Monate alt und mir kommt es vor als hätte ich alles verpasst durch die Depressionen.
Wer kann mir die Zeit zurückgeben mit meinem Baby?
Sogar das Stillen hat mich dieser Mist gekostet.
Und auch wenn es blöd klingt, ich hoffe immer noch, dass ich morgen früh aufwache und wieder die alte bin, einfach so.
Gibt es einen Zeitrahmen, in dem Depressionen üblicherweise überstanden sind? Wahrscheinlich nicht :?

Ich danke euch das ich meine Gedanken hier kurz mal niederschreiben durfte...

Liebe Grüsse
scaramouch
smaugerl

Beitrag von smaugerl »

Liebe Scaramouch,

schön das du dich bei uns wohlfühlst! :D

Die "verlorene" Zeit mit deinem Baby kann dir keiner zurückgeben - sie ist auch nicht verloren, nur unter einem dichten Nebel - hat mal meine Therapeutin zu mir gesagt. Und du kannst einiges dafür tun, das dir die kommende Zeit in schöner Erinnerung bleiben wird - einen Termin mit einem Facharzt hast du ja eh schon ausgemacht - und bei uns bist du auch schon gelandet :-) und auch deine Hormonwerte solltest du mal überprüfen lassen, manchmal ist auch die Schilddrüse an dem ganzen Schlamassel schuld...

trau dich ruhig, deine Probleme auch dort anzusprechen - und setz dich nicht unter Druck, wann du wieder die "Alte" sein musst - du musst dich wohlfühlen in deiner neuen Rolle als zweifache Mutter und nur das ist wichtig - wie lange du für die "Eingewöhnung" brauchst, ist ganz dir überlassen :-)

ich wünsch dir für heute einen schönen Abend!

lg
smaugerl

lg
smaugerl
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo,

ich kann dich so gut verstehen. Diese Scham, dieses "nicht zu funktionieren", es ist so ein unendlich scherzhafter Zustand. Und es gibt wirklich leider keine übliche Zeitspanne, wo "es" vorbei ist - bei jeder Frau dauert es unterschiedlich lange.

Aber dafür kann ich dir versichern: Du brauchst dich IN KEINSTER WEISE ZU SCHÄMEN, du bist keine Rabenmutter, du brauchst nicht zu funktionieren - du bist krank geworden, dafür kannst du überhaupt nichts. Es ist grausames Schicksal, dass leider uns hier getroffen hat. Aber es gibt den Weg daraus, so viele haben das schon geschafft, leider braucht man etwas dazu, dass am schwersten ist: GEDULD!!!

Die Zeit kann man nicht zurück drehen, aber du hast die große Chance aus dieser Kriese für DICH ganz viel heraus zu holen. Du wirst so viel über dich lernen, wie vielleicht noch nie - ich weiß wie platt das klingt. Aber ganu so ist es für mich jetzt, da ich wieder gesund bin. Das erste Jahr habe ich viel gelitten, die Babyzeit also nicht wirklich genießen können, auch das Stillen mußte ich aufgeben. Doch trotz allem Leid - ich habe heute eine bessere Lebensqualität als je zuvor, weil ich in meiner Therapie so viel gelernt habe. Das wiegt sogar auf, dass das erste Jahr, nicht so toll war. Und trotzdem habe ich heute sogar an diese Zeit doch realtiv viele schöne Erinnerungen, z.B. die als ich zum ersten Mal dieses extreme Liebe zu meinem Kind gespürt habe - da war mein Kleiner 4 Monate alt und ich bereits in Therapie und schon 3 Monate mit einem AD versorgt. Diesen Moment werde ich mein Leben nicht vergessen und treibt mir noch heute die Tränen in die Augen. Er lag da vor mir, rollte sich das erste mal auf den Bauch und wieder zurück und grinste mich an... und plötzlich haben sich die Wolken gelichtet und wie ein Blitz durchfuhr mich ein Gefühl, dass ich noch nie erlebt hatte: DIESE LIEBE ZU MEINEM KIND!!! Ich schöre dir, dafür lohnt es sich zu kämpfen, in einer Therapie, mit einem Medikament, mit alternativen Methoden... was auch immer!!!!

Diesen Moment, das verspreche ich dir, wirst du auch erleben. Versuch dich nicht in der Vergangenheit aufzuhalten, dich mit Fragen zu quälen, "was hätte anders sein müssen, warum war meine Geburt wie sie war"... nutze deine Energie um NACH VOR ZU SCHAUEN, um zusammen mit deinem Arzt den Weg aus der Krankheit zu finden. Leider kann man geschehenes nicht rückgängig machen, aber kann lernen es anznehmen, zu verabeiten und schließlich los zu lassen. Das wird dir gelingen, versuch deine Kräfte für die Zukunft zu nutzen!!!

Ganz liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
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