alles nicht so schlimm?
Verfasst: 21:07:2010 6:03
Hallo... ich fang mal an.
Meine Tochter war nicht geplant. Dass sie nicht gewuenscht war, habe ich die ganze Schwangerschaft gut verarbeitet, indem ich mich gar nicht damit beschaeftigte.
Mein Bauch wurde groesser, meine Wut auch.
Ich war in den Endzuegen meines Studiums, fuer dass ich ein ganzes Berufsleben gab, die Stadt wechselte, die Schnellstrasse weiter heizte um mir meinen Kindheitstraum zu erfuellen. Alle meinten mit Kind kann man diese Schnellstrasse auch befahren, nur langsamer eben. Ich dachte, wenn der Mann an meiner Seite sie will, dann reicht das auch, dann will ich sie auch, frueher oder spaeter.
Die Wut steigerte sich im sechsten Monat. Ich fuehlte mich regelrecht behindert, wenn sie so strampelte und ich an meinem Abschlussfilm arbeitete. Manchmal erschrak ich auch, um dann zu realisieren, dass ich schwanger bin.
Meine Schwangerschaft war unkompliziert und richtig solide. Alles war gut, meine Tochter hat mich den Abschluss machen lassen und kam auf den punkt zwei Wochen spaeter. Die Geburt war jetzt nicht gerade schoen, ich haette mir vieles anders gewuenscht, aber letztendlich zaehlen die neun Stunden und sie war da.
Ich habe keine Freude und kein Leid empfunden, alles war neutral.
Dann schrie sie die ersten Tage und alles war neutral.
Wegen Atemunreife wurde sie am dritten Tag auf der Intensiv beobachtet und ich fuehlte mich sehr stark, aus einer Neutralitaet heraus, bis sich Angst um sie einstellte. Darueber war ich froh.
Nach dem dritten Tag zu Hause, kam die Angst vor der Nacht, sodass ich am Nachmittag nicht mehr sprechen konnte. Denken konnte ich zu dem Zeitpunkt auch nicht, es war nur ein Abarbeiten des Kindes. Davon bekam ich Magenkraempfe, die mich auch nachts aufwachen liessen, selbst wenn sie noch schlief. Die Appetitlosigkeit wurde immer groesser, bis ich kaum noch was essen konnte. Und dann kam die Wut, mein groesstes Problem. Die Wut ueber ihn, der mich zu diesem Kind ueberredet hatte, der aber wieder arbeiten gehen konnte, waehrend ich mich in einem Gefaengnis fuehlte. Die Wut ueber mich, wie ich so bloede sein konnte, alles vorherige wegzuwerfen, fuer eine miserable Rolle als Mutter, die ich mir wenn erst in zehn Jahren ausgemalt haette. Dann war da die Wut ueber meine Tochter, wenn sie schrie und auch sie schrie sich schon haeufig in Rage. Rabiates auf den Wickeltisch plumpsen und anschreien gehoerten zum Alltag. Ich drueckte ihr einmal den Strampler ins Gesicht um danach voellig verzweifelt in Traenen auszubrechen... und dann immer: "das ist normal! Das ist die Erschoepfung... du musst die Geburt verarbeiten!"
Meine Mutter war mir keine Hilfe. Sie stand fassungs- und hilflos am Rand des Geschehens, weil sie um mein Wutpotenzial wusste, aber sich selber noch im Grossmutterblues befand (so beschrieb sie es jedenfalls).
Einzig allein meine Schwiegermutter kam Hunderte Kilometer gefahren und nahm mir das Kind ab, in einer Nacht und Nebelaktion, da war meine Tochter fuenf Wochen alt. Mein Partner hatte aus lauter Verzweiflung die Reissleine gezogen. Ich war an dem Abend und in der Nacht nur am Weinen, ich konnte gar nicht mehr aufhoeren, da ueberwog dann ausnahmsweise mal die Selbstenttaeuschung.
In der Ambulanz sprachen von der Wochenbettdepression.
Sie rieten zu einer Psychotherapie, um gerade die Wut in den Griff zu bekommen.
Meine Tochter ist jetzt neun Wochen alt und immer noch cholerisch, aber auch niedlich. Mit dem Abstand stieg auch die Sehnsucht, Gott sei Dank.
Ich sehe sie immer noch als Baustelle auf der Schnellstrasse, aber weniger als Sackgasse. die Familie meines Freundes kuemmert sich aufopfernd, auch um mich. Da habe ich enormes Glueck gehabt und bin ihnen bis in die Unendlichkeit dankbar. Ich weiss, dass das haette ins Auge gehen koennen, ohne familiaere Unterstuetzung und daher beschlossen wir wieder in die Naehe der Familien zu ziehen. Meine beste Freundin, aehnliche Voraussetzungen wie bei mir, hatte die Wochenbettdepression verschleppt und diese artete dann in einer Psychose aus. Daher war ich entweder schon programmiert oder mein Freund dadurch aufmerksamer...
Die Wut ist nicht ganz weg, aber ich ahne auch, dass das damit zu tun hat, dass wir hier dreier Schichten veranstalten: meine Schwiegermutter, meine Schwaegerin und ich.
Ich bin immer noch froh, wenn sie schnell schlaeft und vor allem lange schlaeft, richtig begreifen kann ich die anderen immer noch nicht, die regelrecht am Bettchen warten, bis sie aufwacht.
Ich hoffe, ich wache eines morgens auf und freue mich Mutter zu sein.
Und ich frage mich jeden Abend, nach einem "ueberstandenen" Tag, ob sie wiederkommt, diese Wut, wenn der Alltag eintrifft und ich wieder mit ihr alleine bin...
Danke fuers Lesen!
Meine Tochter war nicht geplant. Dass sie nicht gewuenscht war, habe ich die ganze Schwangerschaft gut verarbeitet, indem ich mich gar nicht damit beschaeftigte.
Mein Bauch wurde groesser, meine Wut auch.
Ich war in den Endzuegen meines Studiums, fuer dass ich ein ganzes Berufsleben gab, die Stadt wechselte, die Schnellstrasse weiter heizte um mir meinen Kindheitstraum zu erfuellen. Alle meinten mit Kind kann man diese Schnellstrasse auch befahren, nur langsamer eben. Ich dachte, wenn der Mann an meiner Seite sie will, dann reicht das auch, dann will ich sie auch, frueher oder spaeter.
Die Wut steigerte sich im sechsten Monat. Ich fuehlte mich regelrecht behindert, wenn sie so strampelte und ich an meinem Abschlussfilm arbeitete. Manchmal erschrak ich auch, um dann zu realisieren, dass ich schwanger bin.
Meine Schwangerschaft war unkompliziert und richtig solide. Alles war gut, meine Tochter hat mich den Abschluss machen lassen und kam auf den punkt zwei Wochen spaeter. Die Geburt war jetzt nicht gerade schoen, ich haette mir vieles anders gewuenscht, aber letztendlich zaehlen die neun Stunden und sie war da.
Ich habe keine Freude und kein Leid empfunden, alles war neutral.
Dann schrie sie die ersten Tage und alles war neutral.
Wegen Atemunreife wurde sie am dritten Tag auf der Intensiv beobachtet und ich fuehlte mich sehr stark, aus einer Neutralitaet heraus, bis sich Angst um sie einstellte. Darueber war ich froh.
Nach dem dritten Tag zu Hause, kam die Angst vor der Nacht, sodass ich am Nachmittag nicht mehr sprechen konnte. Denken konnte ich zu dem Zeitpunkt auch nicht, es war nur ein Abarbeiten des Kindes. Davon bekam ich Magenkraempfe, die mich auch nachts aufwachen liessen, selbst wenn sie noch schlief. Die Appetitlosigkeit wurde immer groesser, bis ich kaum noch was essen konnte. Und dann kam die Wut, mein groesstes Problem. Die Wut ueber ihn, der mich zu diesem Kind ueberredet hatte, der aber wieder arbeiten gehen konnte, waehrend ich mich in einem Gefaengnis fuehlte. Die Wut ueber mich, wie ich so bloede sein konnte, alles vorherige wegzuwerfen, fuer eine miserable Rolle als Mutter, die ich mir wenn erst in zehn Jahren ausgemalt haette. Dann war da die Wut ueber meine Tochter, wenn sie schrie und auch sie schrie sich schon haeufig in Rage. Rabiates auf den Wickeltisch plumpsen und anschreien gehoerten zum Alltag. Ich drueckte ihr einmal den Strampler ins Gesicht um danach voellig verzweifelt in Traenen auszubrechen... und dann immer: "das ist normal! Das ist die Erschoepfung... du musst die Geburt verarbeiten!"
Meine Mutter war mir keine Hilfe. Sie stand fassungs- und hilflos am Rand des Geschehens, weil sie um mein Wutpotenzial wusste, aber sich selber noch im Grossmutterblues befand (so beschrieb sie es jedenfalls).
Einzig allein meine Schwiegermutter kam Hunderte Kilometer gefahren und nahm mir das Kind ab, in einer Nacht und Nebelaktion, da war meine Tochter fuenf Wochen alt. Mein Partner hatte aus lauter Verzweiflung die Reissleine gezogen. Ich war an dem Abend und in der Nacht nur am Weinen, ich konnte gar nicht mehr aufhoeren, da ueberwog dann ausnahmsweise mal die Selbstenttaeuschung.
In der Ambulanz sprachen von der Wochenbettdepression.
Sie rieten zu einer Psychotherapie, um gerade die Wut in den Griff zu bekommen.
Meine Tochter ist jetzt neun Wochen alt und immer noch cholerisch, aber auch niedlich. Mit dem Abstand stieg auch die Sehnsucht, Gott sei Dank.
Ich sehe sie immer noch als Baustelle auf der Schnellstrasse, aber weniger als Sackgasse. die Familie meines Freundes kuemmert sich aufopfernd, auch um mich. Da habe ich enormes Glueck gehabt und bin ihnen bis in die Unendlichkeit dankbar. Ich weiss, dass das haette ins Auge gehen koennen, ohne familiaere Unterstuetzung und daher beschlossen wir wieder in die Naehe der Familien zu ziehen. Meine beste Freundin, aehnliche Voraussetzungen wie bei mir, hatte die Wochenbettdepression verschleppt und diese artete dann in einer Psychose aus. Daher war ich entweder schon programmiert oder mein Freund dadurch aufmerksamer...
Die Wut ist nicht ganz weg, aber ich ahne auch, dass das damit zu tun hat, dass wir hier dreier Schichten veranstalten: meine Schwiegermutter, meine Schwaegerin und ich.
Ich bin immer noch froh, wenn sie schnell schlaeft und vor allem lange schlaeft, richtig begreifen kann ich die anderen immer noch nicht, die regelrecht am Bettchen warten, bis sie aufwacht.
Ich hoffe, ich wache eines morgens auf und freue mich Mutter zu sein.
Und ich frage mich jeden Abend, nach einem "ueberstandenen" Tag, ob sie wiederkommt, diese Wut, wenn der Alltag eintrifft und ich wieder mit ihr alleine bin...
Danke fuers Lesen!