Hallo Leute!
Mein Eindruck des Interviews ist, dass es Badinter darum geht, herauszustellen, dass das Kinderkriegen heutzutage keine Privatangelegenheit mehr ist! Im Gegenteil: Kinderkriegen ist heutzutage mehr denn je eine öffentliche, d.h. vielleicht auch politische Angelegenheit. Da gibt es die Einen, die fordern, dass sich wieder mehr Frauen für Kinder entscheiden sollen, um die Entwicklungen der sogenannten Gesellschaftspyramide, dernach es immer mehr Alte und immer weniger Junge gibt, aufzuhalten. Da gibt es Andere, die fordern, dass "frau" sich wieder mehr auf ihre soziologische Rolle als Frau, d.h. auf das Überleben unserer Art konzentrieren soll und als Hausmütterchen vorm Herd ihr Dasein fristen soll. Da gibt es wieder Andere, die der 68er Generation gemäß die Emanzipation hochhalten und das Modell "Vollzeitmutter" ablehnen. Und da gibt es schließlich die Frauen selbst, die ihre Entscheidung für oder gegen Kinder im Lichte der Öffentlichkeit und nicht zuletzt beeinflusst von den individuellen existenziellen Bedingungen treffen müssen. Denn sich heutzutage in der Rolle der Vollzeitmutter einzurichten ist aus meiner Sicht nicht immer nur eine individuelle Entscheidung, sondern ist auch abhängig von den jeweiligen Möglichkeiten, arbeiten zu gehen und davon, einen geeigneten Betreuungsplatz für den Nachwuchs zu bekommen. In vielen Regionen Deutschlands ist aber gerade die Jobsituation oft sehr prekär, so dass manche Frauen vielleicht gar nicht freiwillig Vollzeitmütter sind. In anderen Regionen gibt es vielleicht genug Arbeit, dafür aber zu wenig Kindergartenplätze.
Manche Frauen, die arbeiten gehen, würden vielleicht lieber zu Hause bleiben und die Rolle der Vollzeitmutter einnehmen, können dies aber nicht, weil sie finanziell auf den Zuverdienst oder gar den Alleinverdienst angewiesen sind. Auch hier gibt es also Schnittstellen zur Politik und zu dem gesellschaftlichen Modell unseres Landes. Ich habe hier in Hamburg auch oft Mütter getroffen, die zwar Arbeit haben und auch einen Kindergartenplatz bekommen, für die es sich aber nicht lohnt, zu arbeiten, weil ein großer Teil des Einkommens für die Bezahlung des Kindergartenplatzes drauf geht. Dass sich solche Mütter u. U. entscheiden, dann lieber selbst zu Hause zu bleiben und das Kind zu betreuuen, kann ich verstehen. Sie werden aber angefeindet von solchen Leuten, die meinen, Kinderbetreuung sei keine Arbeit und solchen Leuten, die finden, eine Frau müsse im Sinne der Emanzipation das Kind auch abgeben können.
Was ich damit sagen will ist, und das meint, glaube ich, auch Badinter, dass Kinderkriegen eben keine Privatsache mehr ist sondern, um es drastisch zu formulieren: Ein Politikum, d.h. eine Streitfrage, die politische, dh. die Allgemeinheit betreffende Relevanz hat.
Ausgetragen werden diese Debatten auf den Rücken der Frauen, die (keine) Kinder bekommen.
Die besondere Schwierigkeit besteht für uns Frauen deshalb darin, zwischen den verschiedenen Ansichten und Lagern den eigenen Weg zu gehen und die für uns individuell passende Lösung zu finden. Das kann für die einen eben die "Vollzeitmutter" sein, für die anderen bedeutet es die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Doch es eben schwierig, zu diesem individuellen Weg auch zu stehen. Es ist deshalb schwierig, weil eben öffentliche Debatten über "richtige" und "falsche" Mütter geführt werden, eine Frage, die sich vor noch nicht allzu langer Zeit gar nicht stellen konnte, weil der klassische Weg der Frau vorgezeichnet war und keine großen Wahlmöglichkeiten bestanden.
Doch heutzutage gibt es zum Glück diese Wahlmöglichkeiten, von daher ist es nur konsequent, dass sich daraus auch Diskussionen über die richtigen bzw. falschen Entscheidungen ergeben.
Es bleibt uns letztendlich nichts anderes übrig, als "unseren" Weg zu gehen, wir können uns gar nicht zu 100 % dem einen oder dem anderen Lager zugehörig fühlen, es wird immer noch auch Kritik aus den eigenen Reihen kommen. Soll heißen, wenn ich mich für das Modell "Vollzeitmutter" entscheide, dann wird es immer noch Frauen geben, die selbst dieses Modell noch übertrumpfen und noch "mehr" Vollzeitmutter" sind, als wir. Es wird nicht aufhören, dass wir von anderen Müttern auf dem Spielplatz angeguckt werden für "unser" Modell und ich glaube, die ganz große Herausforderung besteht eben darin, dass wir uns mit unserem Modell gut fühlen und deshalb auch dazu stehen können.
Das gilt schließlich auch für die Frage des Stillens, der Wahl des geeigneten Kindergartens etc.
Leuchtkäfer schrieb:
Ich finde eine Sache sehr interessant an diesem Interview. Ich habe das Gefühl, daß der (oder die?) Befragerin absolut anderer Meinung ist als Fr. Badinter und regelrecht empört über die Antworten ist.
Ich glaube, dies ist eine besondere Interviewtechnik, die immer bei ganz besonders brisanten Streitfragen zum Einsatz kommt, um sozusagen den Interviewten aus der Reserve zu locken. Die Interviewerin nimmt im Gespräch die Rolle der diametral entgegenstehenden Meinung zur Befragten ein, damit auch die Leser, die nicht mit Badinter konform gehen, das Interview lesen und sich in den entsprechend provokativ formulierten Fragen wiederfinden.
Ich hätte noch eine ganze Reihe mehr Anmerkungen zu machen, auch zu Euren bisherigen Beiträgen, dazu später, muss leider gerade los!
Gruß, MICI