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Allokationsethik
Verfasst: 29:09:2010 13:22
von mici
Angenommen, Ihr seid im Besitz einer lebensrettenden Medizin. Sechs Personen würden mit Sicherheit sterben, wenn sie nicht mit dieser Medizin behandelt werden. Aber eine der sechs Personen benötigt die gesamte Dosis, um zu überleben, für jede der übrigen fünf wäre genau ein Fünftel ausreichend, um ihr Leben zu retten. Was würdet ihr tun?
Verfasst: 29:09:2010 14:12
von Kati_1412
Hallo Mici,
das ist eine sehr heikle Frage! Ich würde mich warscheinlich so entscheiden:
Sind mir alle 6 Personen unbekannt, bekommen alle von der Medizin. Somit sind 5 Menschen gerettet.
Was wäre aber, wenn "die eine Person" mein Kind wäre und mir die anderen 5 unbekannt sind? Dann würde ich mein Kind retten und ihm die gesamte Dosis verabreichen.
Brauchst du das für dein Studium?
Lg
Verfasst: 29:09:2010 14:20
von mici
Brauchst du das für dein Studium?
Ertappt!
Du meinst also, wenn Dir alle unbekannt wären, würdest Du den fünfen die Medizin geben und dem einen nichts? Warum?
Wenn der eine Dein Kind wäre, bekäme dies die volle Dosis, weil dies verständlicherweise Deine persönliche Präferenz ist.
Aber mal angenommen, Du kenntest sie alle sechs nicht, gibt es eine Entscheidung, die "moralisch geboten wäre"?
!
Verfasst: 29:09:2010 15:58
von Hasenpfote1983
Ich finde die Frage gruselig.
Verfasst: 29:09:2010 21:05
von Marika
Hallo,
über solche Fragen hab ich schon öfter mal nachgedacht - hier meine Antwort:
Vermutlich, würde ich die 5 Personen retten (das Wohl Vieler steht über dem eines Einzelnen - hat Mr. Spock in Star Trek mal gesagt) und 1 Person würde sterben. Danach würde ich wegen dieser einen Person für mein ganzes Leben lang mit schweren Gewissenskonflikten und Depressionen kämpfen.
Liebe Grüße von
Verfasst: 29:09:2010 21:12
von Elisabeth11
Liebe Mici,
solche Fragen sind immer ein bisschen tricky, du bestimmst quasi den Wert des Lebens eines anderen. Aber ja, wenn es wirklich keine weiteren Infos gibt zu den Personen, dann wird die Rechnung 5 gegen 1 schon aufgehen.
Sonst stellt man dann vielleicht Zusatzfragen: wie alt sind die PERSONEN? 5 90-jährige und der 6. eine schwangere 20 Jährige? Dann ist es vielleicht anders. Im Übrigen ist es etwas wundersam, dass man nicht einfach mehr von dem Medi generieren kann

Ein realeres Szenario entsteht bei der Frage nach der Zuteilung von Organspenden - wenn jemand trinkt, soll er deshalb, weil er also suchtKRANK ist, wirklich weniger Chancen auf eine Spenderleber haben?
Ist das Leben eines Politikers, der natürlich seinen Platz im Luftschutzkeller hat, wirklich mehr wert als das der Normalbevölkerung?
Ich meine nur, es gibt durchaus auch in der Realität Fragen um die Allokationsethik, vielleicht kannst du ja Begründungen finden, warum das so gelöst wurde.
Lg E
Verfasst: 29:09:2010 21:46
von mici
@ Marika:
das Wohl Vieler steht über dem eines Einzelnen - hat Mr. Spock in Star Trek mal gesagt
Ich weiß nicht, ob ich den in der Prüfung zitieren sollte
Wenn ich Dich richtig verstanden habe, würdest Du die fünf retten, weil Du es als Deine "moralische Pflicht" erachten würdest, aber Du hättest dennoch nicht das Gefühl, dass die Entscheidung moralisch einwandfrei wäre, oder?
Grundsätzlich sehe ich es wie Mr. Spock: Das Wohl Vieler steht über dem Wohl eines einzelnen, aber stimmt das auch für das (Über-) Leben? Also ist das Überleben Vieler als (moralischer) Wert höher angesiedelt als das Überleben Weniger? Und wenn ja, warum?
Mal angenommen, die Arznei gehört dem einen (nennen wir in David). Sollten wir David überzeugen, dass er die Medizin den fünfen gibt und dafür mit dem Leben bezahlt? Schließlich steht das Wohl (Überleben) Vieler über dem Wohl (Überleben) eines einzelnen. Möglicherweise ist es sogar so, dass David in der moralischen Pflicht steht, die fünfe zu retten und seinen Tod dafür in Kauf zu nehmen.
@ Lisi:
solche Fragen sind immer ein bisschen tricky, du bestimmst quasi den Wert des Lebens eines anderen.
Ja, genau, man wägt das Leben des einen mit dem Leben von anderen ab. Kann man das überhaupt?
Der Fall ist natürlich rein hypothetisch konstruiert und hat mit der Realität dem ersten Anschein nach nichts zu tun. Aber wie Du schon sagst, basieren ja ganz viele Regeln einer Gesellschaft (Organspende, Luftschutzkeller) auf eben solchen Moralvorstellungen, ethischen Normen oder so und manchmal gerät aus dem Blick, ob es dabei eigentlich noch gerecht zugeht. Das interessiert mich daran, also wonach man eigentlich ermessen können will, was gerecht ist. Grundsätzlich würde ich sagen, gerecht ist, wenn alle gleich behandelt werden. Aber wie soll das im obigen Beispiel gehen?
Sonst stellt man dann vielleicht Zusatzfragen: wie alt sind die PERSONEN? 5 90-jährige und der 6. eine schwangere 20 Jährige?
Ja, man könnte auch sagen, der eine ist, wie Kati schrieb, Dein Kind, die anderen sind alte Fremde oder so. Oder der eine ist ein "Heilsbringer", die anderen sind "Terroristen". Aber so ist das Beispiel erstmal nicht konstruiert. Im obigen Beispiel sind alle "gleich" und man kennt sie auch nicht persönlich, sondern im Prinzip nur als "Fälle" über die man entscheiden muss.
Ich glaube, was jeder intuitiv machen würde, wäre, die fünf zu retten. Aber ich bin nicht sicher, ob das auch moralisch geboten wäre, also ob es sozusagen eine (moralische) Pflicht gibt, so zu handeln. (So wie es eine moralische Pflicht gibt, niemanden zu töten).
Verfasst: 30:09:2010 7:46
von Marika
Hi Mici,
ja, genau so empfinde ich es: es fühlt sich "moralischer" an, die 5 zu retten, aber das eine Leben, dass dafür geopfert würde, ist dennoch eines zu viel und würde mir schwerstens zu schaffen machen. Ich glaube keine von den "Lösungen" ist moralisch einwandfrei - evlt. ist eine davon einfach "logischer" - soviele Leben wie möglich zu retten?
Liebe Grüße von
Verfasst: 30:09:2010 10:21
von mici
@ Marika:
Deine Antwort hat mich weitergebracht! Vielen Dank! Denn wahrscheinlich ist es so, dass es tatsächlich logisch richtige Entscheidungen gibt, diese aber nicht zugleich moralisch einwandfrei sind. Sag doch noch mal was zu dieser Frage, wenn Du magst:
Mici schrieb:
Mal angenommen, die Arznei gehört dem einen (nennen wir in David). Sollten wir David überzeugen, dass er die Medizin den fünfen gibt und dafür mit dem Leben bezahlt? Schließlich steht das Wohl (Überleben) Vieler über dem Wohl (Überleben) eines einzelnen. Möglicherweise ist es sogar so, dass David in der moralischen Pflicht steht, die fünfe zu retten und seinen Tod dafür in Kauf zu nehmen.
Verfasst: 30:09:2010 12:41
von Leuchtkäfer
Hallo mici,
ich sehe das wie Marika, hatte ich ja im Chat kurz geschrieben.
So, jetzt zu David. Ihm gehört die Medizin also, er hat sie durch irgendwas in seinen Besitz gebracht. Dann kann er meiner Meinung nach damit tun, was er will und was seinem Moralempfinden genügt.
Ich würde ihn nicht bitten können, auf sein Leben zu verzichten, weil dann fünf andere gerettet werden. Wer bin ich denn? Hätte ich diese Medizin für mich, würde ich sie nehmen und hätte bestimmt auch Gewissensbisse und vor allem das Gefühl, ich muß mit meinem Leben von nun an sehr sorgsam umgehen, denn fünf andere bekommen diese Chance nicht mehr.
Ich würde aber z.B. die Medizin nicht nehmen, wenn einer dieser Fünfe mein Kind wäre, dann würde ich sie abgeben. Wenn dann noch vier andere gerettet werden, um so besser, wenn ich eh sterben muß.
Das war doch so, oder? David braucht alles, die fünf anderen nur ein Fünftel?
So, jetzt noch eine Variante. David scheißt auf sein Leben und sonst ist ihm auch alles egal und er kippt die Medizin weg!
Daß das moralisch nicht o.k. ist, werden alle so sehen, aber ist es von der Warte her o.k., weil das Zeug ja ihm gehörte?
Ich würde auch sagen, daß einer solchen Frage nur mit Logik und nicht mit Moral beizukommen ist. Denn etwas, das logisch und auch für andere nachvollziehbar ist, ist moralisch nicht so bedrückend.
Wenn diese Prüfung so gut wird, wie Deine letzte, haben wir wohl auch was dazu geleistet, oder? Würde mich freuen.
Grüße von Leuchtkäfer
Verfasst: 30:09:2010 13:07
von AmoebeMS
Hallo,
ich tue mich schon beim ersten Beispiel schwer, denn auch wenn man 5 Leben retten kann, so gilt das nun mal nicht für Nummer 6. Und hat er nicht auch das RECHT zu leben? Nur weil das Mittel knapp ist? Instiktiv würde ich auch 5 retten, aber weder Logik noch Moral helfen mir bei der Entscheidung.
Wenn ich es richtig verstanden habe, Mici, geht es hier um die "einfache" Fragestellung, oder? Ich meine, es betrifft ja kein bestimmtes Alter, also 90 Jähriger oder Kind, und Vorerkrankungen oder auch die Lebenserwartung mit der Medizin (es könnte ja einer wie bei Organspenden dennoch nur 2 Jahre länger leben, während der Andere eine normale Lebenserwatung hat). Wir sollen also nichts hinzudichten, richtig? Einfach auf die Frage antworten, oder sehe ich das falsch?
Was das zweite Beispiel angeht, so stimme ich Leuchti zu. Wer bin ich denn? Nein, ich würde nicht fragen.
LG AmoebeMS
P.S. Ethik ist Scheußlich, Mici.
Verfasst: 30:09:2010 13:08
von mici
Hallo Mädels,
ja, ihr habt dann auf jeden Fall einen großen Anteil an dem Ergebnis meiner Prüfung, übrigens auch, wenn sie weitaus schlechter ausfällt, als die letzte
@ Leuchti: Ja, es war genauso, David braucht die ganze Medizin, die anderen nur je ein Fünftel, um zu überleben.
So, jetzt noch eine Variante. David scheißt auf sein Leben und sonst ist ihm auch alles egal und er kippt die Medizin weg!
Daß das moralisch nicht o.k. ist, werden alle so sehen, aber ist es von der Warte her o.k., weil das Zeug ja ihm gehörte?
Interessante Frage! Du gehst davon aus, dass David zwar krank ist, aber nicht leben will und von daher die Medizin nicht nimmt, sondern sie wegkippt, richtig? Weiß David, dass fünf andere Menschen die Medizin dringend benötigen würden? Und ist er sich bewusst, dass er sterben wird, wenn er die Medizin nicht nimmt?
Mal angenommen, ich habe den Fall so verstanden, wie Du ihn gemeint hast, dann wäre doch jetzt die Frage, wer in dem genannten Fall wem gegenüber eine moralische Verpflichtung hat.
David hat die Medizin selbst entwickelt und ist nun in dem Besitz davon. Er will sich damit aber nicht heilen, sondern möchte diese Medizin wegkippen in dem Bewusstsein, dann zu sterben und weitere fünf Menschen sterben zu lassen.
Der Einfachheit halber könnte man sagen, David ist gar nicht krank (weil er ja auch nicht vorhat, die Medikamente für sich zu verwenden, d.h. als potenzieller Nutznießer der Medizin scheidet er aus.) Somit haben wir es aber nicht mehr mit einer Zwangslage zu tun. Denn David ist "gesund" und im Besitz einer Medizin, die fünf Menschenleben retten könnte. Weil David sich bereits gegen sein Leben entschieden hat, bedarf es keiner weiteren Überlegungen, WER (statt seiner) die Medizin kriegen sollte. Denn eine moralische Pflicht besteht doch darin, dass man, wenn möglich, Leben retten sollte. (Kann man hier eigentlich irgendwo Fußnoten einfügen?)
Also, wenn ich im Besitz einer heilbringenden Medizin bin, die fünf Menschen das Leben retten kann, dann bin ich moralisch (nicht rechtlich) verpflichtet, sie ihnen zu geben. Für das oben genannte Beispiel ist das eindeutig, weil David die Medizin ja nicht für sich gebrauchen will.
Zwar würde man ja, wie öfter schon geschrieben, intuitiv versuchen, MEHR Menschenleben zu retten, als wenige (also die fünf statt den einen), aber ist es denn tatsächlich so, dass der Tod von fünf Menschen ein "an sich" schlimmeres Ereignis ist, als der Tod eines Menschen?
Verfasst: 30:09:2010 13:13
von mici
@Amoebe: Ja, die Bedingungen des Falls sind gesetzt, rein hypothetisch.
Warum würdet Ihr die fünf retten? Ich steig noch nicht ganz dahinter. Angenommen, David und fünf andere Menschen sind krank.
David ist im Besitz der Medizin, die entweder ihn oder die fünf anderen retten kann. Warum würde man selber intuitiv die fünf retten, wenn man zu entscheiden hätte, aber nicht David bitten, dasselbe zu tun? (Geht mir da ja wie Euch, Mädels, aber ich muss das leider begründen können.... und irgendwie hab ich das Gefühl, dass wir auf dem Holzweg sind).
Verfasst: 30:09:2010 13:21
von Leuchtkäfer
Du sollst das begründen können? Na, da sollen Dir die Prüfer erstmal selber eine gescheite Antwort geben.
Nee, Du, ich wäre weder in der Philosophie, Ethik oder der Juristerei gut aufgehoben. Das ganze "Hätte, Könnte, SOllte" ist nicht meins. Dafür hat mein Hirn anscheinend zu wenig Windungen.
Ich denke aber weiter drüber nach.
So, muß mal einen Tee kochen, ich friere. Das schöne Wetter von heute morgen ist weg.
Verfasst: 30:09:2010 13:24
von AmoebeMS
Klingt mir auch unlogisch, Mici.
Eventuell liegt es daran, dass der gute David der "Besitzer" der Medizin ist und sie somit verwenden kann, wie er es möchte. Da ich ja weiß, dass sie ihm gehört, hätte ich vielleicht Gewissensbisse ihn danach zu fragen.
Salopp gesagt: "Hey David, komm schon rüber mit der Zeug. Du rettest 5 Leben, aber du gehst dabei drauf!"
Sorry, Mici, aber ich hätte nicht den Mumm, weil ich ja weiß, dass er dann in den Himmel kommt. Vielleicht fehlt mir dazu auch die medizinische Ausbildung, obwohl ich da auch wieder zweifle, ob man das dort wirklich "lernt".
P.S. David steht in der moralischen Pflicht? Sehe ich nicht so. Sie gehört ihm und es geht auch um sein Leben. Wo ist denn moralische Pflicht definiert? Was ist gerecht und was ungerecht? Bestimmt eine Mehrheitsansicht? Das Gesetz? Die Würde des Menschen ist unantastbar. Wie legt man das RICHTIG aus bzw. was ist damit gemeint?