Und auf einmal geht mir ein Licht auf...

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Shatura

Und auf einmal geht mir ein Licht auf...

Beitrag von Shatura »

Durch eine Fernsehdoku über Wochenbettdepression bin ich gestern im Forum gelandet. Habe 2 Stunden gelesen und denke mir immer wieder:“Bingo! Mensch warst Du blind“.

Aber von vorne:
Ich bin 32 und mein Leben ist perfekt.

Im Oktober 2009 kam unsere Tochter zur Welt. Ein absolutes Wunschkind, auf das wir 1 ½ Jahre „hingearbeitet“ haben. Sie ist gesund, gut gelaunt, fröhlich und unkompliziert. Mein Mann ist liebevoll, meine Mama unterstützt mich mit Babysitten wann immer ich sie brauche, Freunde sind auch da. Wir haben eine schöne Wohnung mit Garten, finanziell reicht´s, wenn man ein bisschen drauf achtet und ich kann dank meines tollen Chefs sogar flexibel arbeiten, auch von zu Hause aus.

Wie gesagt, mein Leben ist perfekt. Ich hab´s super gut. Und bin kreuzunglücklich.

Schon in der Schwangerschaft hatte ich viele Heultage, war sooo unglücklich und wusste doch gar nicht warum – ich hatte mir das doch so gewünscht! Wohl die Hormone, dachte ich mir. Zwar extrem, aber zum Glück ja zeitlich begrenzt. Zudem hatte ich Probleme mit viel Wasser, ständig Sodbrennen und extreme Gewichtszunahme. Aber das war ja auszuhalten.

Unsere Maus kam dann per Kaiserschnitt, nachdem sie schon 11 Tage überfällig war und Einleiten nicht funktionierte. Ich hatte den „Baby Blues“ aber nur ein paar Tage, danach war ich etwas nah am Wasser gebaut, aber ich bin sowieso ein emotionaler Mensch. Dachte ich mir also auch nichts dabei.

Von außen betrachtet passt alles, auch mein Umfeld bestätigt mich. Aber ich habe schon seit Monaten immer wieder extreme Stimmungstiefs. Weine viel, bin verzweifelt, fühle mich überfordert und unfähig. Bin müde und doch ständig unter Strom. Tagsüber mal ein bisschen schlafen fast unmöglich, nachts liege ich oft wach und grüble.
Ich liebe meine Tochter, schaffe es auch, sie zu versorgen, bin aber sehr unglücklich darüber, dass es vom Gefühl her oft eine Belastung für mich ist, ich das alles als „Arbeit“ empfinde. Sollte ich nicht Freude dabei haben? Ich rede und spiele mit ihr, aber oft quasi aus Verpflichtung heraus, weil ich weiß, dass es für sie wichtig ist. Und abends bin ich gottfroh, wenn sie im Bett ist, aber komme doch nicht zur Ruhe.
Sie ist mit dem Krabbeln spät dran gewesen, weshalb uns der Kinderarzt zur Krankengymnastik geschickt hat. Alle beruhigen mich, aber immer wieder kommen diese Gedanken “Oh Gott, was hast Du falsch gemacht, Dein Kind ist entwicklungsverzögert und Du bist schuld“. Jetzt beobachte ich ihre Fortschritte in Richtung Aufstehen und Laufen und die Sorgen melden sich wieder...

Ich habe kein Problem damit, meine Tochter abzugeben, damit ich arbeiten oder meinen Haushalt erledigen kann. Aber es fällt mir schwer, andere um Betreuung meiner Tochter zu bitten, damit ich Freizeit habe. Ich komme mir egoistisch vor und habe ein schlechtes Gewissen, weil das doch mein Job ist als Mama. Als würde ich sie abschieben.
Zwischendurch habe ich schon Freizeit, gehe abends mit einer Freundin aus oder mit meinem Mann ins Kino. Mein Umfeld ermutigt mich auch dazu und bietet mir die Gelegenheit. Aber ich erlaube es mir selten und fühle mich auch nicht erholt nach diesen Auszeiten. Die bringen mir grad nur soviel Kraft, dass ich weitermachen kann.
Auch meine sexuelle Unlust macht mich sehr unglücklich.
Die letzten Wochen war ich in einem Zustand der Resignation. Man funktioniert halt. Ich habe keine Selbstmordgedanken, aber mein Gemütszustand lässt sich vielleicht so beschreiben: Du gehst über die Strasse, ein Auto kommt. Naja, entweder es bremst oder es bremst nicht und überfährt Dich. Egal eigentlich.

Das macht mir Angst. Ich will nicht so sein, mich nicht so fühlen. Ich war immer ein Kämpfer.

Letzte Woche habe ich mit der Frauenärztin gesprochen. Habe von einer Freundin den Tip bekommen, vielleicht mal die Pille zu wechseln. Die Ärztin meinte, dass sie nicht denkt, dass das nutzen würde. Ich sollte mir einfach mehr Auszeiten gönnen, damit ich zu Kräften komme. Die Sprechstundenhilfe hat mich angesprochen, man würde mir ansehen, dass es mir nicht gut geht, ob ich nicht mal mit einem Psychologen sprechen möchte? Wenn jemand Anteil nimmt und nett zu mir ist, bringt mich das gleich zum Weinen. Ätzend.

Vorgestern habe ich mich mehrfach ausgeheult, bei meiner Mutter, meinem Mann, einer Freundin. Es hat mich erleichtert. Habe immerhin den Kopf aus meinem Loch gesteckt und beschlossen, dass ich jetzt was tun muss, tun WILL. Gestern dann diese Dokumentation, das Forum.

Ich habe mir das einfacher vorgestellt, Kind und Partner, Haushalt und Beruf. „Alles eine Frage der Organisation“ dachte ich, das kann ich doch. Bin doch gut im Organisieren und Planen, bin Perfektionist und ehrgeizig, schaff ich schon. Aber ich hechel immer hinterher, habe immer mehr zu tun als ich schaffen kann und bin dann von mir selber enttäuscht. Habe ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich dann mal hinsetze statt meine Sachen zu erledigen und komme doch nicht zur Ruhe. Ich glaube, ich stehe mir selber viel im Weg.
Und ich habe mich oft gefragt, ob ich denn die Einzige bin die damit nicht klar kommt? Stimmt was nicht mit mir? Oder spielt die Allgemeinheit nur heile Welt und gibt nicht zu, dass es manchmal einfach zu viel wird?

Aber vielleicht bin ich doch keine dumme überdrehte Gans, die es einfach nur nicht schafft sich zusammen zu reißen. Vielleicht ist es eine Depression und ich muss einfach nur ganz anders an die Sache dran gehen? Ich will mein Leben wieder in den Griff kriegen, egal wie. Jetzt bin ich auf der Suche. Das Forum ist vielleicht der erste Schritt in die richtige Richtung.

Zu erfahren, dass es nicht nur mir so geht, ist unwahrscheinlich tröstlich.
Auch wenn ich durch Familie und Freunde viel Unterstützung erfahre, ist der Austausch mit Betroffenen doch noch einmal eine andere Liga.

Ich sitze hier, lese die lieben Wort, mit denen Neuankömmlinge begrüßt werden und muß die ganze Zeit weinen. Ich habe riesigen Respekt vor Euch allen, Eurer Offenheit, Eurer Hilfsbereitschaft. Es war schwer, mir das hier von der Seele zu schreiben, aber notwendig. So dringend notwendig.

Jetzt kann ich dem Problem endlich einen Namen geben. Ich habe PPD.
Diese einfache Erkenntnis gibt mir irgendwie Kraft. Zeit zu kämpfen.

Als nächstes muß ich den Mut finden, zum Arzt / Psychologen zu gehen.
Habe Angst vor Ablehnung. Angst davor, nur zu hören „Gönnen Sie sich mehr Ruhe.“

Aber den Mut werde ich finden. Bald.

p.s. sorry für das viele Gefasel. Aber wenn der Damm erst mal gebrochen ist...
kadisha

Beitrag von kadisha »

hallo meine liebe!

schön, dass du nun bei uns bist!
ich heisse dich herzlich willkommen und bin sicher du wirst dich hier wohl fühlen

darf ich dich fragen wie du zu deinem nicknamen kommst
ist das zufällig arabisch
lg
Shatura

Beitrag von Shatura »

woher ich diesen nick habe?
die vollblutstute einer früheren freundin hieß so und der name hat mir einfach gefallen :mrgreen:
BB77

Beitrag von BB77 »

Hallo Shatura,
auch von mir ein herzliches Willkommen.
Ich finde es toll, dass Du Dir alles von der Seele schreiben konntest und dass Du soviel Unterstützung in Deiner Umgebung findest.
Liebe Grüße
Bibi
kadisha

Beitrag von kadisha »

shatura gibt es auch im arabischen,
bedeutet in etwa: brav, die brave etc
Shatura

Beitrag von Shatura »

auweia, dann hab ich wohl echt daneben gehauen...

wenn ich mich selbst beschreiben müsste, wäre "brav" wohl nicht dabei :roll:
Feebie

Beitrag von Feebie »

Liebe Shatura,

herzlichen Willkommen im Forum!

Mehr müßte ich eigentlich nicht schreiben, denn du bist tatsächlich eine von uns. Ich meine damit, das es sehr nach PPD klingt, was du da schreibst. Es ist ein Vorstellungsthread, den ich hätte geschrieben haben können, wenn ich damals schon so reflektiet gewesen wäre, wie du,
Du hast dich super erkannt und dein Verhalten schon genau beobachtet. Das ist gut, das du das schon mal kannst, denn es wird dir auf deinem weiteren Weg helfen. Sich selbst zu beobachten und Verhalten oder Denkweise zu ändern, wird unter anderem der Schlüssel zum Glücklichsein sein. Allerdings wirst du das vermutlich nicht alleine schaffen.
Wenn du Vertrauen zu deinem Hausarzt hast, oder eben zu deiner Gyn, dann sage denen mal, das du durch den Bericht einen Aha-Effekt hattest. Psychotherapie im Sinne einer Verhaltenstherapie halte ich für sinnvoll, alles andere werden die Ärzte entscheiden.
Wichtig ist, das du dir jetzt Hilfe holst. Das du es schaffst sie anzunehmen und dich nicht klein dabei fühlst. Auch nicht schlecht, oder hilflos, denn es ist sehr mutig zu sagen, das man eine PPD hat. Da gehört viel dazu, und du bist ja sogar schon soweit, das du kämpfen willst. Das ist gut!

Dann hoffe ich, das du schnell die richtigen "Mittel" dafür findest. Und erzähle deinen Lieben von deiner Erlenntnis. Deren "Verstehen" wird dir sicher weiter helfen. Ich habe damals nur meinem Mann gesagt, was los ist und wünsche heute noch, ich hätte mehr Leute eingeweiht.

Du wirst wieder gesund und du wirst ganz doll viel Freunde an deiner Tochter haben. Das ist hier unser aller Ziel und es wird erreicht werden, auch wenn du es vielleicht jetzt noch kaum glauben kannst. Ich habe das Ziel schon erreicht, und viele andere hier auch. Zumindest unsere Kinder unerschütterlich zu lieben und riesige Freude zu erleben, wenn wir mit ihnen zusammen sind.

Noch einmal herzlichen Willkommen hier. Wir freuen uns, das du uns gefunden hast!

Und ich freue mich auch über "arte" und den guten Beitrag, der mindestens einem Menschen (nämlich dir) die Augen öffnen konnte.

Liebe Grüße,
Feebie
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Marika
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Beitrag von Marika »

Ein ganz liebes Hallo auch von mir Shatura - wundervoller Name!

Es ist einfach nur bewunderwert, dass du es geschafft hast uns hier deine Geschichte zu erzählen und der "Damm tatsächlich gebrochen ist". Du hast damit einen ganz wichtigen und tollen Schritt geschafft, der dir neue Wege eröffnen wird.

Zu erkennen, dass man eine Psychische Erkrankung hat, ist schon hart genug. Wenn sie dann aber nach der Geburt kommt, wo doch alle denken "die kann jetzt glücklich sein" ist es noch härter, weil noch mehr Unverständniss von der Gesellschaft zu spüren ist. Daher verstehe ich natürlich nur zu gut, dass du noch Hemmungen hast, zu einem Arzt zu gehen, das geht und ging ganz vielen hier, auch mir damals vor 5,5 Jahren. Dennoch - gib dir einen Ruck, wir haben hier auch eine Liste mit Ärzten/innen und Therapeuten/innen, die mit Schatten und Licht zusammen arbeiten:

http://www.schatten-und-licht.de/Listen ... te_exp.xml

Vielleicht wäre jemand in deiner Nähe dabei?

Ich hoffe du fühlst dich hier genau so wohl und geborgen wie ich seit nun schon mehr als 5 Jahren. Mir hat es sehr geholfen, mich mit ebenfalls Betroffenen auszutauschen und so wieder gesund zu werden.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Birdee

Beitrag von Birdee »

Willkommen bei uns....


....du WIRST wieder GESUND werden....das ist das ,was du nicht vergessen darfst!

Tausche dich hier aus....das wird dir helfen.

Gehe unbedingt zum Facharzt...warte nicht einen Tag länger als nötig!

Jeder Tag ,an dem es dir nicht gut geht ,ist verschwendete Zeit ....das muss nicht sein.....
nic

Beitrag von nic »

Hey Shatura...

auch ich möchte Dich ganz herzlich hier willkommen heißen.

Mir ging es genau wie Dir.

Ich habe nach 2 vaterlosen Kindern zu meinem dritten einen Mann gefunden, der zu uns steht, habe wahnsinnig liebe Freunde, Schwiegereltern de luxe, ein Haus mit Garten und Tieren in Waldnähe.

Nach einer beschissenen Kindheit habe ich mir mein Leben lang eine glückliche Familie gewünscht, nach zwei Kaiserschnitten eine Spontangeburt.

nach 38 Jahren gehen alle meine Träume in Erfüllung und ich konnte nur noch heulen.

Ich dachte ich wäre nun endgültig dem Wahnsinn verfallen und diese Gedanken ließen mich nicht mehr los, bis ich an Selbstmord dachte.

Ich bin auch so ein Perfektionist, alle lieben meine Kunstwerke, ich habe immer was dran auszusetzen.

Es passt nicht zusammen. Es passt einfach nicht zusammen.

Mutter und Perfekt .. nönö, no go, no way !

Gewöhn es Dir ab, ganz schnell. Sonst hinkst Du immer weiter hinterher.

Du musst lernen, die kleinen Schritte zu sehen.

Ich mache mir seit der PPD morgens mit meinem Mann immer einen Tagesplan auf den *lauträusper* REALISTISCHE Ziele geschrieben werden.

Und da schreiben wir nicht das drauf, was erledigt werden MUSS sondern das, was wir denken, was wir schaffen, so dass die Kiddies auch noch was von uns haben.
Heilung geschieht nur MIT Deinem Kind und vorallem durch die GUTE Zeit mit ihm, denn da gibst Du Dir das Feedback selbst, dass Du eine tolle Mama bist und ich bin sicher, dass Du eine tolle Mama bist. Nutzt aber nix wenn ich Dir das erzähle, denn DU musst zu dieser Überzeugung kommen.

Und dafür braucht ihr gemeinsame Zeit, nicht quantitativ, deshalb solltest Du jede Auszeit annehmen, die Du kriegen kannst, aber qualitativ. Du solltest dann den Kopf freihaben und das Herz.

Was meinst Du, was das für ein geiles Gefühl ist, wenn Du Abends Deinen Zettel anschaust und siehst, Du hast alles erledigt und sogar noch ne Std. mit innigem Baden oder so verbracht. Erhaben, sag ich Dir!

Und ich sag das immer wieder gerne: Die Ärzte kriegen Geld für Eure Behandlung, die helfen Euch nicht, weil ihr soooo arm und soooo mitleiderregend seid, sondern ganz einfach weil sie Kohle dafür kriegen.

Schämst Du Dich etwa, wenn Du ne neue Plombe brauchst oder Dir ne Virusinfektion eingefangen hast?

Du bsit ja nicht defekt, Du bist nur krank. Hast Du nicht gemacht, you know?

Also fass Dir ein Herz und such einen Psychiater auf, da wirst Du geholfen.

Für alles andere Fragen zu Therapien, Medikamenten, Wickeltechniken und Fernsehtips ;-) stehen wir zur Verfügung...

Ganz liebe Grüße

N!c
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