Seite 1 von 1

Hallo ich bin die Neue hier

Verfasst: 16:05:2011 10:43
von Poppey
Hallo,
ich heiße Nadja und bin 28 Jahre alt und habe vor 14 Monaten meinen Sohn geboren. Die Schwangerschaft war vollkommen unauffällig. Ich hatte keine Übelkeit und was man so alles hört und hatte immer Topwerte bei der Blutuntersuchung. Auch die Entwicklung meines Sohnes war immer unauffällig. Er war ein Wunschkind. Wenn ich die Schwangerschaft auch eher als Gefühlsneutral erlebt habe. Ich wurde sofort schwanger.
Gegen Ende der Schwangerschaft fiel auf, dass mein Sohn sich nicht ins Becken gesenkt hat. Aber nun gut kommt vor und passiert häufig erst unter Geburt. Ich hatte 2 Tage vor der Entbindung einen vorzeitigen Blasensprung. Ich fuhr ins Krankenhaus und bekam relativ schnell heftige Wehen. Ich habe niemals Angst vor der Entbindung gehabt und habe mich gefreut auf die Entbindung. Leider ging mein Muttermund nicht auf und nach 35 Stunden wirkungslosen Wehen entschied man sich, den Muttermund chemisch zu Leibe zu rücken. Das tat auch seine Wirkung. Er begann sich dann schnell zu öffnen. Ich wurde an den Wehentropf gehangen und ordentlich vollgepumpt. Leider wollte mein Sohn immer noch nicht ins Becken rutschen und bekam eine Hilfestellung durch die Hebamme. Das war zwar nicht toll, aber er musste da ja nun raus wegen des Blasensprunges. Nach insgesamt 40 Stunden ( ab der ersten Wehe) habe ich meinen Sohn spontan entbinden können. Mein Mann war die ganze Zeit sehr geduldig bei mir und war mir eine echte Stütze und Hilfe. Ich wollte unbedingt vaginal entbinden und wer weiß, wie es mir nach einem Kaiserschnitt ergangen wäre.
Ich war sehr erschöpft nach der Entbindung. Ich habe allerdings keinerlei schwerwiegende Geburtsverletzungen davon getragen. Ich habe meinen Sohn gesehen und war eigentlich direkt genervt von ihm. Ich weiß, das klingt schlimm. Ich hatte mir das alles so toll vorgestellt, die Tränen der Rührung und was man so alles liest und was war?? Nichts. Ich habe nichts gefühlt. Ich war auch so böse, weil die Geburt so lange gedauert hat. Nicht wirklich auf ihn, aber auf mich. Weil ich in meinen Augen komplett versagt habe. Dabei weiß ich auch nicht wieso. Mir wurde als der Muttermund 4 cm auf war zu einer PDA empfohlen, weil niemand damit rechnete, dass die Geburt so baldig los geht. Ich nahm diese Empfehlung dankend an. Ich habe mich sehr über das Taubheitsgefühl in meinem Körper erschrocken wobei man die Wehentätigkeit ja noch super und mehr als ausreichend mitbekommt. Mir wurde nach der Entbindung von einigen Damen unter anderem meiner Schwester erklärt, dass meine Geburt durch die PDA nicht vollwertig war und ich gar nicht mitreden könne wie es ist ein Kind zu entbinden.
Ich bin zwei Tage nach der Entbindung nach Hause gegangen. In der Nacht zum errechneten Geburtstermin meines Sohnes also vier Tage nach seiner Entbindung bin ich aus dem Schlaf aufgewacht mit dem Gefühl, zu ersticken. Ich kannte sowas nicht. Ich war immer ein sehr glücklicher Mensch. Ich hatte immer ein gutes Gefühl für meinen Körper und ich dachte an diesem Abend, ich werde sterben. Ich habe relativ schnell gemerkt, dass ich nicht ersticke, sondern wahrscheinlich „nur“ unter einer Luftnot leide. Ich weckte meinen Mann, der mich ziemlich forsch anredete ich hätte bloß eine Panikattacke. Er war ebenso überfordert mit der Sitaution wie ich. Ich bin nicht sauer über seine Reaktion. Er brachte mich sofort ins Krankenhaus, wo ich gründlich untersucht wurde. Aber ich hatte nichts. Ich konnet nicht glauben, dass ich nichts hatte. So begann für mich eine sehr stressige Schlimme Zeit. Es kam eine Panikattacke nach der anderen. Ich war bei einigen Ärzten, die mich aber nicht besonders ernst nahmen. Also machte ich Selbsttherapie. Die nächste Panikattacke kam und ich dachte mir, wenn ich jetzt sterbe kann ich es nicht ändern und ich beobachtete meine n Körper während dieser Attacken und ich stellte fest, dass mir gar nichts passiert. Ich weiß heute, dass die Muskeln sich während einer Attacke gerne verkrampfen und somit dieses Gefühl der Luftnot vermitteln können. Nachdem ich diese nun "besiegt hatte" wanderte die Panickattacke von meinen Lungen in mein Gehirn. Da ich allerdings jetzt etwas selbstsichere wurde, war das nicht mehr so schlimm. Aber das ganze spitzte sich so zu, dass ich eines nachts nicht mehr leben wollte, weil ich nicht ertragen wollte, noch 60 Jahre mit einem Körper herumzulaufen, in dem ich mich nicht mehr zuhause fühlte. Aber dann plötzlich dachte ich " warum sollte ich das tun?" Ichbin trotz allem ein sehr lebensfreudiger Mensch geblieben- auch wenn das eigentlich total widersprüchlich klingt. Aber vielleicht hat mich diese Eigenschaft auch gerettet. Es wurde danach immer besser und etwas schlechter. Bis ich dann einen Arzt fand, der sich das alles anhörte und meinte es höre ich so an als hätte ich die Postpartale Depression und ich sagte ja, das habe ich die Ärzte die mich zuvor behandelt haben auch gefragt und sie meinten nein, dass wäre das nicht und überhaupt hatte ich das Gefühl, dass sie die beiden vorherigen Ärzte sehr an meinem Stimmungstief störten.

Durch diese monatelangen Panikattacken war ich extrem übermüdet und ich hatte kaum Geduld mit meinem Kind. Er hat mich oft genervt. Ob ich Liebe für ihn empfunden habe, kann ich nicht sagen. Ich weiß nur, dass ich das heute für ihn empfinde. Ich habe mit dem Stillen aufgehört, weil ich dachte, dass ich meinen übermüdeten Körper so schonen kann. Aber ich bereue es aus tiefster Seele bis heute, dass ich nur kurz stillte. Ich wollte ihn unbedingt stillen, aber ich hatte keine Kraft mehr. Ich träume bis heute fast jede Nacht, davon dass ich ein Baby stille. Ich habe mich immer selbst um ihn gekümmert so gut es mir möglich war. Dies war natürlich ausreichend Anlass dass auf mir rumgehackt wurde und was heißt eigentlich so gut es möglich war?? Ich kümmerte mich komplett um ihn. Häufig neige ich dazu was ich bei ihm leiste als nicht gleichwertig zu betrachten, dabei mache ich das Gleiche wie " gesunde Mütter" Eigentlich bin ich auch kein Mensch, den man gut klein machen kann.
Ich werde jetzt mit Citalopram behandelt. Es ist nicht so, dass ich mir verändert vorkomme. Eher so wie ich mich kannte. Ich habe nun seit ca. 14 Tagen keinen Gedanken mehr an Ersticken oder gar Schlaganfall verschwendet. Ich bin wieder ruhiger geworden und kann erholter schlafen.
Mit dem Haushalt benötige ich die Hilfe meines Mannes. Es nicht dreckig oder so, aber es fällt mir manchmal sehr schwer aufzuräumen oder so. Das Zimmer meines Sohnes halte ich immer absolut sauber. Es gibt auch Tage, da mache ich alles komplett alleine.
Ich habe meinem Sohn ein sehr schlechtes Gewissen gegenüber. Das ist so schlecht, dass ich nicht weiß, ob ich jemals wieder ein Kind kriegen könnte. Alleine der Gedanke bei einem zweiten Kind könnte ich es besser machen als bei ihm ruft in mir ein Gefühl der bodenlosen Ungerechtigkeit hervor.
Mein Sohn ist ein unglaublich einfacher, fröhlicher kleiner Junge. Er lacht immer nur und hat so gut wie nie geweint. Auch nicht als frisch geborener Säugling. Er ist glücklich und freut sich immer über jeden und alles. Er trinkt gut und isst gut. Er war noch nie krank und litt nicht unter Verdauungsstörungen. Ich bin sehr dankbar dass er so einfach und liebenswürdig ist, da ich nicht weiß, wie ich das überstanden hätte wenn er ein schwierigeres Baby gewesen wäre. Er hat auch mit 8 Wochen bereits durchgeschlafen. Ich hatte es wirklich einfach. Umso weniger kann ich verstehen, was mir da passiert ist und ich habe das Gefühl, ich wurde um die ersten 6 Monate mit meinem Sohn betrogen. Mein Sohn war alles, was ich mir in meinem Leben je gewünscht habe und ich wollte ihm so gerne eine gute Mama sein. Wenn ich jetzt schwanger werden würde, würde ich das neue Baby auch nie stillen, weil ich meinen Sohn nur kurz stillen konnte.
Ich lief die Nächte nach der ersten Panickattacke im Halbschlaf durch die Wohnung in dem guten Glauben daran, dass ich mein Baby in den Armen trage. Meine Arme hielt ich als würde ich ein Baby tragen. Ich ging in das Zimmer meines Sohnes und war entsetzt als ich feststellte, er lag schlafend in seinem Bett. Ich hatte richtig Gewicht in meinen Armen gespürt. Ich war allerdings auch nicht ganz wach sondern in einem mir total unbekannten Dämmerzustand wach wurde ich als ich fassungslos auf meine Arme starte und feststellte, dass sie leer sind. Dies geschah nur zwei dreimal und passierte nie wieder. Ich konnte auch wochenlang nicht mehr schlafen. Ich habe im Krankenhaus 40 Stunden am stück wach gelegen, durch die wehen und dann die plötzliche Entbindung. Die Nacht in der ich entbunden hatte, war an Schlaf kaum zu denken. Immer wenn ich eingenickt war, träumte ich ich stehe in einem dunklen Raum und die Wände rasen schnell auf mich zu und prallten gegen mich. Daheim angekommen konnte ich natürlich auch nicht schlafen, weil mein Sohn alle drei Stunden wach wurde un ich in der Zwischenzeit nicht schlafen konnte. Ich habe viel zu wenig schlaf gefunden. Tagsüber kann und konnte ich noch nie schlafen. Mir tat der ganze Körper weh. Ich hatte so entsetzliche Schmerzen im Rücken und im Brustbereich. Mein Gehirn war wie ein Nudelsieb. Wenn man sich mit mir unterhalten wollte und einen Satz sprache hatte ich teilweise den Anfang des Satzes vergessen oder aber ich konnte die Information zwar hören aber nicht verarbeiten. Es war sehr komisch wo ich immer ein so gutes Gedächtnis gehabt habe. Mittlerweile hat sich das wieder normalisiert.
Im Mai 2010 bekam ich ein starkes Medikament und fiel in fast 20 Stunden andauernden Schlaf der nur durchs Trinken kurz unterbrochen wurde.
Mir ging es dann zum Herbst immer besser. Allerdings hatte ich auch oft Rückfälle. Nie wieder so stark aber doch so, dass ich mich leicht beeinträchtigt fühlte.

Ich fange die Woche nun mit einer Therapie an und bekomme begleitend Citalopram und hoffe, dass ich das alles wieder ablegen kann und vielleicht irgendwann doch ein Geschwisterchen für meinen Sohn kriegen kann. :-) Denn das ist mein großes Endziel und mein größter Wusch für meinen Sohn ein Geschwisterchen. :-) :-) :-) :-) :-) :D

Verfasst: 18:05:2011 7:06
von Frida
Hallo Poppey,

ich drücke dich und heiße dich hier im Forum herzlich Willkommen :D

Verfasst: 18:05:2011 13:04
von Nora
Hallo Poppey,

herzlich willkommen und vielen Dank für Deine Geschichte. Beim Lesen kam mir sehr viel bekannt vor - auch ich hatte eine Albtraumgeburt und konnte keine Gefühle für meinen Sohn empfinden.
Es ist sehr gut, dass Du ein AD zur Unterstützung nimmst und nun auch eine Therapie losgeht. Du wirst sehen, beides zusammenn bringt Dich wieder ganz nach oben. Kleine Rückschläge und Tiefs gehören in diesem Prozess dazu - also keine Angst!
Fühl Dich hier gut aufgehoben und Du kannst alles loswerden was Dich beschäftigt. Es ist immer jemand hier der Dir gerne mit Rat oder auch Trost zur Seite steht.

Herzliche Grüße
Nora

Verfasst: 15:09:2011 12:20
von Astrid
Auch hallo von mir,

du kannst ja mal meine Geschichte lesen, auch ich konnte nicht begreifen warum es mich treffen musste. Es ist bei mir jetzt schon ein paar Jährchen her, aber auch ich kenne diese Gefühle alle. Vor allem die Schuldgefühle gegenüber seinem Kind. Die kommen jetzt ab und zu noch einmal hoch, aber ich bin wieder glücklich, und ich habe ein zweites Kind bekommen, nach langer Zeit und mit viel Unterstützung.
Jetzt sind wir tatsächlich eine glückliche Familie.
es kann also wieder gut werden.

Alles Liebe von Astrid