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Für immer Medikamente?
Verfasst: 16:08:2011 10:06
von Anna2010
Hallo,
meine Zustände gehen schon das ganze Leben so, und haben mit den Geburten ihren jeweiligen Höhepunkt erreicht...
Das Citalopram hat mir letztes Jahr aus einem erneuten tiefen Loch geholfen, ich habe nun die Diagnose "Zwangsstörung"...
Aber was mich nun irritiert:
Mir gehts wieder schlechter und ich traue mich nicht, beim nächsten Arzttermin nach einer höheren Dosierung des Medis zu fragen, weil ich schon 40 mg nehme und mich so elend fühle manchmal...
Komische Gedanken wieder, teils wie letztes Jahr (ich geh jetzt nicht explizit darauf ein....)teils einfach erschöpft und depri...wohl auch wegen meiner "Ehe":-(((
Soll ich um 60 mg fragen?
Was, wenn es so auch nicht besser wird???
Cipralex schwebt in meinem Kopf, habe in einer wissenschaftlichen Abhandlung gelesen, dass es eindeutig besser wirken würde, da es 95-99 Prozent der Serotoninmenge erhält oder wie auch immer, und Citalopram nur so 80-85 Prozent...
Außerdem steht bei Wiki dass Citalopram eher bei Panikstörung und Depression verwendet wird, Cipralex aber bei Zwangsstörung empfohlen wird...
Und auch Fluoxetin, Paroxetin etc...
Es gäbe also noch Möglichkeiten, aber mein Neurologe will ja das Citalopram mit einm Neuroleptikum ergänzen und das will ich absolut nicht, solange andere Möglichkeiten nicht probiert worden sind....
Oder sollte ich den Neurologen wechseln?
Mir wäre es aber so peinlich,einem anderen wieder diesen Mist zu erzählen...
Warum hat das Medikament erst so gut gewirkt und nun nicht mehr?
Gewöhnung?
Hier bei Wiki gelesen:"Allerdings gibt es mittlerweile eine Diskussion über die Suchtgefährdung durch SSRI und über Absetzstörungen."
Please help!
Verfasst: 16:08:2011 13:50
von Marika
Hallo Anna,
mhhhh, Suchtgefährdung durch SSRI ist mir völlig neu! Bei Wikipedia hast du das gelesen? Sehr seltsam. Eine Sucht charakterisiert sich dadurch, dass ständig eine höhere Dosis benötigt wird, um den "Normalzustand" zu halten. Sieht man gut bei Alkohol und anderen Drogen, oder auch Schmerzmittel usw. Bisher hieß es immer, das gerade Antidepressive NICHT süchtig machen, da - wenn man das richtige AD und die richtige Dosis hat - ein bleibender Normalzustand eintritt. Geschieht dies nicht, passt entweder das AD nicht, oder die Dosis ist zu gering.
Da deine Diagnose "Zwangsstörung" heißt, mußt du unbedingt wissen, dass eine solche am besten mit einer sehr hohen Dosis eines SSRI´s behandelt wird. Diese geht dann meist sogar über die im Beipackzettel empfohlene Höchstdosis hinaus - wie bei mir damals: Ich brauchte 30 mg Cipralex (das entspricht exakt 60 mg Citalopram), um meine ZG und die Depressin in den Griff zu bekommen. Diese Dosis behielt ich 2,5 Jahre, machte auch solange Verhaltenstherapie wegen der ZG. Dann konnte ich langsam reduzieren, bis auf 0 mg. 9 Monate später - ein Rückfall wie du wahrscheinlich weißt - Diagnose: rezidivierende Depression. Heißt: Ich werde mein Leben wohl immer mit depressiven Episoden rechnen müssen, wenn ich kein AD nehmen. Das gute an der Geschichte: Ich brauche heute nur 10 mg Cipralex und bin völlig gesund und stabil und das seit nun genau einem Jahr - nicht ein Einbruch, gar nichts. Bei mir würde also das Stichwort "Sucht" schon mal nicht zutreffen. Das bei einer 6-jährigen AD-Karriere...
Natürlich kenne ich die aktuellesten Studien nicht, würde mich aber interessieren. Für mich ist es logisch, dass es viele Menschen gibt, die ihr AD für immer brauchen, weil sich der Botenstoffwechsel einfach nicht mehr selbst regulieren kann. Bei jeder chronsichen Krankheit wird der Betreffende für immer sein Medikament brauchen. Das ganz läßt sich gut mich chronisch hohem Blutdruck vergleichen, auch hier brauchen die Betroffenen ihren Blutdrucksenker für immer, wenn nach Gewichtsreduktion u.a. keine Stabilisierung eintritt. Aber süchtig sind deshalb natürlich nicht - sondern einfach chronisch beeinträchtigt.
Die Gesichte mit Cipralex und Citalopram ist dann wieder eine andere: Auch ich höre und erlebe immer wieder, dass viele die von Citalopram auf Cipralex umsteigen, enorm profitieren. Dann wieder heißt es, es sind beide gleich. Das was ich beobachte widerspricht dem aber: Es scheint mir wirklich einen Unterschied zu Gunsten von Cipralex zu geben. Von Fluoxetin und Paroxtin heißt es, sie seien recht schwer abzusetzen - viel schwerer als Citalopram und Cipralex - Stichwort: Absetzsymptome!!! Diese halten sich aber gut in Grenzen, wenn man LANGSAM reduziert, in kleinen Schritten und dazwischen ein paar Monate vergehen läßt. So gelang es mir von 30 mg auf 10 mg und das ist für mich ein enormer Erfolg. Der kleine Rest ist halt (leider) eine Laune der Natur. Und Absetzsymptome hat bei mir nicht automatisch mit Sucht zu tun. Und ich glaube bei Paroxetin heißt es, das Brustkrebsrisikio sei erhöht.
Bist du aus Deutschland? Wenn ja: hier muss bei Cipralex seit neuestem kräftig dazu bezahlt werden - leider! Begründung: Es gäbe keinen Unterschied zwischen dem billigen Citalopram und Cipralex.

Bei uns in Österreich haben wir Glück: Hier wird alles weiterhin von der KK übernommen!
Fazit: Cipralex könnte dir Stabilität bringen - hab ich wirklich gerade hier bei einigen Mädesl miterlebt. Ob es dann so ist, weiß ich natürlich nicht. Paroxtin und Fluoxetin würde ich eher nicht so in Erwägung ziehen. Da würde ich vorher (falls Cipralex doch nicht in Frage kommt wegen der Kosten), lieber mal Citalopram auf 60 mg erhöhen - und auch noch warten mit dem Neuroleptikum, genau wie du eh schreibst.
Verfasst: 16:08:2011 14:08
von kadisha
hallo marika.
ich hab da mal eine frage.
du schreibst, du würdest Paroxtin und Fluoxetin nicht in erwägung ziehen.
warum nicht?
GLG!! :)
Verfasst: 16:08:2011 14:25
von Marika
Hallo Kadisha,
weil beide den Ruf haben, sehr schwierig beim Absetzen zu sein, also heftige Absetzsympme hervorrufen und eines von beiden dazu noch in Verdacht steht, das Brustkrebsrisiko zu erhöhen.
Verfasst: 16:08:2011 20:31
von vergissmeinnicht
Welches?
Danke Marika...
Verfasst: 16:08:2011 22:13
von Anna2010
für die lieben Worte, Du machst Dir immer so eine Mühe!!!
Ich denke über Erhöhung bzw. Cipralex nach, wobei die Kosten ja enorm wären, gerade für mich mit Bafög...
Naja, vielleicht finde ich endlich einen Minijob und dann könnte ich mir sogar Cipralex leisten...
Liebe Grüße
Anna
Verfasst: 17:08:2011 6:54
von Marika
@VGM: Hab grad nochmal geschaut: Es geht um Paroxetin - es steht in Verdacht, dass Brustkrebsrisiko um das 7-fache zu erhöhen. Bei den anderen SSRI konnte bisher kein solcher Zusammenhang festgestellt werden. Es soll angeblich die Prolaktinbildung verstärken und an einen bestimmten Rezeptor andocken, was eben die Tumorbildung im Wachstum fördert. Andere SSRI haben diese Wirkungweise angeblich nicht, weil sie andere Rezeptoren beeinflussen, als Paroxetin. Fluoxetin ist zwar mit Paroxetin am stärksten verwandt, soll aber diese negative Eigenschaft auch nicht haben - so besagen die Studien. Paroxtin kam 1987 als erstes SSRI auf den Markt - daher gibts dazu schon Studien.
@Anna: Das mach ich gerne - ist für mich einfach ein bissl zur Lebensaufgabe geworden, hier zu helfen wo ich kann. Ja ist ist wirklich gemein, dass ihr in D jetzt zu Cipralex zuzsahlen müßt...

Verfasst: 17:08:2011 13:00
von vergissmeinnicht
Liebe Marika!
Vielen Dank für deine Antwort!
Ich nehm ja Fluoxetin und mir gehts gut damit.
Bin seit fast 2 Monaten stabil und mach mir schon ein wenig Gedanken wegen reduzieren..Absetzsymtome..usw..naja, ich hab ja noch Zeit...
Schönen Tag noch
VGMN
Verfasst: 18:08:2011 18:23
von Kate
Hallo liebe Marika,
also zum Thema Absetzsymptome habe ich zu Fluoxetin ganz anderes gelesen und auch andere Erfahrungen gemacht.
Normalerweise machen Medikamente mit sehr kurzer Halbwertzeit wie z.B. Trevilor verstärkt Absetzsymptome, da sie sehr schnell aus dem Körper verschwinden und somit der Körper zu kurze Zeit hat sich daran zu gewöhnen.
Fluoxetin hat eine sehr lange HWZ und es wird bei starken Absetzsymptomen eines anderen ADs sogar empfohlen erst darauf umzustellen und dann Fluoxetin auszuschleichen.
Bei mir hat das zwei mal sehr gut geklappt, da es mir unmöglich war Trevilor abzusetzen.
Auch jetzt steige ich wieder auf Fluoxetin um, da es nicht so eine Gewichtszunahme macht. Leider habe ich unter der erneuten Therapie mit Trevilor wieder so zugenommen, aber es ist im Akutfall einfach das wirkungsvollere Medikament und ich habe es im Winter definitiv gebraucht..
Insgesamt werde ich wohl auch zu der Gruppe Menschen gehören, die ein leben lang auf eine kleine Dosis eines ADs angewiesen sind, aber zum Glück geht es damit sehr gut!
Ganz liebe Grüße
Kate
Verfasst: 19:08:2011 9:29
von Marika
Hallo Kate,
es ist schon zum verrückt werden - immer diese verschiedenen Infos. Ich habe es wirklich so gelesen, aber schön, dass du andere Erfahrungen gemacht hast und da du vom Fach bist, hast du sicher Recht.
Ist dir was bekannt von wegen dieser "Suchtgefahr" von SSRI´s?????
Verfasst: 19:08:2011 12:15
von Kate
Liebe Marika,
auch nach ausgiebiger Recherche in der Fachliteratur konnte ich keine Hinweise zu einer "Suchtgefährdung" bei Antidepressiva finden..
Es sind hauptsächlich Gegner von Antidepressiva und Menschen, die sehr unter Absetzsymptomen gelitten haben, die da von einer Sucht sprechen. Auch werden die Absetzsymptome als solche fehlinterpretiert.
Hier habe ich einen Auszug aus einem Infopaket zum Absetzen von ADs aus dem Internet, welchen ich persönlich ganz passend finde:
Dies ist ein Kommentar von Dieter Angersbach (Senior Medical Advisor CNS von SmithKline Beecham, e-mail: Dieter.Angersbach@sb.com) bezüglich des Abhängigkeitspotentials von Seroxat (Paroxetin) im Speziellen und Antidepressiva im Allgemeinen. Es handelt sich hierbei um einen Auszug aus einer an das ADFD weitergeleiteten eMail an einen Patienten, der Glaxo SmithKline angeschrieben hatte, weil er seiner Ansicht nach von Paroxetin abhängig geworden war:
Macht Seroxat abhängig?
a) Diese Frage lässt sich z.B. mit Hilfe der ICD-10-Kriterien (oder DSM-IV-Kriterien) für Substanzabhängigkeit untersuchen.
Von den folgenden ICD-10-Kriterien müssen mindestens 3 zutreffen:
(1) Starkes Verlangen oder ein Zwang, die Substanz zu konsumieren
(2) Verminderte Fähigkeit zur Kontrolle der Einnahme bezüglich Beginn, Beendigung und Menge
(3) Ein körperliches Entzugssyndrom bei der Dosisreduktion oder Absetzen
(4) Toleranzentwicklung, Verlangen nach Dosissteigerung
(5) Einengung auf den Substanzkonsum: wichtige soziale, berufliche Aktivität und Freizeitaktivität werden aufgrund des Mißbrauchs aufgegeben.
(6) Anhaltender Substanzkonsum trotz eindeutig schädlicher Folgen
Es ist offensichtlich, daß Seroxat (die Antidepressiva) kein solches Verhalten und keine dieser beschriebenen Symptome auslöst. Die einzigen Merkmale über die man stolpern könnte, sind (1) und (3).
Zu (1) Starkes Verlangen, die Substanz zu konsumieren
Es gibt gelegentlich Patienten, die nicht bereit sind, das Medikament abzusetzen.
Diese Weigerung ist jedoch nicht in einem starken Verlangen nach der Substanz (Craving) begründet, sondern in der Angst vor dem Rückfall in die Depression. Der Arzt hat in solchen Fällen dem Patienten nicht genügend Zutrauen vermitteln können, daß er auch ohne die "Krücke" Medikament wieder normal leben kann.
Zu (3) Körperliches Entzugssyndrom nach Absetzen
Bekanntlich treten bei einem Teil der Patienten nach abruptem Absetzen des Antidepressivums sog. Absetzsymptome auf, wie z. B. Unruhe, Schwitzen oder Übelkeit. Diese Symptome erscheinen nach 3 - 4 Tagen, sind meist tolerabel und verschwinden ebenso spontan nach einem Tag bis zwei Wochen.
In Dauer und Intensität sind sie mit den Entzugssymptomen nicht vergleichbar.
Fazit: nach den allgemein anerkannten Diagnosekriterien erzeugt Seroxat /erzeugen Antidepressiva keine Abhängigkeit.
David Healy, ein irischer Psychiater und Professor der Cardiff University School of Medicine in Wales, empfielt in seinem Absetzplan für Antidepressiva auch die Umstellung auf Fluoxetin.
...
(1A) Wechseln Sie von Ihrem bisherigen SSRI zu einer entsprechenden Dosis flüssigem Fluoxetin.
Der Grund für den Wechsel ist, dass Fluoxetin von allen SSRI die längste Zeit im menschlichen Blutkreislauf verbleibt (also die längste Halbwertszeit hat) was die Absetzproblematik insgesamt vermindert. Die flüssige Form erleichtert die genaue, graduelle Dosisreduktion. ...
Vielleicht hilft das etwas weiter und gegen die Verunsicherung durch zu viele verschiedene Infos..
Ganz liebe Grüße
Kate
Verfasst: 19:08:2011 21:15
von Marika
Vielen Dank Kate für die ganzen Infos. Genau diese Dinge habe ich auch immer gehört und gelesen und ich stimme mit dir und den Infos überein.
Ich glaube auch, dass eher Gegner und solche die mit Absetzsymptomen zu kämpfen hatten, die "Suchtgefahr" ins Leben gerufen haben und hier wirklich eine Fehlinterpretaion enstanden ist.
Danke dir und ganz liebe Grüße!!!