Vorstellung - Achtung, sehr lang !!
Verfasst: 19:12:2011 7:48
Guten Morgen in die Runde,
ich möchte mich gerne bei euch vorstellen. Ich weiss nicht ob es ok ist so einen langen „Roman“ in der Vorstellungsrunde einzustellen. Ich schreibe diesen Beitrag über mehrere Tage, weil ich versuchen muss dem Gedankenchaos Herr zu werden und mir mal alles von der Seele zu schreiben was ich sonst niemandem erzählen kann.
Ich bin eine sehr späte Mutter, aber mein Sohn ist ein absolutes Wunschkind (nach mehreren Fehlgeburten per Xter IVF entstanden und beinahe wieder schiefgegangen, also schon sehr sorgenbelastete Schwangerschaft) und umso weniger verstehe ich mich und mein Verhalten.
Die Geburt war aufgrund der Vorgeschichte ein geplanter Kaiserschnitt und damit fing das Drama an. Er hatte Anpassungsprobleme und kam 2 Tage und Nächte in die Neonatologie. Ich hatte keine Milch, lag die erste Nacht alleine in einem Zimmer und bekam eine Milchpumpe hingestellt. Nach einigen Versuchen immer noch keine Milch dafür schon wunde schmerzende Brustwarzen. Der Kleine wurde in der Neo sofort zugefüttert. Ich hatte keine Chance mit der Milchproduktion hinterherzukommen. Am 3. Tag kam er dann zu mir und ich hatte Angst ihn richtig anzufassen, ihn nackt auf mich zu legen etc., ich hatte auch gleich das Gefühl er will am liebsten seine Ruhe und alleine schlafen.
Zuhause ging das Drama dann richtig los. Ich hatte Harnwegsinfekt und musste AB nehmen, dadurch konnte ich wieder nicht stillen, musste pumpen und die Milch wegwerfen und meine Tage vergingen frustriert zwischen Kind füttern, abpumpen, Kind füttern, abpumpen. Dann nochmal AB und gar nichts ging mehr mit stillen. Wahrscheinlich hat er da schon meine Frustration gespürt, ich hatte irgendwie gar kein Gefühl für ihn und nach zwei Wochen ging das Geschrei los. Er war ein richtiges Schreikind, konnte tagsüber nicht in den Schlaf finden. Nach 5 Wochen war ich ein Nervenbündel, lief mittags um 4 noch im Nachthemd und ungewaschen rum, konnte im Haushalt nichts machen.
Ich hatte mir eingebildet das Kind würde nicht so viel in meinem Leben verändern. Ich wollte dass sich das Kind mir und meinem Rhytmus anpasst. Das Gegenteil war natürlich der Fall und es dauerte sehr sehr lange bis ich diese Tatsache einigermassen und ohne zu grosse Aggression akzeptieren konnte. Manchmal fällt es mir heute noch schwer wenn ich etwas nicht machen kann weil das Kind wieder mal andere Pläne hat und ich reagiere sehr aggresiv.
Er hat das erste Jahr praktisch nur im Tragetuch oder sonstwie an meinem Körper geschlafen. Wenn er dann wach war und ich mich eigentlich mit ihm beschäftigen sollte war ich so ausgepowert und frustriert dass ich nur meine Ruhe haben wollte und mal ein paar Minuten was für mich tun. Also habe ich in der Zeit vermieden mit ihm wirklich Kontakt aufzunehmen sondern war froh wenn er endlich mal still neben mir lag und sich mit irgendwas beschäftigte.
Er war extrem reizbar und schreckhaft. Einen Briefumschlag aufreissen – Gebrüll. Staubsauger anmachen – Gebrüll. Ich konnte praktisch das erste Jahr nicht mit ihm ausser Haus ausser im Tragetuch ganz ruhig spazierengehen. Ja kein Rhythmuswechsel oder mal bücken. Von wegen Haushalt machen mit Baby im Tragetuch. Im Kinderwagen – Gebrüll. Der erste Versuch mit ihm einkaufen zu gehen – Desaster. Was war ich neidisch auf Mütter im Laden deren Kinder friedlich im Kinderwagen zwischen den Regalen schliefen. Oder die im Sommer sogar im Strassencafe sassen, Kind friedlich im Kinderwagen, Mutter zufrieden plaudernd. Das einzige was ging war autofahren im Maxi-Cosi ohne Ziel.
Dazu kam dass er zunächst nichts von dem mochte was Babyratgeber so zur Beruhigung empfehlen. Babymassage, Streicheln? Fehlanzeige. Wütendes Gebrüll, steifmachen. Selbst wenn ich ihn ins Tragetuch genommen habe hat er zunächst geschrieen und sich erst nach einiger Zeit beruhigt.
Ich habe mich immer nur mit dem Gedanken aufrechtgehalten – nach drei Monaten wird es besser. Wenn er erstmal krabbeln kann, wird es besser. Wenn er erstmal laufen kann wird es besser. Wenn er erstmal alle Zähne hat wird es besser. Wenn er erstmal reden kann wird es besser.
Schlimm war für mich auch dass mein Mann von anfang an einfach sein Leben weitergelebt hat wie bisher. Klar hat er versucht mich zu unterstützen aber mir war das nie genug. Klar musste er arbeiten, aber ich war oft unendlich neidisch auf sein Leben. Er kann nach wie vor jeden Morgen duschen, frühstücken, zur Arbeit gehen., mit normalen Menschen über normale Dinge reden.
Ich hatte mehr und mehr das Gefühl für mich selbst überhaupt keine Zeit mehr zu haben. Nur noch Kind und funktionieren. Kein eigenes Leben mehr.
Wir haben überhaupt keine Familie in der Nähe und durch mehrere Umzüge auch keine Freunde oder sozialen Kontakte. Mein Mann braucht das auch nicht, er ist mit sich alleine zufrieden, war schon immer so. Ich vereinsame hingegen. Wir haben dann relativ früh eine Nanny gesucht die täglich nachmittags 4 Stunden ins Haus kam. Das hört sich eigentlich toll an. Jeden nachmittag 4 Stunden Zeit für mich. Aber erstens wollte der Kleine natürlich lieber zu mir sodass sie oft meinen Haushalt erledigt hat und ich das Kind hatte. Oder ich hab mich mit schlechtem Gewissen weggeschlichen und er hat meistens geschrieen wenn ich nicht da war obwohl ich versucht habe mir einzureden dass sie doch eine echte Bezugsperson für ihn sein MUSS, so wie eine Oma, die oft da ist .....Oft konnte ihn dann nur der Papa beruhigen oder er schrie bis ich wieder da war.
Und wenn sie dann nach Hause ging wurde es erst richtig schlimm, dann kam natürlich die schlimmste Schreizeit. Wir wollten Abendessen und der Kleine schrie. Wie oft habe ich meinen Mann alleine beim Essen sitzen lassen und bin mit dem Kleinen im Tragetuch rausgegangen weil es meinen Mann irgendwann auch aggressiv gemacht hat - kein Essen ohne Geschrei möglich. In der Zeit habe ich dann auch wieder angefangen zu rauchen. Das war mein einziger Anker zu meinem früheren Leben.
Ich hatte abends keine Geduld den Kleinen zum schlafen zu bringen. Das hat relativ früh mein Mann übernommen und das hat immer bis zu einer Stunde gedauert. Dann schlief er gottseidank bis auf einige schlimme Phasen in der Nacht von Anfang an gut, und das ist glücklicherweise bis heute so geblieben ausser wenn er krank oder sonstwie aufgeregt ist sonst wäre ich vermutlich schon nicht mehr hier.
Aber in diesen schlechten Nachtschlafphasen sind Dinge passiert über die ich bis heute mit niemandem reden konnte. Ich konnte das nichtmal den Therapeuten erzählen (hatte 2 mal Therapie begeonnen, aufgrund von Zeitmangel bzw. dem Gefühl es bringt mir nix, wieder abgebrochen).
Ich brauche meinen Schlaf, ich habe schon immer aggressiv reagiert wenn mein Schlaf gestört wurde. Keine Ahnung warum das so ist. Das hätte mich eigentlich schon warnen sollen Mutter zu werden.
Anfangs ging es noch, als es nur ums Füttern ging. Er bekam seine Flasche und hat weitergeschlafen, ich konnte auch zügig wieder einschlafen. Aber dann kamen die schlechten Nächte. Aufwachen nach 2 Stunden, schreien, sich nicht beruhigen lassen, Pavor Nocturnus, Alpträume, keine Ahnung was. Bis zu zwei Stunden lang, jede Nacht. Das war in der Phase wo wir gebaut haben und dann umgezogen sind. In der Endphase war es am schlimmsten, zum Umzug selbst hat er in der Nacht davor und 2 Tage lang erbrochen, ohne ersichtliche Ursache.
Nach einigen dieser Nächte war ich sowas von fertig und aggressiv. Manchmal habe ich ihn aus seinem Bett gerissen und in mein Bett – ja regelrecht hingeschmissen. Mit Gewalt. Einmal war es so schlimm dass ich ihm ein Kissen aufs Gesicht gedrückt hatte. Ich konnte und wollte nicht mehr. Mein Mann schlief im Keller im Gästezimmer und hat von den Dramen oft nichts mitbekommen. Von diesen Episoden weiss er auf jeden Fall nichts. Ich war gottseidank immer „vernünftig?“ genug ihm nicht wirklich etwas anzutun. Aber allein das. Und so oft diese schlimmen Gedanken. Ich will dass er nicht mehr da ist. Ich will mein altes Leben zurück. Nach solchen Nächten bin ich oft nachmittags im Auto rumgefahren, oft mit ihm in der Babyschale weil das eine Zeitlang die einzige Art war wie er am Tag zum schlafen zu bringen war. Was habe ich sinnlose Kilometer mit diesem Kind gefahren. Und oft der Gedanke, jetzt einfach die Augen zumachen und Gas geben und weiterfahren und dann ist endlich alles vorbei.
Anfangs hatte ich oft das Gefühl ich finde überhaupt keinen „Draht“ zu ihm. Ich hatte und habe so ambivalente Gefühle und Gedanken. Ich liebe ihn natürlich und bin stolz auf ihn. Aber ich bin auch genervt und schimpfe und schreie ihn viel an. Anfangs hatte ich eher den Gedanken es mit einer Sache zu tun zu haben als mit einem Menschen. Jemand der nicht mit mir reden kann, den ich nicht verstehe, der nicht verständlich machen kann was er will und braucht – das ist irgendwie keine richtige „Person“ für mich. Versteht jemand was ich meine? Ich hatte oft das Gefühl keine Intuition und kein Bauchgefühl zu haben was den Umgang mit ihm angeht. Da liegt sicher einiges in meiner Kindheit vergraben – ich hatte eigentlich keine Mutter im wirklichen Sinn die für mich da war. Ich hatte Ernährer, zwei Menschen die mit sich selbst Probleme hatten, zu jung waren, ich wurde viel geschlagen und eher „dressiert“ als erzogen. Aber ich denke so wurden früher viele Kinder erzogen und es ist auch was vernünftiges draus geworden. Mein Mann ist da ganz anders, er hatte eine liebevolle Mutter und weiss viel öfter als ich was zu tun ist. Aber leider hat er durch seine Arbeit nicht so viel Zeit und so läuft sicher vieles was ich mit meinem Sohn gemacht habe und mache, falsch.
Ich bin ein Kopfmensch. Ich bin ein starker Rhetoriker. Ich brauche den Austausch über Reden oder Schreiben. Erschwert wurde alles durch eine Sprachentwicklungsstörung die er hat. Wir gehen jetzt seit beinahe einem Jahr in die Logopädie und es wird besser. Anstelle von Intuition und Bauchgefühl habe ich Ratgeber über Ratgeber gelesen und versucht vieles über den Kopf zu lösen. Probleme sind dazu da gelöst zu werden. Aber so funktioniert das mit Kind halt leider nicht. Ratgeber widersprechen sich. Der eine sagt so, der andere so.
Nach dem Umzug hat er dann auch noch plötzlich seine Nanny komplett abgelehnt. Wir haben dann eine Zeitlang Pause gemacht bzw. sie kam nur einmal die Woche nachmittags damit ich mal einen Arzttermin machen kann oder zum Friseur. Nach und nach wurde das Verhältnis besser und oh Wunder – es klappte sogar dass er mit zu ihr nach Hause ging, erst nur über Tag, dann sogar mit Übernachtung. Gegen Ende Sommer forderte er dann sogar zweimal Übernachtung bei ihr ein und fühlte sich total wohl dort. Sie beschäftig sich natürlich viel mit ihm wohingegen er bei mir halt „mitlaufen“ muss damit ich mein Zeug geregelt bekomme. Dadurch ging es mir diesen Sommer über mir dann ganz gut, wir hatten relativ regelmässig einen Tag und eine Nacht in der Woche wo man mal was für sich tun konnte, mal wieder abends essen gehen, mal einen ganzen Film ansehen und nicht nur eine Serienepisode. Leider wurde unsere Nanny aber im Frühjahr schwanger und so war ein Ende der guten Zeit abzusehen.
Nun geht er seit Mitte September in den Kindergarten (zu dem Thema schreibe ich noch separat). Ich brauche Entlastung und er braucht endlich Kontakt mit anderen Kindern. Aber es ist eine einzige Katastrophe, Stress pur und es geht mir furchtbar an die Nerven und ich merke wie ich wieder frustriert und aggressiv werde und dauernd grundlos heulend dasitze. Er will nicht hin. Er hat scheinbar keinen Spass dort. Er lässt mich nicht gehen. Er klammert. Er blieb nichtmal mehr bei seiner geliebten Nanny. Nachts hat er Träume und schläft unruhig. Er ist dauernd krank. Das kann ich gar nicht aushalten. Ich funktioniere grade eben so wenn alles super läuft. Wenn irgendwas aussergewöhliches kommt, geht es gar nicht mehr. Und von meinem Mann kommen dann nur Sätze wie „Jetzt reiss Dich mal zusammen“, „Kannst Du mal Deine Laune ändern“.
Für mich herrscht eine ziemlich unerträgliche Atmosphäre bei uns. Kaum Spass und Lachen. Keine Spontaneität. Nur funktionieren und Pflichten. Dadurch dass er Schreikind und so reizbar war, haben wir auf einen extrem geregelten Tagesablauf geachtet und er fordert das auch ein und wir haben Tausend Rituale wie etwas ablaufen muss. Aber dadurch bleibt so wenig Raum für Spontanes. Und ich sitze oft da und heule und denke, da draussen läuft das Leben ab – ohne mich. Und dann sein Geklammere. Ich brauche Freiraum – hätte schon keinen Mann ertragen können der klammert. Und jetzt das. Gefühlte Tausend Mal am Tag, wenn ich den Raum verlasse ruft es nach 3 Sekunden: Mama !! Kommst Du gleich wieder? Ganz schlimm jetzt seit dem Kindergartenstart.
Irgendwann in dieser Zeit stand dann die Diagnose PPD im Raum. Es war interessanterweise mein Mann der anfing im Internet zu suchen weil ich mich so negativ verändert habe. Ich bin nicht mehr die Frau die er geheiratet hat. Ich kann mich zu immer weniger aufraffen. In den seltenen Momenten die ich dann tatsächlich für mich habe, weiss ich nichts damit anzufangen. Ich mag nichtmal mehr reden, schon Telefonate zu Terminvereinbarungen fallen mir schwer. Ich bekomme keinen Kontakt zu Nachbarn oder anderen Müttern aus dem Kindergarten. Ich habe das Gefühl die „riechen“ meine Probleme und wollen nichts mit mir zu tun haben.
Ich habe dann eine Therapie angefangen, hab es aber wieder abgebrochen da ich dauernd Termine absagen musste weil wieder irgendwas mit dem Kind war. Später habe ich mal einen Termin mit einer Psychiaterin gemacht. Die hat mir Cipralex verschrieben. Ich hatte so schlimme Nebenwirkungen dass ich meine Tage überhaupt nicht mehr bewältigen konnte. Aber ich musste funktionieren. Also habe ich das wieder abgebrochen. Viel später ein zweiter Versuch mit Therapie. Da hatte ich das Gefühl es bringt mir nichts. Ich konnte mich auch nicht richtig öffnen, konnte die wirklichen Probleme nicht aussprechen. Da hat wohl auch die Chemie nicht gestimmt.
Es war immer mein Mann der mich schubsen musste überhaupt was anzufangen. Aber wirklich reinfühlen in meine Situation kann er sich natürlich nicht. Und so langsam habe ich das Gefühl es nervt ihn nur noch. Er würde mich vermutlich nicht verlassen, dafür ist er zu pflichtbewusst. Er würde seinem Sohn nicht die Mutter wegnehmen. Aber glücklich ist hier in diesem Haus niemand mehr.
Und in mir immer diese Unsicherheit. Wie viel habe ich kaputt gemacht? Ist das jemals zu reparieren? Ist unsere Bindung in Ordnung? Ich sehe ja jetzt schon wie er mich spiegelt. Aggression, reagiert nur auf „Befehle“, auf lautes Schimpfen, auf Drohungen. Andererseits ist er so vernünftig. Man kann mit ihm viele Dinge verhandeln. Er ist empathisch und hilfsbereit. Aber für mich eben immer noch oft ein Rätsel und ich weiss nicht was ich tun und wie ich reagieren soll. Und er hat Ängste. Trennungsängste vor allem. Ich weiss nicht woher das kommt und ob das irgendwann mal besser wird. Mein Mann und ich sind uns uneinig wie wir das Kindergartenthema weiter angehen sollen.
Das ist auch der Grund warum es mir jetzt nach dem ganz guten Sommer wieder schlechter geht und ich mich endlich endlich mal hier im Forum angemeldet habe.
Ich brauche in irgendeiner Form Austausch und Rat und muss auch wissen dass ich nicht die Einzige und alleine bin.
Viele Grüsse,
die graue Maus
ich möchte mich gerne bei euch vorstellen. Ich weiss nicht ob es ok ist so einen langen „Roman“ in der Vorstellungsrunde einzustellen. Ich schreibe diesen Beitrag über mehrere Tage, weil ich versuchen muss dem Gedankenchaos Herr zu werden und mir mal alles von der Seele zu schreiben was ich sonst niemandem erzählen kann.
Ich bin eine sehr späte Mutter, aber mein Sohn ist ein absolutes Wunschkind (nach mehreren Fehlgeburten per Xter IVF entstanden und beinahe wieder schiefgegangen, also schon sehr sorgenbelastete Schwangerschaft) und umso weniger verstehe ich mich und mein Verhalten.
Die Geburt war aufgrund der Vorgeschichte ein geplanter Kaiserschnitt und damit fing das Drama an. Er hatte Anpassungsprobleme und kam 2 Tage und Nächte in die Neonatologie. Ich hatte keine Milch, lag die erste Nacht alleine in einem Zimmer und bekam eine Milchpumpe hingestellt. Nach einigen Versuchen immer noch keine Milch dafür schon wunde schmerzende Brustwarzen. Der Kleine wurde in der Neo sofort zugefüttert. Ich hatte keine Chance mit der Milchproduktion hinterherzukommen. Am 3. Tag kam er dann zu mir und ich hatte Angst ihn richtig anzufassen, ihn nackt auf mich zu legen etc., ich hatte auch gleich das Gefühl er will am liebsten seine Ruhe und alleine schlafen.
Zuhause ging das Drama dann richtig los. Ich hatte Harnwegsinfekt und musste AB nehmen, dadurch konnte ich wieder nicht stillen, musste pumpen und die Milch wegwerfen und meine Tage vergingen frustriert zwischen Kind füttern, abpumpen, Kind füttern, abpumpen. Dann nochmal AB und gar nichts ging mehr mit stillen. Wahrscheinlich hat er da schon meine Frustration gespürt, ich hatte irgendwie gar kein Gefühl für ihn und nach zwei Wochen ging das Geschrei los. Er war ein richtiges Schreikind, konnte tagsüber nicht in den Schlaf finden. Nach 5 Wochen war ich ein Nervenbündel, lief mittags um 4 noch im Nachthemd und ungewaschen rum, konnte im Haushalt nichts machen.
Ich hatte mir eingebildet das Kind würde nicht so viel in meinem Leben verändern. Ich wollte dass sich das Kind mir und meinem Rhytmus anpasst. Das Gegenteil war natürlich der Fall und es dauerte sehr sehr lange bis ich diese Tatsache einigermassen und ohne zu grosse Aggression akzeptieren konnte. Manchmal fällt es mir heute noch schwer wenn ich etwas nicht machen kann weil das Kind wieder mal andere Pläne hat und ich reagiere sehr aggresiv.
Er hat das erste Jahr praktisch nur im Tragetuch oder sonstwie an meinem Körper geschlafen. Wenn er dann wach war und ich mich eigentlich mit ihm beschäftigen sollte war ich so ausgepowert und frustriert dass ich nur meine Ruhe haben wollte und mal ein paar Minuten was für mich tun. Also habe ich in der Zeit vermieden mit ihm wirklich Kontakt aufzunehmen sondern war froh wenn er endlich mal still neben mir lag und sich mit irgendwas beschäftigte.
Er war extrem reizbar und schreckhaft. Einen Briefumschlag aufreissen – Gebrüll. Staubsauger anmachen – Gebrüll. Ich konnte praktisch das erste Jahr nicht mit ihm ausser Haus ausser im Tragetuch ganz ruhig spazierengehen. Ja kein Rhythmuswechsel oder mal bücken. Von wegen Haushalt machen mit Baby im Tragetuch. Im Kinderwagen – Gebrüll. Der erste Versuch mit ihm einkaufen zu gehen – Desaster. Was war ich neidisch auf Mütter im Laden deren Kinder friedlich im Kinderwagen zwischen den Regalen schliefen. Oder die im Sommer sogar im Strassencafe sassen, Kind friedlich im Kinderwagen, Mutter zufrieden plaudernd. Das einzige was ging war autofahren im Maxi-Cosi ohne Ziel.
Dazu kam dass er zunächst nichts von dem mochte was Babyratgeber so zur Beruhigung empfehlen. Babymassage, Streicheln? Fehlanzeige. Wütendes Gebrüll, steifmachen. Selbst wenn ich ihn ins Tragetuch genommen habe hat er zunächst geschrieen und sich erst nach einiger Zeit beruhigt.
Ich habe mich immer nur mit dem Gedanken aufrechtgehalten – nach drei Monaten wird es besser. Wenn er erstmal krabbeln kann, wird es besser. Wenn er erstmal laufen kann wird es besser. Wenn er erstmal alle Zähne hat wird es besser. Wenn er erstmal reden kann wird es besser.
Schlimm war für mich auch dass mein Mann von anfang an einfach sein Leben weitergelebt hat wie bisher. Klar hat er versucht mich zu unterstützen aber mir war das nie genug. Klar musste er arbeiten, aber ich war oft unendlich neidisch auf sein Leben. Er kann nach wie vor jeden Morgen duschen, frühstücken, zur Arbeit gehen., mit normalen Menschen über normale Dinge reden.
Ich hatte mehr und mehr das Gefühl für mich selbst überhaupt keine Zeit mehr zu haben. Nur noch Kind und funktionieren. Kein eigenes Leben mehr.
Wir haben überhaupt keine Familie in der Nähe und durch mehrere Umzüge auch keine Freunde oder sozialen Kontakte. Mein Mann braucht das auch nicht, er ist mit sich alleine zufrieden, war schon immer so. Ich vereinsame hingegen. Wir haben dann relativ früh eine Nanny gesucht die täglich nachmittags 4 Stunden ins Haus kam. Das hört sich eigentlich toll an. Jeden nachmittag 4 Stunden Zeit für mich. Aber erstens wollte der Kleine natürlich lieber zu mir sodass sie oft meinen Haushalt erledigt hat und ich das Kind hatte. Oder ich hab mich mit schlechtem Gewissen weggeschlichen und er hat meistens geschrieen wenn ich nicht da war obwohl ich versucht habe mir einzureden dass sie doch eine echte Bezugsperson für ihn sein MUSS, so wie eine Oma, die oft da ist .....Oft konnte ihn dann nur der Papa beruhigen oder er schrie bis ich wieder da war.
Und wenn sie dann nach Hause ging wurde es erst richtig schlimm, dann kam natürlich die schlimmste Schreizeit. Wir wollten Abendessen und der Kleine schrie. Wie oft habe ich meinen Mann alleine beim Essen sitzen lassen und bin mit dem Kleinen im Tragetuch rausgegangen weil es meinen Mann irgendwann auch aggressiv gemacht hat - kein Essen ohne Geschrei möglich. In der Zeit habe ich dann auch wieder angefangen zu rauchen. Das war mein einziger Anker zu meinem früheren Leben.
Ich hatte abends keine Geduld den Kleinen zum schlafen zu bringen. Das hat relativ früh mein Mann übernommen und das hat immer bis zu einer Stunde gedauert. Dann schlief er gottseidank bis auf einige schlimme Phasen in der Nacht von Anfang an gut, und das ist glücklicherweise bis heute so geblieben ausser wenn er krank oder sonstwie aufgeregt ist sonst wäre ich vermutlich schon nicht mehr hier.
Aber in diesen schlechten Nachtschlafphasen sind Dinge passiert über die ich bis heute mit niemandem reden konnte. Ich konnte das nichtmal den Therapeuten erzählen (hatte 2 mal Therapie begeonnen, aufgrund von Zeitmangel bzw. dem Gefühl es bringt mir nix, wieder abgebrochen).
Ich brauche meinen Schlaf, ich habe schon immer aggressiv reagiert wenn mein Schlaf gestört wurde. Keine Ahnung warum das so ist. Das hätte mich eigentlich schon warnen sollen Mutter zu werden.
Anfangs ging es noch, als es nur ums Füttern ging. Er bekam seine Flasche und hat weitergeschlafen, ich konnte auch zügig wieder einschlafen. Aber dann kamen die schlechten Nächte. Aufwachen nach 2 Stunden, schreien, sich nicht beruhigen lassen, Pavor Nocturnus, Alpträume, keine Ahnung was. Bis zu zwei Stunden lang, jede Nacht. Das war in der Phase wo wir gebaut haben und dann umgezogen sind. In der Endphase war es am schlimmsten, zum Umzug selbst hat er in der Nacht davor und 2 Tage lang erbrochen, ohne ersichtliche Ursache.
Nach einigen dieser Nächte war ich sowas von fertig und aggressiv. Manchmal habe ich ihn aus seinem Bett gerissen und in mein Bett – ja regelrecht hingeschmissen. Mit Gewalt. Einmal war es so schlimm dass ich ihm ein Kissen aufs Gesicht gedrückt hatte. Ich konnte und wollte nicht mehr. Mein Mann schlief im Keller im Gästezimmer und hat von den Dramen oft nichts mitbekommen. Von diesen Episoden weiss er auf jeden Fall nichts. Ich war gottseidank immer „vernünftig?“ genug ihm nicht wirklich etwas anzutun. Aber allein das. Und so oft diese schlimmen Gedanken. Ich will dass er nicht mehr da ist. Ich will mein altes Leben zurück. Nach solchen Nächten bin ich oft nachmittags im Auto rumgefahren, oft mit ihm in der Babyschale weil das eine Zeitlang die einzige Art war wie er am Tag zum schlafen zu bringen war. Was habe ich sinnlose Kilometer mit diesem Kind gefahren. Und oft der Gedanke, jetzt einfach die Augen zumachen und Gas geben und weiterfahren und dann ist endlich alles vorbei.
Anfangs hatte ich oft das Gefühl ich finde überhaupt keinen „Draht“ zu ihm. Ich hatte und habe so ambivalente Gefühle und Gedanken. Ich liebe ihn natürlich und bin stolz auf ihn. Aber ich bin auch genervt und schimpfe und schreie ihn viel an. Anfangs hatte ich eher den Gedanken es mit einer Sache zu tun zu haben als mit einem Menschen. Jemand der nicht mit mir reden kann, den ich nicht verstehe, der nicht verständlich machen kann was er will und braucht – das ist irgendwie keine richtige „Person“ für mich. Versteht jemand was ich meine? Ich hatte oft das Gefühl keine Intuition und kein Bauchgefühl zu haben was den Umgang mit ihm angeht. Da liegt sicher einiges in meiner Kindheit vergraben – ich hatte eigentlich keine Mutter im wirklichen Sinn die für mich da war. Ich hatte Ernährer, zwei Menschen die mit sich selbst Probleme hatten, zu jung waren, ich wurde viel geschlagen und eher „dressiert“ als erzogen. Aber ich denke so wurden früher viele Kinder erzogen und es ist auch was vernünftiges draus geworden. Mein Mann ist da ganz anders, er hatte eine liebevolle Mutter und weiss viel öfter als ich was zu tun ist. Aber leider hat er durch seine Arbeit nicht so viel Zeit und so läuft sicher vieles was ich mit meinem Sohn gemacht habe und mache, falsch.
Ich bin ein Kopfmensch. Ich bin ein starker Rhetoriker. Ich brauche den Austausch über Reden oder Schreiben. Erschwert wurde alles durch eine Sprachentwicklungsstörung die er hat. Wir gehen jetzt seit beinahe einem Jahr in die Logopädie und es wird besser. Anstelle von Intuition und Bauchgefühl habe ich Ratgeber über Ratgeber gelesen und versucht vieles über den Kopf zu lösen. Probleme sind dazu da gelöst zu werden. Aber so funktioniert das mit Kind halt leider nicht. Ratgeber widersprechen sich. Der eine sagt so, der andere so.
Nach dem Umzug hat er dann auch noch plötzlich seine Nanny komplett abgelehnt. Wir haben dann eine Zeitlang Pause gemacht bzw. sie kam nur einmal die Woche nachmittags damit ich mal einen Arzttermin machen kann oder zum Friseur. Nach und nach wurde das Verhältnis besser und oh Wunder – es klappte sogar dass er mit zu ihr nach Hause ging, erst nur über Tag, dann sogar mit Übernachtung. Gegen Ende Sommer forderte er dann sogar zweimal Übernachtung bei ihr ein und fühlte sich total wohl dort. Sie beschäftig sich natürlich viel mit ihm wohingegen er bei mir halt „mitlaufen“ muss damit ich mein Zeug geregelt bekomme. Dadurch ging es mir diesen Sommer über mir dann ganz gut, wir hatten relativ regelmässig einen Tag und eine Nacht in der Woche wo man mal was für sich tun konnte, mal wieder abends essen gehen, mal einen ganzen Film ansehen und nicht nur eine Serienepisode. Leider wurde unsere Nanny aber im Frühjahr schwanger und so war ein Ende der guten Zeit abzusehen.
Nun geht er seit Mitte September in den Kindergarten (zu dem Thema schreibe ich noch separat). Ich brauche Entlastung und er braucht endlich Kontakt mit anderen Kindern. Aber es ist eine einzige Katastrophe, Stress pur und es geht mir furchtbar an die Nerven und ich merke wie ich wieder frustriert und aggressiv werde und dauernd grundlos heulend dasitze. Er will nicht hin. Er hat scheinbar keinen Spass dort. Er lässt mich nicht gehen. Er klammert. Er blieb nichtmal mehr bei seiner geliebten Nanny. Nachts hat er Träume und schläft unruhig. Er ist dauernd krank. Das kann ich gar nicht aushalten. Ich funktioniere grade eben so wenn alles super läuft. Wenn irgendwas aussergewöhliches kommt, geht es gar nicht mehr. Und von meinem Mann kommen dann nur Sätze wie „Jetzt reiss Dich mal zusammen“, „Kannst Du mal Deine Laune ändern“.
Für mich herrscht eine ziemlich unerträgliche Atmosphäre bei uns. Kaum Spass und Lachen. Keine Spontaneität. Nur funktionieren und Pflichten. Dadurch dass er Schreikind und so reizbar war, haben wir auf einen extrem geregelten Tagesablauf geachtet und er fordert das auch ein und wir haben Tausend Rituale wie etwas ablaufen muss. Aber dadurch bleibt so wenig Raum für Spontanes. Und ich sitze oft da und heule und denke, da draussen läuft das Leben ab – ohne mich. Und dann sein Geklammere. Ich brauche Freiraum – hätte schon keinen Mann ertragen können der klammert. Und jetzt das. Gefühlte Tausend Mal am Tag, wenn ich den Raum verlasse ruft es nach 3 Sekunden: Mama !! Kommst Du gleich wieder? Ganz schlimm jetzt seit dem Kindergartenstart.
Irgendwann in dieser Zeit stand dann die Diagnose PPD im Raum. Es war interessanterweise mein Mann der anfing im Internet zu suchen weil ich mich so negativ verändert habe. Ich bin nicht mehr die Frau die er geheiratet hat. Ich kann mich zu immer weniger aufraffen. In den seltenen Momenten die ich dann tatsächlich für mich habe, weiss ich nichts damit anzufangen. Ich mag nichtmal mehr reden, schon Telefonate zu Terminvereinbarungen fallen mir schwer. Ich bekomme keinen Kontakt zu Nachbarn oder anderen Müttern aus dem Kindergarten. Ich habe das Gefühl die „riechen“ meine Probleme und wollen nichts mit mir zu tun haben.
Ich habe dann eine Therapie angefangen, hab es aber wieder abgebrochen da ich dauernd Termine absagen musste weil wieder irgendwas mit dem Kind war. Später habe ich mal einen Termin mit einer Psychiaterin gemacht. Die hat mir Cipralex verschrieben. Ich hatte so schlimme Nebenwirkungen dass ich meine Tage überhaupt nicht mehr bewältigen konnte. Aber ich musste funktionieren. Also habe ich das wieder abgebrochen. Viel später ein zweiter Versuch mit Therapie. Da hatte ich das Gefühl es bringt mir nichts. Ich konnte mich auch nicht richtig öffnen, konnte die wirklichen Probleme nicht aussprechen. Da hat wohl auch die Chemie nicht gestimmt.
Es war immer mein Mann der mich schubsen musste überhaupt was anzufangen. Aber wirklich reinfühlen in meine Situation kann er sich natürlich nicht. Und so langsam habe ich das Gefühl es nervt ihn nur noch. Er würde mich vermutlich nicht verlassen, dafür ist er zu pflichtbewusst. Er würde seinem Sohn nicht die Mutter wegnehmen. Aber glücklich ist hier in diesem Haus niemand mehr.
Und in mir immer diese Unsicherheit. Wie viel habe ich kaputt gemacht? Ist das jemals zu reparieren? Ist unsere Bindung in Ordnung? Ich sehe ja jetzt schon wie er mich spiegelt. Aggression, reagiert nur auf „Befehle“, auf lautes Schimpfen, auf Drohungen. Andererseits ist er so vernünftig. Man kann mit ihm viele Dinge verhandeln. Er ist empathisch und hilfsbereit. Aber für mich eben immer noch oft ein Rätsel und ich weiss nicht was ich tun und wie ich reagieren soll. Und er hat Ängste. Trennungsängste vor allem. Ich weiss nicht woher das kommt und ob das irgendwann mal besser wird. Mein Mann und ich sind uns uneinig wie wir das Kindergartenthema weiter angehen sollen.
Das ist auch der Grund warum es mir jetzt nach dem ganz guten Sommer wieder schlechter geht und ich mich endlich endlich mal hier im Forum angemeldet habe.
Ich brauche in irgendeiner Form Austausch und Rat und muss auch wissen dass ich nicht die Einzige und alleine bin.
Viele Grüsse,
die graue Maus