Ein Hallo von mir – Geburtstrauma

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Mia

Ein Hallo von mir – Geburtstrauma

Beitrag von Mia »

Hallo allerseits,

ich lese schon einige Zeit mit und überlege, ob und was ich euch hier schreibe.
Zuerst einmal: Hallo – es freut mich, das Forum gefunden zu haben und dass hier so viele ihre Geschichten teilen und beistehen.

Vor 16 Monaten bin ich zum ersten Mal Mutter geworden – die Schwangerschaft war wunderschön und komplikationslos. Schon während der Latenzphase waren die Herztöne unserer Tochter auffällig, es gab also Kaiserschnitt-Aufklärungsgespräche mit Ärztin und Anästhesist. Ich hatte aber das Gefühl, dass alles in Ordnung wäre bzw. habe nicht verstanden, wo das Problem liegt, weil sich die Herztöne in meinem Empfinden (deckte sich auch mit unserer Beobachtung des CTGs) nach der Wehe wieder erholten. Ich glaube inzwischen, dass das CTG meine Wehen anders aufgezeichnet hat, wie ich sie verspürt habe und es daher so ausgesehen hat, als ob sich die Herztöne erst verzögert nach der Wehe verbesserten.

Long story short – irgendwann im Laufe dieser Aufklärungsgespräche war mir nicht gut, ich hätte dringend auf die Toilette müssen, habe das Bedürfnis aber nicht ernst (genug) genommen, weil ich die Ärzte nicht unterbrechen wollte und es auch falsch eingeschätzt habe. Die Situation (Übelkeit, Aufklärungsgespräch, Sorge wegen der Herztöne und Durst, aber keine Möglichkeit zu trinken) hat mich zusehends überfordert, mir regelrecht die Luft zum Atmen genommen und der Anästhesist hat leider nur festgestellt, dass es ihm Leid tue, dass er es gerade nur schlimmer mache, ich ja immer weißer werde und er mir lauter Sachen erzähle, die ich jetzt nicht hören möchte. Und während ich immer weißer wurde, wurde er mit der Aufklärung immer schneller, betete die Risiken herunter (die ich im Grunde kannte, aber besser gemacht hat es es nicht), mir wurde immer übler und die Herztöne von unserem Knödel entwickelten sich wirklich katastrophal. Das war der Zeitpunkt, wo ich ihn unterbrochen habe, weil es „jetzt wirklich nicht mehr geht“, ich eine Infusion bekommen habe, aber gleichzeitig die Ärzte gerufen und sofort der Notknopf aktiviert wurde. Neun Minuten später (also inklusive Vorbereitung auf den OP, „Verlegung“ vom Kreissaal in den OP und Vollnarkose) wurde unsere Tochter per Kaiserschnitt auf die Welt geholt. Zum Glück mit tiptop-Werten.

Physisch ging es mir danach erstaunlich gut. Ich war eine Stunde später wach auf der Wochenbettstation und meine Tochter wurde mir – bis auf die Windel – nackt zum Bonden, Stillen und Kennenlernen gebracht.

Lange habe ich nicht verstanden, wie groß mein Problem wirklich war/ist. Ich war dankbar, froh, dass alles „gut gegangen ist“ und habe die Zeit mit ihr genossen, hatte im Großen und Ganzen super Tage, die ersten Nächte habe ich viel geweint, dann war's für einige Zeit einigermaßen okay. Nach ca. 12 Wochen hat es mich aber eingeholt und zudem hat es mich zunehmend gestresst, dass ich keine Muttergefühle entwickeln konnte und es nicht einmal geschafft habe, „das Baby“ als meine Tochter vorzustellen. Mit dem Kinderwagen hab ich mich gefühlt als ob ich ihn samt Baby gestohlen hätte und ich habe meine Tage damit verbracht, sie anzuschauen und zu üben, ihr zu sagen, dass sie meine Tochter und ich ihre Mama bin. Lange flüsternd und unter Tränen. Ich habe es nicht über die Lippen gebracht, dass sie geboren wurde, sondern „sie kam auf die Welt“. Auch wenn ich weiß und absolut fühle, dass ein Kaiserschnitt ein (zur vaginalen Geburt gleichwertiger) Geburtsmodus ist. Es ging/geht viel mehr darum, dass ich in meinem Empfinden nie geboren habe. Es ging so schnell, es war absolut fremdbestimmt, keinerlei Kontrolle oder Wahlmöglichkeit, viel Angst, um nicht zu sagen Panik und von der OP selber und unserem Mädchen direkt nach der Geburt habe ich gar nichts mitbekommen. Bis heute habe ich unsere Tochter nicht mit meiner Schwangerschaft verknüpft. Man hat mir „ein“ bezauberndes, kleines Mädchen gebracht, von dem ich von vorneherein fasziniert war und für das ich inzwischen auch starke Muttergefühle habe, das ich zu tiefst liebe. Aber ich habe immer noch das Gefühl, dass meiner Tochter und mir etwas fehlt. Es holt mich immer wieder ein, es ist für mich kaum greifbar und ich habe keine Idee, was helfen kann. Am ehesten würde ich sagen, ist es das Gefühl, dass uns die stärkende Basis bzw. unser positive Start fehlt. Das Gefühl, dass unsere Bindung wunderbar passt, aber der Bindungstank (meiner?) irgendwie nicht so gefüllt ist, dass ich in Momenten, in denen es nicht so gut läuft, darauf zurückgreifen kann. Und die Erfahrung hat mich erschüttert und ich habe wohl noch nicht wieder ganz zu mir gefunden.

Ich habe Tage, da kann ich unsere Geschichte inzwischen so gut annehmen, dass ich absolut überzeugt bin, dass es jetzt okay ist. Und dann trifft es mich wieder – fast immer alleine abends bzw. nachts oder sobald ich tiefer auf unsere Geburt und die Bindungsprobleme danach eingehe. Dann weine ich für einige Tage, manchmal Wochen jeden Abend und fühle mich getrieben (auch tagsüber), mich aktiv mit dem Thema Geburt (unserer und allgemein) auseinander zu setzen, Geburtsberichte zu lesen, zu recherchieren, zu planen was beim „nächsten Mal“ anders laufen sollte. Und in solchen Momenten sauge ich traurige Geschichten und Erfahrungsberichte auf, die mich die Verbindung und Liebe zu meiner Tochter richtig tief spüren lassen.

Gespräche mit einer auf Geburtstrauma spezialisierten Psychologin haben mir schon viel gebracht – aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich so nur bis zu einem gewissen Punkt komme.

Falls jemand von euch ähnliche Erfahrungen gemacht hat bzw. ähnliche Themen hat, würde es mich ein Austausch sehr freuen. Und auch sonst bin ich für Ideen und Anregungen sehr offen.

Alles Liebe,
Mia
Löwenmutter

Re: Ein Hallo von mir – Geburtstrauma

Beitrag von Löwenmutter »

Liebe Mia,

du erzählst hier deine Kaiserschnitt Geschichte die meine sein könnte. Alles was du sagst kann ich so nachfühlen weil ich es genau so gefühlt habe.
Meine Tochter ist jetzt 4 Jahre alt und ich kann jetzt endlich sagen, dass mir der Kaiserschnitt egal ist. Uns verbindet nun so viel mehr als die verlorene Geburt. Es ist auch endlich so, dass die glückliche natürliche Schwangerschaft zu diesem Kind gehört. Das hat auch bei mir lange nicht gestimmt im Kopf. Als sie etwa 2,5 Jahre alt war konnte ich mir zu ersten Mal Babyfotos angucken und rückblickend hat es so gut getan. Auf den Fotos habe ich meinen bunt bemalten Bauch gesehen, mein stillkind in Stoffwindeln und mich als Mama mit Baby und Tragetuch, mein Baby auf der Decke unter dem Apfelbaum und die großen Geschwister die nackig um das Baby rumgehüpft sind. Irgendwie habe ich da erst erkannt wie klein das Ereignis Kaiserschnitt eigentlich ist....
Meine Tochter weiß auch seit einigen Wochen, dass die Narbe auf dem Bauch ihre Geburtsnarbe ist. Auch diesen Moment habe ich mir viel schlimmer vorgestellt. Sie hat ihrer Freundin erzählt, dass sie durch den Bauch geboren ist und hat nie infrage gestellt, dass sie geboren wurde. Das hat mir so gut getan.

Entschuldige, jetzt habe ich viel von mir erzählt. Aber ich hoffe es tut dir gut zu lesen, dass der Schmerz verblasst.
Alles gute für dich und deine kleine Familie
Nora
Mia

Re: Ein Hallo von mir – Geburtstrauma

Beitrag von Mia »

Hallo Nora,

Nachdem ich seit einiger Zeit das Gefühl habe festzustecken und mich manchmal frage, ob ich diese Trauer und Trigger irgendwann wieder hinter mir lassen kann, ist es genau das, was im Moment gut tut: Erfahrungen anderer zu lesen. Ob sie nicht, zum Teil oder ganz verarbeitet sind – schon die Erkenntnis mit den Empfindungen nicht alleine zu sein, tut einfach gut. Umso schöner und ermutigender zu lesen, dass du es schon geschafft hast, Frieden mit dem Kaiserschnitt zu finden und die glückliche Schwangerschaft genauso zu integrieren. Also, ein ganz aufrichtiges Dankeschön an dich für das Teilhaben-Lassen an deinen Erfahrungen!

Alles Liebe
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