Hallo in die Runde

[vreni86]

hallo ihr lieben,

bin neu hier !

ein paar worte zu mir:
bin 36 jahre alt und habe vor zwei Monaten meine Tochter zur Welt gebracht. Zuvor hatte ich drei Fehlgeburten darunter zwei Blasenmolen. Gleich zur Geburt habe ich bemerkt, dass bei mir etwas nicht stimmt. Nach ein paar Wochen heftigen Zwangsgedanken, totale Leere, Suizid Gedanken, auch gegenüber meinem Kind und ständige Weinkrämpfe, suchte ich mir Hilfe. Letztendlich war die Empfehlung, stationär zu gehen. Ich war fünf Wochen in einer stationären Einrichtung. Seit drei Wochen bin ich wieder zu Hause, ich nehme Sertralin 175 mg und je nach Bedarf Lorazepam oder Pimpamperon.
Meine größte Sorge ist nie wieder aus diesem Loch heraus zu kommen und dass ich bei mir keine richtige Muttergefühle einstellen.
Die zwangsgedanken stressen mich auch.
Wobei es schon viel besser ist, als vor der Klinik.

Vielleicht habt ihr ein paar nette Worte für mich.

Danke euch
Vreni

[Dodi]

Hi Vreni,

Bin zwar selber noch voll drin in meiner Episode, aber trotzdem will ich dir ein wenig Mut machen.

Ja das wird wieder besser und geht auch vorbei. Aich ich habe schon einzelne Tage wo es besser war. Du bist auch stationär gegangen und hast dadurch schnell professionelle Hilfe an Land geholt. Stationär ist ja etwas wo ich viel zu feige für bin und mich lieber daheim abrackere. (Hab aber auch schlechte Erfahrungen gemacht, andere Geschichte...)

Sertralin nehme ich schon viele Jahre und bin auch bis heute der Meinung, dass es den ganz tiefen Fall verhindert. Leider kein Zaubermittel das für immer alles weg zaubert von der Krankheit, aber das gibt es auch nicht.

Auf das erwartete Mutterglück warte ich auch noch, aber bin aktuell ja auch noch nicht fit....

Wir sind nicht allein. Da draußen sind viele Frauen wie wir, aber behalten diese Krankheit für sich und versuchen das auszusitzen. Lieber Hilfe suchen und einfordern zu aller Wohl als den Schein zu wahren und evtl. einen hohen Preis zu zahlen.

Fühl dich gedrückt.

[vreni86]

hallo dodi,

danke für die lieben worte.
meine größte angst ist, dass sich keine muttergefühle einstellen und ich über die zwangsgedanken die kontrolle verliere.
es ist so anstrengend zu kämpfen.
bin immer froh abends ins Bett zu gehen!
ich fühle mich als hoffnungslosen fall.

grüße vreni

[Dodi]

Das klingt jetzt vielleicht blöd, aber Du bist über etwas froh.

Gerade am Beginn einer Episode ist es häufig so, dass man von Tag zu Tag leben muss. Das ist unter Angst und zwanghaft Gedanken mega schwer. Wenn man aber was hat worauf man sich freuen kann, und wenn es nur der Frieden der Nacht ist in seinem eigenen Bett, dann ist das erstmal die Belohnung für jeden überstandenen Tag.

Geduld gehört auch nicht zu meinen Tugenden. Aus dem Loch kommt aber keiner von uns mit einem großen Sprung, sondern kletternd an der Felswand hängend. Dabei rutscht man auch mal ab.

Schlaf schön, genieße deine Tagesbelohnung.

PS: Ich glaube fest daran dass wir unsere Kinder bald vielleicht sogar noch mehr lieben als andere Mamas. Schon weil wir drum kämpfen mussten.

[Marika]

Hallo Vreni, herzlich Willkommen auch von mir!

Ich finde Dodi hat einen super Vergleich gebracht: aus dieser Krise kommen wir leider nicht mit einem großen Sprung aus dem Loch raus, sondern müssen mühsam Stück für Stück an der teilweise sehr glatten Wand hochklettern... manchmal rutschen wir auch wieder ein Stück zurück. Genau so verläuft diese Erkrankung und das macht sie u.a. so schlimm.

Ich kenne all das sehr gut: Ängste, Zwangsgedanken, Angst dass sich die Muttergefühle nicht einstellen... ich dachte das geht nie weg, ich muss für immer in die Psychoatrie und war überzeugt, dass man mir mein Kind wegnehmen würde. Auch ich hatte massive ZG, es war mein Hauptsymptom und die absolute Hölle. Und natürlich hatte ich schreckliche Angst, die ZG wider allen fachlichen Wissen und Versicherungen meines Psychiaters, doch auszuführen. Nichts davon ist eingetreten, weil ich mir genau wie du, habe helfen lassen. Mit Therapie, Medikamenten, Hilfe aus der Familie bin ich nicht nur gesund geworden, sondern es geht mir heute besser als je zuvor.

Ich musste 4 Monate auf die diese unfassbare Liebe zu meinem Kind warten... aber plötzlich war er da diese Moment, das werde ich mein Leben nicht mehr vergessen. Es war dermaßen intensiv und atemberaubend, wie nichts das ich zuvor erlebt hatte. Es hat unserer Bindung gar nicht geschadet, mein Sohn und ich sind auch heute nach 17 Jahren ein enges Team, verstehen uns blind und sind gefühlsmäßig extrem verbunden.

Dieser Moment wird auch für dich kommen, es braucht aber Zeit. Die Liebe ist da, sie kann nur wegen der Erkrankung nicht in deine Bewusstsein vordringen. Die Medikamente brauchen auch Wochen bis sie richtig wirken... mit 8 Wochen bist du schon gut dabei, das wird aber noch besser. Vielleicht hilft es dir, mal aufzuschreiben was schon besser ist. Und seien es noch so kleine Dinge... was fällt dir da ein?

[vreni86]

hallo marika,

danke für deine nachricht.

heute hat mich meine tochter angelächelt und ich habe fast geweint, so schön war es.
in der nächsten minute habe ich mich gleich wieder hinterfragt, sind das richtige muttergefühle? und habe an dem moment gezweifelt.
die zg sind zwar schon weniger als zu beginn, aber stressen mich noch enorm. ich hasse diese gedanken.
ich will einfach ein normales leben mit meiner tochter führen.
in einem monat fängt mein freund wieder an zu arbeiten.
vor diesem tag habe ich wahnsinnige angst.

vielleicht hast du noch ein paar worte für mich.

danke

[Dodi]

Oh das mit dem Problem mit dem Partner der wieder arbeiten muss hat mich bis Sonntag auch rum getrieben. Ich habe geheult vor Panik, dass er tagsüber für mich nicht mehr greifbar ist.
Wir haben uns zu einem Antrag auf Haushaltshilfe geeinigt. Wenn das mal genehmigt sein sollte und anläuft berichte ich gerne. Ansonsten kann ich zb immer meine Schwiegermutter rufen (wohnt nebenan). Habt ihr jemanden in der Nähe der dir Gesellschaft leisten und damit Sicherheit geben kann?
Denn eins kann ich dir seit Montag sagen. Ich KANN mein Kind versorgen. Gerade morgens fällt mir das schon mal schwer, aber ich weiß ich KANN Hilfe rufen, wenn die Panik mich lähmt. Dieses KANN gibt (zumindest mir) Sicherheit, dass meinem Sohn nichts passieren wird. Ich erwische mich dabei, dass ich ihn bei schlechter Gemütslage sehr mechanisch versorge. Dann zwinge ich mich dazu mit ihm zu reden oder Quatsch zu machen. Keine Ahnung ob er merkt, dass das nur gespielt ist. Das Feedback bei einem Neugeborenen ist ja noch recht mau.

Was ich dir damit sagen will und was mir auch meine Hebamme jedes Mal eintrichtert: Es geht erstmal darum sein Kind adäquat zu versorgen. Das muss nicht perfekt oder schnell sein. Mir sind die Windeln auch schon ausgelaufen, weil es scheinbar Regeln gibt bei der Befestigung einer Windel. Wusste nicht dass man Windelogie hätte studieren müssen.
Mein Sohn brüllt mich dann an, weil ich ihn waschen und umziehen muss. Dann steigt schon mal Panik bei mir auf. Ich atme tief durch, mache weiter und nehme ihn dann hoch an mein Gesicht und halte Seines Wange an Wange mit meinem. Er hört auf und alles ist wieder friedlich.

Ich lerne gerade mein Baby kennen. Ich dachte auch das hätte ich schon größtenteils während der Schwangerschaft. Ich glaube ich habe tief in mir gedacht da gäbe es eine magische Verbindung zwischen Mama und Kind und alles müsste direkt blind klappen. Tja... nein.

Du hast noch 4 Wochen Zeit bis er wieder geht. Er kommt doch sicher abends heim? Übt doch mal einen Tag, dass er nicht da ist. Wie eine Generalprobe. Er kann ja zu einem Kumpel oder so. Ich glaube du wirst überrascht sein was wirklich alles klappt. Ich war es auf jeden Fall und seitdem wird es langsam besser.

Ich wünsche dir ganz viel Vertrauen in deine Fähigkeiten.

[vreni86]

hi dodi,

du kannst so stolz auf dich sein, dein Kind alleine versorgen zu können.
wie kommst du mit dem schlafmangel klar?

am samstag bin ich abends mit meiner tochter alleine, habe schon große angst davor. ich will nur die mutterliebe spüren von der alle sprechen und das die blöden zg aufhören!!!!!

mir graut vor dem tag an dem ich auf mich gestellt bin!!
mein freund hat gesagt er kann in 10 minuten da sein, wenn ich angst bekomme.

[Dodi]

Huhu,

Zum Schlafmangel: Wir haben uns die Nacht in Spät und Frühschicht aufgeteilt. Mir geht es abends ja in der Regel besser und morgens schlecht. Ansonsten versuche ich die Schlafphasen meines Sohnes zu nutzen oder leg mich mit ihm zusammen hin, wenn er nicht gleich schlafen will.

Das hätte ich aber vor einer Woche so noch nicht gekonnt. Deswegen mach dir keinen Stress, wenn das so gerade nicht geht bei dir.
Vielleicht kannst du mit jemanden der später immer greifbar wäre eine Zeit unter der Woche ausmachen wo die Kleine 2h hin kann und du schlafen kannst? Eine Freundin, Oma, Tante? Wir sind ja fast alle strukturierte Kontrollfreaks, mir gibt das zumindest Sicherheit. Eine To Do Liste mit Zeiten hilft dir vielleicht auch? Da sollte nicht zu viel anstrengendes darauf stehen. Eher wie ein Stundenplan. Wann du was erledigen willst und wann Pause und vtl Schlafenszeit ist.
Ansonsten finde ich es mega, dass ihr mal so einen Probetag macht. Und auch deinen Freund dass er dich so toll unterstützt. Ich bin mir sicher ihr schafft das gemeinsam hervorragend. Stell dich deiner Angst und versuche es so lange wie möglich allein zu schaffen. Nur so kann die Angst ihren Schrecken verlieren.

Bei den ZG ist Sertralin ein Top AD. So lange nimmst du es noch nicht, gib dem Ganzen noch Zeit. Da kann dir Marika aber sicher gut zu raten.

Die Muttergefühle kommen, wenn du wieder entspannter wirst. Dein Körper ist voll auf Adrenalin, also im Kampf und Fluchtmodus. Dein Hirn kann nicht beides gleichzeitig. Keine Zeit für verliebt sein und kuscheln. Ich finde es auch bekloppt und brauche immer wieder Hilfe und Zeit bis ich es lasse. Du bist im Kampf gegen dich selbst. Solange das so geht, bist du im Stress.

Leider habe ich auch nicht den ultimativen Trick zum Loslassen... dann wäre ich wohl nicht in dieser Situation immer wieder. Mir helfen da immer Neuroleptika wie Quetiapin oder Promethazin, die nicht abhängig machen und damit auch mal ein paar Wochen regelmäßig zum AD genommen werden können. Rede da nochmal mit deinem Psychiater, der weiß da mehr als ich.

LG

[vreni86]

Huhuu,

geduldig sein ist nicht meine stärke.

ein to do plan ist eine gute idee.

du machst das wirklich toll! du bist schon so weit! mach weiter so!!!!

[Jana]

Liebe Vreni,
Geduld haben ist in dieser Situation auch einfach sehr schwierig! Aber du darfst jede kleine Besserung feiern (so wie die Freude über das an gelächelt werden, das ist super !) und es wird dann ganz langsam immer besser!
Ganz liebe Grüße!

[vreni86]

hallo jana,

danke für die lieben worte.
wie fühlte es sich an, wieder gesund zu werden?
so einen krassen glücksmoment hatte ich seit montag leider nicht mehr. jetzt mache ich mir wieder sorgen…
wie fühlt sich mutterliebe an?
das frage ich mich ständig. sind meine gefühle normale muttergefühle???
und heute abend bin ich mit meiner tochter alleine. habe schon zittrige knie!

lg

[Schneeflocke]

Guten Morgen!

Wie war der gestrige Abend?
Fühl dich ganz lieb gedrückt!!!

[vreni86]

Hallo Ihr Lieben, am Anfang war ich Mega nervös. Zwangsgedanken haben sich aufgedrängt. Ich wusste nicht was ich mit mir und meine Tochter anfangen soll. Nach circa 1 Stunde habe ich mich dann entspannt. Es hat gut geklappt. Mein Freund kam erst gegen 1:00 Uhr nach Hause, ich habe meine Tochter die ganze Nacht versorgt, das war ein Riesen Schritt für mich. Gestern Abend, als die kleine schlief, war ich Mega stolz auf mich.

lg
vreni

[Marika]

Wow Vreni, super gemacht, kannst echt mega stolz auf dich sein. Ich weiß wie schwer solche ersten Schritte sind, ging mir genau so. Aber es ist enorm wichtig solche positiven Erfahrungen zu machen, auch wenn es schwierig ist. Gerade bei ZG sind solche positiven Erfahrungen so wichtig, das Gehirn lernt dabei, dass es keine Angst und ZG produzieren muss.

Wunderbar, dass dein Mann erreichbar gewesen wäre, das gibt Sicherheit und die Kraft die Situation sogar positiv durchzuhalten. Genau das braucht man zum Gesund werden. So hangelt man sich cm für cm aus diesem Loch der PPD heraus. Wir habe es auch so gemacht: ich versuchte immer öfter und immer länger mit meinem Baby alleine zu bleiben, mit dem Wissen es steht jemand bereit und kommt, falls es nicht mehr geht. Das ist quasi ein Training für das Gehirn, dass im Moment glaubt, immer sofort Alarm zu feuern und mit Angst und ZG zu reagieren. Es lernt, dass es keinen Grund gibt, Angst zu haben.

Ich freue mich sehr mit dir!!!