Hallo zusammen!
Ich habe mich schon ein wenig eingelesen in die Beiträge und finde es großartig, wie ehrlich hier über zwiespältige Gefühle kommuniziert wird. Da kann ich mich einreihen...
Ob ich ein 2. Kind will, war nie so ganz klar. Am Abend der Zeugung haben mein Mann und ich noch leichtfertig gesagt: naja, wir lassen das Schicksal entscheiden. So schnell geht das eh nicht mit dem schwanger werden mit 40...und zack. Test positiv.
Ich habe nun mit 41 mein 2. Kind, einen Sohn, Mitte Mai per Wunsch-Kaiserschnitt bekommen. Die Geburt war wie bei meinem ersten Sohn relativ entspannt und komplikationslos. Einzig das Stillen verursachte zu Beginn heftige Schmerzen (ist mittlerweile etwas besser).
Mein erstes Kind ist mittlerweile 2 1/2 Jahre alt. Die zweite Schwangerschaft war emotional viel, viel schwieriger. Ich habe mich öfters mit meinem Partner gestritten, viele Tränen vergossen, und vor allem mit meiner eigenen Mutter einen sehr schmerzhaften Bruch erlebt und dies während der Schwangerschaft als unglaublich belastend und bedrückend empfunden. Wir haben uns gegenseitig viel verletzt mit dem Fazit, dass sich meine eigene Mutter von mir zurückzog, mir vorwarf, ich würde sie einengen und sei mit meinen Emotionen nicht tragbar...Das hat gesessen. Diese Ablehnung durch die eigene Mutter, die lieber in der Weltgeschichte umherreist, als ihre Enkel zu sehen und ihrer Tochter beizustehen, schmerzen nach wie vor. Große Wutgefühle gingen und gehen damit einher. Ich habe eine Therapie begonnen, und meine Therapeutin attestierte eine mittelschwere Depression. Die Gespräche mit ihr helfen, auf Medikamente habe ich verzichtet und würde es gerne auch weiter so halten.
Seitdem mein 2. Sohn nun 6 1/2 Wochen auf der Welt ist, fühle ich noch keine richtige Bindung zu ihm. Wenn ich ihn anschaue, erkenne ich noch nicht mein Kind. Ich sehe ein Kind, aber mehr auch nicht. Ich spüre zwar Verantwortung, aber die Glückshormone bleiben leider aus. Mir fallen zudem Makel an ihm auf auf. Ich schäme mich sehr dafür und es fällt mir nicht leicht zuzugeben, dass ich eher denke, dass er nicht so ein niedliches Baby ist, die Haare fehlen, er einen seltsamen Fleck am Kopf hat, komische gepresste Geräusche macht... alles Aussagen, die in meinem Kopf umherschwirren und wofür ich mich schuldig fühle. Zudem wirkt er sehr gestresst, hat Bauchkrämpfe, ist unentspannt. Heute morgen wollte ich es gut machen und Haut an Haut kuscheln, aber er kratzt, windet sich, schreit, tritt, fühlt sich nicht wohl. Vor allem seine gepressten Geräusche finde ich (vor allem nachts) beängstigend. Nachts nutze ich sogar Ohrstöpsel, um sie nicht hören zu müssen, obwohl ich dann auch weniger Aufmerksamkeit für ihn haben kann. Ich will dann einfach nur meine Ruhe, schlafen, vergessen,...
Ab und an ertappe ich mich bei den Gedanken, dass ich die zweite Schwangerschaft bereue, mein altes Leben, meine Freiheit für immer weg ist, ich sowieso zu alt bin für zwei kleine Kinder und dies körperlich nicht mehr so gut stemmen kann, und dass ich so vorbelastet bin durch ein sehr schwieriges, liebloses Elternhaus, dass ich ohnehin keine gute Mutter sein kann. Ich lese sehr viele Bücher, mache Therapie, spreche mit meinem Partner offen über die Ängste, aber Freude, Optimismus und Zuversicht bleiben leider aus.
Ich habe Angst, dass ich meinem Sohn einen schlechten Start in der Schwangerschaft geboten habe durch die emotionale Talfahrt und den Stresshormonen. Außerdem vergleiche ich ihn mit seinem älteren Bruder, wo vieles viel einfacher und rosa rot war.
Und all das tut mir so unglaublich leid - vor allem für meinen Sohn.
Reue und Schuldgefühle - 2. Kind mit 41
Moderator: Moderatoren
Re: Reue und Schuldgefühle - 2. Kind mit 41
Ein liebes Hallo und herzlich Willkommen!
Schön, dass du hier für dich einen Ort gefunden hast, an dem du dich aussprechen kannst. Genau dafür sind wir da und hier bekommen alle Gedanken, Sorgen und Ängste ihren Raum.
Du bist mit deinen Gefühlen hier absolut richtig, wir alle kennen in unterschiedlichen Facetten deine Gedanken und Gefühle. Du machst ja schon viel, einschließlich Therapie und beschäftigst dich mit der Thematik. Das ist schon mal sehr gut. Du schreibst aber auch, dass sich dein Zustand nicht verbessert und es hört sich schon sehr nach einer PPD an. Ohne jetzt etwas einreden zu wollen, aber sehr oft reicht dann eine Therapie alleine nicht. Natürlich verstehe ich deinen Wunsch, keine Medikamente nehmen zu wollen. Ich glaube das würden wir hier alle sofort unterschreiben. Trotzdem würde ich dir raten, noch eine Meinung bei einem Psychiater einzuholen und einfach auch die Option Medikamente vorerst einfach zu besprechen.
Dein schlechtes Gewissen deinem Sohn gegenüber kann ich absolut verstehen, aber es ist unnötig. Du kannst nichts dafür, dass du krank geworden bist. Aber du kannst alles dafür tun, um wieder gesund zu werden. Und wir helfen dir dabei!
Schön, dass du hier für dich einen Ort gefunden hast, an dem du dich aussprechen kannst. Genau dafür sind wir da und hier bekommen alle Gedanken, Sorgen und Ängste ihren Raum.
Du bist mit deinen Gefühlen hier absolut richtig, wir alle kennen in unterschiedlichen Facetten deine Gedanken und Gefühle. Du machst ja schon viel, einschließlich Therapie und beschäftigst dich mit der Thematik. Das ist schon mal sehr gut. Du schreibst aber auch, dass sich dein Zustand nicht verbessert und es hört sich schon sehr nach einer PPD an. Ohne jetzt etwas einreden zu wollen, aber sehr oft reicht dann eine Therapie alleine nicht. Natürlich verstehe ich deinen Wunsch, keine Medikamente nehmen zu wollen. Ich glaube das würden wir hier alle sofort unterschreiben. Trotzdem würde ich dir raten, noch eine Meinung bei einem Psychiater einzuholen und einfach auch die Option Medikamente vorerst einfach zu besprechen.
Dein schlechtes Gewissen deinem Sohn gegenüber kann ich absolut verstehen, aber es ist unnötig. Du kannst nichts dafür, dass du krank geworden bist. Aber du kannst alles dafür tun, um wieder gesund zu werden. Und wir helfen dir dabei!
Liebe Grüße von
Marika
Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Marika
Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Re: Reue und Schuldgefühle - 2. Kind mit 41
Es ist alles noch ganz frisch. Du wirst dich weiter entwickeln.
Selbst wenn du meinst, bei der ersten Schwangerschaft war alles rosarot: die Erinnerung trügt oft. Und auch jetzt vernebeln Hormone usw die Glücksgefühle. Sei geduldig mit dir. Es wird besser.
Die Liebe, die Gelassenheit, all das wird sich entwickeln. Noch weißt du gar nicht, welch ein Menschlein da zu euch gekommen ist. Lass dir Zeit.
Selbst wenn du meinst, bei der ersten Schwangerschaft war alles rosarot: die Erinnerung trügt oft. Und auch jetzt vernebeln Hormone usw die Glücksgefühle. Sei geduldig mit dir. Es wird besser.
Die Liebe, die Gelassenheit, all das wird sich entwickeln. Noch weißt du gar nicht, welch ein Menschlein da zu euch gekommen ist. Lass dir Zeit.
Re: Reue und Schuldgefühle - 2. Kind mit 41
Ganz lieben Dank für eure Rückmeldungen!
Ich fühle mich da sehr verstanden. Es stimmt, ich bin noch am Anfang und es gibt mal gute, mal weniger gute Tage. Aber gut zu wissen, dass man da nicht alleine steht.
Ich fühle mich da sehr verstanden. Es stimmt, ich bin noch am Anfang und es gibt mal gute, mal weniger gute Tage. Aber gut zu wissen, dass man da nicht alleine steht.
Re: Reue und Schuldgefühle - 2. Kind mit 41
Liebe Dominika,
vor ziemlich genau drei Jahren hatte ich die gleichen Gedanken wie du. Ich habe mir auf der einen Seite mein Kind weggewünscht. Wollte mein altes Leben wieder, war überzeugt, dass es ab jetzt für immer so anstrengend bleibt und ich wohl nie wieder Freude erleben werde. Ich habe mein Kind gut und liebevoll versorgt. Aber halt eher wie das Kind meiner besten Freundin, die sich gerade nicht selber kümmern kann. Ob ich mein Baby süß fand, weiß ich nicht mehr. Auf der anderen Seite hatte ich so ein unglaublich schlechtes Gewissen diesem Kind gegenüber. Es sollte doch geliebt werden. Es hat eine Mama verdient, dass es bedingungslos liebt und nicht mich, die sie am liebsten weggeben würde.
Ich war einige Wochen mit ihr auf einer Mutter-Kind-Station in einer psychiatrischen Klinik und habe davor und danach Therapie gemacht. Ein paar Wochen vor der Klinik ging es mir so schlecht, dass ich mich gegen Medikamente nicht mehr gewehrt habe. Ich wollte nur noch, dass es endlich aufhört. Und der Weg war der richtige.
Heute ist meine kleine Große 3, ich spüre die Liebe, sie treibt mich in den Wahnsinn, aber nie im Leben würde ich sie wieder hergeben wollen. Sie geht in die Kita, ich habe mittlerweile ein gutes Netzwerk auf das ich mich verlassen kann. Die Therapie geht weiter. Medis nehme ich weiterhin, versuche aber gaaanz langsam die Dosis zu reduzieren.
Was ich eigentlich sagen will: Es wird besser!
Alles Liebe!
vor ziemlich genau drei Jahren hatte ich die gleichen Gedanken wie du. Ich habe mir auf der einen Seite mein Kind weggewünscht. Wollte mein altes Leben wieder, war überzeugt, dass es ab jetzt für immer so anstrengend bleibt und ich wohl nie wieder Freude erleben werde. Ich habe mein Kind gut und liebevoll versorgt. Aber halt eher wie das Kind meiner besten Freundin, die sich gerade nicht selber kümmern kann. Ob ich mein Baby süß fand, weiß ich nicht mehr. Auf der anderen Seite hatte ich so ein unglaublich schlechtes Gewissen diesem Kind gegenüber. Es sollte doch geliebt werden. Es hat eine Mama verdient, dass es bedingungslos liebt und nicht mich, die sie am liebsten weggeben würde.
Ich war einige Wochen mit ihr auf einer Mutter-Kind-Station in einer psychiatrischen Klinik und habe davor und danach Therapie gemacht. Ein paar Wochen vor der Klinik ging es mir so schlecht, dass ich mich gegen Medikamente nicht mehr gewehrt habe. Ich wollte nur noch, dass es endlich aufhört. Und der Weg war der richtige.
Heute ist meine kleine Große 3, ich spüre die Liebe, sie treibt mich in den Wahnsinn, aber nie im Leben würde ich sie wieder hergeben wollen. Sie geht in die Kita, ich habe mittlerweile ein gutes Netzwerk auf das ich mich verlassen kann. Die Therapie geht weiter. Medis nehme ich weiterhin, versuche aber gaaanz langsam die Dosis zu reduzieren.
Was ich eigentlich sagen will: Es wird besser!
Alles Liebe!