Es sollte doch alles anders werden - Zweites Kind und zweite Depression

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Melissa19122024
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Es sollte doch alles anders werden - Zweites Kind und zweite Depression

Beitrag von Melissa19122024 »

Hallo,

ich bin neu hier und möchte mich kurz vorstellen. Ich bin 36 Jahre alt und habe zwei Söhne (4 Jahre und 5 Monate).

Bereits bei meinem ersten Sohn erkrankte ich 2021 an einer Wochenbettdepression. Die Schwangerschaft war zwar beschwerlich, aber komplikationslos. Mein Mann und ich freuten uns so sehr auf unser erstes Kind. Dann kam der Tag der Geburt. Ich hatte einen natürlichen Wehensturm, der bei Erstgebärenden wohl relativ selten ist, und daher höllische Schmerzen ohne Pausen. Als mein Mann mich ins Krankenhaus gebracht hatte, waren knapp 2 Stunden vergangen und der Muttermund komplett eröffnet. Die Wehen waren viel zu stark, weshalb ich vorsorglich einen Wehenhemmer bekam. Durch den massiven Stress bei der Geburt, musste unser Sohn für 4 Wochen auf der Intensivstation versorgt werden. Er hatte etliche Anpassungsschwierigkeiten (Probleme beim Atmen, Trinkschwäche (Magensonde), schwache Muskulatur etc.). Das Stillen klappte nicht, weil mein Sohn zu schwach war und ich keinen Milcheinschuss hatte. Auch das Abpumpen ging nicht. Aufgrund der Corona Maßnahmen saß ich völlig isoliert in der Klinik bei meinem Kind. Mein Mann durfte uns nur 1 Stunde am Tag besuchen.

Schließlich wurde unser Sohn mit Monitor entlassen und ich dachte, dass wir zu Hause nun endlich das Glück genießen können. Doch da begann der Albtraum erst. Der Monitor verursachte ständig Fehlalarme und unser Sohn trank nach wie vor schlecht. Wir waren in andauernder Sorge und total überfordert. Mir ging es immer schlechter. Ich weinte viel, konnte nicht mehr schlafen und nichts mehr essen. Zum Glück wusste ich instinktiv was mit mir los war und bat meine Hebamme um Hilfe. Recht schnell suchte ich den Psychiater auf und bekam Sertralin (50 mg), 7,5 mg Mirtrazepin zum Schlafen und Tavor (1 mg) für Notfälle. Leider klärte mich der Psychiater nicht darüber auf, dass Antidepressiva nicht wie Schmerzmittel wirken und mit welchen Nebenwirkungen ich zu rechnen habe. 50 mg waren für mich zum Einschleichen zu viel. Ich bekam alle erdenklichen Nebenwirkungen und war völlig am Ende. Ich schluckte täglich Tavor und war kurz davor mich in die Klinik einweisen zu lassen, als das Sertralin endlich zu wirken begann. Zeitgleich begab ich mich in Therapie. Tatsächlich ging es mir etwa 7 Monate nach der Geburt wieder gut und ich kämpfte mich Stück für Stück ins Leben zurück.

Obwohl ich mir nach dieser schlimmen Erfahrung sicher war kein zweites Kind zu wollen, kam der Kinderwunsch etwa 3 Jahre später wieder. Bereits im zweiten Übungszyklus wurde ich schwanger. Auch dieses Mal war die Schwangerschaft beschwerlich, aber unauffällig. Am Entbindungstermin im Dezember 2024 wurde ich von der Frauenärztin allerdings zur Einleitung in die Klinik geschickt, da zu wenig Fruchtwasser vorhanden war. Der Ballonkatheter blieb wirkungslos, weshalb ich schließlich Tabletten zur Einleitung bekam. Alle paar Stunden musste ich in den Kreißsaal zum CTG. Schließlich waren die Wehen schon recht kräftig und regelmäßig. Ich sollte mich im Zimmer ausruhen und nochmal kommen, wenn ich die Wehen nicht mehr aushalten könnte. Ich bekam Schmerzzäpfchen, die ich Gott sei Dank noch im Kreißsaal einführte. Denn sofort platzte die Fruchtblase und im nächsten Moment bekam ich Presswehen. Die Hebamme zog mich auf die Liege und nach 11 Minuten war mein zweiter Sohn auf der Welt. Doch dann begann das Drama. Die Blutung der Gebärmutter konnte nicht mehr gestoppt werden. Nachdem ich bereits 3,5 Liter Blut verloren hatte, sollte ich ausgeschabt werden. Irgendwann erwachte ich auf der Intensivstation und mein Mann teilte mir mit, dass ich nur knapp überlebt hatte und meine Gebärmutter entfernt werden musste. Glücklicherweise ging es unserem Sohn diesmal gut.

Zu Hause klappte es zunächst überraschend gut. Ich war glücklich und lud euphorisch Gäste ein. Obwohl wir alle abwechselnd krank waren und ich gefühlt ständig beim Kinderarzt saß, hatte ich viel Energie. 3 Monate lang redete ich mir ein, dass ich das alles schaffe. Und plötzlich konnte ich nicht mehr schlafen. Ich lag Nächte lang wach. Hatte Angst und Panikattaken. Verzweifelt suchte ich beim Hausarzt Hilfe. Noch immer wollte ich nicht wahrhaben, dass es sich bei meinem Zustand um eine erneute Depression handeln könnte. Ich schob es auf den Stress und nahm zum Schlafen Zolpidem. Das klappte einige Nächte, doch dann konnte ich trotzdem nicht mehr schlafen. Kurz vor Ostern begriff ich endlich, dass ich wieder an einer Wochenbettdepression litt. Leider waren sämtliche Psychiater, Therapeuten und auch meine Hebamme im Urlaub. In meiner Not rief ich beim Krisendienst an und erhielt tatsächlich einen Termin bei einem Psychiater.

Nun nehme ich seit Anfang Mai Escitalopram. Ich habe sehr langsam mit Tropfen eingeschlichen. Seit 19.05. nehme ich die vorläufige Zieldosis von 10 mg. Zum Schlafen habe ich Mirtrazepin bekommen. Zunächst reichten 7,5 mg zum Schlafen aus. Aktuell geht es mir allerdings sehr schlecht, weshalb ich nun 15 mg nehmen muss. Zusätzlich mache ich eine Therapie.

Ich habe große Angst, dass ich dieses Mal nicht wieder gesund werde. Ich wollte doch nie wieder an diesen Punkt im Leben kommen...

Mein älterer Sohn hat zudem eine leichte Entwicklungsverzögerung und ist sehr fordernd. Ich fühle mich ständig gestresst und überfordert. Mein Mann und meine Eltern unterstützen mich, aber ich fühle mich trotzdem wie eine Versagerin...
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Marika
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Re: Es sollte doch alles anders werden - Zweites Kind und zweite Depression

Beitrag von Marika »

Liebe Melissa!

Herzlich Willkommen bei uns. Oh Gott, du hast Unfassbares erleben müssen, beim Lesen ist mir teilweise schlecht geworden. Es ist kein Wunder, dass du krank geworden bist, solche Geburten zu erleben hinterlässt Traumata. Es tut mir sehr leid, was du da mitgemacht hast, lass dich mal fest drücken.

DU BIST EINE HELDIN. Das Wort "Versagerin" trifft null auf dich zu, auch auf keine andere Frau hier. Wir sind allesamt Heldinnen, die Schlimmes erleben mussten und trotzdem für unsere Kinder und Familie da sind. Du bist krank geworden, hast aber schon Hilfe geholt und du wirst auch wieder gesund. Es wied noch dauern, bis das AD richtig anschlägt, aber du hast schon den richtigen Weg eingeschlagen. Wieder ein Beweis, dass du eine Heldin bist.

Du wirst gesund werden! Ich weiß, dass du das jetzt nicht glauben kannst, das ging und geht alles hier so. Aber immer wieder durfte ich miterleben, wie Betroffene nach und nach aus dieser Krise herausgefunden haben und das wirst du auch schaffen.

Wir helfen dir ganz fest dabei. Habe dir auch noch wegen Therapie geantwortet. ❤️
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Merle89
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Re: Es sollte doch alles anders werden - Zweites Kind und zweite Depression

Beitrag von Merle89 »

OMG krass was du und deine Kinder da durchhabt :shock:
Ich finde es schon super mutig das du dich ein zweites Mal getraut hast! Und wirklich toll das du diesmal zumindest einen besseren Start hattest! Es tut mir aber sehr leid dass es dir wieder schlecht geht. Ich kenne das mit wiederholten Episoden und fühle mit dir es ist zum verrückt werden. Man denkt man hat doch eigentlich alles gelernt und gemacht und dann doch wieder!
Ich drücke dir die Daumen das es ganz schnell wieder besser wird (und das wird es auf jeden Fall!) das gute ist das du schon einige Strategien gelernt hast. Erinnerst du dich noch an einiges? Hast du die anderen Medikamente durchgehend genommen?
VG Merle
Melissa19122024
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Re: Es sollte doch alles anders werden - Zweites Kind und zweite Depression

Beitrag von Melissa19122024 »

Vielen Dank für deine lieben und auferbauenden Worte 😊

Ja, nur leider funktionieren die Strategien von damals mit zwei Kindern oft nicht. Nun muss ich wieder neue Lösungen finden.

Nein, ich hab das Sertralin damals nach gut einem Jahr ausgeschlichen und dann ging es mir gut. Jetzt nehme ich seit Anfang Mai Escitalopram und hoffe, dass mir auch dieses AD hilft.
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