Symptome der Depression

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Sarash
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Symptome der Depression

Beitrag von Sarash »

Hallo,
wer meinen Vorstellungspost vor einem guten halben Jahr gelesen hat, weiß, dass ich nicht nur an einer PPD erkrankt bin, sondern auch an einer PTBS. Das macht den Heilungsweg natürlich komplizierter. Nachdem die Depression langsam schwindet, fällt es mir immernoch schwer die Symptome einzuordnen. Deshalb wollte ich mal fragen, ob ihr auch mit den folgenden Symptomen zu kämpfen hattet oder habt?

Habt ihr nach Ende der Depression immerwieder eine Art Flashbacks zu den Zeiten, wo es euch wirklich schlecht ging und werdet ihr emotional dann wieder reingezogen? Durch visuelle trigger? Hattet ihr das Gefühl, das alte Hilflosigkeitsgefühle in der depressiven Phase erneut getriggert wurden? Hattet ihr Probleme mit Wertlosigkeitsgefühlen? Habt ihr während der depressiven Phase eine Art Flashbacks zu schwierigen Familiensituationen aus eurer eigenen Kindheit gehabt, obwohl diese vielleicht Jahre, oder sogar Jahrzehnte euch nicht belastet haben? Habt ihr in der Episode das Gefühl gehabt, dass ihr unwiderruflich kaputt seid? Habt ihr eventuell mit dissoziativen Zuständen zutun gehabt?

Es tut mir leid, wenn ich zu direkt Frage. Ich versuche nur Sinn aus dem zu machen, was ich gerade erlebe. Auch meine jetzige Therapeutin sagt, dass ich eher einen traumatisierten als deprimierten Eindruck auf sie mache. Ich denke mir, es kann doch nicht sein, dass die Geburt meines Kindes die Symptome einer PTBS hervorholen, obwohl ich jahrelang (meistens) gut mit meiner Vergangenheit leben konnte? Es macht mir ein Stück weit Angst, weil ich das Gefühl habe, dass ich vor einem größeren Problem stehe, als ich anfangs gedacht habe (Depressive Phase kommt und geht, Trauma ja eigentlich nicht). Aber wenn es wirklich so ist, muss ich mich dem Ganzen stellen, dass ist mir klar. Und ich bin auch schon dabei, meine Vergangenheit aufzuarbeiten, aber der Weg wirkt einfach so lang.

Vielen Dank euch für den Austausch und liebe Grüße!
10/2024: PPD/PTBS
10 mg Escitalopram + 15 mg Mirtazapin
Stephie17.02
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Re: Symptome der Depression

Beitrag von Stephie17.02 »

Hallo Sarash, ja, ich glaube daran, dass besondere Ereignisse im Leben (und eine Geburt ist ein Meilenstein) Altes antriggern. Der Kopf vergisst ja nicht, das Unterbewusstsein hat sich alle Erfahrungen gemerkt, auch wenn wir sie nicht bewusst erinnern. Bestimmte Emotionen wecken dann Verknüpfungen zu alten Themen, die Angst, Wut und/oder Trauer bedeutet haben, nur dass wir damals nicht gehalten/getröstet/reguliert wurden. Und schwups, sitzt man da in der Emotion und muss lernen mit ihr umzugehen, viele viele Jahre später.

Ich kann inzwischen sehr viel auf meine Kindheitsmuster zurückführen, aber auch nicht alles. Das ist inzwischen aber auch okay, nicht alle Kleinigkeiten bekommt man raus. Die großen Dinge aber schon. Und daran darf man arbeiten, der Berg wird kleiner.
Jetzt wirkt er riesig, und das verstehe ich total. Lass dich feste drücken, du bist nicht allein.

Zu den Symptomen: jetzt im Tief fühle ich Hoffnungslosigkeit, einen geringen Selbstwert, Schmerz, Angst und Machtlosigkeit, ich bin von jeder Kleinigkeit überfordert, kann mir nichts merken und brauche ganz viel Ruhe. Das alles natürlich je nach Tagesform mehr oder weniger stark.

Hattest Du nicht berichtet, dass Du vor einigen Wochen das Mirtazapin reduziert hast? Kann das was mit Deiner aktuellen Stimmung zu tun haben?
PPD 2017 20mg Citalopram ausgeschlichen
Burn Out 2023 20mg Citalopram zu früh abgesetzt
Aktuell Rezidiv 2025 10mg Escitalopram
Mayte
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Re: Symptome der Depression

Beitrag von Mayte »

Hey Sarash,
Trauma heißt ja vom Prinzip her nur: zu schnell Zuviel fürs Nervensystem und ich habe gelesen dass ähnlich hohe Stresszustände/Intensitäten dann das Alte triggern. Außerdem muss ich sagen haben bei mir Schwangerschaft und Babyzeit die eigene Herkunftafamilie nochmal total intensiv hervorgebracht. Also ich würde dir erstmal zustimmen: da gibt es mit der Depression intensive Überschneidungen. Und man wird ganz schön gebeutelt und weiß manchmal gar nicht mehr worum es gerade eigentlich geht. Ich habe selbst die Erfahrung gemacht dass es sich mit der Zeit sortiert und will dir Mut machen auch darauf zu vertrauen!
Mayte
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Re: Symptome der Depression

Beitrag von Mayte »

p.s. Und Trauma „bleibt“ nicht einfach- es heilt vielleicht nicht im Sinne von geht so ich eh als wäre es nie dagewesen aber es kann gut integriert werden. Auch da mag ich dir Mut machen!
Sarash
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Re: Symptome der Depression

Beitrag von Sarash »

Hallo ihr beiden,

vielen Dank für eure Antworten und klugen Gedanken!
Stephi, all das was ich aufgezählt habe, sind nicht mehr meine jetzigen Symptome, einige sind noch abgeschwächt da, andere wiederum nicht. Ich glaube meine Grundfrage ist einfach, ob die Symptome wirklich der depressiven Episode geschuldet waren, weil sie sich ja vielleicht doch einwenig unterscheiden von dem, was andere über Depressionen berichten. Anderseits finde ich es auch schwer zu verstehen, dass ein Trauma (oder mehrere) derart episodische Schwierigkeiten auslösen können. Ich hatte bis jetzt zwei depressive Episoden in meinem Leben und außerhalb bin ich, trotz PTBS, eigentlich ziemlich gut klargekommen. Das lässt mich einfach wundern.

Mayte, danke, du machst mir Mut! Depression und Trauma hängt wahrscheinlich stark zusammen. Vielleicht muss ich auch gar nicht genau unterscheiden können, welches Symptom zu welcher Diagnose passt. Anderseits, denke ich, ist es in der Behandlung dann doch ein wenig relevant. Aber es stimmt, auch Trauma kann integriert werden. Der Weg fühlt sich nur länger und auch unheimlicher an.
10/2024: PPD/PTBS
10 mg Escitalopram + 15 mg Mirtazapin
alibo79
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Re: Symptome der Depression

Beitrag von alibo79 »

Guten Morgen
Ich weiß nicht, ob ich die Fragen dir richtig beantworte. Ich versuche es aus meiner eigenen Erfahrung zu berichten.
In der Depression war ich viel empfindlicher, was meine Themen aus Kindheit, Jugend und Jungen erwachsen sein betrifft. Da haben mich gewisse Dinge richtig gestresst. Gereizt , gepiekst, mit denen ich sonst deutlich einfacher umgehen konnte. Ich war extrem dünnhäutig und ganz schnell zu verletzen. Das Innere Kind war sehr sehr bedürftig. Das macht natürlich unsere Erkrankung. Es Hilft vielleicht auch auf die Dauer seine Themen noch mal genau zu betrachten und daran zu arbeiten, wie in einer Therapie.
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
Über Jahre zusätzlich noch psychotherapeutische Behandlung
alibo79
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Re: Symptome der Depression

Beitrag von alibo79 »

Hilflos habe ich mich sehr oft gefühlt, wertlosigkeit war bei mir nicht so ein ganz großes Thema, eher Verzweiflung starke Verunsicherung, das Verhältnis zu meinen Eltern ist noch mal sehr auf die Probe gestellt worden. Ich habe in meiner ersten Therapie dieses Verhältnis und das Verhältnis zu meinen Schwiegereltern. Speziell meinen Schwiegervater. Viel bearbeitet und in der zweiten Therapie auch. Über lange Zeit war das wieder Thema und wir haben uns intensiv damit beschäftigt, wo meine Unsicherheiten , nicht geerdet sein und Ängste herkommen. Ich hatte immer das Gefühl keinen Halt zu haben und habe das versucht zu kompensieren durch viel Arbeit. Perfektionismus und schädlichem verhalten, ich fühlte mich oft wie ein Blatt im Wind, was hin und her geweht wird.
Visuelle Trigger hatte ich nicht wirklich, ich konnte aber lange Zeit nichts ernstes im Fernsehen oder Medien anschauen, da meine Haut so dünn war, dass diese ernsten und traurigen Themen direkt in meine Seele eingedrungen sind. Davor musste ich mich schützen und habe bewusst solche Themen gemieden. Ich hoffe, ich konnte dir helfen, du darfst mich gerne auch sonst fragen, was dich bewegt.
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
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Marika
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Re: Symptome der Depression

Beitrag von Marika »

Hallo!

Bei meiner PPD waren die Angst und die ZG Hauptthema. In der Therapie wurde erarbeitet, dass die Angst aus meiner Kindheit stammt, ich wurde Nachts öfter alleine gelassen, bin dann aufgewacht und panisch in der dunklen Wohnung gewesen. Das alleine sein mit meinem Baby hat dieses alte Trauma getriggert. Mein System hat wieder mit dem alten Symptom Angst reagiert, dazu kamen Zwangsgedanken die ebenfalls in der Kindheit als Folge auftraten, wieder durch. ZG sind ein Versuch des Systems, die Angst in den Griff zu bekommen.... funktioniert aber nicht.

Mein Psychiater hat mir genau erklärt, wie frühere Traumata später - in für das System ähnlichen Situationen - wieder auftauchen und Symptome bringen kann. Bei mir wurde allerdings keine PTBS diagnostiziert und richtige Flashbacks hatte ich auch nicht. Der Zusammenhang zwischen frühen traumatischen Erfahrungen und der PPD war aber bei mir ebenfalls klar ersichtlich.
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Mayte
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Re: Symptome der Depression

Beitrag von Mayte »

Ich wollte immer schonmal schreiben, Marika, bei mir ist auch sowas aufgetaucht. Nicht alleine in der Wohnung, aber ich musste mit 4 Monaten alleine schlafen (meine Eltern dachten, das stärkt meine Autonomie) und als meine Tochter genauso alt war kamen meine Schlafstörungen…
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Marika
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Re: Symptome der Depression

Beitrag von Marika »

Ja, da kann es einen Zusammenhang geben. Bearbeitet ihr das in der Therapie?
Liebe Grüße von
Marika

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schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Mayte
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Re: Symptome der Depression

Beitrag von Mayte »

Ja.
Ich wüsste gar nicht wie das in Kürze zusammen fassen, es ist auch länger her, das mir das damals ins Bewusstsein kam - wie bei dir gibt es da eine Dimension keine Hilfe bekommen zu haben, verlassen worden zu sein, ich glaube nicht, dass es damals Babyphone gab, in dem Tagebuch das meine Mutter über meine erste Zeit geschrieben hat steht wie schnell ich „durchschlafe“ (was ich überhaupt nicht geschnallt habe als ich noch kein Kind hatte) … meine Mutter ist inzwischen tot, mein Vater erinnert sich nicht (außer an diese Autonomieidee). Tagsüber aber hatten sie die absolute Idee von Bedürfniserfüllung. Es ist wie die Basis für die ambivalente Bindung die ich zu meiner Mutter hatte…
Aber das ist ja sowas komplexes- ich schreibe es wie du auch als Beispiel dafür wie mit dem eigenen Mutterwerden das eigene Baby- und Kleinkindsein nochmal hoch kommen kann..
Sarash
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Re: Symptome der Depression

Beitrag von Sarash »

Hallo ihr lieben und vielen Dank für den Austausch!
Es hilft mir sehr, von euren Erfahrungen zu hören. Danke, dass ihr immer wieder euren Weg teilt.

Bei mir ist es so, dass ich mit einem Vater mit einer narzistischen Persönlichkeitsstruktur aufgewachsen bin und einer Mutter, die zwar versucht hat zu kompensieren, aber auch nicht wirklich emotional „da“ war, da es ihr selbst schlecht ging. Ich kann mich daran erinnern, dass ich schon im Grundschulalter manchmal gehofft habe, dass meine Eltern mich einfach nicht mehr abholen wenn ich bei Freunden war, damit ich dann bei denen wohnen bleiben kann. Ich konnte mich aber schon früh emotional abgrenzen und dachte immer, dass ich dem ganzen im großen und Ganzen unbeschadet entkommen bin, da ich stabile Beziehungen, Lebensfreude und auch beruflich es geschafft habe, Fuß zu fassen. Nachdem ich jetzt selber Mutter geworden bin, holt mich das ganze mit voller Wucht ein und ich kämpfe mit ähnlichen Gefühlen, „wie damals“. Dann noch eine Art Schocktrauma mit 25, was ich aber auch eigentlich dachte, dass ich überwunden hätte. Dieser Berg an emotionalen Herausforderungen fühlt sich so unüberwindbar an, obwohl ich bis jetzt sagen würde (bin 30), dass ich zumindestens im Erwachsenen Alter bis jetzt meistens eine gute Lebensqualität hatte. Aber aufeinmal stecke ich in meiner Vergangenheit fest.

Ich möchze trotzdem auch noch einmal etwas positives berichten. Wir haben nun schon knapp zwei Wochen Kitaschließung hinter uns und ich kann sagen, dass ich den Alltag alleine mit meiner Tochter total genießen kann! Die Angst vor dem Alltag ist fast nicht mehr präsent und ich erfreue mich richtig an der Zeit mit ihr! Die schwierigen Emotionen sind zwar präsent, aber das schöne kann ich im Moment parallel fühlen. Dafür bin ich sehr dankbar.
10/2024: PPD/PTBS
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Mayte
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Re: Symptome der Depression

Beitrag von Mayte »

Ich finde das klingt total verständlich.
Ich habe auch lange gedacht dass mir meine Vergangenheit nichts angehabt hätte. Aber es ist halt das Fundament, auf den unsere Beziehungen und unser Nervensystem steht. Und beides ist vielleicht nie so intensiv wir mit unseren Babys… Ich finde das immer wieder so krass wenn ich darüber nachdenke bzw-fühle. Das hat einfach nichts mit all diesen Werbebildern von Mutterschaft zu tun… Aber es ist irgendwie auch wunderbar, wie intensiv körperlich diese Erfahurng des Kinderkriegens ist…
Und wie schön, Sarash, dass du gerade so positive Erdahrungen machst!
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