Neu hier, brauche Hilfe: Kinderwunsch und rezidivierende Depressionen

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Alice
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Neu hier, brauche Hilfe: Kinderwunsch und rezidivierende Depressionen

Beitrag von Alice »

Liebe Community,

ich bin hier ganz neu. Ich habe in den letzten Wochen viel in eurem Forum gelesen und mich schließlich dazu entschieden, mich auch anzumelden. Ich habe in meinem Freundeskreis niemanden mit ähnlichen Erfahrungen, deshalb würde ich mich gern mit euch austauschen.

Zu mir:

Ich bin 41 und habe seit einigen Jahren einen Kinderwunsch. Leider ist es die letzten Jahre nicht möglich gewesen, wegen betriebsbedingter Kündigung und neuem Job und davor wegen einer Depression.

Zu meiner Krankheitsgeschichte:

Ich würde mich immer schon als hochsensibel bezeichnen, vielleicht auch ADHS (Lasse ich bald abklären) und als Kind schon eher vorsichtig und ängstlich. Mein Bruder und meine Eltern haben glaube ich keine Depressionen. Ich bin mit eher großem Leistungsdruck und Strenge aufgewachsen und habe mich emotional oft einsam gefühlt.

Mit Anfang 20 wurde mir das erste mal bewusst, dass ich sowas wie Depressionen hatte. Meistens ausgelöst durch Trennungen. Zwischendurch war es aber auch wieder OK. Nach dem Studium hatte ich in meinem ersten Job auch eine Depression wegen einer Trennung, dadurch war meine Leistung nicht so gut und negatives Feedback hat mich in meiner weiteren Berufslaufbahn immer wieder verfolgt. Ich bin ein ehrgeiziger Mensch und arbeite an sich gern. Aber ich bin nicht sehr stressresistent.

Ich habe in den letzten 15 Jahren 3 längere Psychotherapien gemacht, die auch immer in der Zeit geholfen haben. Meist ging es um Trennungen und meine depressiven Symptome.

Mit Mitte / Ende zwanzig fingen bei mir Einschlafstörungen an. Ich vermute anfangs wegen Stress. Auch in Urlauben, in denen ich mir ein Zimmer mit anderen Leuten teilen musste, konnte ich nicht schlafen. Das hat mich so fertig gemacht, dass ich anfing abends zum Einschlafen mit ca. 27 Promethazin und später Mirtazapin zu nehmen.

Leider wurde der Stress im Job tagsüber dadurch nicht weniger. Ich war häufig überreizt, kann Reize schlecht filtern, hatte innere Anspannung, und fühle ein solches Hyperarousal. Das ging 1-2 Jahre, bis das ganze in einer schweren Depression geendet hat. Ich war dann 3 Monate in einer Tagesklinik und habe Venlaflaxin genommen.

Das war vor 5 Jahren. Danach hat sich mein Leben stark zum Positiven geändert. Ich bin mit meinem langjährigen Partner (heute mehr als 10 Jahre zusammen) in ein Haus mit Garten gezogen, wir haben einen Hund und ich habe mich beruflich ein wenig verändert und war die 4 Jahre stabil.

Ich habe Anfang dieses Jahren das Venlaflaxin langsam abgesetzt. Also im Januar die letzte Dosis genommen. Zum einen, weil ich mich so lange stabil fühlte, aber auch, weil ich noch immer einen Kinderwunsch hatte. Meine Hormone sehen gut aus und meine Gynäkologin hat mich ermutigt, es erstmal natürlich zu versuchen.

Leider fingen im Mai wieder die Schlafprobleme an, obwohl ich weiterhin das Mirtazapin nahm. Das ging über mehrere Wochen, auch im Urlaub. Ich habe eine schreckliche Schlafangst entwickelt. Jedes Mal, wenn ich im Bett lag und am eindösen war, habe ich einen Edrenalinschub bekommen, wie eine kleine Panikattacke. Das war schrecklich.

Ich war bei meinem Psychiater, der mir sagte, die Schlafstörungen und die Reizbarkeit seien Symptome einer Depression und es sei ein typischer Verlauf, dass ein paar Monate nach Absetzen der ADs, die Depression wiederkam. Ich muss dazu sagen, ich habe mich nicht im klassischen Sinne depressiv gefühlt. Ich war happy mit meinem Leben. Aber es heißt wohl, es kann mit Schlafstörungen und Ängsten beginnen.

Der Psychiater empfahl, es mit Sertralin zu probieren, um die Angst zu lösen. Das musste ich nach 3 Tagen wegen heftiger Reaktionen leider wieder absetzen. Ich habe dann ein paar Wochen später wieder nach Anraten meines Arztes Venlaflaxin angefangen. Auch meine Gynäkologin und Embryotox sagten, das sei OK. Mein Psychiater sagt, es wäre besser das jetzt dauerhaft zu nehmen, weil ich schon häufiger eine Depression hatte und diese Schlafangst schon lange dauerhaft da war.

Ich struggle gerade sehr damit zu akzeptieren, dass ich wohl eine chronische Erkrankung habe. Ich hatte das vorher irgendwie verdrängt und realisiere es zum ersten Mal. Auch die Vorstellung, für immer Medikamente nehmen zu müssen, bei denen mögliche Langzeitschäden nicht bekannt sind, macht mir persönlich Angst. Ich weiß, dass ich die 4 Jahren mit den ADs happy war und sehr zufrieden mit meinem Leben, aber damals hätte ich auch nicht gedacht, dass es 'für immer' ist.

Die größten Bauchschmerzen allerdings bereitet mir mein Kinderwunsch. Zum einen, dass ich es ohne Medikamente nicht geschafft habe und deshalb nur mit Medikamenten schwanger werden könnte. Meine größte Angst aber ist, dass ich die Angst / Depression an mein Kind vererben könnte. Mein Partner ist völlig gesund und sehr resilient. Er steht an meiner Seite. Sein Kinderwunsch ist nicht so groß wie meiner, da er auch beruflich sehr eingebunden ist. Aber ich merke ihm jetzt auch an, dass er sich schon freuen würde. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit wohl bei vielleicht 50%, dass mein Kind die Erkrankung auch bekommt.

Ich weiß einfach nicht, wie ich damit umgehen soll. Unsere Eltern leben in der Nähe, wir sind finanziell gut aufgestellt und haben eine stabile Beziehung. Ich halte mein Leben trotz der Umstände für lebenswert. Aber natürlich ist das Leben mit einer Depression nicht einfach. Ich weiß nicht, ob ich es ertragen könnte, wenn mein Kind das auch bekommt und ich wüsste, ich hätte es vermeiden können.

Andererseits habe ich auch Angst, was ein unerfüllter Kinderwunsch mit mir machen würde. Ich habe Angst, dass ich für immer traurig wäre.

Ich weiß, dass meine Geschichte etwas anders ist als bei den meisten von euch, da ich noch kein Kind habe. Aber vielleicht gibt es Parallelen zu einigen von euch, die sich ein zweites Kind wünschen. Ich freue mich dieses Forum gefunden zu haben und wünsche mir einen guten Austausch mit euch.
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alibo79
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Re: Neu hier, brauche Hilfe: Kinderwunsch und rezidivierende Depressionen

Beitrag von alibo79 »

Hallo liebe Alice,
herzlich willkommen hier bei uns im Forum und natürlich bist du gerne gesehen und es ist immer eine Bereicherung, wenn Frauen sich hier engagieren und ihre Geschichte erzählen. Und das gilt natürlich auch, wenn man keine Kinder hat. Denn davon gibt es auch ein paar Patientinnen hier, die ohne Kinder mitmachen bzw. Immer mal aktiv waren, soweit ich das weiß. Ich habe das Forum damals entdeckt, als ich an einer postpartalen Depression erkrankt bin. Habe viele Jahre auch hier nur gelesen und bin dann , n in meiner zweiten schweren Episode selber hier aktiv geworden. Da waren meine Kinder auch schon in der Schule. Auch wenn meine Kinder schon größer waren, konnte ich hier vom Forum viel profitieren und habe viel über meine Krankheit gelernt und mich auch immer wieder gut reflektieren können. Ich weiß, dass des Frauen gibt, die unter Antidepressiva schwanger waren und auch gestillt haben. Das ist durchaus möglich. Bestimmt hast du hier schon häufiger den Begriff embryotox gelesen. Das ist eine anlaufstelle wo Experten sind , die genau für solche Fragen zuständig sind und auch beratend tätig sind. Gerade weil du das Venlafaxin ansprichst, da ist mir auf jeden Fall eine Frau in Erinnerung, die in der zweiten Schwangerschaft durchgehend dieses Medikament genommen hat und im Anschluss gesund entbunden hat. Und soweit ich weiß auch sehr stabil danach geblieben ist. Am besten du stöberst ein bisschen im Forum, da wirst du einige erfahrungsberichte finden.
Du darfst dir ganz offen, deine Gedanken und deine Gefühle äußern und es wird keiner verurteilt, sondern wir sind hier eine sehr unterstützende Gemeinschaft. Fühl dich herzlich aufgenommen und bei Fragen melde dich gerne!
2014 schwere PPD mit Ängsten, 6 Monate Tagesklinik
2015- 2019 mirtazapin, erst 45mg ab 2017 langsam reduziert
Zwischendurch versuch mit citalopram, nach 2 Monaten abgesetzt, da starke Verschlimmerung der Depression
Anfang 2021 erneut schwere Depression wieder 45 mg mirtazapin zusätzlich noch quetiapin 150mg
Über Jahre zusätzlich noch psychotherapeutische Behandlung
Alice
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Re: Neu hier, brauche Hilfe: Kinderwunsch und rezidivierende Depressionen

Beitrag von Alice »

Liebe alibo79,

ich danke dir für den herzlichen Empfang. Das ist wirklich kein einfaches Thema für mich und ich bin froh, dass ich einen Ort gefunden habe, an dem ich offen sein darf. Ich muss sagen, ich war vielleicht naiv, als ich mein AD abgesetzt habe, dass ich dachte, die Sache ist vorbei. Bei mir sind es glaube ich weniger depressive Episoden im Sinne von Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit und Rückzug, sondern eher eine dauernde Reizüberflutung, Überforderung, Innere Unruhe und eben die Schlafprobleme, die dadurch entstehen. Ich glaube mittlerweile, dass es ohne Medikamente nicht geht. Mit dem AD bin ich entspannter und werde abends auch schläfrig.

Trotzdem mache ich mir Gedanken, ob sich die lebenslange Einnahme solcher Medis auf meine Gesundheit auswirken kann und ob ich die Depression an mein Kind vererben könnte.

Kennst du solche Gedanken? Ich hoffe, ich trigger damit niemanden. Wie gehst du damit um? Vielleicht braucht es für mich Zeit, um das zu akzeptieren. Ich wünsche mir sehr ein Kind. Aber ich habe Sorge, dass es die falsche Entscheidung wäre.

Liebe Grüße,
Alice
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Marika
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Re: Neu hier, brauche Hilfe: Kinderwunsch und rezidivierende Depressionen

Beitrag von Marika »

Hallo Alice!

Herzlich Willkommen hier in unserer Runde! Zum Thema Langzeitmedikation kann ich etwas beitragen. Ich nehme mein AD schon 20 Jahre, solange ist meine PPD schon her. Zu Beginn hatte ich 3 Medis in hoher Dosis, geblieben ist mir 1 AD in niedriger Erhaltungsdosis. 2 erfolglose Absetzversuche haben gezeigt, dass ich ohne AD immer wieder Rückfälle habe. Mein Hauptsymptom sind Zwangsgedanken, ich war latent immer schon zwanghaft. Mit meiner Erhaltungsdosis bin ich absolut Symptomfrei und habe eine tolle Lebensqualität. Das AD wird mich auch weiterhin begleiten.

Ich habe mich sehr gut informiert und lasse mich regelmäßig durchchecken, ich bin gesund. Auch mit meiner AD Einnahme habe ich eine ganz normale Lebenserwartung sagt mein Arzt. Allerdings habe ich vor 120 Jahre alt zu werden, denn ich liebe das Leben. 😊 Um dieses sportliche Ziel zu erreichen trotz AD, tue ich daneben ganz viel gutes für meinen Körper, damit er die AD Dosis gut stemmen kann. Ich versuche mich gesund zu ernähren, mache etwas Sport und bewege mich viel, gute Work - Life Balance, div. auf meine Bedürfnisse abgestimmte Nahrungsergänzungsmittel, regelmäßige ärztliche Checks. Und vergiss nicht: ganz viele Menschen brauchen dauerhaft Medikamente und werden genau deshalb glücklich alt.

Zu deiner Angst, die psychische Besonderheit an dein Kind zu vererben, kann ich verstehen. Aber bedenke, euer Kind hat ja auch noch viele andere Anlagen, darunter die von deinem Mann. Und du bestehst ja nicht nur aus der psychischen Besonderheit, sondern hast viele weitere tolle Anteile. An meinem Sohn sehe ich wie so ein "Mix" aussehen kann: er ist ein wunderbarer sensibler, empathischer junger Mann geworden. Er ist introvertiert wie ich, verkopft sich manchmal zuviel und ist kein Draufgänger... alles von mir. Daneben hat er aber ein gutes Selbstbewusstsein (das hatte ich in dem Alter nicht, habe ich mir hart erarbeitet), traut sich seine Meinung zu sagen und tritt selbstsicher auf. Das ist eher von meinem Mann. Er ist erfolgreich im Beruf, hat seine eigne Wohnung samt Freundin und macht uns seeeeehr glücklich und stolz. Und eine erbliche Komponente gibt es bei so vielen Erkrankungen. Das ist aber nur ein Faktor von vielen, warum sie ausbrechen kann.

Hier noch die Seite um sich über Medis in der Schwangerschaft informieren kann: www.embryotox.de
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
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Alice
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Re: Neu hier, brauche Hilfe: Kinderwunsch und rezidivierende Depressionen

Beitrag von Alice »

Liebe Marika,

vielen Dank für deine Antwort. Ich habe viel von dir in diesem Forum gelesen und mir auch gemerkt, dass du dein AD schon lange nimmst. Ich fand deine positive Einstellung und deine Hilfestellung in diesem Forum sehr beeindrucken.

Ich neige sehr zu Ängsten und zum Katastrophisieren, leider. Deshalb ist es wahrscheinlich nicht verwunderlich, dass ich ich mir Sorgen mache. Es gab Studien hinsichtlich Arthrose / Knochendichte, die mich besonders beunruhigt haben, zumal ich schon Probleme mit meinen Knien und Wirbelsäule habe. Zudem habe ich Sorge, was ich tue, wenn die Medikamente irgendwann nicht mehr wirken sollten. Das kann wohl passieren.

Ich muss sagen, ich fühle mich mit dem AD auch besser. Die Depression äußert sich bei mir vor allem in erhöhter Reizbarkeit (Reize kann ich nicht filtern), Irritierbarkeit, Nervosität, Innerer Unruhe und damit einhergehend dann Schlafstörungen und Schlafangst. Wenn das länger nicht behandelt ist, dann geht bei mir die Negativspirale los und endet dann irgendwann darin, was man als klassische Depression kennt (Traurigkeit, Stimmungstief, Verzweiflung).

Ich suche auch gerade wieder nach einer Psychotherapie. Da diese Symptome bei mir aber so körperlich sind (habe auch Reizdarm), weiß ich nicht, ob es realistisch ist, das ganz ohne Medikamente behandeln zu können.

Hast du deine Zeit gebraucht, deine Erkrankung und die Langzeitmedikation zu akzeptieren? Oder war das kein Problem für dich?

Danke für deine Argumentation, dass das Kind ja viel mehr ist als die Erkrankung. Da hast du natürlich Recht. Ich finde mein Leben auch lebenswert. Ich bin auch introvertiert und sehr sensibel. Deshalb glaube ich, dass ich auch empfänglicher für Depris bin. Wenn ich mir dann nicht nur um mich, sondern auch um mein Kind sorge, kann das natürlich exponentiell werden.

Liebe Grüße,
Alice
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Marika
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Re: Neu hier, brauche Hilfe: Kinderwunsch und rezidivierende Depressionen

Beitrag von Marika »

Hallo Alice!

Die Langzeitmedikation hat mir nicht wirkliche grosse Probleme gemacht. Natürlich war ich enttäuscht und traurig, als ich nach dem 1. Mal ganz absetzen wieder rückfällig geworden war. Aber ich habe mich recht schnell damit arrangiert. Da ich so gerne lebe, wollte und will ich das allerbeste aus diesem einen Leben machen. Und das geht in meinem Fall nur mit dem AD.

Ich habe auch gesehen, wie viele Menschen außer mir Langzeitmedikationen haben. Seien das jetzt auch ADs, Blutdruck Senker, Cholesterin Senker usw.... auch das hat mir geholfen, das alles anzunehmen.

Ich wünsche dir von Herzen eine gute Entscheidungsfindung. ❤️
Liebe Grüße von
Marika

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Alice
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Re: Neu hier, brauche Hilfe: Kinderwunsch und rezidivierende Depressionen

Beitrag von Alice »

Hallo Marika und Community,

vielen Dank für deine Antwort! Wisst ihr evtl. etwas darüber, ob man die Wahrscheinlichkeit für eine Postpartale Depression senken kann, indem man während der Schwangerschaft Medikamente nimmt und möglicherweise nach der Geburt hochdosiert?

Ich habe ehrlich gesagt schon Angst davor, zumal ich in eurem Forum gesehen habe wie lange sowas dauern kann und dass möglicherweise dann die üblichen Medikamente nicht mehr anschlagen. Habt ihr dazu Erfahrungen oder Studien?

Liebe Grüße,
Alice.
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Marika
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Re: Neu hier, brauche Hilfe: Kinderwunsch und rezidivierende Depressionen

Beitrag von Marika »

Hallo!

Ich habe mich mit deiner Frage gerade an meinen kleinen Helfer ChatCPT gewendet, diese Antwort habe ich bekommen:

"Du kannst zum Beispiel in wissenschaftlichen Datenbanken wie PubMed oder Google Scholar nach solchen Studien suchen. Auch Fachzeitschriften wie „Journal of Clinical Psychiatry“ oder „Archives of Women's Mental Health“ veröffentlichen häufig solche Forschungsergebnisse. Und manchmal sind auch Webseiten von großen Kliniken hilfreich."


Tatsächlich gibt es einige Studien, die darauf hindeuten, dass eine kontinuierliche Antidepressiva-Therapie während der Schwangerschaft das Risiko für eine erneute postpartale Depression verringern kann, insbesondere bei Frauen, die bereits in der Vergangenheit eine postpartale Depression erlebt haben. Diese Studien zeigen, dass die fortgesetzte Medikation dabei hilft, die Stimmung stabil zu halten und Rückfälle zu vermeiden. Natürlich ist das immer auch eine individuelle Entscheidung und sollte eng mit der betreuenden Ärztin oder dem Arzt abgestimmt werden.

Auch hier im Forum sehen wir immer wieder, dass eine AD Weitereinnahme während der Schwangerschaft positiv sein kann. Hier auch nochmal der Link zur Medikamenten Einnahme während Schwangerschaft und Geburt: www.embryotox.de
Liebe Grüße von
Marika

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alibo79
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Re: Neu hier, brauche Hilfe: Kinderwunsch und rezidivierende Depressionen

Beitrag von alibo79 »

Hey,
Ich kann deine Gefühle gut nachvollziehen. Unruhe, reizüberflutung und hochsensibilität ist mir bekannt und ich brauche mehr Ruhe nach vielen reizen und muss mich davon erholen. Das können auch Dinge sein, die schön sind, wie ein Besuch im Kino mit einer Freundin, aber auch da muss ich immer schauen, wie gut meine Filter gerade aktuell sind. denn allein schon die große Leinwand, Die Lautstärke, Die extrem schnelle Abfolge von Bildern kann im nachgang erschöpfend auf mein Gehirn wirken.
Manchmal ist das frustrierend, weil ich denke, ich möchte auch normal funktionieren, aber inzwischen habe ich das gut akzeptiert oder eine Balance gefunden, womit es mir gut geht. Mit ab und zu mal besonderen reizen, wie Kino , Ausflüge , Urlaube, aber da muss auch anschließend wieder normaler Alltag einkehren, wo ich meine Pausen habe.

Zum Thema Krankheiten vererben hat Marika dir ja schon geschrieben und ich finde ihre sichtweise da sehr gut, denn man ist ja doch viel mehr als nur seine Krankheit. Ich möchte da ganz ehrlich zu dir sein. Bei uns in der Familie sind psychische Krankheiten sehr verbreitet. Sie kommen von mütterlicherseits, aber auch von väterlicherseits und wir haben da ein ganz breites Spektrum an Erkrankungen. ,die auftreten oder aufgetreten sind und jeder bei uns in der Familie muss immer bisschen für sich Sorgen und auf sich achten.
Ich weiß, dass ich vor vielen Jahren zu einer guten Freundin gesagt habe, dass ich keine Kinder bekommen möchte, weil ich Angst habe, unseren ganzen psychischen Schrott weiter zu vererben und war mir dem sehr sicher. Irgendwann hat sich aber meine Meinung geändert und wir haben doch Kinder bekommen. Das war auf jeden Fall eine gute Entscheidung, denn es gibt mir doch viel Sinn im Leben , kostet auch natürlich ganz viel Kraft, doch ich glaube, dass die Kinder und meine Krankheit mich selbst noch mal das Leben ganz neu betrachten lassen. Was vielleicht ohne Kinder und Krankheit nie passiert wäre. Und als Folge ist, dass ich ein selbstbestimmteres zufriedeneres Leben führe.
Ich hatte davor gefühlt ein gutes Leben und gefühlt viel selbstbewusstsein. Doch durch jahrelange therapeutische Betreuung und viel reflektieren habe ich für mich gemerkt, dass das alles Fassade war und ich in meinem tiefen inneren ganz wenig selbstvertrauen hatte und mich nie gut genug gefühlt habe. Egal was für Leistungen ich gebracht habe. Die kleinste Kritik hat bei mir große Unsicherheit hervorgerufen und im nachgang noch einen größeren Perfektionismus.
Es kann natürlich sein, dass meine Kinder auch psychische Krankheiten entwickeln. Das Risiko ist vielleicht ein bisschen größer als bei Menschen ohne Vorgeschichte. Doch gehört dazu ja auch ein zusammenspielen vieler Faktoren. Und dadurch, dass ich inzwischen so viel darüber weiß, versuche ich meinen Kindern ein stabilen Lebensweg zu ebnen und wir sind zu Hause auch ganz offen,was mentale Gesundheit angeht. So dass meine Kinder sehen, wie wichtig das ist, wie wichtig selbstfürsorge ist und dass sie sich angenommen fühlen, so wie sie sind.
Wenn ich das als Kind alles gewusst hätte und auch gewusst hätte, dass meine Eltern eine psychische Erkrankung haben und manches Verhalten nicht an uns Kindern liegt. Vielleicht wäre meine Situation heute eine andere, vielleicht aber auch nicht. Das weiß ich nicht. Ich glaube nur, dass ein offener Umgang mir damals geholfen hätte und auch heute ist es ja unumstritten, dass ein offener Umgang mit mentaler Gesundheit extrem wichtig ist.
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Alice
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Re: Neu hier, brauche Hilfe: Kinderwunsch und rezidivierende Depressionen

Beitrag von Alice »

Hallo Alibo, hallo Marika,

vielen Dank für eure Antworten.

@Marika: Danke für deine Hilfe. Das beruhigt mich etwas mit der Medikamentengabe und der PPD.

@Alibo: Ich finde mich sehr darin wieder, was du schreibst. Ich bin auch nicht in der Lage mich so vielen Reizen auszusetzen, wie andere Menschen. Lange fand ich das für mich OK, aber ich frage mich wie es dann mit Kind ist. Denn das ist man die ersten Jahre fremdbestimmt und hat nicht mehr so viele Möglichkeiten, sich zurückzuziehen. Tatsächlich finde ich mich auch wieder in dem Thema zum Selbstbewusstsein. Ich glaube, die meisten Menschen würden mich als sehr selbstbewusst bezeichnen, aber das ist so nicht. Nimmst du eigentlich auch immer noch Medikamente, Alibo?

Ich bin gerade ehrlich gesagt echt mega fertig, verzweifelt und traurig. Ich weiß, dass ich mein AD erst seit 4.5 Wochen nehme und die therapeutische Dosis erst 2 Wochen. Aber das AD wird nicht die Probleme und die Verzweiflung lösen, die ich gerade durchstehen muss. Das sind ja existenzielle Fragen und Sorgen, die ich weiterhin haben werde.

Vor ein paar Monaten war meine Welt noch 'heil'. Ich weiß nicht wieso, aber offensichtlich habe ich verdrängt, dass ich eine rezidivierende Depression habe (vor 5 Jahren auch eine schwere leider), obwohl mir das hätte längst bewusst sein müssen. Vielleicht ist das irgendein Selbstschutzmechanismus.

Jetzt habe ich das Gefühl, meine Welt bricht Komplett zusammen. Jeden morgen, wenn ich aufwache denke ich, ob das ein Alptraum ist oder die Realität, dass AD jetzt mein Leben sind. Ich wünschte ich könnte das leichter nehmen.

Ich habe auch Studien gelesen, die sagen, dass ein Kind eine 3-5 mal höhere Wahrscheinlichkeit hat an einer Depression zu erkranken, wenn mindestens ein Elternteil das hatte. Bei der Mutter ist es wohl höher als beim Vater. Das macht mich so unglaublich traurig und wütend und ich frage mich die ganze Zeit, warum ich? Um mich herum bekommen Freunde Kinder und müssen sich über sowas keine Gedanken machen. Es ist so unglaublich unfair.

Ich weiß einfach nicht, ob ich es schlimmer finde, mein Leben lang mit einem unerfüllten Kinderwunsch zu leben (klar, es kann auch so nicht klappen, auch wenn man es versucht, aber irgendwie empfinde ich das als was anderes) oder ob es schlimmer ist, ein Kind zu bekommen und 20 Jahre lang Angst haben zu müssen, dass es ihm irgend wann schlecht geht.

Ich habe darüber heute auch mit meinem Partner gesprochen. Sein Kinderwunsch ist weniger groß als meiner, aber er würde natürlich hinter mir stehen und sagt auch, dass das Risiko einer Erkrankung kein Ausschlusskriterium für ihn wäre. Manchmal frage ich mich aber, ob ein gesunder Mensch das nachvollziehen kann.

Ich weiß, dass nicht nur die Genetik eine Rolle spielt, sondern auch die Erziehung und das Erleben des Kindes in der Familie. Und natürlich sage ich jetzt, dass ich alles in der Welt tun würde, vor meinem Kind nicht depressiv zu sein. Aber ich kann das ja einfach nicht garantieren.

Ich bin ehrlich gesagt wirklich am Ende gerade und ich habe gerade das Gefühl, dass er nie mehr besser wird und ich nie wieder sowas wie Leichtigkeit spüren werde.

Tut mir Leid für meine Ergüsse. Es geht mir einfach gerade so schlecht.

Liebe Grüße,
Alice.
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