Liebe Kath,
na klar erinnere ich mich an dich
Stand der Dinge mit meinem Studium ist, dass ich jetzt gerade wieder zum Ende des Semesters voll im Klausurenstress stecke.
Da muss im Moment alles andere etwas zurückstecken (Kind, Mann, Freunde, Hobby), aber es sind zum Glück nur noch drei Wochen bis zu den Semesterferien.
Dann werde ich die Zeit mit meiner Familie und sonst wieder genießen.
Es macht mir richtig Spaß im Studium, vor allem wenn ich kleine Schritte voran komme und eine Klausur oder ein Testat bestanden habe.
Erfolgserlebnisse sind für mich sehr wichtig seit der Erkrankung, weil mir das dann immer wieder den Antrieb und die Stärke gibt auch in schlechteren Phasen und bei Misserfolg beharrlich weiter zu machen.
Leider ist mein größtes Handicap, die durch die Depression verursachte Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörung.
Gerade in diesem Fach wird unheimlich viel, abstraktes Wissen in einem wahnsinns Tempo vermittelt.

Ich brauche unheimlich lange bis ich mir abstrakte Dinge merken und vorallem in Prüfungssituationen reproduzieren kann. Z.B. Chemie, Physik, Biochemie..
Ich habe mir aber einiges Infomaterial über Lernstrategien für das Medstudium organisiert und baue mir den ganzen Tag lang Eselsbrückchen.
Lach nicht, aber hier ein Beispiel: also Strukturformel von Carbonsäuren -> ich denke mir erstens Carbooooonsäuren, das bedeutet: O ist wichtige Komponente und kommt mehrfach vor und auch mit Doppelbindungen (deshalb die mehrfachen ooo´s) und dann male ich mir aus der der Strukturfolmel noch ein buntes Strichmännchen. Das vergesse ich dann nicht mehr. Oder ein Aldehyd bekommt von mir ein buntes Hüt, damit ich mir merke, dass ich das "H" (Wasserstoff) in der Formel nicht vergessen darf.
Du siehst, alles etwas zeitaufwendig und deshalb komme ich viel langsamer voran als viele meiner Kommolitonen und manchmal frustriert es mich sehr. Besonders, weil ich die besondere Gabe eines "fotografischen Gedächtnisses", was ich immer hatte und noch nie für irgendetwas groß lernen musste, durch die Erkrankung eingebüßt habe.
Ich brauchte mir eine Sache, einen Text nur anschauen und konnte ihn mir als Bild wieder ins Gedächtnis rufen und völlig Detailgenau reproduzieren. Ich weiß jetzt erst, was mir da verloren gegangen ist
Aber in solchen Situationen des Selbstmitleids, denke ich oft an jemanden, der z.B. durch einen Unfall querschnittsgelämt wurde, vorher vielleicht Hochleistungssportler war und jetzt im Rollstuhl sitzt.
Diese Menschen schaffen es irgendwann auch mit ihrer Behinderung zu leben und vorallem trotzdem eine hohe Lebenszufriedenheit zu haben.
Dann sind es halt die Paralympics, die einem die Erfolge ermöglichen..
Nun ja, solche Weißheiten werf ich natürlich alle über Bord, wenn der Frust mal gerade besonders groß ist und ich nur noch Ungerechtigkeit empfinde
Ja so sieht das bei mir aus..
Mein Mann übrigens nimmt jetzt auch ein AD (Citalopram) und mach eine Therapie. Er wird mit der Diagnose und allem sonstigen Unglück nicht alleine fertig. Es geht ihm durch das Medi schon deutlich besser und ich hoffe, dass die Therapie auch unserer Beziehung gut tun wird.
Wie ist es denn bei dir? Du sagtest, dass du dich auf den Eignungstest für das Studium vorbereiten wolltest. Wie sieht denn so ein Test aus, was für einen Umfang hat er?
Wenn du irgendwelche Infos brauchst zu Fachthemen oder so kannst du mich gerne fragen.
Ich bin ein Behinderter mit Helfersyndrom
Bis dahin erstmal, ganz liebe Grüße
Katherina
ach und p.s. ich habe die Verhaltenstherapie abgebrochen, weil sie mir nichts gebracht hat und mache jetzt eine tiefenpsychologische Therapie, um die Behandlungstraumen und andere Leichen aus meinem Keller zu verarbeiten und zu beerdigen.
Und ganz lieben Dank für eure lieben und verständnissvollen Worte. Ich kann das sehr gut gebrauchen.
Es ist Balsam für meine Seele, denn als Frau "supertaff", die ich oft nur äußerlich bin, bekomme ich kaum liebevolle Zuwendung und Trost, weil ich oft nicht so wirke, als brauche ich das.
In mir bin ich oft ein kleines Kind, was auch nur liebgehabt und in den Arm genommen werden möchte
