Leben versaut

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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heli

Leben versaut

Beitrag von heli »

Hallo an alle!

Heute war wieder ein furchtbarer Tag. Je mehr ich mich bemühe, eine gute Hausfrau und Mutter zu sein, umso mehr geht schief. Am Vormittag ist mir meine Tochter von der Wohnzimmercouch gefallen. Ich habe zu wenig auf sie geschaut. Dann wollte ich was schönes kochen. Natürlich ist mir das Fleisch angebrannt. Ich fühle mich wie der letzte Versager. Ich bin nicht geeignet um Hausfrau und Mutter zu sein. Jetzt mache ich mir die größten Vorwürfe: Ich hätte vorher ganz genau überlegen sollen, ob ich mir ein Kind anschaffe und ich hätte wissen müssen, dass ich in dieser Rolle ein totaler Versager bin. Ich hätte nie ein Kind kriegen dürfen. Aber jetzt ist es zu spät. Ich denke momentan ich habe den größten Fehler meines Lebens begangen. Vorher war ich ein glücklicher Mensch. Im Job hielt mich jeder für schlau und ich hatte keinerlei Probleme mit neuen Herausforderungen. Auch die Liebe zu meinem Mann hat mir Selbstvertrauen gegeben und ich war ein zufriedener Mensch.
Habe jetzt genug gejammert. Tut mir leid.
Lg
Helga
Jenny

Beitrag von Jenny »

Heli, wenn man grade in gedrückter Stimmung ist, dann ist jede noch so alltägliche Katastrophe "Beweis" für die eigene Unfähigkeit. Und dann pauschalisiert man, schert alles üer einen Kamm und zweifelt gleich sein ganzes Leben an.

Weenns dich tröstet: Eigentlich bin ich ne prima Köchin. Und trotzdem habe ich heute das Gemüse zu stark gebunden; jetzt nach dem Erkalten ist die Soße so steif, dass ich sie in Scheiben schneiden könnte!
Nur gut, dass ich das heute Abend meinem Mann net zum Geschnetzelten servieren muss, das ich für ihn aufbewahrt habe, das hat nämlich in nem unbewachten Moment der Hund gefressen... :roll: :( War offensichtlich lecker... Auch saublöd, gell?

Nun, am letzten Geburtstag meiner Tochter hab ich ihre Geburtstagstorte am Geburtstagsmorgen fallen lassen. Ich war damals noch mitten in der Depression und hab nen Heulkrampf gekriegt. Ich war davon überzeugt, dass ich die schlechteste, unfähigste Mutter aller Zeiten wär, die ihrem Kind sogar den Geburtstag versaut.
"Versaut" hat die Stimmung höchstens meine Heulerei, wär ich gesund gewesen, hätte ich einmal lautstark geflucht (ich kann net nur toll kochen und backen, sondern auch prima fluchen *jahimmiherrgottssakramentzumdeiwelnochamol* :lol: :lol: :lol: ) und was improvisiert.

Das muss ich heut Abend auch. Kann meinem Mann schließlich kein Scheibengemüse servieren. Oder ich geb des dem Hund und mach dem Männe ne Dose auf :lol: :lol: :lol:

Mach dir nix draus, so dumme Sachen passieren jedem...
heli

Beitrag von heli »

Liebe Jenny!

Wahrscheinlich hast du recht. Wenn es dir nicht so gut geht, ich jedes Mißgeschick eine Katastrophe. Früher als ich gesund war, hätte ich darüber gelacht. Aber das geht jetzt nicht mehr so leicht. Ich lebe in der ständigen Angst, dass es mir wieder so schlecht wie kurz nach der Geburt geht. Danke für deine mitfühlenden Worte. Dein "Fluch" ist nicht schlecht. Ich hab ihn auch schon öfters gebraucht.
lg
Helga
Sas

Beitrag von Sas »

Liebe Helga,

ich kann der Jenny nur beipflichten! Wenn ma depressiv ist, dann ist der ganz normale Wahnsinn, der einem täglich passieren kann, gleich der Weltuntergang und man hört nicht auf, sich zu hinterfragen. Ich habe damals geradezu nach Bestätigungen für meine eigene Unzulänglichkeit gesucht. Ist mir auch alles schon passiert, was Dir passiert ist. Mein Kind ist zu meiner schlimmsten Deprizeit mal aus dem Bett gepurzelt und hat natürlich gleich gebrüllt. Ich bin gleich voll panisch ins Krankenhaus gefahren (!!!), natürlich geschüttelt von immensen Heulkrämpfen und Selbstvorwürfen (ich, die unfähige Mutter...). War natürlich nix passiert. Dann habe ich auch noch am gleichen Tag vergessen, die Brezen aus dem Ofen zu tun. Die waren natürlich Briketts. Das hat mir den Rest gegeben. Die allerletzte Mutter, die unfähig ist, auf ihr Kind aufzupassen und die nicht mal Brezen aufbacken kann, usw. Spirale nach unten...

Liebe Helga, sowas kann JEDEM passieren. Auch Kinder von gesunden Müttern fallen mal hin. Auch eine gesunde Mutter vergisst mal was oder läßt was anbrennen.
Muttersein muss man lernen, das ist uns nicht in die Wiege gelegt worden. Und meiner Meinung nach lügt JEDE, die es angeblich nicht zwischendurch mal komplett satt hat. Aber Du wirst es lernen, Du kannst es irgendwann managen. Lass Dir Zeit, sei nicht zu ungeduldig mit Dir selbst.

Soll ich Dir mal ein Beispiel aus meiner heutigen Zeit geben? Gestern ist die Kleine von der Couch geplumpst und hat sich dabei tierisch den Kopf angehauen. Sie war gerade am brüllen, als mein Mann heimkam, gleich aufs Klo stürmte und sich dort ausgek...tzt hat. Magenverstimmung...
Die Kleine hat dann noch Terror gemacht, weil Papa sich nicht um sie kümmern konnte und sie nicht, wie gewöhnlich, ins Bett gebracht hat.
Dann habe ich mich noch am Telefon verquatscht und dabei völlig meine Pizza im Ofen vergessen. Die war natürlich dann schwarz. Alles das hat mich zwar dann dazu gebracht ordentlich zu fluchen, aber ich bin nicht mehr ausgetickt und habe mich für zu blöd für alles gehalten. So Tage gibt es halt, das ist Murphys Gesetz. Wirst Du irgendwann auch so sehen!

Alles Liebe, Saskia
Runespoor

Beitrag von Runespoor »

Hallo Heli!
Kenne sowas nur zu gut. Bei mir ging es noch weit greifender. Als meine kleine Lungenentzündung hatte und sie nebenbei raus fanden das sie Eisenmangel hatte sah ich auch das als Indiz eine schlechte Mutter zu sein. Selbst beim kleinsten Pickel auf den Hintern habe ich so reagiert.Oder auch als nun raus kam das ich nen Borderliner bin war mein Gedanke: "Am besten die Kinder ins Heim damit ich sie nicht weiter versaue." Wobei das Quatsch ist.
Wie meine Vorrederinnern schon meinten das sind Sachen die jeden passieren, nur das du dadurch das es dir schlecht geht anders darauf reagierst.
Allerdings hat die Umwelt auch einen wahnsinnigen Anspruch wie du als Mutter zusein hast bzw. was eine gute Mutter ausmacht und das macht es auch nicht einfach.

Für viele bin ich schon allein deshalb nen Exot bzw. nen Rabenmutter weil ich mein Kind fast nur Trage und nicht brav wie alle "Guten Mütter" im Kinderwagen schiebe. Fiona trägt selten nen Mütze und vorgestern hätte ich zwei Damen am liebtsten vomRad geschubst weil sie meinten "Dat Kind hat ja nicht mal nen Mütze auf". Toll, Fiona war satt und sauber, zufrieden, laut Kinderarzt ist sie altersgerecht entwickelt. Aber weil das arme Haschel keine Mütze aufhat (die reißt sie sich eh ständig von der Birne und ich denke mir wat mach ich mir den Streß) wirds von mir schlecht behandelt. Da fast du dir echt an nen Kopf bzw. ich werde ziemlich aggressiv und maule schon mal die Leute an sie sollen sich um ihren eigen Kram kümmern bzw. darum das ihre Kinder immer gut gekleidet sind, mit Pampers gewickelt mit Bübchen gepudert mit Alete gefüttert und vielelicht kriegen sie dann auch mal nen Orden für die Mutter des Jahres.
Es ist nicht leicht, aber habe geduld mit dir und nicht all so hohe Ansprüche. Gruß Antje
Jenny

Beitrag von Jenny »

Das Mützentheater kenne ich auch gut. Als Babies haben meine alle anstandslos Mützchen getragen, aber der erste Sommer "oben ohne" hats ihnen dann verleidet und kaum waren die Ärmchen lang genug, an die Mütze zu langen, war sie auch schon unten.
Mir stinken dann die Kommentare von solchen Omis auch, aber die wissens net besser, früher dachte man halt, das und das MUSS, man kann sie nimmer zum Umdenken bringen. Muss ich halt die Ohren zumachen und durch.
Was das Tragen angeht: Dass da immer noch so ein Theater drum gemacht wird, wie man seine Kinder transportiert, und das in Berlin... Man könnte doch meinen, die Berliner haben schon so ziemlich alles gesehen und sind da etwas toleranter, wa?
Lass dich bloß nicht unterkriegen!

DIR KANN KEENER! :wink:
Runespoor

Beitrag von Runespoor »

Hallo Jenny!
Das Ding ist der Mützen Spruch kam von einer Frau in etwa meinen Alter bzw. noch jünger, die aber gleich von Mama so um die 50 untermauert wurde. Ich erschrecke mich echt dann immer über mein Aggressions potential. Aber lt. Therapeutin bin ich implusiver und tempramentvoller als es auf den ersten Blick scheint. Mag sein das es bei mir auch den wunden Punkt erwischt. Sprich die Sorge eine schlechte Mutter zu sein und wieder die stärkere Angst das mir die Kids wegen so nen Shit weggenommen werden.

Weißt was ich noch übel finde? Mütter die ihre Babies ab September einpacken als wollten sie auf Polarexpidition gehen und sich wundern das die Kids ewig krank sind. Ja wie soll sich der Körper auch mit was auseinandersetzen wenn er ständig überhitzt wird.
In Berlin kommt es auch echt auf den Stadtbezirk an. Im Prenzelberg bzw. Friedrichshain (wo ich früher gewohnt habe) war ich mit meinen Tragesack nicht so nen Exot wie in Köpenick. Die Köpenicker sind leider Gottes ziemlich spießig der NAchteil wenn du ins Grüne ziehst. Wurde auch schon gefragt ob wir uns keinen Kinderwagen leisten können. Wenn die wüßten was Tragetücher und Co neu kosten :roll: . Aber manche Omas finden es toll und bedauern das sie sowas noch nicht hatten. Ach unterkriegen lasse ich mich nicht.
Nur manchmal denke ich wie langweilig den Leuten sein muß wenn sie über sowas geifern. Warum sie sich nicht um ihren eignen Mist kümmern können. Gruß Antje
Jenny

Beitrag von Jenny »

Ja, die fettest eingepackten Kleinkinder, in fünf Schichten Klamotten plus Mütze, Handschuhen, Schal, Fellstiefelchen und Decke in den Fußsack des Buggy gepresst und zur Bewegungslosigkeit verurteilt, so dass ihnen in der überhitzten Straßenbahn nix anderes übrig bleibt, als in ne Art Wachkoma zu fallen, da die perfekten Mamis eh damit beschäftigt sind, ihrer Freundin per Handy anzusagen, an welcher Station sie sich grad befinden, tun mir auch immer Leid. Nur leider ändert sich nix, wenn man was sagt.
Ich denk nur, macht so weiter, ihr Supermuttis, schützt eure Kleinen vor jedem Luftzug, reißt sie am Ärmchen hoch und ans mütterliche Herz, sobald ein Hund in Sichtweite kommt; füttert sie mit Brezeln und Milchschnitten, die kriegen ja genug Vitamine von den Lachgummis und auf Äpfel kann man ja allergisch werden; zeigt ihnen die bunte weite Welt auf SuperRTL, da lernen sie bei, dass Enten gelb sind und Mäuse Kleidchen tragen; kauft ihnen Würfel, die EINS sagen, wenn man auf die "1" drückt, ist super sinnvoll, viel sinnvoller, als mit ihnen einzelne Weintrauben abzuzählen, schließlich müssen Kinder lernen sich selbst zu beschäftigen; fahrt sie zum Musikunterricht, zur Frühförderung, zum Malkurs und in die PEKiP-Grupe, Bewegung kriegen sie schließlich genug beim Kinderturnen einmal die Woche - und dann wundert euch mal net, wenn eure vollgefressenen verweichlichten indolenten Kinder irgendwann mal glauben, das Geld kommt aus dem Automaten und der Strom aus der Steckdose, wenn sie vor null und nichts Respekt haben, schließlich wurde ihnen ja lange genug der Hintern nachgetragen. Ja und wenn sie dann mal 15 Meter auf Inlinern zurück legen, brauchen sie ne Vollschutzausrüstung! :evil: Schöne neue Welt!
Runespoor

Beitrag von Runespoor »

Schön wie einig wir uns immer sind. :D Es ist halt immer schwierig was zu sagen weil auch solche Mütter im Grunde nur das Beste für ihre Kiddies wollen, aber sich zusehr von anderen beeinflussen vorallem vom Fernsehen bzw Werbung. Und was wirklich zählt geht verloren. Mich streßt dieses Konsumdenken auch ziemlich. Ich bin zwar nicht 100% Alternativ, aber weiß das es auch anders geht und Babies nicht jeden Mist brauchen. Wenn ich höre wieviel eine Bekannte für das Kinderzimmer ausgegeben hat wird mir schlecht. Wir haben nen Bett geschenkt gekriegt und Schrank von der Mama meines Freundes geerbt. Wirhaben lediglich nur nen Matraze und Wickelbrett geholt haben und den Rest haben wir improvisiert. Fiona liebt es ihren Zettelkasten aus und wieder einzuräumen, beschäftigt sich mit Johurtbechern, Bausteinen und Schüsseln und Töpfen in der Küche. Es geht also auch ohne teuers Spielzeug. Bei meinen Großen merke ich mehr das dass Markendenken und so los geht. Er wünscht sich nen Karten von Diddl bzw. nen Hefter ist auch okay. Ganz ohne geht es auch nicht. Aber dieses Konsumdenken steigert auch das Anspruchsdenken und das ist gar nicht in unseren Sinne. Gruß Antje
Jenny

Beitrag von Jenny »

Wir versuchen auch immer so nen Mittelweg einzuschlagen. Natürlich hat meine Große mittlerweile nen Handy, mit Karte und 15 Euronen pro Quartal zur Verfügung (sie war echt die Einzige in der Klasse, die noch keins hatte), natürlich kann ich verstehen, wenn sie jetzt, mit fast elf, nimmer "lieb" aussehen will, sondern lieber wie LaFee ("aber nur n bisschen, Mami die ist ja auch schon älter!"). Aber genauso "natürlich" gibts Taschengeld für Dinge, die wir nicht bereit sind zu kaufen (quietschbunte Gummibonbons, Tattoo-Aufkleber und "Mädchen"-Hefte :roll: ), es gibt strikte Zeitbegrenzungen für PC und I-Net, und wehe, ich erwisch sie, wie sie irgend nen Müll einfach auf die Straße wirft! (meine Großen drücken mir heute noch automatisch ihre Kaugummipapiere in die Hand, weil sies von klein auf so gewohnt waren, dass Mami den Müll zuhause entsorgt :lol: :lol: ).
Mit dem Männelein wollen wirs genauso halten.

Es gibt Leute, die uns schräg angucken mit unserer gesunden Ernährung, unseren täglichen Spaziergängen und den strengen Schlafenszeiten für die Kinder. Aber neulich war ich beim Arzt mit der Großen und der rief aus:"Endlich mal ein Kind mit Idealgewicht, dem man ansieht, dass es sich viel draußen bewegt!"
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