Ich liebe mein Kind doch...

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Martina

Ich liebe mein Kind doch...

Beitrag von Martina »

und ich liebe es mehr als alles andere auf dieser Welt. Ich habe unglaubliche Angst, dass meiner Tochter etwas zustoßen könnte, dann würde ich nie mehr glücklich werden können.

Und trotzdem... immer, wenn ich meinem Kind sage, dass ich sie liebe, komme ich mir vor wie eine Hochstaplerin... denke, sie glaubt mir nicht...

Und wenn mein Freund sagt, ich würde meine Tochter nach 5 Minuten vermissen und mir ständig Sorgen machen, wenn sie ein paar Tage bei ihrem Vater wäre (das ist zur Zeit Thema wg. Weihnachten)... dann staune ich, dass er mich so sieht. Ich denke, man sieht mich als ihr-Kind-nicht-genug-liebende-Rabenmutter.

Woher kommen diese Gefühle? DENN ICH LIEBE SIE DOCH!!! Und ich habe nie etwas anderes behauptet. Nie etwas anderes gefühlt. Auch in den Zeiten schlimmster Depression. Dass ich überhaupt noch da bin verdanke ich diesem Gefühl...!

Kennt jemand von euch diese komischen Gefühle? Ist das vielleicht ein Symptom?

Oder liegt es daran, dass ich eben nicht die Übermutter bin und auch gern 1000 andere Dinge mache, neben Mutter sein, und deswegen ein schlechtes Gewissen habe, weil ich denke, ich müsste anders sein?

Liebe Grüße an alle, und 'tschuldigung, wenn ich so selten reinschaue, ich hoffe ich darf trotzdem mitschreiben, denn ich habe so viel um die Ohren, übrigens grad auch ein eigenes Frauenforum eröffnet (http://www.frauen-forum.org)

Martina
ticaju

Beitrag von ticaju »

Hallo, Martina!

Also, ich muß dir sagen, daß es mir auch sehr oft so geht. Ich habe ständig ein schlechtes Gewissen meiner Tochter gegenüber, daß ich sie nicht genug lieben könnte.

Als erstes ist da die Depression und die Zwangsgedanken. Ich denke sehr oft:"Wenn Du sie nur genug lieben würdest, dann hättest Du diese Gedanken erst garnicht." Aber das stimmt nicht. Gerade weil ich sie wohl so liebe, sind diese Gedanken erst gekommen. Es wäre meine größte Angst, wenn ihr etwas passieren würde und daraus haben sich wohl meine ZG gebildet. Ich vergesse immer wieder, daß ich eigentlich nichts dafür kann, weil es ja eine Krankheit ist.

Als zweites habe ich auch ein sehr schlechtes Gewissen, weil das Muttersein mich nicht wirklich ausfüllt. Früher habe ich immer die Frauen verurteilt, die, trotz Kind, gearbeitet haben und sich auch mal Auszeiten vom Kind gegönnt haben. Ich wollte die perfekte Übermutter sein, die total in ihrer Rolle als Mutter aufgeht. Vielleicht, weil ich nie eine solche Mutter gehabt habe (Sie hat mich und meinen Vater verlassen, als ich zwei Jahre alt war). Ich wollte alles besser machen, als sie es getan hat. Aber der Schuß ist gehörig nach hinten losgegangen. Ich sehne mich danach etwas mehr Abwechslung zu haben und langweile mich auch oft. Und dann habe ich halt ein schlechtes Gewissen.

Und drittens habe ich auch ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir dann trotzdem mal eine Auszeit gönne. Ich denke dann, daß mir das nicht zusteht.

Aber schlußendlich haben wir, glaube ich, ein falsches Bild vom "Muttersein". Es ist anders, als es noch in den Generationen vor uns war. Wer weiß, ob die Frauen wirklich ein ausgefülltes Leben hatten? Ich habe noch keine wirklich danach gefragt. Sie kannten auch nichts anderes und haben wohl auch nichts vermisst. Direkt nach der Ausbilung geheiratet und Kinder bekommen. So war es doch in den meißten Fällen. Nicht so wie wir, die vor dem Kinderkriegen gearbeitet hatten und eine eigene Existenz hatten. Wir haben schon etwas, daß wir vermissen können.
Wir müssen einfach von dem Gedanken weg kommen, eine Übermutter sein zu wollen.
Nicht die Quantiät des Mutterseins sondern die Qualiät zählt.
Und ich denke mal, das das bei Dir schon der Fall ist und Du Deine Tochter über alles liebst. Es dürfen auch mal andere Gefühle ins Spiel kommen. Du kannst ja nicht 24 Stunden am Tag nur die Liebe für Sie spüren. Das geht ja garnicht.
Wenn Du Sie nicht lieben würdest, hättest Du wohl nicht so gekämpft, daß Du wieder gesund wirst.

Jetzt ist es etwas lang geworden... :wink:

Liebe Grüße

Christina
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Marika
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Beitrag von Marika »

Liebe Martina!

Schön, dass du mal wieder reinschaust! :D

Aber klar, ich kenne diese Gefühl auch und ich kann mich ganz der Christina anschließen. Ich glaube, wir haben eine übersteigerte Vorstellung vom "Mama sein" - das kann auch mit ein Grund sein, warum wir überhaupt krank geworden sind. Da ist die Gesellschaft natürlich auch mit dran "schuld" - denn von ihr bekommen wir ja (in der Werbung z.B.) etwas vorgegaukelt, dass man nie und nimmer erfüllen kann und auch nicht muß.

Wir sind vielleicht die sensibleren Menschen und nehmen uns das dann viel zu sehr zu Herzen. Wir glauben immer, wir sind nicht gut genug und tun zu wenig. Aber das ist nicht so - nur dieses Denken ist nicht einfach abzulegen. Und typisch ist auch, dass uns unsere Mitmenschen (also dein Freund) ganz anders erleben, als wir uns selbst.

Liebe Martina, du liebst deine Kleine ganz bestimmt total und du machst alles richtig. Du kannst für dich aber lernen, deinen Bedürfnissen und Vorlieben (Arbeit) wirklich mit gutem Gewissen nach zu gehen. Also ein Stück weit müssen wir einfach Selbstliebe und auch ein bissl Egoismus entwickeln. Das schaffst du bestimmt - mir gelingt es auch immer besser. Mein Therapeut unterstützt mich auch in dieser Hinsicht sehr gut.

Ganz liebe Grüße nach Griechenland von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Martina

Beitrag von Martina »

Hallo und schön, dass ich hier noch posten darf :oops: und dass ich auch so liebe, aufbauende Antworten bekomme!

Ihr habt Recht, ich lebe in ständigem schlechten Gewissen, dass ich nicht genug Muttergene habe und mir nicht alles Spaß macht, was mit Kind zu tun hat.

Allein schon diese Trotzanfälle, ich denke dann immer, "normale" Mütter finden das gut, oder was weiß ich. Aber WIE KANN MAN DAS GUT FINDEN? Oder das Schlafen. Seit 3 Jahren kann ich nicht wirklich durchschlafen, am Anfang war es auch wirklich schlimm, und ich habe noch ein schlechtes Gewissen, weil ich mich darüber beschwere.

Überhaupt ist mir in letzter Zeit aufgefallen, dass ich wegen allem ein schlechtes Gewissen habe. Furchtbar.

Na ja, wenn ihr also meint, dass man mir durchaus glauben kann, dass ich mein Kind liebe, dann bin ich wieder beruhigt...

Liebe Grüße
Martina
Carlotta

Beitrag von Carlotta »

Hi Martina,
willkommen im Club des "schlechten" Gewissens. Das habe ich auch oft, denn ich habe schon immer "nebnher" gearbeitet, und beide gingen/gehen in eine Krabbelstube, seit sie 1 Jahr alt waren. Da habe ich mir - und das in unseren aufgeklärten Zeiten - einiges anhören müssen: warum ich denn dann Kinder habe, wenn ich nicht den ganzen Tag für sie da bin. Na, weil ich ja durch die Geburt meiner Mädels nicht aufgehört habe zu existieren, mit all meinen Wünschen und Bedürfnissen. Dazu gehört eben auch mein Beruf, und Du scheinst deinen ja auch aus Leidenschaft auszuüben, oder? Davon kann Deine Tochter eigentlich nur profitieren, und wer sagt denn, dass man seine Kids weniger liebt, wenn man arbeitet? Das unterstellt man den Männern ja auch nicht.
Nimm es doch einfach so an, wie es ist: du bist Du, Du arbeitest auch gerne. Und den Rest der Zeit kümmerst Du Dich um Deine Tochter.
Noch was: ich glaube nicht, dass es andere Mütter toll finden, nicht zu schlafen, oder trotzige Kinder zu erleben. Viele trauen sich nicht, auch mal die negativen Gefühle wie Wut, Enttäuschung usw zuzulassen, dabei gehören die ja auch zum Leben dazu.
Karin Andrea

Beitrag von Karin Andrea »

Liebe Martina!

Das schlechte Gewissen beeinträchtigt auch mein Leben. Mittlerweile bin ich zu der Erkenntnis gekommen, das das durch zu viel Liebe verursacht wird. Ich habe mich von so vielen Dingen abhalten lassen, die mir gut tun und das schürt Unzufriedenheit. Aus schlechtem Gewissen, weil ich arbeite, weil ich alleinerziehend bin. Jede Frau ist mehr als nur Mutter. Warum lassen wir Frauen uns so sehr beschränken? Bei Männern ist es in Ordnung, wenn sie ihre Interessen beibehalten. Unsere Kinder haben gar nichts von Müttern, die zwar immer da, aber unzufrieden sind. Daher ist es gut für unsere Kinder, wenn die Mütter ihren Interessen nachgehen. Wenn die Kinder uns brauchen, sind wir da. Jeden Tag eine Zeit konzentrierte Aufmerksamkeit bringt viel mehr als ein dauerndes, genervtes Nebeneinander.
Anfangs musste ich mich fast zwingen loszulassen. Ich habe mir gesagt, so jetzt genieße ich diese Zeit für mich - und es hat geklappt. Wir sind beide glücklicher und zufriedener.

Als Vorsatz fürs neue Jahre möchte ich das unbegründet schlechte Gewissen endgültig über den Haufen schmeißen! Vielleicht auch was für dich? :P


Liebe Grüße,
Karen

Beitrag von Karen »

Hallo Martina,
ich kenn diese Gefühle leider auch sehr,sehr gut.
Dieses Schlechte Gewissen, dass einen ständig begleitet,dass einen ganz verrückt macht.
Ich hab es auch noch nicht akzeptiert, dass ich nicht diese "Supermami" bin.Ich denke,dass sobald man Mama wird, automatisch diese Gefühle sich einstellen müssten.
Das heißt,dass man die Rolle "Mutter,Hausfrau" als die Erfüllung des Lebens sieht.Ich bin total enttäuscht,dass dies nicht auf mich zutrifft.

Ich mach mir ständig Vorwürfe,dass ich ihm zu wenig aufmerkamkeit gebe,zu wenig mit ihm spiele,ich noch andere Bedürfnisse habe.Ihn auch abgebe usw....

Dazu kommt,dass mein Kleiner ein totales" Papakind" ist.
Sobald mein Mann da ist,bin ich abgeschrieben.
Und wenn er dann mal so in eienr Phase steckt,darf nur Papa sich um ihn kümmern,ich darf ihn teilweise nicht anfassen.
Papa darf auch nicht weggehen, sonst gibts totales Geschrei.
Ich kann gehen,ihn abeben, da ist er immer friedlich,keinen Mucks.
An Tagen wo es mir nicht gut geht,tuts unheimlich weh.

Sorry,dass ich dir nicht helfen kann.
Vielleicht hilfts zu wissen,dass du nicht alleine bist mit diesen Gedanken.

LG Karen
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