Warum kann ich keine Entscheidungen treffen?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

Moderator: Moderatoren

Antworten
Zoraya

Warum kann ich keine Entscheidungen treffen?

Beitrag von Zoraya »

Ich merke, dass es mir momentan wieder von Tag zu Tag schlechter geht. Zu Ostern war ich ein paar Tage bei meinen Eltern, da war alles wie im Traum, meine Eltern haben mich unterstützt mit meiner Kleinen, es gab geregelte Mahlzeiten und Gespräche, ein bisschen Beisammensein halt. Und dann bin ich wieder hier nach FFM gekommen, zurück hier in den Krach und die Hektik, zurück zu meinem ätzenden Mann...

Heute morgen ging es mir ganz schlecht, mir war so schwindelig, dass es mich fast lang gelegt hat, als ich der Kleinen das Fläschchen machen wollte. Ich habe mich zusammen gerissen, habe sie gefüttert und gewickelt. Dann habe ich sie kurz auf den Boden gesetzt, weil sie schon am Krabbeln ist mit ihren knapp 8 Monaten, damit sie nicht runterfällt. Sie zieht sich an mir hoch, ich konnte nicht rechtzeitig zupacken und sie fällt hin und stößt sich am Kopf. Großes Geschrei. Es war nicht so schlimm, aber mein Mann kommt dazu und macht wieder so, als ob ich so eine schlimme Mutter bin, tut so, als ob nur er sie trösten kann, verschwindet wieder und schläft bis halb eins, der A*. Mir gings echt dreckig, aber ihn störts nicht. Er hat ja bis ein Uhr nachts "gearbeitet", daher kann er sich sowas erlauben, meint er anscheinend. Blöd nur, dass ich von den Früchten seiner Arbeiten nix habe, während ich schon seit Jahren unser Leben finanziere. Er bringt sein Geld anderweitig unter.

Ich weiß, ich weiß, das ist alles nicht neu. Mich stört meine Wohnsituation hier in FFM, ich habe keinen Bock mehr auf meine Arbeit, die ich am 1. Jun. wieder aufnehmen werde, ich habe keinerlei Unterstützung durch meinen egoistischen Mann, sondern werde nur dumm angemacht. Warum kann ich denn nicht endlich eine Entscheidung treffen?

Meine Eltern haben mir gesagt, ich solle wieder zurück nach Norddeutschland kommen, in ihrer Nähe wohnen und mir dort eine Arbeit suchen. Ich habe aber Angst, dass ich dort nichts finde und dass sich die Beziehung zu meinen Eltern dann doch anders entwickelt als geplant. Denn darin sind die ganz groß, erst alles versprechen, dann nichts halten und mich im Regen stehen lassen. Ich habe ganz große Angst, mich von meinem Mann zu trennen und dann allein da zu stehen. Aber so ist das auch alles nichts, ich gehe jeden Tag mehr kaputt, und meine Tochter leidet darunter.

Es ist so furchtbar, ich weiß im Grunde, dass ich mich trennen muss, denn der Mann drückt mir die Luft ab. Ich kann jetzt wieder nur heulen, weil ich nicht rauskomme aus dem Tief und weil ich nichts gebacken bekomme.

Sorry, musste mich mal etwas ausheulen.
Carlotta

Beitrag von Carlotta »

Tja, das ist ja auch keine leichte Entscheidung, die du treffen willst.
Fest steht, dass Du ja merkst, dass es so nicht weiter geht.
Ich würde mich nun nicht so unter Druck setzen, wenn möglich, ich glaube, Du wirst den Schritt dann schon gehen, wenn es wirklich für Dich passt. Und dass Du davor Angst hast, ist ja mehr als verständlich.
Mit deinen Eltern: hhm, schwierig, hast Du denn mit ihnen schon negative Erfahrungen gemacht, dass sie Dir dann nicht geholfen haben? Denn eigentlich - so aus der Ferne - klingt ihr Angebot ja gut, zumal Du in FFM nicht glücklich bist. Du kannst Dich ja auch bei Ihnen "unabhängig" machen, also musst nicht total auf die angewiesen sein, und könntest nur für den Anfang ihre Hilfe annehmen.
Was immer Du machst: lass Dir Zeit, setz Dich nicht unter Druck, überlege Dir alle Maßnahmen und Möglichkeiten, und dann wird sich schon was ergeben, ganz bestimmt.
Kopf hoch! Du schaffst das!
Carlotta
Ava

Beitrag von Ava »

Hallo Zoraya,

ich wünsche Dir ganz viel Mut - ich habe das, was Du möglicherweise vor Dir hast, und wovor Du Angst hast, inzwischen hinter mir, und es geht mir inzwischen viel viel besser. Die Angst, die Du hast, gehört dazu, die hatte ich auch, riesige Angst.
Meine Ehe war total kaputt, und ich blieb viel zu lange in der schlechten Ehe, weil ich nicht wollte, dass meine Kinder getrennte Eltern haben, weil ich befürchtete, den Schritt nicht alleine zu schaffen, weil ich Angst hatte wegen meiner "psychiatrischen" Vergangenheit die Kinder weggenommen zu kriegen. Auch ich hatte die Sorge, dass meine Eltern mich nicht so richtig unterstützen würden, wie ich es mir wünschen würde.
UND STELL DIR VOR: Alles meine Sorgen und Ängste waren umsonst. Ich will damit nicht sagen, paperlapp und alles easy, so eine Trennung mit Kindern ist nicht einfach und zehrt an den Kräften. Und meine Eltern rieten mir nie zur Trennung, sie wollten immer, dass wir zusammenbleiben, so nach dem Motto man muß zueinander stehen, koste es was es wolle. Da sind Deine anscheinend einen Schritt weiter?! Meine haben mich tatsächlich die erste Zeit ziemlich hängen lassen, wollten immer nur Harmonie und dass ich mich weiter mit allen gut verstehe, also Schwiegereltern usw. Aber seit sie sahen, dass es mit mir durch die Trennung steil bergauf ging, haben auch sie sich verändert und unterstützen mich wieder, d.h. sie stehen hinter mir.
Ich will Dir noch etwas sagen: Auch wenn Du diesen schweren Schritt tust, wirst Du merken, dass Du auf einmal HELFER an die Seite bekommst. Du bist nicht nur auf Eltern angewiesen. Mir zum Beispiel haben Freunde viel geholfen, Nachbarn, ich habe sogar neue Freunde gewonnen, und ich hatte eine tolle Rechtsanwältin, mit der ich mich nach der Scheidung sogar angefreundet habe. UNGLÜCK KANN NEUE POSITIVE DINGE SCHAFFEN. Das ist eine wertvolle Erfahrung, die ich ohne das Scheitern meiner Ehe vielleicht nicht gemacht hätte.
Ich habe den Eindruck, dass bei Euch die Ehe ziemlich hin ist. Aber tatsächlich kannst nur DU das beurteilen. Ich will Dir nur ein bißchen die Angst vor dem Schritt nehmen, falls Du Dich dafür entscheidest.

Liebe Grüße von Ava
Zoraya

Beitrag von Zoraya »

Hallo,
danke für eure lieben Zeilen.

In der Tat ist das Ganze ziemlich verzwickt und es ist keine leichte Entscheidung, das weiß ich. Aber ich spüre, dass mein Mann und ich schon lange einen gewissen Punkt überschritten haben, an dem wir uns hätten trennen sollen. Ich sollte mich trennen, das weiß ich schon seit Jahren. Aber ich schaffs nicht und das macht mich so fertig.

Allerdings weiß ich auch, dass das genau das Problem ist, dass ich immer schon mit mir rumschleppe. Ich bin so ambivalent, habe immer Angst, sofort unter einer Brücke zu landen, wenn ich mich falsch entscheide, oder in der Psychiatrie.

Das mit meinen Eltern und mit meinem Leben hier in FFM ist so eine Sache. Bis ich vor mehr als 12 Jahren nach Frankfurt kam, war ich eigentlich nie glücklich gewesen. In meiner Familie gibt es Alkoholismus, Gewalt und jede Menge Selbstmorde. Meine Schwester hat sich das Leben genommen, als ich 11 war. Ich habe seit dem Tod meiner Schwester eigentlich immer nur Depressionen gehabt, war sehr isoliert und allein. Meine Eltern haben das nie wahrnehmen wollen, und immer, wenn es mir ganz besonders dreckig ging, dann haben die mich total im Stich gelassen.
Irgendwann habe ich auf eigene Faust angefangen, mir mit Arbeit eine Ausbildung an einer Sprachenschule zu finanzieren, denn in meinem Studium bin ich nicht mehr glücklich geworden. Die Ausbildung habe ich sehr gut abgeschlossen. Wie gesagt, meine Eltern haben das überhaupt nicht unterstützt, die haben mir nur Steine in den Weg gelegt und mich fertig gemacht, ich habe es aber trotzdem allein geschafft und habe nach der Ausbildung sofort eine Stelle in FFM bekommen.

Als ich dann wegen der Anstellung hier nach FFM gekommen bin, bin ich das erste Mal in meinem Leben aufgeblüht, habe Selbstvertrauen gewonnen, habe mir noch bessere Jobs gesucht - allerdings hatte ich einige ziemlich chaotische Beziehungen mit teilweise schwerst drogen- oder alkoholabhängigen Männern. Ich bin lange in Selbsthilfegruppen für Co-Abhängige gegangen und bin mir erst zu dem Zeitpunkt darüber ein wenig klar geworden, welchen Mustern ich folge.

Es ging mir zwar nicht immer blendend hier, aber ich habe doch schon meine Mitte irgendwie gefunden. Ich konnte sogar eine sehr schlechte Beziehung beenden mit einem psychisch kranken und drogensüchtigen Mann.

Ich habe dann meinen jetzigen Mann kennengelernt, und ich habe gedacht, das ich mit ihm endlich eine gesunde Beziehung haben könnte. Er trinkt nicht, war anfangs sehr hilfsbereit, hatte dieselben Interessen usw. Aber nach unserer Heirat ist dann alles ziemlich schnell ganz anders geworden. Er drückt sich vor jeder Arbeit, ist faul und frech zu mir und lebt in den Tag hinein. Zwar wollte er immer ein Kind, aber ich wollte dies nicht, wegen seiner Charakterfehler. Mir war schon klar, dass ich mit einem Kind die ganze Arbeit und die ganze Verantwortung selber zu tragen hatte.

Ich bin dann ja ungewollt schwanger geworden, und ich hatte Skrupel, abzutreiben. Ich bin auch froh, dass ich meine Tochter bekommen habe, sie ist so unglaublich süß und lieb. Aber sie ist halt ein Baby und braucht die ganze Zeit Zuwendung und Beaufsichtigung. Das wäre ja allein nicht schlimm, wenn ich halt bald nicht wieder arbeiten müsste und wenn mein Mann mir nicht jeden Tag klar machen würde, dass er sich vor allem, was Arbeit bedeutet, drückt. Er verweigert auch die Einwilligung, die Kleine in die Krippe zu geben, er meint, sie sei zu klein und er werde sich schon um sie kümmern. Wenn er will, kann er das auch, das hat er schon bewiesen. Allein ich glaube es nicht, dass er das Tag für Tag schafft, wenn ich auf der Arbeit bin.

Ich habe also einerseits Angst, wieder zurück in die Nähe und damit erst mal Abhängigkeit meiner Eltern zu gehen, weil ich befürchte, dass insbesondere meine Mutter diese Situation ausnutzen würde, um ihren Frust wieder an mir auszulassen, wie sie das früher halt auch oft gemacht hat. Andererseits habe ich keine Hoffnung, dass das mit meinem Mann noch was wird. Außerdem bräuchten wir hier in FFM dringend eine anderen Wohnung, denn die derzeitige ist zu klein und liegt in einem sozialen Brennpunkt erster Güteklasse, hier kann man bald nicht mehr auf die Straße gehen, so schlimm wird das hier langsam.

Ich weiß nicht, wie andere das alles hinbekommen. Ich sitze meist nur da, und denke, ich müsste doch jetzt endlich mal was tun, aber dann zerinnt mir alles wie Sand zwischen den Fingern, dann kotzt die Kleine auf den Teppich, gleichzeitig kocht die Suppe über und mein Mann schnarcht auf dem Sofa undundund. Ich hab echt keine Kraft mehr, drehe mich im Kreis, dann fangen wir an zu streiten und mein Mann haut ab. Dann bin ich meist erst richtig fertig und kann nur noch heulen.

Das ist jetzt alles ziemlich viel geworden, was ich geschrieben habe. Eigentlich ist es mir auch peinlich, weil es so gejammert klingt. Aber es ist momentan so. Ich seh kein Land mehr.
Ava

Beitrag von Ava »

Hallo Zoraya,

danke für Dein Vertrauen und für Deine Offenheit, Dich uns mitzuteilen.
Jetzt kann ich mir etwas mehr vorstellen, was bei Dir alles zusammenkommt. Das ist ganz schön viel!!! In Deiner Situation ist es glaube ich nicht ratsam, in die Nähe Deiner Eltern zu ziehen - was Du da beschreibst, dass Deine Mutter Frust auf Dir ablädt, das hat meine auch ein Leben lang bei mir getan - oder versucht zu tun, bis ich mich mit 18 Jahren entzogen habe, um mich selbst zu schützen. Bei mir in der Familie gab es kein Alkoholproblem - aber auch ohne Alkohol in der Familie weiß ich ein bißchen, wie das ist, wenn bedürftige Mütter das Vertrauen ihrer Töchter ausnutzen und sie benutzen, um alles Mögliche abzuladen oder um etwas zu bekommen, was sie sich in der Erwachsenenwelt nicht holen können, wofür aber wir Töchter überhaupt nicht da sind, weil es uns völlig überfordert.
Kannst Du dich nicht vielleicht, da Du einen sicheren Job hast, mit Deiner Tochter auf eigene Füße stellen, Dir vielleicht eine Tagesmutter und eine eigene ganz kleine Wohnung nehmen? Dann hättest Du vielleicht den Vorteil - neben den Nachteilen des Alleinerziehens - dass Dein Mann sich, wenn er die Kleine am Wochenende hat, wirklich kümmern muß? Vielleicht kannst Du psychotherapeutische Beratung in Anspruch nehmen, um herauszufinden, ob Du Dich überhaupt trennen willst?

Alles Gute für Dich!

Ava
Karin Andrea

Beitrag von Karin Andrea »

Liebe Zoraya!

Auch ich musste diesen schweren Weg gehen. Um mein Wohl und das Wohl meines Kindes. Jeder Anfang ist schwer, aber hat man mal den Weg eingeschlagen, dann ergibt sich ein Schritt nach dem anderen.

Es ist sicher nicht gut einen Schritt in eine neue Abhängigkeit zu machen. Gehe diesen Schritt in die Unabhängigkeit. Nimm dabei jede Hilfe an, die du kriegen kannst. Stecke die Grenzen deiner Mutter gegenüber klar ab. Ich kenn das Problem, war/bin selber bevorzugter Frustabladeplatz meiner Mutter.

Existenzängste sind normal in dieser Situation. Aber es hängt doch sowieso alles an dir! Schau dich nach einer passenden Wohnung um, fasse den Entschluss zunächst für dich alleine, lasse es sacken und wenn es sich dann für dich noch immer richtig anfühlt, dann geh den Schritt. Im Grunde ist dieses Kapitel deines Lebens für dich abgeschlossen. Lass dich nicht von Angst zurückhalten, du schaffst das ganz bestimmt. Du hast vorher auch dein Leben alleine auf die Reihe gekriegt, hast eine tolle Ausbildung, du bist eine starke Frau!

Jedes Ende ist auch ein neuer Anfang.

Ich schicke dir ganz viel Kraft,
liebe Grüße,
Zoraya

Beitrag von Zoraya »

@Ava und Karin Andrea,
Danke für eure aufmunternden Worte. Mittlerweile geht es mir auch schon etwas besser, ich habe mir mal ein paar Wohnungsangebote angeschaut und werde erst mal versuchen, was besseres zu finden.

Eins habe ich gelernt, man soll die Dinge nicht überstürzen und eins nach dem anderen bewältigen. Am meisten geht mir momentan die drangvolle Enge hier auf den Keks, also werde ich da erst mal ansetzen.

Ich hatte auch ein paar Gespräche mit meinem Mann. Er zeigt tatsächlich ein wenig Einsicht, hat mit mir besprochen, wie es werden soll nach meiner Arbeitsaufnahme. Er wird die Kleine jetzt mal zur Probe den ganzen Tag versorgen, damit er weiß, was auf ihn zukommt, denn schließlich geht er abends ja noch arbeiten.

Ich weiß, das ist der kleinste gemeinsame Nenner, aber mehr erwarte ich im Moment nicht. Zumindest habe ich etwas bewirkt.

Dennoch - ich bin immer noch nicht überzeugt, dass ich auf Dauer mit ihm glücklich werde, denn ich fühle mich so leer ihm gegenüber. Da war einfach zu viel Frust, den ich wegen ihm hatte.
Antworten