Geburt als Glückserlebnis?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Nenette

Geburt als Glückserlebnis?

Beitrag von Nenette »

Hallo Ihr Lieben,

seit geraumer Zeit lässt mich eine bestimmte Frage nicht mehr in Ruhe. Ich dachte vor der Geburt meines Sohnes immer, dass das Geburtserlebnis ein außergewöhnliches Ereignis im Leben einer Frau darstellen würde und man bzw. frau unmittelbar danach, beim Anblick ihres Babys, in Freudentränen ausbrechen und von einem unbeschreiblichen Glücksgefühl heimgesucht werden würde. So hatten ich es gehört, in meinen schlauen Schwangerschaftsbüchern gelesen und in diversen Babysendungen gesehen. Daher freute ich mich sehr auf die Geburt, setzte mich vorher sehr intensiv damit auseinander und suchte mir ein “alternatives Krankenhaus”, wo weniger medizinische Hilfsmittel verwendet werden, Bonding großgeschrieben wird etc., obwohl dieses Krankenhaus 50 km. von meinem Wohnort entfernt war bzw. ist. (Ich muss dazu sagen, dass ich in Frankreich lebe, wo Geburten viel medikalisierter ablaufen als in Deutschland. Daher war mir eine Entbindungsstation mit alternativem Ruf so wichtig.)
Nun gut, lange Rede, kurzer Sinn: Ich hatte, weil sich, trotz starker Wehen, mein Muttermund nicht richtig öffnete, während der Geburt auf Anraten des Arztes und der Hebammen fast alles an medizinischen Hilfsmitteln, die ich vorher abgelehnt hatte (Beruhigungsinfusion, Wehentropf, PDA…). Und das einzige natürliche an der ganzen Sache war, dass mein Sohn letztendlich doch noch “unten” rauskam, nachdem auch schon ein Kaiserschnitt in Erwägung gezogen worden war. Ja, und als er dann da war, verspürte ich zwar eine Erleichterung, dass es endlich geschafft war, aber weder brach ich vor Freude in Tränen aus, noch kann ich behaupten, dass dieser Moment der glücklichste meines Lebens war. Ich glaube, irgendwie war da überhaupt gar kein Gefühl. Darüber bin ich heute unendlich traurig. Habe vor ein paar Tagen wieder so eine blöde Geburtssendung im Fernsehen gesehen. Und irgendwie scheinen alle gefilmten Frauen dieses Glücksgefühl erlebt zu haben. Das hat mich total runtergezogen. Ich habe das Gefühl, gar keine “richtige” Geburt erlebt zu haben und um etwas entscheidendes betrogen worden zu sein.
Könnt Ihr das verstehen? Ging es Euch ähnlich? Wenn ich die Berichte hier im Forum lese, so scheinen doch die meisten Frauen nach der Geburt ihres Kindes erst einmal überglücklich gewesen zu sein, und die PPD bzw. PPP setzte “erst” ein paar Tage, Wochen oder Monate später ein. Ich habe das Gefühl, dass bei mir von Anfang an alles schief lief, und bis heute ist die Bindung zu meinem mittlerweile fast fünf Monate alten Sohn noch immer nicht so, wie sie meines Erachtens sein sollte. (Aber es ist immerhin schon besser als in den schlimmsten Zeiten der PPD.)
Gibt es hier Frauen, denen es ähnlich ging?

Vielen Dank für Eure Antworten und liebe Grüße

Nenette
hanna

Beitrag von hanna »

Liebe Nenette
Ich glaube, das muss auch nicht so sein, wie das im Fernsehen gezeigt oder herumerzählt wird und es ist trotzdem total in Ordnung und normal (ich finde diese Sendungen übrigens gaaaaaaanz furchtbar und das mit oder ohne PPD).
Ich hatte dieses "absolut überwältigende" Gefühl, "den schönsten Augenblick meines Leben"-Gefühl auch nicht, obwohl ich schon glücklich war. Aber ich glaube, so etwas kann man ja auch gar nicht im Ernst sagen, das ist m.E. wie eine Floskel, wetten, die, die sowas sagen, haben das schon bei der Hochzeit gesagt, da gehört der Spruch auch hin.
Ich habe zwei Kinder und bei beiden Kindern war ich glücklich, als sie auf die Welt kamen. Mir gings erst beim zweiten schlecht nach der Geburt, also denke ich auch, dass Dein "fehlendes" aller-bester-Moment- im-Leben-Gefühl nichts mit der PPD oder so zu tun hat.
Sobald es Dir besser geht, werden so Glücksmomente zu spüren sein, das Glück, so ein Kind zu haben, den Stolz, den man spürt, wenn man es ansieht, etc. Vielleicht kommt dann auch der Rückblick auf die Geburt einem als "der schönste MOment" vor, wer weiss. Mach Dir keine Sorgen, da hat sicher nichts gefehlt, nur weil es nicht so "wie im Fernsehen" war.

LG Hanna
Mel

Beitrag von Mel »

edit
Zuletzt geändert von Mel am 23:08:2007 20:41, insgesamt 2-mal geändert.
susi69

Beitrag von susi69 »

Hi,

ich denke auch Du setzt Dich einfach zu sehr unter Druck.
Alle haben ein super gutes Gefühl dabei, nur ich nicht....... Da kann doch etwas nciht stimmen..... :? :shock: Sind sie nicht automatisch da, dann ist man maßlos enttäuscht.

Doch es stimmt dein Gefühl ,denn diese können Dich nciht belügen. Was ich sagen will, daß man Gefühle nicht auf Knopfdruck erzeugen kann. Ich kann Deine Sorgen nachvollziehen. Laß es wachsen, wichtig ist was kommt. Das andere ist Vergangenheit.

Mal ein ganz krasses Gegenteil dazu...... es gibt viele Menschen, die können nach dem Tod eines nahestehenden Menschen nicht trauern und wundern sich, menno warum weine ich jetzt nicht. Jeder trauert anders und auch hier kann man sagen, daß es auch ein Gefühl ist, welches sich erst später Stück für Stück entlädt, auch in sehr schönen Erinnerungen.

Also freue Dich auf Dein Spatz und denk nciht an das was hätte sein müssen oder sollen. Du kannst die Vergangenheit eh nicht ändern.

lg Susi

PS. Hoffentlich versteht mich jetzt keiner falsch wegen der Trauergeschichte.... :?

nochmal PS. Vielleicht hast Du Dich zu sehr unter Druck gesetzt wegen der ganzen Geburt, alternativ ja, hat dann doch nciht so geklappt etc. Da ging doch eigentlilch schon die Enttäuschung los. Oder? Ich lehne mich jetzt aus dem Fenster, gibst dem Kleinen etwas Schuld, daß es nicht nach Deinen Wünschen ging...? :? Bitte verstehe mich nicht falsch. Frage mal Deinen Thera.
Mimimaus

Beitrag von Mimimaus »

Hallo Nenette,

also bei mir war es so:

Ich freute mich rießig auf mein baby und konnte den Moment,es endlich in den Arm zu schließen kaum noch abwarten.
Ca. 10 Wochen vor der Geburt,nachdem ich die Nachricht bekommen habe,dass meine Schwägerin total plötzlich und unerwartet gestorben ist,bin ich in eine Depression gefallen.
Es kamen starke Ängste hinzu,ich könnte die Geburt nicht überleben.
6 Wochen später kamen Zwangsgedanken hinzu,ich könnte meinem Mann etwas antun und meinem noch ungeborenen Baby,wenn es dann mal auf der Welt ist.
Plötzlich hatte ich nur noch Angst davor,wenn das Baby da ist.

Als es ich es nach einer kurzen aber schmerzhaften Geburt in dei Arme gelegt bekam,fühlte ich überhaupt nichts außer...ich will nicht Mama sein,ich will meine Freiheit nicht verlieren,möchte keine Verantwortung übernehmen..Fühlte dem Baby gegenüber überhaupt nichts...das tat mir so schrecklich leid für die kleine Maus..

Als ich dann mit ihr daheim war,besserte sich die Beziehung zu ihr sich nicht.Hatte ihr gegenüber starke Zg,die mich sehr fertig machten.
Sie schrie sehr,sehr viel. Ich litt ständig unter Schlafmangel und und war dadurch auch ständig krank,.Dann kamen noch massive Stillprobleme hinzu..War einfach nur noch ein Nervenbündel und fühlte nach wie vor nichts für die Kleine.

Erst als sie anfing mama zu sagen und mit mir von sich aus zu schmusen,änderten sich meine Gefühle zu ihr.

Heute ist sie 2 Jahre alt und ich bin leider immernoch nicht gesund.
Habe oft Phasen in denen es mir wieder schlecht geht,da ich immernoch von ZG geplagt werde,habe aber mit Hilfe von Bachblüten auch oft sehr gut Phasen,in denen ich eine enorme Liebe zu der Kleinen spüre.
das ist so überweltigend und ich genieße es total.

Ich denke oft an die Geburt zurück und ich bin wirklich sehr,sehr traurig darüber,dass ich dieses Erlebnis mit der PPD teilen mußte.
Ich bin fest davon überzeugt,hätte ich das Toderlebnis in der Schwangerschaft nicht gehabt,wäre es alles nicht so gekommen.
Aber gut,wissen kann man es natürlich nicht.
Ich gehe in Gedanken oft nocheinmal zurück zur Geburt,um es noch einmal zu erleben.Kann mich an jede kleine Einzelheit erinnern.
Fühle mich um dieses Erlebnis wirklich betrogen..

Aber ich kann Dir versichern,irgendwann werden sich auch Deine Gefühle zu Deinem Kind ändern.Sie sind da,nur verhintert die PPD,dass Du sie auch fühlen kannst.

Ich habe auch lange geglaubt,ich bin eine schlechte Mutter,weil ich meine Tochter nicht lieben kann.
Aber da in guten Phasen ja das Gegenteil der Fall ist,weiß ich es jetzt besser.

Liebe Nenette,ich wünsche Dir alles,alles Gute!

Liebe Grüße Mimimaus
00julchen

Beitrag von 00julchen »

Hi Nenette,

ich hatte auch nicht dieses "Mama"-Gefühl.. eher im Gegenteil. Dabei hatte ich mir nichts mehr als ein Kind gewünscht. Und als ich dann schwup-diwup schwanger war, war ich erstmal total entsetzt und geschockt und dachte sogar kurze Zeit daran abzutreiben. Keine Ahnung wieso, aber so sehr ich das Kind mir gewünscht hatte, so sehr verfluchte ich die Schwangerschaft, als ich den Schwangerschaftstest in den Händen hielt. Im Nachhinein denke ich, daß dann auf einmal alle Verantwortung, Angst vor der Zukunft, etc. mit voller Wucht auf mich einströmte. Durch diese negativen Gedanken konnte ich die ersten 3 Monate der Schwangerschaft überhaupt nicht genießen und vergoß so manche Träne. Nach außen hin durfte ich aber meine Zweifel nicht zeigen, denn man "muss" sich ja auf das Kind freuen. Ab dem 4. Monat begann ich dann aber doch mich auf unser Mädchen zu freuen.

Mayas Geburt lief eigentlich ganz OK ab und dauerte alles im Allem vom Blasensprung bis zum Ende nur 7 Std. Als ich sie dann in die Arme bekam dachte ich nur "ahja, das bist du also", aber das war wirklich alles! Ich musste weder heulen, noch war ich überwältigt oder stolz. Dazu war auch nicht wirklich Zeit, weil ich erstmal 1 Std lang von der Oberärztin zugenäht werden musste (hatte nen tiefen Scheidenriss). Meine beste Freundin bekam 2 Wochen vorher ihren Sohn und ich weiß noch wie sie mir am Telefon erzählte, daß sie vor Glück heulen musste und ihren Sohn so lieben wurde und ich mir schon zu diesem Zeitpunkt Gedanken darüber machte, ob das wohl bei mir auch so sein würde. Zum Glück lernte ich aber 3 Monate später eine Frau kennen, die auch nicht dieses "Mama-Gefühl" sofort hatte und nicht krank geworden ist.

Im Laufe der ersten Monate kam dann langsam das Muttergefühl, wobei mein Mann mir heute immer sagt, daß ich Maya erst richtig akzeptiert und liebgewonnen habe als ich aus der schlimmsten PPD-Phase raus war (so vor ca 6 Monaten). Meine PPD fing ja erst nach dem Abstillen an...
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo Nenette!

Mir ging es ganz genau so wie dir: Ich dachte auch immer, das wird der glücklichste Moment in meinem Leben und Freudentränen waren schon "eingeplant". Aber es kam ganz anders: Wie bei dir gab es auch Kompliktionen bei der Geburt - Noah drehte sich nicht richtig ins Becken und wurde schlußendlich per KS geholt.

Als ich ihn das erste Mal sah...ich weiß noch ganz genau was ich dachte: Das soll MEIN Baby sein???? Nein, dass kann nicht mein Kind sein, sicher nicht! Dann begann ich zu weinen, aber vor Erleichterung, dass diese Horrorgeburt endlich, endlich vorbei war!!! Von daher bin ich heute auch sicher, dass die PPD schon in der Stunde von Noahs Geburt den ersten Grundstein gelegt hat.

Im Krankenhaus selber, fühlte ich mich eigentlich wie unter Drogen... Noah war super brav und schlief immer seine 5 Stunden oder in der Nacht sogar 6 Stunden durch - und ich sah die Welt irgendwie so durch Watte... ich war stolz, dass alle meinen Sohn soooo süß fanden, dass das Stillen super klappte (im Gegensatz zu meiner armen Zimmergenossin) ... ich war einfach stolz, dass alles "perfekt schien". Liebe zu Noah? Mhhh, es war so ein Gefühl von "sehr verantwortungsvoller Aufgabe", die ich sehr gut erledigen mußte. Ich sagte, er sei brav und süß... aber ob ich das wirklich fühlte? Ich glaube heute, ich sagte dass, weil man das von mir erwartet hat.

Zu Hause dann war dieser "Rausch Zustand" auch noch 5 Wochen da - aber dann sind meine Hormone wohl komplett in den Keller gerasselt... und die PPD zeigte ihre ganze Grausamkeit - Angst - Panikattacken und Zwangsgedanken. Keine Spur mehr von diesem Rausch Gefühl oder Stolz, dass alles so perfekt läuft. Ich wachte nach einem Albtraum mit einer Panikattacke auf und gleichzeitig fiel ich emotionell von einer sehr euphorischen Phase in einen Albtraum und kam nicht mehr raus.


Liebe Nenette, diese Geburtssendungen sind für mich auch nicht der Hit - ich glaube da auch nur die Hälfte, was immer gezeigt wird. Sehr viele Mamas nämlich erleben nach der Geburt erstmal eine sehr zwiespältige Zeit, auch die, die nie eine PPD hatten. Das höre ich aus meinem Bekanntenkreis immer wieder. Dieses "perfekte Glück" von einer freudenstrahlenden Mama mit dem neuen Baby ist auch so ein Klischee, wie eben das der immer freundlichen, gutgelaunten, super adretten Pampers - Werbung - Mamas. Viel eher entspricht wohl die Mama, die große Schmerzen durchgemacht hat, froh ist dass die Geburt vorbei ist, sehr viel Ruhe und Zuwendung bräuchte nach 9 Monten SS und Geburt und erstmal alles verarbeiten muss, der Realität. Aber mit Beginn einer SS wird der werdenden Mama der Stempel "immer perfekt und super glücklich" aufgedrückt. Sicher, es gibt diese Mamas wohl - und vielleicht ist die Gesellschaft halt deswegen überzeugt, dass alle Frauen so zu sein haben.

Und nochwas: ich persönlich werde die Geburt, die 16 Stunden Wehen nie als das schönste Erlebniss dass ich je hatte, bezeichnen können. Das schönste Erlebniss war für mich der Augenblick, als ich nach ca. 5 Monaten PPD erstmal so einen winzigen Funken von unbeschreiblicher Liebe für meinen Noah empfand. Diese Liebe ist da - auch bei dir Nenette. Aber sie wird von diesen Empfindungen der PPD überdeckt. Wenn diese dann langsam wieder weicht, dann werden sich dir immer mehr und öfter so kleine "Glücksfenster" auftun... das sind dann diese Glücksmomente und Gefühle, auf die viele noch so sehnsüchtig warten. Aber diese Momente kommen und sie werden immer öfter da sein - bis eines Tags ganz offen bleiben, diese "Glücksfenster". :wink: :D

P.S. War toll am Montag im Chat - hoffentlich klappts nächsten Montag wieder! :D

Liebe Grüße und einen festen Knuddel von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Nora

Beitrag von Nora »

Hallo Nenette,

ich hatte ein besch..... Geburtserlebnis und aus heutiger Sicht gesehen ist wirklich vedammt viel schiefgelaufen. Ich war wie Du einfach nur erleichtert, dass mein Sohn dann irgendwann endlich "raus" war. Ich war viel zu erschöpft um noch irgendetwas anderes zu fühlen. Auch als ich ihn in den Arm bekam spürte ich nichts. Und 2 Tage später ging die PPD los. Auch ich fühle mich um manches betrogen und bin mir schmerzlich bewußt, dass mir die ersten 4 Monate mit meinem Sohn fehlen. Keine Freude, kein Glücksgefühl, stattdessen Trauer, Verzweiflung, Ängste, Panik und tiefe Depression. Ich bin heute noch wütend darüber was da alles gelaufen ist im Krankenhaus und mich verfolgt oft der Gedanke was wäre gewesen, wenn alles normal gelaufen wäre. Wäre ich dann auch überglücklich gewesen? Aber ich kann die Zeit nicht zurückdrehen und werde damit leben müssen. Ich habe die ersten liebevollen Gefühlen ganz sachte erst gespürt, als mein Sohn 4-5 Monate alt war. Heute wird er bald 2 Jahre alt und ich habe lange gebraucht, die Liebe zu ihm zu spüren. Aber sie ist da und ich bin sehr froh darüber.
Ich kenne übrigens einige Frauen, die keine PPD hatte, die weder überschäumende Freude noch Glücksgefühle hatte, nachdem ihr Kind auf der Welt war. So selten ist das also gar nicht und das was uns in den Medien vermittelt wird ist wieder mal ein Stück "heile Welt", die es sicherlich oft gibt, aber eben nicht der Standard ist. Ich kann Dich total verstehen mit Deinen Gefühlen. Und kann Dir Mut machen: Mit der Zeit wirst Du lernen zu akzeptieren, dass es bei Dir eben nicht so war und Du damit aber nicht alleine bist. Das ist ein Stückchen Weg zu gehen - war es zumindest bei mir - aber es wird gut werden!

LG,
Nora
heli

Beitrag von heli »

Liebe Nenette!
Ich muß mich meinen Vorschreiberinnen anschliessen.
Das Bild, das uns in den Medien immer gezeigt wird, einer überglücklich weinenden Mutter, die ihr Baby zum ersten Mal in den Armen hält, hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Die meisten Mütter die ich kenne, waren nur froh, dass die schmerzhafte Geburt endlich zu Ende war.
Ich habe auch geweint, aber vor Erleichterung, dass ich es geschafft habe.
Ich konnte auch keine Liebe für meine Tochter empfinden. Statt Freude, hatte ich eher Angst, was jetzt alles auf mich "zukommt". Und ich glaube, dass ist eher "normal", dass man Angst vor der Verantwortung kriegt, die jetzt auf einem zukommt. Überhaupt, wenn es das 1.Kind ist. Jetzt ist meine Tochter 15 Monate alt und ich beginne erst jetzt, ganz langsam, sie zu lieben. Sie sagt jetzt schon Mama zu mir und gibt mir öfters ein "Bussi" und das sind die Momente, wo ich die Liebe zur ihr spüren kann. In den ersten Monaten war da leider auch nichts. Ich wollte immer nur mein altes Leben zurück haben. Ich denke, wir müssen uns einfach Zeit lassen. Und ich hoffe, in ein paar Jahren können wir uns gar nicht mehr vorstellen, ohne unsere Kinder zu sein.
Kopf hoch
LG heli
Karin Andrea

Beitrag von Karin Andrea »

Liebe Nenette!

Für mich ist das auch noch immer ein problematisches Kapitel. Alleine die Freude eines Kollegen auf sein Kind, seine Anteilnahme, haben bei mir bewirkt, dass ich wieder mal kämpfe. Obwohl es mir in der letzten Zeit so toll wie noch nie gegangen ist.
Für mich bedeutet die Geburt meines Sohnes Todesangst, absolutes alleine sein. Ich lag schon vor der Geburt 4 Wochen mit Blutungen und Wehen im Spital. Mein erstes Kind habe ich in der 14.SSW verloren. Ich habe jeden Tag gezittert, trotz Bettruhe und ständiger Wehenhemmer per Infusion 4 Wochen lang immer wieder Blutungen. Dann Notkaiserschnitt in der 32.SSW, wegen massiver Blutungen. Ich lag die ganze Nacht heulend im Kreissaal, weil ich spürte, er kämpft um sein Leben. Tristans Vater hielt es nicht für nötig zu kommen, auch nicht als der Kaiserschnitt feststand. Er meinte, er hat schließlich Dienst im Spital. Ich bekam durch PDA alles mit. Zuerst blieb er stecken, weil er sich quer verspreizt hatte, dann dauerte es irrsinnig lange bis Tristan zu schreien anfing. Er musste erst abgesaugt und beatmet werden. Das waren die schlimmsten Minuten meines Lebens. Ich konnte einen ganz kurzen Blick auf ihn werfen, dann wurde er weggebracht in ein Kinderkrankenhaus auf die Intensivstation. Ich hatte keinen Kontakt zu ihm und mir ging es einfach nur schlecht. Ich war körperlich und seelisch völlig fertig. Tristan musste 12 Tage dort bleiben, für mich eine Ewigkeit. Eine positive Bindung konnte ich lange Zeit nicht aufbauen. Er war immer das wichtigste für mich, aber im Vordergrund stand einfach die Angst ihn zu verlieren. Er war so klein und zart und hat furchtbar viel geschrieen. Die ersten 4 Monate habe ich fast jeden Tag mitgeheult.
Ich hätte so gerne eine natürliche Geburt gehabt und bin mir sicher, dass die Bindung anders ist. Wir mussten beide von Anfang an so wahnsinnig kämpfen, das kostet enorm viel Kraft. Und doch möchte ich ihn nicht missen, auch wenn mein Leben ganz anders geworden ist. Ich liebe ihn so sehr und so innig, wie es ohne diese Kämpfe wahrscheinlich nicht geworden wäre. Aber es war ein sehr langer Weg, dass ich gelernt habe es so zu geniessen, wie es ist.
Eine gewisse Wehmut über die "freudlose" Geburt steckt auch noch in mir, und doch muss ich es akzeptieren.
Ich bin mir auch sicher, dass nicht nur äußerliche Umstände, sondern auch der seelische Zustand ausschlaggebend sind. Dass wirklich alles passt, das Glück werden nur wenige Frauen haben.

Liebe Grüße,
Sas

Beitrag von Sas »

Hallo Nenette,

also, bei meiner Geburt lief - abgesehen vom Wehentropf und dass bei mir nachher die Plazenta manuell geholt werden musste (geschah dann unter Vollnarkose) - alles so wie gewünscht. Die Geburt an sich war bei mir relativ schnell (4 Stunden) und die Kleine kam gut raus, steckte nirgends fest usw.
Trotzdem hatte ich auch nicht dieses überwältigende Glücksgefühl von dem immer alle reden. Vor allem war ich erstmal froh, dass sie endlich draußen war und dass alles mit ihr in Ordnung war. Aber überschwengliche Liebe totale Happiness, verklärte Augen, Freudentränen? Nö. Am nächsten Tag, als sie so im Zimmer neben mir lag, da habe ich angefangen, mich in sie zu verknallen. Aber genau wie Du hatte ich auch immer diesen Glücksmoment vermisst und habe ihm nachgetrauert. 10 Tage nach der Geburt brach bei mir endgültig die PPD aus und ich brach total zusammen. Fiona war (und ist immer noch) eine schlechte Trinkerin, d.h. sie trinkt seit jeher wenig und dafür oft. Mit der Flasche gings besser als mit der Brust. Der Schlafmangel hat sicher auch das Seinige dazu beigetragen.
Meine Ärztin und die Schwestern im Krankenhaus (alle selber Mütter) meinten dann zu mir, das mit diesem Glücksgefühl sei reine Utopie. Sie hätten das auch nicht so erlebt, wie es immer dargestellt wird, und sie waren aber gesund. Mutterliebe ist nicht von Anfang an da, sagten sie mir. Bei der Geburt begegnen sich zwei fremde Menschen das erste Mal, die von nun an aneinander hängen und zusammen wachsen. Meine Ärztin (!!) sagte, in der ersten Woche nach der Entbindung war manchmal ihr frömmster Wunsch, dass das Kind wieder im Bauch verschwindet. Und sie hatte keine PPD.
Es wird immer erwartet, dass uns das alles in die Wiege gelegt wurde, zusammen mit dem Frau sein. Das ist aber nicht so, wir müssen in die Rolle auch erstmal reinwachsen.
Denk Dir nichts Nenette, was Du empfunden hast ist ganz normal. Was passiert ist, das ist halt passiert. Du wirst noch viele glückliche Momente haben. Lass Dir Zeit und lass es wachsen.

Lieben Gruß, Saskia
Nenette

Beitrag von Nenette »

Hallo Ihr Lieben,

vielen Dank für Eure Antworten.
Ja, ich glaube, Ihr habt recht, dass das fehlende Glücksgefühl nach der Geburt eines Kindes nicht unbedingt etwas mit PPD zu tun haben muss. (Meine Mutter erzählte mir beispielsweise, dass sie nach der Geburt ihrer drei Kinder (!) nie diesen Glückstaumel erlebte, sondern einfach nur kaputt war und ihr ihre Babies auch noch eine Weile fremd vorkamen. Sie litt jedoch nie unter PPD, nicht mal ansatzweise.) Ich denke jedoch trotzdem, dass bei mir mit der Geburt (oder vielleicht sogar schon vorher) der Grundstein für die PPD gelegt war, wie auch einige von Euch hier geschrieben haben. Und ich kann dieses Gedanken nicht abstellen, dass ich mich um etwas wichtiges betrogen fühle. Ich hätte es so gerne „richtig“ erlebt. (Und das liegt jetzt nicht nur an den verfluchten Geburtssendendungen im Fernsehen. :wink: )
Aber es stimmt, es bringt nichts, dem vermasselten Geburtserlebnis hinterherzutrauern. Ich werde es nicht wieder rückgängig machen können und sollte mich lieber auf das Hier und Jetzt mit meinem Sohn konzentrieren. Es tut halt trotzdem nur irgendwie weh und beschäftigt mich im Moment sehr. (Ich träume in den letzten Wochen ständig von Geburten, Babies…)
@Mel: Ja, das habe ich mir auch schon überlegt, dass ich, falls ich mich eines Tages für ein zweites Kind entscheiden sollte, lieber eine Hausgeburt hätte. Natürlich ist nicht nur die Krankenhausatmosphäre allein daran schuld, dass ich nach der Geburt meines Sohnes keine Glücksgefühle spürte und mich kurz darauf die PPD erwischte. Da spielen sicher ganz viele Faktoren zusammen. Und das meiste lag bzw. liegt dabei sicherlich an mir selbst. Aber trotzdem tat die Krankenhausatmosphäre ihr übriges. Selbst mein Freund, dem es gut ging, flüchtete zwei Nächte aus dem Krankenhaus (Ich hatte mit meinem Baby ein Einzelzimmer, in dem er eigentlich mit schlafen sollte.), weil er es in dieser tristen Umgebung nicht mehr aushielt und ließ mich ganz allein. :cry: :evil:
@Susi: Nee, keine Sorge, ich habe dich hinsichtlich der Trauergeschichte nicht falsch verstanden.
@Mimimaus: Deine Geschichte hat mich sehr bewegt. Ich musste zwar während der Schwangerschaft nicht so viel durchmachen wie du, aber mir ging es zum Ende hin auch nicht mehr besonders und ich hatte Angst, vor dem was kommt.
@Marika: Tut mir leid, dass ich am Montag nicht in den Chat kommen konnte. :oops: Trefft Ihr Euch kommenden Montag wieder?

Euch allen alles Liebe

Nenette
kathrin

Beitrag von kathrin »

marika,dein text hätte von mir sein können.

du sprichst mir aus der seele.

ich habe genau wie du empfunden.
Tina33

@Nenette

Beitrag von Tina33 »

Hi du,

ich kann leider auch nicht sagen, dass ich nach der schweren Geburt unserer Tochter in Freudentränen ausgebrochen bin (Leni musste nach 14 Stunden per Saugglocke geholt werden, da sie ein "Sternengucker" war (wurde vorher nicht bemerkt), und nichts übers Becken rutschen konnte). Zu allem Elend bin ich komplett gerissen (inklusive Schließmuskel vom After). Ich war einfach nur froh, dass der starke Druck weg war.

Kurz nach der Geburt fing dann leider meine PPD an. Mir geht es seit einigen Monaten ziemlich gut (dank Trevilor und Verhaltenstherapie), und ich denke mit Wehmut an die SS (war trotz aller Komplikationen schön) und Geburt zurück, denn ich hätte mich auch sooooooooooo gerne richtig gefreut, :cry: .

Ich hoffe, dass es beim zweiten Kind ein positiveres Erlebnis wird, :D :wink: !!

Liebe Grüße senden
Leni und Martina
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