Und hier sitze ich wieder in meinem dunklen Loch

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Nenette

Und hier sitze ich wieder in meinem dunklen Loch

Beitrag von Nenette »

Hallo Ihr Lieben,

nachdem ich eine Weile nur stille Mitleserin war und das Gefühl hatte, dass es in ganz kleinen Schrittchen wieder aufwärts geht, scheine ich nun wieder in ein abgrundtiefes Loch zu fallen.
Wie lange soll das noch so gehen? Jetzt habe ich diese ganze Sch… schon fast ein halbes Jahr, gehe in Therapie, nehme ein Medikament und fühle mich trotzdem noch krank. Ich habe keine Lust mehr zu warten. Erst hieß es, dass das Abstillen meine Hormone wieder ins Gleichgewicht bringen würde, dann meinte man, dass die wiedereinsetzende Mens Wunder verbringen könnte. Aber bei mir scheint das irgendwie nicht der Fall zu sein. Natürlich fühle ich mich nicht mehr ganz so bescheiden wie unmittelbar nach der Geburt, aber eine Heilung scheint in meinem Falle aussichtslos und oft habe ich gar keine Hoffnung mehr.
Ich verfluche mein Leben, das ich so nicht führen will. Wie konnte ich nur auf den Gedanken kommen, Mutter zu werden? Wie konnte ich glauben, es wäre das natürlichste von der Welt, sein Kind zu lieben und Tag und Nacht für es da zu sein? Ich hege keine Aggressionen gegen meinen Kleinen - nicht, dass mich hier jemand falsch versteht. Er tut mir eher leid, dass er so eine bekloppte Mutter hat. Ich muss manchmal weinen, wenn er mich aus seinen großen Unschuldsaugen ansieht und ich nicht in der Lage bin, ihm die Liebe zu geben, die er verdient. Ich schaffe es irgendwie nicht, eine Bindung zu ihm herzustellen. Er ist mir nach wie vor oft fremd, und ich habe das Gefühl, dass ich seine Bedürfnisse gar nicht richtig verstehe. Ich beschäftige mich mit ihm, ich spiele mit ihm, aber ich mache das nur, weil ich weiß, dass es gut für ihn ist und weil ich denke, dass sich so vielleicht irgendwann die Mutterliebe einstellt. Wenn ich ihn einmal alleine „spielen“ lasse (soweit man das von einem knapp sechs Monate alten Baby sagen kann), genieße ich das zwar, habe aber gleichzeitig das Gefühl, eine schlechte Mutter zu sein. Früh aufzustehen fällt mir nach wie vor schwer, und wenn ich mit meinem Sohn dann doch mal länger schlafe, packt mich das schlechte Gewissen. Oh Gott, ich werde bestimmt auch eine von diesen „Rabenmüttern“, die ihre Kinder vernachlässigen. Habe passend dazu auch wieder mit dem Rauchen angefangen, obwohl ich der Sucht natürlich nur auf dem Balkon fröne.
Nie hätte ich gedacht, dass ein Kind mein Leben so auf den Kopf stellt. Heute beneide ich die Paare, die noch keine Kinder haben oder sich definitiv gegen ein Kind entschieden haben. Ich weiß, das ist furchtbar, entspricht aber momentan meinen Gefühlen.
Komische Gedanken um den Sinn des Lebens (Ja, gibt es den überhaupt?) kreisen mir durch den Kopf. So frage ich mich immer wieder, warum ausgerechnet ich in diese Welt gesetzt wurde. Wenn irgendetwas in der Geschichte meiner Familie anders gelaufen wäre, gäbe es mich überhaupt nicht. Ähnliche Gedanken beziehe ich auch auf meinen Sohn. Diese Gedanken und „Ideen“ machen mir Angst. Sind das noch Zwangsgedanken oder bin ich jetzt total verückt geworden?
Oft scheint mein Leben seit der Geburt meines Sohnes wie im Traum, und ich hoffe aufzuwachen, und alles ist wieder gut… Klingt schon ein bisschen eigebnartig, nicht?
So, jetzt habe ich aber ziemlich viel hier rumgejammert. Entschuldigung für den Rede- bzw. Textschall, aber das musste mal raus. Meiner Familie, meinem Freund und engen Freunden sage ich ja schon seit geraumer Zeit, dass es mir besser geht, weil das ja alle nach mittlerweile fast sechs Monaten PPD (oder gar PPP?) ja so erwarten. Irgendwann muss doch mal wieder Schluss sein. Aber irgendwie scheint das auf mich nicht zuzutreffen.

Vielen Dank fürs Zuhören bzw. Lesen und ganz liebe Grüße

Nenette
susi69

Beitrag von susi69 »

Hallo Nette,
laß Dich erst mal drücken :wink: .

Ich glaube Dir, daß Du Dich im Moment ziemlich mies fühlst.
Aber Du brauchst wirklich Geduld, es ist die alte Leier, aber es ist so. Ein halbes Jahr klingt für Dich grade wie eine Ewigkeit. Mitunter braucht es sogar so lang, bis sich die Medis aufgebaut haben. Und 10 mg ist glaub auch noch nicht sooo arg viel. Vielleicht solltest Du mal mit Deinem Thera sprechen bzgl. ein Erhöhung oder einem Mediwechsel. Wenn Du nicht darauf ansprichst.

Laß den Kopf nicht hängen. Du schreibst ja selbst, daß es ein Stückchen besser geworden ist. Das ist doch immerhin schon etwas :D .

Was natürlich hinderlich ist, daß Du versuchst die heile Welt zu spielen. ....." die Anderen erwarten natürlilch, daß es mir besser oder gut geht....." Warum willst Du denen was vorspielen? Die wissen doch gar nicht, wie es ist und wie schwer es auch ist. Wenn sich einer ein Bein gebrochen hat und nach einem Jahr immer noch humpelt, dann versucht der doch auch nicht, vor Schmerz geplagt, gerade zu laufen, nur damit die Anderen sehen, daß es wieder gut ist. Was ich sagen will, versuche einfach die Krankheit anzunehmen. Zeige, daß Du noch Hilfe brauchst.
Du bist Du und nicht das Muster der Anderen Vorstellung!
Ach ja, "die schlechte Mutter...." 8) Da bin ich auch eine........ :wink:
Sicher ist Dein Kleiner froh, daß er nicht die ganze Zeit bedröselt wird. Du kümmerst Dich sicher vorbildlich um Dein Kind. Wenn er was braucht, dann bist Du für ihn da. Das ist das Wichtigste, nciht was irgendwo steht von Übermüttern geschrieben, die wettkampfartig die Strichliste führen, wie oft sie mit ihrem Kind gespielt haben. :shock:
Also mach Dich nicht verrückt. Sicher kannst Du dann viel besser mit ihm(ihr?) Fahrrad fahren etc. Ich konnnte mir damals auch nicht so viel abgewinnen. Deshalb bist Du keine schlechte Mutter.
Versuche mal drüber nachzudenken.

lg Susi
Balu

Beitrag von Balu »

Liebe Nenette,

ich kann Dich auch gut verstehen. Ich habe drei Kinder und hatte nach der ersten und dritten Geburt eine PPD. Ich glaube, Du brauchst Dir keine Gedanken machen, dass Du eine PPP hast. Danach sieht es für mich absolut nicht aus. Das Gefühl verrückt zu werden kenne wir wohl alle. Aber man wird es nicht. Weisst Du, dass man die PPD auch die Smiling Depression nennt? Weil die betroffenen Mütter doch aus Scham immer versuchen zu tun, als ob gar nichts mehr los wäre. Auch bei mir war das so. Mein erstes Kind hat mit ca. 6 Monaten das erste Mal gelächelt. Ich dachte, sie sei Autistin. Dass es natürlich an meiner Krankheit lag weil ich Sie vor lauter Angst nicht ansehen konnte, habe ich erst viel später gelernt. Meine erste PPD dauerte unbehandelt (ich habe mit niemanden darüber gesprochen) so ca. 7 Monate. Mit dem Abstillen ging es mir dann besser. Meine PPD nach dem dritten Kind hat so ca. 2 Jahre gedauert. Man glaubt wirklich, man wird nie wieder gesund und das Blei im Kopf wird immer da bleiben. Aber glaube mir, es wird besser. Und Du hast schon viel für Dich gemacht. Du machst eine Therapie, nimmst sogar Meds. Du bist wirklich auf dem richtigen Weg. Meinen letzten Sohn konnte ich fast zwei Jahre nicht richtig annehmen. Er war einfach nicht in meinem Kopf. Ich hatte kein Gefühl für ihn, nur für meine anderen beiden. Ich konnte seine Nähe nicht ertragen. Selbst das Abstillen half nicht. Aber irgendwann ist diese schlimme Zeit auch für Dich vorbei. Leider musst Du noch etwas Geduld haben. Hoffentlich hilft Dir meine Antwort ein wenig.

Liebe Grüße Balu
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Marika
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Beitrag von Marika »

Liebe Nenette!

Nein, du bist ganz und gar nicht verrückt, oder gar eine schlechte Mutter. Das alles was du schreibst könnte von mir kommen - vor 1 1/2 Jahren. Damals nahm ich mein Medi (auch Escitalopram) auch grad mal ein halbes Jahr - aber trotzdem fühlte ich mich noch krank. Ich war zwar nicht mehr total am Boden, aber immer noch weit entfernt vom gesund sein.

Die Bindung zu meinem Noah kam gaaaanz langsam und oft weinte ich, weil ich mich so schlecht ihm gegenüber fühlte. Wenn ich ihn alleine spielen ließ, hatte ich Schuldgefühle - genau wie du - von wegen "Rabenmutter". Und ich hatte etliche Tiefs - glaubs mir.

Erst heute nach 2 Jahren kann ich sagen - es geht mir sehr gut. Diese Mutterliebe ist jetzt da und geniesse sie ihn vollen Zügen. Gib nicht auf liebe Nenette, leider braucht es viel Zeit und Geduld - aber du schaffst das. Du bist eine tolle Mama und Frau!!!!!

Vielleicht solltest du deinen Arzt wirklich mal wegen der Dosis von 10 mg Escitalopram fragen. Das ist ja die niedrigste Dosis und hat noch nicht sooo die Wirkung. Ich habe von 5 mg auf 10 mg erhöht, dann auf 20 mg und dann - wegen der ZG - auf 30 mg. Von da an gings mir immer besser!!!!

Liebe Grüße von
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Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Nenette

Beitrag von Nenette »

Liebe Susi, Balu und Marika,

vielen, vielen Dank für Eure tröstenden Worte! Es tut mir wirklich gut, mir hier meinem Kummer von der Seele zu schreiben und das Gefühl zu haben, mit diesem ganzen Mist nicht alleine zu sein. Denn genau das macht die Krankheit mit einem: Sie grenzt einen aus, und niemand scheint es wirklich zu verstehen. (Konnte ich früher, als ich noch kein Kind hatte, übrigens auch nicht. Ich wusste, was es heißt, Depressionen zu haben, traurig zu sein, aber dass man sich über sein eigenes Kind nicht richtig freuen kann, konnte ich nicht einmal annähernd verstehen. Ich dachte eher, dass, wenn das Kind einmal da ist, sich alle Probleme in Luft auflösen würden. Jaja, ich weiß, ziemlich naiv...)
Balu hat geschrieben:Er war einfach nicht in meinem Kopf.
@Balu: Treffender hätte ich es nicht formulieren können. Mir ergeht es leider ähnlich mit meinem Sohn. Und dieses Gefühl ist so schlimm - meiner Meinung nach sogar das schlimmste überhaupt an der PPD. Warum nur fühle ich so? Was macht das für einen Sinn? Ich hoffe so inständig, dass das weggeht...
Ja, ich war heute übrigens bei meinem Psychiater. Und er meinte, dass ich mein AD von 10 auf 20 mg erhöhen könnte. Nun bin ich am Überlegen, denn ich habe tierisch Angst vor den Erstnebenwirkungen und auch davor, dass ich mich mit 20 mg auch nicht unbedingt besser fühle. Mein Psychiater drängt mich nicht dazu. Er überlässt die Entscheidung mir.
Was habt Ihr für Erfahrungen nach einer Dosiserhöhung gemacht? Hat es Euch geholfen oder habt Ihr keiner Verbesserung gemerkt?

Liebe Grüße

Nenette
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Marika
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Beitrag von Marika »

Liebe Nenette!

Bei mir hat die Dosis Erhöhung auf jeden Fall eine Verbesserung gebracht auch die von 10 mg auf 20 mg. Ich hatte dabei KEINE NW - es hat aber schon 4 - 5 Wochen wieder gedauert, bis ich eine merkliche Besserung gespührt habe.

Ich habe dann ja nochmal auf 30 mg erhöht und von da an gab es einen riesen Rumpler und es ging mir dann in kurzer Zeit wirklich sehr gut. Ich hatte 1 1/2 Jahre lang (trotz AD, trotz Therapie usw.) immer wieder Schwankungen - zum Teil auch heftige. Aber jetzt bin ich schon 7 Monate stabil... :D

Für mich haben sich die schrittweisen Erhöhungen absolut ausgezahlt und ich hatte wirklich nie NW dabei.

Liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
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