PPD: Wirkliche Krankheit oder Flucht vor der Verantwortung?

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Chamanit08

PPD: Wirkliche Krankheit oder Flucht vor der Verantwortung?

Beitrag von Chamanit08 »

Hallo


Noch kann ich mir zu dieser Frage keine richtige Meinung bilden...

Ich habe Anfangs Februar 2008, also vor ca. 9 Monaten eine wunderbare Tochter geboren. Alles verlief perfekt, oder sagen wir besser, genauso so, wie ich es aushalten konnte. Die Geburt ging zügig voran, meine Tochter war und ist gesund und ein aufgewecktes kleines Mädchen. Dann kam aber gleich bald die Krise... nach zehn Tagen verliess meine Mutter uns wieder und ich war auf mich allein gestellt. Da ich seit der Geburt nicht wirklich geschlafen hatte, war ich total erschöpft, ich hatte Weinphasen - wie man das vom Babyblues kennt. Trotz aller guten Ratschläge nahm ich die erste Zeit nicht "easy", sondern wollte aller Welt beweisen, dass ich bald schon wieder auf den Beinen war. Ich musste einfach raus - hatte ich doch das Gefühl, das Leben rauscht an mir vorbei, obwohl ich es doch eigentlich in den Händen hielt. Die Umstellung an mein neues Leben fiel schwer. Irgendwann begannen die Streitereien mit meinem Mann - ich fühlte mich zu wenig unterstützt, geholfen, verstanden. Dann wurde ich richtig krank, hatte Ausschlag am ganzen Körper, mir war schwindlig und ich hatte ständig Druck auf den Ohren. Deshalb ging ich für einige Zeit zu meinen Eltern. Danach ging es irgendwie. Richtig glücklich war ich aber nicht und als neue Anforderungen bzw. Herausforderungen an mich gestellt wurden, war ich wieder am Zusammenbrechen... seither bin ich gereizt, ständig müde, manchmal hektisch bis panisch, manchmal total antriebslos, kann nur schwer mit Menschen reden, treibe orientierungslos im Alltag, interessiere mich für nichts - und gebe zunehmend meinem Mann für alles die Schuld, was zu Streits führt. Ist ja klar.

Vor zwei Wochen dann hatte ich dann Angst vor mir selber bekommen: ich war agressiv gegen meinen Mann und sogar gegen meine Tochter, werde die Gedanken nicht mehr los, dass es vielleicht besser wäre, meine Tochter hätte eine andere Mami, eine die etwas lockerer, etwas lebenfroher ist... denke alles hat keinen Sinn mehr, denke an Selbstmord und bin doch nur zu ängstlich, diesen Schritt in die Tat umzusetzen.

Erste Schritte habe ich jetzt unternommen, hatte mit einem Psychiater einen Termin, gestehe mir selbst ein, dass ich ein Problem habe, verbinde aber damit die Hoffnung, dass es kurierbar ist, dass es mir besser gehen kann und vor Allem, dass ich nicht schuld bin, wenn ich immer wieder versage bei dem Versuch, glücklich zu sein, entspannt, einfach relaxt. Und ich habe es in den letzten Monaten wirklich immer wieder versucht mit Vitaminen, schlafen, Sport, entspannen und so. Es ist ja nicht so, dass ich unglücklich sein will. Aber der Schleier kommt immer wieder, die Tränen, die so nah hinter den Augen sitzen und dann doch kullern, wenn ich allein bin...

Es sieht alles so perfekt aus - nach Aussen, irgendwie kriege ich den Alltag doch immer gebacken - habe ich das Recht unglücklich zu sein, frage ich mich, wieso bin ich es? PPD - ist das die Antwort, die Lösung, ein Schutzschild, eine richtige Krankheit, bin ich selbst schuld? Noch weiss ich es nicht, deshalb möchte ich mich gern austauschen und mehr informieren...
Spirit

Beitrag von Spirit »

Hallo Chamanit,

erst einmal herzlich willkommen hier im Forum.

Also ich denke nicht, daß die PPD nur ein Schutzschild ist. Warum sonst geht es den meisten hier besser seit sie in Behandlung sind und evt. auch Antidepressiva nehmen?
Ich denke wir haben uns einfach zu sehr vorgestellt die PERFEKTE, immer funktionierende Mama zu sein. Und dann klappt es doch nicht so. Und das zieht einen dann runter. So ging es mir zumindest.

Es ist schön, daß Du Dir jetzt in Form eines Psychiaters Hilfe geholt hast. Du wirst sehen das hilft.
Und falls Du bei ihm kein gutes Gefühl hast kannst Du jederzeit einen neuen suchen.

LG
Spirit
Astrid

Beitrag von Astrid »

Hallo Chamanit,

glaube mir, Du hast es. Deine ganze Geschichte, es kommt mir alles so bekannt vor. Auch der Gedanke, bin ich wirklich krank, oder stelle ich mich nur an, bin ich unfähig. Das gehört alles dazu.

Gut, dass Du schon den ersten Schritt gemacht hast Dir Hilfe zu holen. Dein Therapeut wird jetzt sicher erste Maßnahmen einleiten. Auch, dass alle Deine "Maßnahmen" wie sich zu entspannen, etc. nicht klappen liegt an der PPD. Du hast eine Stoffwechselstörung im Gehirn. Ein Botenstoff kann nicht gespeichert werden. Du produzierst ihn zwar noch, aber er kann nicht genutzt werden. Dem ist mit Antidepressiva aber beizukommen. Leider ist oft die Suche nach dem richtigen AD noch sehr zeitaufwendig. Aber es gibt auf jeden Fall ein Medikament, was Dir helfen wird.

Sei erst einmal erleichtert, dass Du wirklich erkrankt bist, und das es eine Heilung gibt. Du mußt nicht in dieser Traurigkeit und Agessivität weiterleben. Es wird alles wieder normal.

Halte den Kontakt zum Forum, und lass Deine Traurigkeit und Ängste bei uns. Sie gehen zwar davon nicht weg, aber sie zu teilen und zu merken man ist damit nicht allein, und man ist nicht verrückt, bzw. annormal, hilft einem auch schon.

Für deinen Partner kann es auch hilfreich sein, mal bei Licht und Schatten zu lesen, ich war damals auch sehr aggressiv zu meinem Mann, und habe eigentlich permanent nur noch geheult, oder ihn beschimpft, und ihn für meine Situation verantwortlich gemacht. Aber meine Geschichte kannst Du ja auch im Vorstellungforum lesen.

Liebe Grüße und halte durch

Astrid
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Marika
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Registriert: 04:06:2005 16:05

Beitrag von Marika »

Auch von mir ein liebes Hallo!!!

Schön, dass du dich uns angeschlossen hast!

Zu einer Frage: NEIN, du bist nicht schuld oder unfähig. Du bist krank geworden - nicht zuletzt auch durch den Hormonsturz nach der Geburt, der nachweislich den Botenstoffwechsel im Gehirn durcheinander bringen kann. Mit dem Ausstoß der Planzenta nach der Geburt setzt nämlich genau dieser Hormonsturz ein, weil dort alle Hormone während der Schwangerschaft gespeichert waren. Nun ist die Plazenta weg und somit kommt es zu einem Chrash der Hormone. Dies kann sich unglaublich auf die Botentsoffchemie (Serotonin, Dopamin, Noadrenalin... usw) auswirken. Sie geraten völlig durcheinander - meist entsteht ein Mangel. Und durch diesen Mangel enstehen depressive Symptome wie Antriebslosigkeit, Traurigkeit, Agressivität, Müdigkeit, Schlaflosigkeit, Appetittmangel, Ängste, Panik..... usw. usw. Das kannst du gar nicht willentlich beeinflußen - die zu niedrigen Botenstoffe können aber durch ein AD und eine gute Therapie wieder ins Lot gebracht werden.

Daher ist es ganz super, dass du bereits einen Termin bei einem Psychiater gemacht hast. Lass dir von ihm genau erklären, was im Gehirn vorgeht, bei einer Depression. Das VERSTEHEN ist ganz wichtig - dann siehst du, dass du nicht schuld bist, sondern dass es eine Krankheit ist, bei der ein gravierendes körperliches Ungleichgewicht der Botenstoffe besteht.

Alles Liebe und Gute von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
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