Erschöpft, leer, schwer oder: die 24/7 Mutter ...

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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amélie

Erschöpft, leer, schwer oder: die 24/7 Mutter ...

Beitrag von amélie »

Hallo Ihr Lieben ...

Geht oder ging es Euch auch so? Ich vermisse die Leichtigkeit des Lebens so sehr. Seit mein Kind da ist, fühlt sich für mich alles schwer an.

Ich schaffe es meistens, einigermaßen zu funktionieren und nach außen hin normal zu wirken. Aber es kostet mich so unendlich viel Kraft. Ich bin so erschöpft, fühle mich meistens so leer und würde am liebsten nur schlafen, schlafen, schlafen (und nicht wieder aufwachen).

Mein Leben hat gar keine spielerischen Elemente mehr. Welch Ironie des Schicksals - seit ich ein KIND habe, fehlt jedes SPIELEN. :cry:

Ich kann mich gar nicht mehr in schönen Momenten verlieren wie früher, jeder Genuss wird zerstört durch die große Verantwortung, die ich jetzt trage. Mein Baby, das ich doch so sehr liebe, fühlt sich gleichzeitig wie eine zentnerschwere LAST auf meinen Schultern an.

Kommt das vielleicht daher, dass mich mein Baby rund um die Uhr beansprucht? Ich war noch nie länger als 3 Stunden von ihr getrennt, und da diese für die babysittenden Großeltern eine Katastrophe waren, haben wir das auch nicht wiederholt. Ich beneide meinen Mann um jede kleine Auszeit, sogar um seine Fahrten in die Arbeit.

Bitte jetzt nicht empfehlen, die Kleine mal meinem Mann in die Hand zu drücken und alleine wegzugehen. Das geht nicht, sie verweigert alles außer der Brust und will momentan alle 1,5 bis 2 Stunden trinken, rund um die Uhr, manchmal gibt's nachts eine längere Pause von 4 Stunden, aber das ist dann schon ein Glücksfall.

Ich bin so zwiegespalten. Habe sie gerne bei mir, aber manchmal wird es mir einfach too much. Ständig stillen (das auch jedes Mal mindestens 20 min dauert), ständig rumtragen (Tragetuch, Kinderwagen geht im Vorweihnachtstrubel in der Stadt einfach nicht). Ich kann nicht mehr.

Doch, klar kann ich, aber ich bin nicht mehr ich.

Manchmal schaue ich mir meine beste Freundin an und beneide sie glühend. Sie ist, wie ich, 33, seit einem halben Jahr frisch verliebt, schmeißt meinen Job in meiner Babypause - und sie hat kein Kind! Stattdessen hat sie eine frische Liebe, viel Romantik, lauter tolle "erste Male" mit ihrem Freund, jettet mit ihm durch die Gegend, heute Berlin, morgen Paris, übermorgen Skifahren. Sie hat Sex, eine ordentliche Wohnung, viel Action im Job und und und.

Wohingegen ich mich fühle wie in einer Sackgasse, in die ich versehentlich hineingefahren bin. Leider kann ich nicht umdrehen - es ist eine Einbahnstraße.

Sorry fürs lange Jammern, aber ich habe aufgehört, meinem Mann oder meinen "Freunden" von meinen Gefühlen zu erzählen.

Amélie
Kirschblüte

Beitrag von Kirschblüte »

hallo amelie,

ich kenne das auch, dass die leute irgendwann nicht mehr hinhören, wenn man von seinen sorgen und der depri erzählt. aber dafür sind wir ja da.
als ich damals gestillt habe, war ich auch total fertig. alle 2 stunden, nachts, und niemand konnte es mir abnehmen. wenn ich noch ein kind bekommen würde, würde ich nicht mehr oder nur teilweise stillen. wie alt ist denn deine kleine? hast du mal überlegt, abzustillen? es ist wirklich eine erleichterung. da muss man sich kein schlechtes gewissen machen.

ich wünsche dir viel kraft, liebe grüße
amélie

Beitrag von amélie »

Danke für Deine Antwort.

Eigentlich möchte ich nicht abstillen ... Wieder mal typisch für mich, möchte eine perfekte Mutter sein und dazu gehört natürlich auch das Stillen, wie die WHO es empfiehlt, 6 Monate voll und dann teilweise weiter ...

Ach, ich weiß auch nicht.

Klingt bescheuert, aber durchs Stillen habe ich wenigstens einen GRUND für meine Probleme. Viele Mütter sagen, dass das Stillen anstrengt und auslaugt, v.a., wenn man so ein 2-Stunden-Baby hat.

Jetzt spinne ich total, oder? ;-)
Dobby

Beitrag von Dobby »

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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo Süße!

Kann ich absolut nachvollziehen, was du schreibst. Du legst im Moment einen Marathon hin - stillen, wickeln, stillen.... usw. DU SELBER BLEIBST DABEI VÖLLIG AUF DER STRECKE!!! Der Stillrythmus, den ihr im Moment habst, ist natürlich total anstrengend, keine Frage! Vielleicht macht deine Maus gerade einen Schub durch, dass sie soviel trinken will?

Du schreibst, wir sollen dir NICHT den Rat geben, deine Kleine einfach mal deinem Mann aufzudrücken. ABER: Genau das tue ich jetzt trotzdem!!!! :wink: Schau Süße, viele andere Optionen hast du im Moment nicht, zumal es mit Oma und Opa nicht geklappt hat. Du mußt ja gar nicht weit weg - es würde schon mal ein Anfang sein, wenn dein Mann deine Kleine mal so lange betreut, bis sie wieder Hunger hat. Du könntest bis dahin ein Bad nehmen, vielleicht was lesen dabei und Gläschen Sekt trinken in der Wanne - darfst du ja trotz des Stillens. Stell dir Kerzen ins Bad, gib ein feines ätherisches Öl ins Wasser (Lavendel wirkt sehr gut bei Depressionen), ein bissl feine Musik dazu - und fertig ist dein "Homespa". Noch besser ginge es natürlich, du würdest abpumpen, sodass auch dein Mann eurer Süßen das Fläschchen geben kann. Dann wärst du wirklich so lange ungestört, wie du willst.

Man bzw. FRAU muss keinesfalls um jeden Preis bis in alle Ewigkeit stillen -BEIDE müssen sich wohlfühlen dabei und das ist im Moment bei DIR deffinitiv NICHT der Fall - daher mußt du schauen: WAS KANNST DU TUN, DAMIT ES DIR BESSER GEHT!!! Du willst etwas durchziehen, was fast unmöglich ist: Du willst in allen Bereichen PERFEKT SEIN - aber daran wirst du zwangsläufig scheitern. Mach Abstriche - für dein Wohlbefinden und weil DU es dir wert bist.

Du schaust im Moment etwas neidvoll auf deine Freundin - komplett verständlich, weil sie im Moment so ziemlich alles hat, was dir abhanden gekommen ist. Aber das kannst DU ändern, indem du diesen Perfektionnismus aufgibst und auch wieder AN DICH DENKST!!! Wenn man längere Zeit alle seine Bedürfnisse und Wünsche nicht mehr wahrnimmt und sie verdrängt, dann wird man ganz einfach krank. Komm da raus aus deinem selbgebauten Schneckenhaus... :wink: du stellst dir im Moment selber ein Bein. Du ziehst dich immer mehr zurück - von deinem Mann, von deiner Freundin. Das ist sehr schlecht, denn auch das gehört unbedingt dazu, um seine BEDÜRFNISSE mitzuteilen, sie auszusprechen!!!! Schon alleine mit dem AUSSPRECHEN tut sich sehr viel - hier hast du das schon mal getan und das ist super!!!! Lass es nicht dabei, sondern teile dich wieder deinem Mann mit. Ich bin mir sicher, er würde die Kleine nehmen, nur du stehst dir einfach im Moment selber im Weg.

Es ist nicht einfach, ich weiß das selber und noch heute muss ich oft wieder zur Vernunft rufen, wenn ich in mein altes Verhaltnsmuster "ich mache alles alleine und perfekt" falle. Gerade gestern habe ich einfach meinem Mann mal mitgeteilt, dass ich im Moment total gestresst, ausgelaugt bin und mit meinen Bedürfnissen total hinten anstehe. Und schon das hat schon mal gut getan. Mein Sohn ist zwar schon 3,5 Jahre alt, aber dieses Alter wieder andere Dinge, die einen an den Rand des Wahnsinns bringen.... :wink: Seit gestern bin ich schon ruhiger, mein Mann nimmt mir gezielt unseren Süßen ab, obwohl ich auch mit ihnen zusammen bin. Aber er spielt mit ihm und ich kann z.B. hier sitzen und dir gemütlich schreiben... :wink: Als Mama denkt man aber immer, ICH muss alles selber tun, Mann soll sich ausruhen von der Arbeit. Nein, Mann und Papa soll auch mal die Süße nehmen (was er sicher gerne tut) und DU ruhst dich auch, tust dir was Gutes. Und glaub mir, das tut soooooo gut und auf einmal wird das "Auszeiten nehmen" ganz selbstverständlich. Denn es ist NÖTIG, auch wenn du es nicht so recht hören magst!!!! :wink:

Also, Kopf wieder raus genommen aus dem Sand, Blick abgewandt von dem vermeintlich "super Leben" deiner Freund und aktiv frisch ans Werk, um dein Leben wieder lebenswert zu machen!!! 8) Du musst nur damit anfangen!

Liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
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