Und wieder sucht jemand Hilfe!

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AmoebeMS

Und wieder sucht jemand Hilfe!

Beitrag von AmoebeMS »

Liebe Schatten- und Licht-Mitglieder,

zunächst einmal möchte ich mich bei den Moderatoren des Forums ganz herzlich für meine Freischaltung bedanken, denn ich gehöre nicht direkt zu den PPD-Betroffenen, aber meine Geschichte – und ich werde versuchen mir wirklich kurz zufassen – spiegelt hier und dort doch ähnliche Probleme und Fragen wider.

Bin weiblich, 33 Jahre, Mutter von zwei Kindern im Alter von 3 und 4 Jahren. Keine besonderen Vorkommnisse, gesunde Ehe, tolle Kinder, Hausfrau, Perfektionistin. Mein Leben ist/war ein Traum. Die Sparkasse würde sagen: mein Haus, mein Auto, mein Pferd (hab aber doch kein Pferd).

Allerdings ereilte mich ein familiärer Schicksalsschlag (Schlaganfall in der Familie, kein Tod) im März 2008. Ab diesem Zeitpunkt fühlte ich mich plötzlich krank! Angst und Panik, ich könnte von heute auf morgen erkranken. Die Gedanken hörten nicht auf. Sie kamen immer wieder. Schleichend. Wurden schlimmer. Irgendwann war es so schlimm, dass ich bei jedem kleinen Zucken meines Körpers dachte, dass ich gleich einen Herzinfarkt bekomme und sterbe. Die Kopfschmerzen begannen.

Kurzum: Angst, ich sehe meine Kinder gleich nicht mehr wieder, Spannungskopfschmerzen, Angst- und Panik vor dem Sterben, Zähneknirschen in der Nacht durch Stressabbau im Schlaf, Masseterschmerzen, Schmerzen im Nacken- und Schulterbereich, Angst vor dem Autofahren, vor dem Einkaufen im Geschäft, Angst, es könnte mir etwas passieren und was würde dann aus meinen Kindern werden? Ich ging nur aus dem Haus, wenn es nötig war (meistens wenn es die Kinder betraf). Und ja, die Kinder. Sie sind mein Ein und Alles. Aber mein Perfektionismus war plötzlich dahin. Die Super-Mami, die immer alles bewältigt hat, der alles gelang, hatte Probleme. Ich war nur mit mir selbst beschäftigt und mein Selbstmitleid wuchs von Stunde zu Stunde. Ich bin krank, ich bin krank, ich bin krank. Gott, bitte hilf mir. Es folgten Arztbesuche. Einige. Ergebnis: tja, ich bin fit wie ein Turnschuh, nur mein Geist ist es nicht!

Folge: ich trat nach einem 4stündigen Krankenhausaufenthalt im Oktober 2008 (mir blieb abends die Luft plötzlich weg – eine Nasennebenhöhlenentzündung hatte ich natürlich nicht!!!! - und laut KH war ich natürlich kerngesund, bis auf mein Virus) die Notbremse und suchte einen Psychiater auf. Allerdings war ich nicht darauf gefasst, dass ich sechs Wochen auf einen Termin warten musste, geschweige denn darauf, dass mich drei Ärzte abwiesen wegen Patientenannahmestopp. Soviel zum Thema „ich bin nicht allein“.

Ich habe aber die Wartezeit irgendwie überbrückt und Hilfe bekommen. Ich mache eine Therapie. Beim Psychiater und beim Physiotherapeuten, letzteres wegen der schon fast chronischen Gesichts- und Nackenschmerzen, die mittlerweile aber immer besser werden. Auch auf die Genehmigung der Fortsetzung der Therapie werde ich geduldig warten, denn ich weiß, dass sie MEIN Weg ist. Seit drei Tagen nehme ich AD (Cipralex) ein, mit keinerlei Nebenwirkungen bis jetzt. Gott sei Dank, denn davor hatte ebenfalls sehr große Angst. Doch ich weiß auch genau, dass die Medikamente nicht der Ausweg sind. Sie lösen meine Probleme nicht. Sie unterstützen mich nur, um mein Leben wieder etwas besser in den Griff zu bekommen. Und das ist das Wichtigste: die Kunst sich einzugestehen, dass die Medis nur eine Hilfe sind, aber nicht der Ausweg.

Ich bin sicher in der letzten Zeit keine gute Mutter gewesen und habe mich selbst mehr bemitleidet als mich um meine Kinder zu kümmern. Ich war und bin einfach antriebslos. Doch eben DAS möchte ich gerne wieder ändern. Schließlich bin ich ja selbst nicht richtig Schuld an meinem Zustand. Und meine Kinder sind schon gar nicht Schuld daran! Für sie und meinen Mann mache ich ja die Therapie, aber in erster Linie für mich. Ich will mein altes Leben wieder zurück. Mein Mann ist mein Rückhalt, aber auch er allein löst leider nicht meine Probleme. Seine Subjektivität stört mich doch etwas. Daher der Weg zu einer völlig außen stehenden Person wie einer Therapeutin.

An diesem Forum würde ich mich gerne etwas beteiligen – bisher war ich ja nur ein Gast und Leserin. Ich kann zwar zu PPD nicht viel beitragen, würde es hier und da vielleicht mit einfachen, gut gemeinten Worten versuchen, in erster Linie habe ich wohl aber selbst zunächst einige Fragen. Im Übrigen haben hier wirklich schon sehr viele von Euch tausend Mal mehr „drauf“ als ich, trotz „härterer“ Geschichten. Ihr macht Sport, geht raus spazieren, umsorgt ruhig Eure Kinder, macht etwas für Euch. Ich ziehe meinen Hut. So weit bin ich noch lange nicht. Es gibt immer noch hier und da Kindergartenvormittage, die ich im Bett verbringe und grüble, aufpasse, horche. Aber der Anfang ist gemacht. Das war also meine „kleine“ Geschichte und ich habe mich wirklich bemüht mich kurz zu fassen. Doch das fällt schwer, weil so viel zu sagen ist.

Wie gesagt, mein Zustand kam nicht nach einer PPD, aber die Erfahrungen, die Medikamente, die Gefühle und Gedanken, sind denen vieler Berichte sehr ähnlich und daher meine Anmeldung. Außerdem denke ich, dass sich eine Mutter oder auch ein Vater mit derartigen Problemen die Hilfe von allen möglichen Seiten aus holen sollte, zusätzlich auch von Personen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Was der- oder diejenige daraus für einen Nutzen zieht, weiß niemand genau, außer der Person selbst. Aber wenn das Lesen oder Zuhören nur einigen hilft, so wie mir durch Eure Postings, dann glaube ich immer fest an zumindest MEINE „baldige“ Besserung. Jeder kann ja leider nur in seine eigene Seele blicken, oder?

Ich bin körperlich nicht krank, wie viele von Euch auch. Mittlerweile stehe ich auch kurz davor dies endlich und endgültig zu begreifen. Ich bin einfach nur psychisch erkrankt und das ist leider auch eine Krankheit.
Mich würde interessieren, welche kleinen ersten Schritte man unternehmen kann, welche Dinge Ihr unternommen habt, um Euch abzulenken? Kann jemand helfen.

Ich danke für das Zuhören.
Amoebe
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Marika
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Registriert: 04:06:2005 16:05

Beitrag von Marika »

Hallo Amoebe!

Schön, dass du nun hier bist uns deine Geschichte erzählt hast. Auch wenn deine psych. Probleme nicht mit einer PPD zusammen hängen, bist sehr willkommen bei uns. :D

Du schreibst, du "ziehst vor uns hier den Hut", das tue ich vor dir aber auch, denn du hast erkannt, dass du Hilfe brauchst und sie dir auch geholt, egal wie schwer es war und wie viel Überwindung es vielleicht gekostet hat!!! Und das ist unglaublich mutig und stark!!! Wirklich ganz toll, mit wieviel Willen du wieder gesund werden willst - und das ist eine sehr gute Voraussetzung!!!

Ich nehme übrigens auch Cipralex und kam bzw. komme immer sehr gut damit klar. Mir hat das Medikament geholfen, aus dem tiefsten Loch der Depression raus zu kommen. So war ich dann erst fähig wirklich effekt in meiner Verhaltens-/Psychotherapie zu arbeiten. Mittlerweile konnte ich das AD schon um 2/3 der Dosis reduzieren und das ist für mich ein toller Erfolg, denn ich weiterhin stabil. Meine Erkrankung liegt übrigens schon länger zurück - 3,5 Jahre nämlich. Heute bezeichne ich mich als gesund, auch wenn ich noch ein AD in geringer Dosis nehme.

Was mir noch sehr geholfen hat damals war, das regelmässige rausgehen - oft schon am frühen Morgen mit dem Kinderwagen. Oft war das sehr schwer und es kostete mich unglaubliche Überwindung, aber es tat mir sehr gut und es ging mit der Zeit immer leichter. Dann auch Sport, aber daheim auf meinem Hometrainer - das war wie "Doping"... :wink: Das Forum hier war natürlich Gold wert, der Austausch hier ist einfach einzigartig, weil niemand sonst einen so verstehen kann, wie jemand, der es selbst erlebt hat. Ich nahm auch lange Bachblüten und auch sie waren ganz große kleine "Helferlein".

Schön, dass du hier bist und wenn du noch Fragen hast - nur raus damit!!! :wink:

Liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
AmoebeMS

Beitrag von AmoebeMS »

Liebe Marika,

bitte verzeih mir, dass ich mich jetzt erst wieder melde. Ich danke dir von Herzen für deine lieben, aufmunternden Worte. Es tut wirklich gut, solche Zeilen zu lesen. Du scheinst ein Händchen für so was zu haben, da bin ich mir sicher.

Mittlerweile bin ich bereits den 10. Tag durch AD „gedopt“. Und ich fühle mich gut. Zwar hatte ich den Dezember über schon eine Angstfreie Phase (ohne Medis), was aber nur die Ruhe vor dem Sturm war. Daher hoffe ich, dass das jetzt nicht auch die Ruhe vor dem nächsten Sturm ist. Auch wenn ich momentan wieder etwas Stress zu Hause habe, so versuche ich ein Problem nach dem anderen anzugehen und nicht wieder ins „Nichts-Tun“ abzurutschen. Es ist schwer in dieser Situation ganz an sich zu denken und mal etwas zu unternehmen, was einem persönlich gut tun würde. Doch dieses Ziel habe ich nicht aus den Augen verloren. Nur leider verschoben.

Wir sind alle etwas durch verschiedene Krankheiten geplättet, daher läuft es hier nicht ganz so rund, wie ich es gerne wieder hätte, aber ich fühle mich komischerweise dieses Mal wirklich krank – eben erkältet – und nicht wie noch vor einiger Zeit „huch, ich habe Halsweh, somit kippe ich gleich tot um“. Nein, ich bin innerlich viel ruhiger, weiß aber noch nicht, ob ich das bereits den Medikamenten zuschreiben soll. Egal. Ich tue es einfach und dann ist auch morgen wieder ein guter Tag. Wenn ich wieder völlig hergestellt bin, schreibe ich mehr. Danke nochmals. Auch für die Tipps. Der Hometrainer klingt gut. Habe ich eine zeitlang bereits gemacht, aber es auch wieder abgebrochen, weil mir mein Kopf einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Einfach „aufraffen“, ja?

LG Amöbe
ubure

Beitrag von ubure »

Liebe Amöbe,

herzlich willkommen auch von mir!
Ich finde schon, dass Du hierher passt, denn vielen hier geht es ja auch so, dass ihre Depressionen keine PPD mehr sind, sondern chronisch geworden (wie bei meiner-einer) - der Schmarrn ist eh der gleiche, nicht?

Du bist, denke ich, auf dem richtigen Weg: Du hast erkannt, was los ist und was zu tun ist. Das ist ja schon eine ganze Menge. Gut auch, dass Du das AD zu verragen scheinst, ich wünsche Dir, dass es wirkt, und das auch recht schnell! Du hast auch damit Recht, wenn Du sagst, die Medis sind eine Hilfe auf dem Weg - ich sage, sie sind ein Ausweg: ein Weg aus der Hölle raus, sie weisen Dich dahin, wo Du hin sollst, und dann kannst Du Deine eigene Arbeit beginnen.

Dein letzter Satz war schon ganz richtig: "einfach aufraffen". Das ist es. So schwer das ist, so unglaublich schwierig, raff' Dich auf. Tu's einfach, sag Dir, Du musst! Nach jeder Aktivität wird es Dir besser gehen, und Dein gehirn merkt sich das, und will es immer wieder spüren. ud so wird es mit der Zeit leichter und einfacher, was zu tun, auch wenn Du immer noch ganz oft keine Lust hast. Bloß nicht auf die Couch sitzen und sinnieren - gaaanz falsch!!

LG,
Inez
AmoebeMS

Beitrag von AmoebeMS »

Liebe Inez,

danke auch dir für deine tolle Nachricht und das "Willkommen". Nachdem ich wochenlang in diesem Forum nur geschnüffelt habe, habe ich mich doch überwunden und poste jetzt einfach mit. Auch das tut mir gut. Reden, reden, reden. Lenkt auch ab, oder? Und ich habe hier einfach meine Gedanken und Probleme wiedergefunden, auch wenn sie erst 3 Jahre nach den Geburten aufgetreten sind.

Die Couch habe ich hinter mir gelassen, für den Moment. Ich raffe mich langsam auf. Zwar mit Kleinigkeiten und keiner Perfektion, aber es klappt, auch wenn ich tierisch erkältet bin und die Couch am liebsten wieder aktivieren würde. Doch die "Gedanken" sind momentan nicht vorhanden. Gutes Zeichen für heute. Ich könnte mich zwar etwas mehr mit meinen Kindern beschäftigen (zusätzlich zum Alltagsleben) als ich es tue, aber auch das wird von Tag zu Tag besser und ich merke, wie sie es geniessen und ich auch. Das spornt an. Ich hoffe, ich mache es gerade mal ausnahmsweise gaaaaaanz richtig. Grins.

LG Amöbe
lulla

Beitrag von lulla »

Liebe Amöbe


erstmal auch von mir herzlich Willkommen auch von meiner Seite. 8)
Und auch "gute Besserrung" für deine Erkältung. Ich finde es super, das auch du zu uns gefunden hast. Ich denke Angst u. Panikatacken haben alle diese oder jene Gedanken die einem vor lauter Angst ins Kissen beißen lassen. Ich kenne auch diese ollen Gedanken gekoppelt mit irgendwelchen "Symptome" die dann anklopfen. Habe diese aber über die Jahre sehr gut abbauen können. Nur jetzt nach der Schwangerschaft kam der ganze Müll nochmal hoch und will nun nochmal richtig sortiert werden. :wink: Auch du wirst dein Leben neu sortieren und dann geht die wilde Fahrt weiter im Leben. Und bis alles wieder gut ist , sind wir alle für einander da, wie ich auch schon erleben durfte. wenn du fragen hast , auch wenn sie dir so sehr "peinlich (absurd)" vorkommen , nur raus damit. Es gibt ja bekanntlich nichts was es nicht gibt.

Es grüßt dich ganz lieb die Susi..... :D
AmoebeMS

Beitrag von AmoebeMS »

Hallo Susi,

auch dir ein liebes Dankeschön für dein Posting.

Bevor hier die Meute in Form meiner beiden Trotzköpfe wieder aufkreuzt, antworte ich fix. Die peinlichen Fragen habe ich mir übrigens für später aufgehoben. Grins. Nein,... wieder ein guter Tag. Ich habe mich heute früh massieren lassen. Grins. Auch so etwas tut Körper und Seele gut. Solltet ihr mal versuchen. Mittlerweile habe ich auch keine Angst mehr Auto zufahren und zähle schon gar nicht mehr die Leitplanken auf der Autobahn, nur um sich abzulenken. Die Minuten bis mein Mann nach Hause kommt bzw. das Anstarren des Weckers sind auch passé. Nur den Sport muss ich noch irgendwie und irgendwann ins Porgramm aufnehmen. Davor habe ich aber noch "Bedenken". Das Forum tut unheimlich gut. Nochnmals "Danke" für die liebe Aufnahme.

LG Amöbe
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