Meine Psychose war vor einem Jahr. War das schön!!

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debora

Meine Psychose war vor einem Jahr. War das schön!!

Beitrag von debora »

Vor einem Jahr hatte ich den Höhepunkt meines Lebens.
Mir gings so wahnsinnig gut. Nach einer super Schwangerschaft und Geburt kam ein Tsunami an Hochgefühlen. Was ich alles bewegen wollte! Ich hatte große Pläne, wollte ein Buch schreiben. Alles war für mich eine einzige Fügung, alles hatte einen Sinn.
Man steckte mich in die "Geschlossene". Gegen meinen Willen. (Ich hatte in meinem Redeschwall was von Kehle durchschneiden gesagt. Kam wohl nicht so gut an.) Ich war von meinem Neugeborenen getrennt! Vier Wochen! Mit Wechsel in eine andere Klinik kam die Talfahrt. Ich war sowas von verunsichert. Nach wie vor glaube ich, dass es die Medikamente waren, die mich so fertig gemacht haben. Und auch die Ärzte. Oder war es doch auch Depression? Ich weiß es nicht.

Mittlerweile bin ich wieder im Normalbereich angekommen. Hat auch das
Jahr gedauert. Aber ich vermisse diese Hochgefühle, diese Power. Ok, ich hatte es ein bisschen übertrieben, hätte mehr schlafen sollen. Aber es war ne coole Zeit (für mich)!

Kennt jemand diese Psychose mit Hochgefühl?
Würde mich gerne mal darüber austauschen.

Debora
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Marika
power user
Beiträge: 10634
Registriert: 04:06:2005 16:05

Beitrag von Marika »

Liebe Debora!

Herzlich willkommen bei uns!!!

Es kommt öfter vor, dass man eine so genannte "Manie" entwickelt wärend einer PPD - die sich bis hin zu einem "Wahn" (Psychose) entwickeln kann. Es gibt ja auch den Begriff der "manischen Depression" - die Menschen stecken dann so in einem Hoch und schlafen fast gar nicht mehr, dass sich Realität und die Wahrnehmung total verschieben können. In solchen Phasen fehlt dann auch die Krankheitseinsicht - man glaubt, man ist gesund und die anderen sind es, die einen Krank machen.

Alles was du geschrieben hast, deutet genau darauf hin. Natürlich kenne ich dich nicht und kann daher gar nicht wirklich beurteilen ob es nun tatsächlich so war oder ob wirklich alles anders war und - wie du meinst - die Ärzte an allem schuld waren... aber ganz ehrlich meine Meinung? Ich glaube, du warst sehr, sehr krank und dieses "Hochgefühl" war ein Teil deiner Erkrankung, die du bis heute aber nicht wirklich sehen kannst. Bist du in einer Therapie? Ich glaube, es wäre wichtig für dich, zu erkennen und zu begreifen, WAS vor einem Jahr passiert ist!!! Denn alle Symptome - nicht mehr schlafen, Redschwall mit diffusen Aussaugen, das Gefühl alles hätte eine Fügung, extremer Tatendrang - das alles klingt nach Manie bzw. nach einer Psychose mit Wahnvorstellungen und die mußte unbedingt behandelt werden.

Also wie gesagt, ich vermute das jetzt mal so, wenn ich deinen Beitrag lese. Was ich aber sicher weiß: Du solltest das ganz unbedingt aufarbeiten, um anzunehmen und zu aktzeptieren, was passiert ist und auch zu erkennen, dass dieses "Hochgefühl" nicht wirklich eine positive Lebenseinstellung war, sondern eine psychische Erkrankung, die nur für dich "schön" war - für deine Mitmenschen aber eher erschreckend.

Hoffe, du bekommst noch weitere Antworten, mit denen du was anfangen kannst!

Liebe Grüße von
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
Cara

Beitrag von Cara »

Hallo Debora,

da ich ja in einer Psychiatrie arbeite, kann ich dir sagen, dass ich diese Form der Psychosen sehr wohl kenne, es muss halt nicht immer eine Manie sein, dennoch gibt es diese Psychosen, wo sich Menschen für ``gottesgleich`` etc halten und denken, dass die Macht schlechthin bei Ihnen liegt.
Ich muss aber Marika definitv recht geben, wenn sie sagt, dass eine Psychose auch im Nachhinein noch behandelt werden muss.
Bekommst du Medikamente, zb eine Spitzenprophylaxe wie Orfiril? Oder generell ein Antipsychotikum? Gehst du zur Gesprächstherapie?
Ich frage dich das alles, weil es sehr wichtig ist, dass eine Psychose richtig ausheilt, sie kann sich sonst wiederholen und sicherlich können dir einige Frauen hier berichten, dass eine Psychose auch ganz grässlich sein kann.
Die Medikamente in der Psych haben dich denke ich nicht ``verunsichert``, sie haben dich zurück auf den Boden der Tatsachen geholt und nach nahezu jeder psychotischen Episode folgt eine depressive.
Ich sehe es beinahe täglich, dass Psychotiker, deren Schub vorbei ist, am Boden sind. Und es ist wichtig, dass die Ärzte dich da raus geholt haben.

Wie gehts dir denn jetzt? Bist du noch depressiv?

LG
Tamani

Beitrag von Tamani »

Hallo Debora!

Dein Beitrag hat mich nach fast einem Jahr stillen Mitlesens dazu bewegt, mich doch hier im Forum anzumelden. Anscheinend haben wir fast das gleiche durchgemacht: Ich wurde 2 Wochen nach der Geburt im April 2008 mit der Diagnose manische postpartale Psychose in die geschlossene Abteilung einer Psychiatrie eingewiesen. Diese Entscheidung konnte ich nicht mehr selbst treffen, das hat der Hausarzt, der am Wochenende Dienst hatte und mein Mann entschieden. Ich war in einem totalen Hochgefühl, habe auf der Toilette Gespräche mit Gott geführt, habe meinem Mann erzählt, ich sei Harry Potter und könne einen guten Freund herbeizaubern. Noch im Krankenwagen auf der Liege fixiert, habe ich Gott gefragt, ob ich jetzt die Welt retten soll und habe dann als Gott geantwortet, das habe noch etwas Zeit. Daran kann ich mich noch ziemlich gut erinnern und ich weiß noch, daß ich die Aufregung der Anderen auch kaum nachvollziehen konnte, weil ich mich verdammt gut gefühlt habe und das Gefühl hatte, daß jetzt endlich alles einen Sinn hatte und ich mich so lebendig fühlte wie nie zuvor. Als man mich in der Klinik fragte, wo ich sei, antwortete ich, in der Geburtsklinik, in der ich zur Welt gekommen war, denn Gott hatte zu mir im Krankenwagen gesagt, ich bekäme noch einmal die Chance, ganz von vorne anzufangen und könne mich entscheiden, wo das sein solle und ich entschied mich für meine Geburtsklinik. In der Klinik redete ich ohne Punkt und Komma, wollte das Blau einer Tür heller zaubern und nannte eine Schwester "Schneewittchen" und sagte ihr, daß sie ohne Schminke besser aussehen würde. Daraufhin wurde ich erstmal mit Tavor ruhiggestellt und der Oberarzt lernte mich erst in ruhiggestelltem Zustand kennen und beschloss, um das Stillen noch zu erhalten, erstmal mit pflanzlichen Mitteln weiterzubehandeln, was ein fataler Fehler sein sollte. In der daraufflogenden Nacht erlebte die diensthabende Nachtschwester die Hölle auf Erden, da ich permanent die Klingel drückte und mein halbes Zimmer unter Wasser setzte, in dem Versuch, alle meine Kleider zu waschen. Außerdem habe ich fast die ganze Nacht versucht, Milch mit der mitgebrachten el. Milchpumpe abzupumpen. An diese Nacht habe ich fast keine Erinnerung mehr, ich weiß das nur aus Erzählungen und aus dem Gefühl, so etwas geträumt zu haben. Am nächsten Tag mußte ich sofort abstilen und wurde auf Zyprexa, 2xtgl. 10mg gesetzt. Mein armer Mann bekommt das Bild von mir nicht aus dem Kopf, wie ich nur in Unterhose und T-Shirt am nächsten Morgen in einem Haufen nasser Kleider stand, die Lampenabdeckung von über dem Waschbecken wie ein Kreuz auf den Schultern.

Was ich mit all dem sagen will, ist, daß ich während der ersten Tage in der Klinik noch nicht verstanden habe, daß ich krank bin, sondern ich habe dem Hochgefühl nachgetrauert und habe sogar meine Chefin angerufen und angefleht, mich aus der Klinik zu holen, da alles nur ein riesengroßer Irrtum sei. Ich mußte 3,5 Wochen in der Klinik bleiben und zum Glück wurde ich durch das Zyprexa schon nach einigen Tagen wieder klarer und konnte sogar nach 10 Tagen schon wieder stundenweise die Klinik verlassen. Zum Glück schlug bei mir die Manie nicht wie bei Dir in eine Depression über, denn davor hatte ich immer am meisten Angst. Ich bin selbst depressionserfahren und hatte seit einem stationären Aufenthalt in der Geschlossenen 2003 wegen schwerer Depression jährlich im Sommer wiederkehrende Depressionen und dementsprechend schon vor der Geburt Angst vor einer drohenden PPD. Umso glücklicher war ich dann über die Hochgefühle der Manie, die mir zunächst sehr willkommen kamen, da ich sogar noch zu Anfang der Schwangerschaft depressiv gewesen war.

Erst durch meine Therapie, die ich seit der Klinikentlassung mache, habe ich gelernt, daß die Manie eben nicht nur positiv ist, sondern daß man sich wie in der Depression selbst nicht mehr spürt und so z.B. nicht mehr merkt, daß man körperlich am Ende ist und dringend Schlaf benötigt. Auch die tollen Ideen, die ich hatte, mußte ich ständig aufschreiben, um nur ja nichts davon zu vergessen und habe darüber den Schlaf vernachlässigt. Wenn ich vieles davon heute lese, denke ich, wieso dachte ich, daß das so eine ungeheure Bedeutung hatte. Ich sage vieles, denn ich habe auch wertvolle Erinnerungen und Erfahrungen aus der Manie in meinem Herzen behalten, die mich immer wieder daran erinnern, wie schön das Leben sein kann und wie sich "echtes" Leben anfühlt. Ich bin sogar der Meinung, daß mich die Erfahrung der Manie letztendlich von den ständigen Depressionen befreit hat, denn seither geht es mir im Sommer gut und ich habe keine Angst mehr vor der Depression.

Bist Du in einer Therapie? Ich kann Dir nur dazu raten, denn sie hilft mir sehr und meine Therapeutin tut meine Psychoseerfahrung auch nicht wie einige Ärzte und Pfleger in der Klinik als Blödsinn ab, sondern wir versuchen gemeinsam, diese Erfahrungen zu filtern und zu ordnen, um das Gute darin zu behalten und daraus zu lernen.

Du kannst mich auch gerne über PN anschreiben.

Ich hoffe, bald wieder von Dir zu hören,

Ganz liebe Grüße,

Tamani
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