Hier also nun die Fortsetzung:
Gedanken Anfang August 2008
Mika wird in ein paar Tagen 10 Monate alt, wir haben mittlerweile August...seit guten 6 Wochen stehe ich nun wieder alleine im Leben...ohne Hilfe von Therapie. Ich kann wohl sagen: Ich habe die Depression überstanden!
Am 20. Juni 2008 hatte ich meine letzte Therapiestunde bei Antonia. Ein Zufallsdatum, denn am 20. Juni 2007 hatte ich mein erstes Vorgespräch bei meiner Hebamme, Angela! Damals habe ich NIE daran gedacht, dass ich erst ein Jahr später mit all dem abschließen kann und nach einem Jahr auch erst wieder richtig glücklich sein kann...aber die Zeit hat mir etwas anderes gezeigt....es war eine schwere Zeit, eine Zeit mit vielen Tränen, vielen Selbstzweifeln und viel zu viel Kopfzerbrechen. Wenn ich heute auf der Internetseite „Schatten & Licht“ herumstöbere oder mir mein ganzes geschriebenes Werk der letzten Zeit durchlese, dann wird mir oft erst richtig klar, was mit mir los war! Dass ich tatsächlich unter diese Wochenbettdepression litt (es ging ja lange über das Wochenbett hinaus), dass ich wirklich typische Anzeichen hatte...mir fehlt die Bindung zu Mika, ich bin eine schlechte Mutter, mein Baby ist mir fremd – ich funktioniere nur, ich möchte mein Baby so gerne lieben – die Mutterliebe spüren können, er war doch ein Wunschkind – warum kann ich nicht glücklich sein....auch die typischen Anzeichen wie Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, innere Leere, depressive Stimmung....all das hat mich die ersten Lebensmonate von Mika begleitet. Dadurch konnte ich diese Zeit überhaupt nicht mit ihm genießen. LeiderL! Ich hatte einfach nur das Gefühl zu funktionieren...bis es irgendwann mal in meinem Kopf angekommen istJ! Ich habe meine Idealbilder einer Mutter und auch einer Geburt ablegen können bzw. mich nicht daran messen zu müssen. Heute weiß ich, dass ich das Mama-Sein ganz gut meister, mein Kind wirklich liebe und Spaß daran habe, wie er die Welt entdeckt bzw. sein Abenteuer LEBEN absolviert. Ich weiß, dass ich keine schlechte Mutter bin und dass es dieses Gefühl, die Mutterliebe spüren zu MÜSSEN, vielleicht gar nicht gibt. Ich kann wieder den Tag normal erleben und nicht in eine depressive Stimmung verfallen.
Trotz alle dem könnte ich oft noch weinen, wenn ich andere Geschichten höre und wieder an meine erinnert werde. Ich sehe mich selber in fremden Geschichten wieder. Aber ich denke, dass ist wohl so, wenn man einmal Mama ist...man ist GANZ nah am Wasser gebautJ! Wenn ich die Geschichten der anderen lese, dann weiß ich auch wirklich, dass ich nicht alleine war, dass es vielen anderen Frauen so erging wie mir, vermutlich teilweise noch viel schlechter!
Die ersten Monate bin ich, wie heute nochJ, oft in Mika´s Zimmer gegangen und hab ihm beim schlafen zugesehen. Damals habe ich ihn einfach darum beneidet, wie friedlich und gelassen er in seinem Bettchen lag und schlief...ich suchte einfach diese Ruhe, die er ausstrahlt!!! Heute sehe ich ihn mir an und denke, wie süß er doch ist und merke wie stolz ich auf ihn bin. Ein riesen Unterschied und ein großer Schritt nach vorne, denke ich!
Ich habe in der ganzen Zeit sooo viel Hilfe und Unterstützung erhalten, das ist wirklich toll! Es ist so wichtig, in dieser Zeit nicht das Gefühl zu haben, alleine da zustehen. Die Unterstützung von meiner Familie, meinem Freund, meinen Freunden, die Hilfe von meiner Hebamme, Angela und meiner Therapeutin, Antonia! Das werde ich wohl nie vergessen. Und heute ist mir auch klar geworden, wie wertvoll die Internetseite vom Verein „Schatten& Licht“ ist. Das ist schon ein großes Stück Therapie!
Ich bin auch mächtig stolz darauf, viele neue Freunde gewonnen zu haben. Freunde, die ich heute nie mehr missen möchte. Auch sie haben mir über die Zeit hinweg geholfen. Sie alle sind selber gerade Mutter geworden, es ging denen von Anfang an gut, aber dennoch hatte ich nicht das Gefühl alleine zu sein, wenn ich mit denen zusammen war! Das war mir eine große Hilfe!!!
Der Wunsch nach einem zweiten Kind zeigt mir wohl, dass mich diese schwere und auch prägende Zeit nur stärker gemacht hat. Die Hoffnung, dass beim zweiten Kind alles besser und anders verläuft, wird immer größer! Und wie sagt man so schön: Die Hoffnung stirbt zuletztJ!
Gedanken Oktober 2008
Über ein halbes Jahr hat es gedauert bis ich bewusst in der Mutterrolle angekommen bin und es langsam genießen konnte....und nun wird Mika in drei Tagen schon 1 Jahr alt...!
Wo ist nur die Zeit geblieben?? Er ist doch gerade erst auf die Welt gekommen!?
Ein Jahr ist vorbei und ich bin mir sicher, dass fast alle Mütter, gerade am ersten Geburtstag ihres Kindes, an den Anfang zurück denken.....so wie ich...nur mit dem großen Unterschied, dass mich vieles negatives einholt! Es holt mich alles wieder ein und mir wurde in den letzten Tagen immer bewusster, dass ich die erste Zeit mit Mika nicht mehr nachholen kann, die Zeit, die ich nicht genießen konnte, weil ich selber mit mir viel zu sehr beschäftigt war! Und das macht mich traurig. Auch wenn ich weiß, dass ich noch so viel Zeit mit ihm genießen kann, ist es trotzdem so, dass mir diese Zeit IMMER fehlen wird....!
Meine Gedanken sind in den letzten Tagen so oft an dem Tag des 8. Oktobers 2007 (ich kann mich noch so gut an fast jeden Moment erinnern) und ich wünsche mir zur Zeit nichts sehnlicher, als die Zeit zurück drehen zu können und dass alles anders verlaufen würde, dass ich eine normale Geburt gehabt hätte...! Aber das geht nicht und das weiß ich auch.
Meine größte Angst jedoch ist, dass mich am Mittwoch, auf Mika´s Geburtstag, alles wieder einholt, so sehr einholt, dass ich nicht glücklich sein kann! Wo ich es doch aber sein sollte...!
Letzte Woche war ich noch mal bei Antonia, meiner Therapeutin. Wir haben darüber gesprochen und es tat mir unheimlich gutJ! Ich habe in diesen 1 ½ Stunden so oft gedacht: Wenn ich doch die Zeit jetzt anhalten könnte!?
Antonia hat mir auch noch einmal klar gemacht, dass es wie ein „Meilenstein“ ist. Sie hat mich gefragt, wie oft die betroffenen Leute vom Zugunglück „Eschede“ beim Jahrestag traurig und nachdenklich sein dürfen....wohl immer! Das kann man sicherlich nicht mit meiner Situation vergleichen, denn bei uns ist keiner ums Leben gekommen und darum sollten wir froh sein...froh, dass Mika alles gut überstanden hat...aber dennoch DARF ich traurig und nachdenklich sein! Diese Zeit hat mich geprägt...die wohl bisher schwerste Zeit in meinem Leben...die, die doch so toll sein sollte. Statt dessen hatte ich mit mir selber zu kämpfen und ertrank in Selbstzweifel, Trauer und Angst....!
Ich lese gerade das Buch von Brooke Shields: „Ich würde Dich so gerne lieben“. Sie litt damals auch an einer postpartalen Depression nach der Geburt ihrer Tochter. Und ich bin immer wieder erstaunt, wie oft ich mich darin wieder sehe....! Es hilft mir dieses Buch zu lesen....Geschichten anderer betroffenen Frauen zu lesen und sich darin wieder zu finden.., das Gefühl, nicht verrückt zu sein und sich das alles nicht einzubilden....(verrückte Gedanken)!
Günter, mein Freund, kann diesen „Rückschlag“ nicht so verstehen, denn er ist der Meinung, dass ich gucken muss, was aus Mika geworden ist und dass es mir wieder gut geht...all das wieder aufzuwühlen....das versteht er nicht! Ich nehme ihn das nicht mal übel, denn er kann sich halt nicht in mich hinein versetzen und hat so eine Krise noch nie durchgemacht!
Mika ist inzwischen ein kleiner Mann geworden, der das Leben mit seinen großen blauen Augen entdeckt und versucht eine eigene Persönlichkeit immer mehr zu entwickeln. Es macht Spaß ihm dabei zuzusehen...vielleicht sollte ich mir das immer wieder vor Augen führen, dann gehen die düsteren Gedanken wieder weg!?J
Meine Freundin, Tina, hat jetzt im September ihren kleine Lukas zur Welt gebracht! Auch sie wird von Angela (als Hebamme) betreut. Als meine andere Freundin, Nadja, im Mai ihre Tochter zur Welt brachte und von Angela betreut wurde, habe ich sie so sehr um diese Zeit beneidet (völlig bekloppt!!!)...so sehr, dass ich wieder traurig war, sie los lassen zu müssen. Jetzt bei Tina ist es anders...ich beneide sie schon auf eine Weise, aber das Traurige ist weg. Vielleicht ist es ein Zeichen, dass aus der Traurigkeit, sich von ihr verabschieden zu müssen, nun wirklich tiefste Dankbarkeit an eine ganz besondere Zeit geworden ist und ich ihr einen ganz besonderen Platz in meinem Herzen gegeben habe!
Die letzten Tage habe ich sehr nachdenklich verbracht...wenn ich die Zeit gehabt hätte, dann hätte ich mich verkrochen und meine Gedanken an eine schwere Zeit über mich ergehen lassen wollen. Jeden Moment der Ruhe nutze ich dafür und vielleicht sollte ich mich einfach nicht so sehr dagegen wehren...sondern es einfach zulassen...denn irgendwie hat doch alles seinen Sinn...so wie Jahrestage, hier der ERSTE Geburtstag von meinem Sohn, den ich über alles liebe....!
Gedanken Ende Oktober 2008
Im Juni hatte ich meine Therapie beendet und ich dachte, nun wäre alles wieder gut! Sicherlich hab ich wohl auch die große Krise überstanden...ich merke, dass ich mein Kind liebe und ich kann die Vergangenheit, sprich die Geburt und die Wochen danach, mit kontrollierten Gefühlen hinter mir lassen...! Aber dennoch glaube ich, dass ich ALLES noch nicht überwunden habe...!
Mika ist jetzt im Oktober 1 Jahr alt geworden. Schon Wochen davor hatte ich Angst vor diesen Tag...Angst, dass mich vieles wieder einholt, Angst, dass ich an seinem Geburtstag nicht glücklich sein kann. Die Erinnerungen an eine Zeit, die doch eigentlich toll sein sollte, kamen wieder unkontrolliert ganz nah an mich heran.....!
Antonia und auch andere Personen haben mir gesagt, dass das ganz normal ist, dass die Erinnerungen wieder hoch kommen werden. Das passiert wohl jeder Mutter an dem Geburtstag seines Kindes. Andere haben, wie es halt auch normal ist, ganz tolle Erinnerungen, ich dagegen werde traurig, weil alles anders gelaufen ist, wie ich es gedacht und mir auch gewünscht habe. Also, darf ich auch traurig sein! Mika´s Geburtstag habe ich besser erlebt als ich dachte. Die Erinnerungen waren da, aber es war okay für mich! Ich war besser drauf als erwartet. Und es war ein schöner Tag!
Ja, ich darf traurig sein...aber ich lass es irgendwie nicht zu...! Meine depressiven Phasen haben in letzter Zeit wieder ein wenig überhand genommen. Wenn ich einen schlechten Tag habe, dann kommt alles wieder hoch...ich werde traurig und vermisse eine ganz besondere Person! Ich bin dann genervt von mir...genervt von meiner Laune...genervt davon, dass ich so viel daran denken muss und genervt davon, dass mir Angela in dem Moment fehlt....! Ich will das nicht mehr! Ich möchte glücklich sein und solche Tage reißen mich dann wieder runter.
Günter kann meine Gedanken kaum verstehen, denn es ist doch alles gut und es war ja auch alles gut, als ich meine Therapie beendet habe. Ich nehme ihn das noch nicht mal übel, denn für ihn ist es schwer, mich zu verstehen...aber ich kann immer noch sagen, dass er eine Engelsgeduld mit mir hat.
Wenn mich solche Tage überkommen, dann möchte ich mich verkriechen und nur grübeln...am liebsten möchte ich dann auch weinen, was mir bestimmt gut tun würde! Aber ich kann es nicht, weil ich es gar nicht zulasse! Statt dessen bin ich genervt von mir selber, bin betrübt und verstehe nicht, warum das alles nicht mal ein Ende haben kann! Warum mich das immer wieder einholt. Hinzu kommt ja noch, dass ich seitdem so verdammt wetterfühlig geworden bin.....wenn es draußen regnet, regnet es in meiner Seele auch und ich habe gar kein Grund!
Aber mir ist etwas klar geworden....ich denke, ein kleiner Teil von der ganzen Zeit steckt noch immer in mir drinnen und ich glaube, die wird auch bleiben und immer wieder hoch kommen.... dann wenn ich einen schlechten Tag habe! Es geht mir sicherlich wieder gut aber so ganz überwunden habe ich das noch nicht. Und das will ich nicht akzeptieren....damit stehe ich mir mal wieder selber im Weg! Ich denke, ich muss lernen, es zuzulassen, wenn es mir schlecht geht! Nur suche ich noch den Weg dahinJ! Ich nehme mich selber wieder viel zu sehr in Kritik und damit hab ich mehr zutun von mir und meiner Laune genervt zu sein als alles mal raus kommen zu lassen. Ich glaube....der letzten kleinen Teil, der noch in mir steckt, wird erst verschwinden, wenn ich noch einmal schwanger werden darf und alles anders wird! Das ist mein sehnlichster Wunsch, der die Gedanken, all das noch einmal durchzumachen, im Moment verdrängt...weil ich es mir doch so sehr wünsche!!!! Eines noch dazu...ich nehme Günter natürlich mit meinen schlechten Tagen wenig die Angst, dass bei einem zweiten Kind alles besser werden könnte...im Gegenteil! Ich kann das verstehen, aber ich möchte es soooo gerne!!!
Die erste Zeit, die ich mit Mika nicht genießen konnte, die fehlt mir und es tut weh, wenn ich daran denke, denn diese Zeit wird mir immer fehlen....auch wenn ich noch unzählige Momente mit ihm genießen kann!
Zulassen, akzeptieren und Geduld haben...das sind die Wörter, die ich im moment nicht „verarbeiten“ kannJ!