Was genau sind Zwangsgedanken (ZGs) ?

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Feebie

Was genau sind Zwangsgedanken (ZGs) ?

Beitrag von Feebie »

Ich frage mich die ganze Zeit, was genau Zwangsgedanken sind.
Ich habe zum ersten mal hier im Forum davon gehört.
Lange dachte ich, das wären die Gedanken, dem Kind etwas antun zu können, aber können es auch andere Gedanken sein?
Ich denke oft in Phasen wo alles super läuft, das einer von unserer kleinen Familie sterben könnte (meistens ich selbst).
Sind das auch Zwangsgedanken?
Oder in schlechten Phasen bin ich oft sicher, das meine Ehe diesen ganzen Belastungen der PPD nicht standhalten kann, sind das auch solche Gedanken?
Geht es dabei nur darum, das Gedanken immer wieder auftauchen und zwanghaft gedacht werden?
Oder sind sie beschränkt auf das Thema, das man seinem Kind etwas antun könnte.
Das hatte ich nämlich nie und dachte, das ich dadurch auch keine ZGs habe, aber nun bin ich verunsichert, wegen der anderen Themen.
Hm, ihr könnt mir bestimmt weiter helfen und mich aufklären....

Danke schon mal!
Weil wenn das andere auch ZGs sind, dann wüßte ich gerne, was ich dagegen machen kann. Sollte ich dann meiner Therapeutin unbedingt davon berichten?

LG,
Feebie
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallöchen,

hier meldet sich eine "alte Häsin" was ZG angeht - kenne die Biester aus meiner PPD Zeit sehr gut.... :wink:

Du hast recht: ZG sind immer wieder kehrende meist sehr quälende Gedanken, die man einfach nicht unterdrücken oder abstellen kann. Der Inhalt - also das Thema ist dabei aber völlig egel. ZG können die "aberwitzigsten" Themen zum Inhalt haben - da ist der Zwang seeeehr erfinderisch. Immer dort, wo die/der Betroffene ihre ganz persönliche Befürchtung oder Angst hat, da hakt der Zwang ein und um dieses Thema kreisen dann ganz individeull ZG. Sehr oft ist es bei der Wochenbettdepression die Angst, dem Baby etwas anzutun, weil hier der Ursprung der Angst etwas falsch zu machen, zu versagen usw., liegt.

ZG können aber auch ein eigenständiges Krankheitsbild sein und tritt auch ohne SS oder Geburt auf - bei Männer genau so wie bei Frauen. Da sind dann ganz oft ganz andere Inhalte enthalten.

Hier mal eine Auflistung von Beispielen für normale aufdringliche Gedanken die zu ZG werden können - mein Psychiater hat sie mir aus seinem Fachbuch kopiert:

- Der Impuls, jemanden zu verletzten oder zu schaden (dem eigenen Kind, Partner.... usw.)
- Der Impuls/Gedanke, etwas Schmutziges oder absolut Unpassendes zu sagen
- der Gedanke, dass einer nahestehenden Person etwas zustoßen könnte (was bei dir zutrifft)
- Der Impuls, das Auto zusammen zu fahren
- Der Impuls, Haustiere anzugreifen und ihnen etwas anzutun
- Der Gedanke: Ich wünschte er/sie wäre tot
- Der Gedanke, man könnte plötzlich ausrasten und um sich schlagen
- Der Impuls, sex. Praktiken auszuüben, die ungewöhnlich oder sogar abstoßend für einen selber sind
- Der Impuls, andere anzugreifen oder zu bestrafen
- Die Vorstellung, dass eine Katastrophe passieren könnte

Dies sind ganz normale Gedanken, die auch gesunde Menschen ab und an als so eine Art "Gedankenblitz" haben - so in der Art: "Was wäre wenn...." Der Unterschied ist bei ihnen aber, dass diese Gedanken dann sofort ohne Bewertung und somit ohne Angst und ohne Wiederkehr verschwinden, vergessen werden. ZG-Geplagte bleiben aber an so einem Gedanken hängen, weil sie denken, dass ist nicht normal, sowas zu denken, analysieren diesen und grüblen, daraus entsteht Angst und aus der Angst wird dann der ZG "geboren". Im Gehirn arbeitet dann unser "orbitofrontale Kortex" viel zu viel - er ist überaktiv und filtert diese absurden Gedanken nicht mehr aus, so wie er eigentlich sollte. Er macht dann daraus eine Endlosschleife mit dem Ziel zu einem befriedigenden Ergebniss zu kommen - also in etwa: nein, ich tue sowas nicht, oder sowas passiert sicher nicht. Der Haken ist, dass dann aber keine 100 % Garantie dafür bekommen werden kann - denn 100 % ist gar nix auf dieser Erde. Da wir das wissen, fängt der "Kortex" wieder zu denken an und die Frage "aber was ist, wenn doch...." taucht im Kopf immer und immer wieder auf. Und das ist dann der ZG.

Also Fazit: hin und wieder ungewöhnliche Gedanken die aber sofort verschwinden und keine Angst erzeugen, sind KEINE ZG sondern normal. Gedanken die aber die ganze Zeit im Kopf sind, extreme Angst und Panik verursachen und die Lebensqualität massiv einschränken - das sind ZG.

Hoffe ich konnte dir die ZG gut erklären. Hast du massive Angst bei deinen Gedanken? Denn deine Gedankengänge müssen keine ZG sein, nur wenn sie einen enormen Leidensdruck ausüben. Auch ich denke hin und wieder "was, wenn meiner Familie etwas passiert" usw. aber nicht pausenlos und nur ab und an, dann ist der Gedanke wieder weg - das ist dann normal!

Liebe Grüße von
-
Liebe Grüße von
Marika

Diagnose:
schwere PPD 2005
heute völlig beschwerdefrei mit 10 mg Cipralex
smaugerl

Beitrag von smaugerl »

hallo,

ja genauso ist es mit den ZG, wie unsere Marika beschreibt :D mich würde mal interessieren, wie lange es bei dir gedauert hat, Marika.
Also bei mir ist es so, das die ZG bei weitem nicht mehr so präsent sind wie am Anfang nach der Geburt meines Kleinsten - aber doch hin und wieder kommen - natürlich auch wieder mit Angst verbunden, was ist wenn man diese ZG doch ausführt... aber ich habe in meiner letzten Therapiestunde mit meiner Therapeutin besprochen, das wir diese ZG , die ich am Anfang hatte, einfach jetzt mal ruhen lassen und nicht immer und immer wieder durchgehen....einfach nach vorne schauen, dieses Kapitel abschließen. Gelingt mir zwar nicht immer, da ich von Haus aus ein sehr nachtragender Mensch bin , auch mir gegenüber :roll:

wünsch uns noch einen schönen Tag

lg
smaugerl
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Marika
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Beitrag von Marika »

Hallo,

bei mir hat es wirklich 2,5 Jahre gedauert, bis ich keine angstmachenden ZG mehr hatte. Das Wort "angstmachend" habe ich deshalb hervor gehoben, weil ich heute sehr wohl hin und wieder mal einen absurden Gedanken habe, dieser erzeugt aber weder Angst noch Panik, sondern zieht vorbei und belastet nicht. Es ensteht kein Leidensdruck und er kehrt dann auch nicht zwanghaft wieder. Ich habe also den ZWANG gezähmt und zwar genau nur diesen - den die Gedanken an sich sind ja ganz normal, die muss man nicht verlernen.

Nach 3 Jahren war ich dann soweit mein AD zu reduzieren, was ja wie du sicher weißt bisher super klappt. Ich hatte 2 Phasen während der Reduzierung, wo ich zu schnell war mit dem verringern der Dosis und da kamen ZG wieder auf. Bin dann mit dem AD wieder hoch und hab es später mit Erfolg und mit längeren Abständen wieder geschafft, ohne das ZG oder Angst bzw. Panik aufgekommen wären.

Oft kann ich es gar nicht glauben, dass ich heute das schönste Leben führe, als je zuvor. Ich hatte schon eine schöne Kindheit und auch sonst hat es mir an nix gefehlt - eher hatte ich ein "Zuviel"... nämlich an Ängsten und das hat mich seit meiner frühesten Jugend belgeitet. Nur bewußt wurde mir das erst mit Ausbruch der PPD und den massiven ZG. Und heute sitze ich hier und bin rund um glücklich! :D

Einen ganz lieben Gruß an euch von
Liebe Grüße von
Marika

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