Meine Geschichte

Austausch persönlicher Erfahrung mit der Depression/Psychose vor und nach der Geburt

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Deria

Meine Geschichte

Beitrag von Deria »

Hallo Ihr,

ich habe mir heute überlegt anzufangen.
Einen Anfang zu finden, für meine Geschichte.

Ich bin (fast) 45 Jahre alt und Mutter einer 22 Jahre alten Tochter.
Als ich damals mit ihr schwanger war, ging es mir schon nicht gut.
Ich war gerade zu meinem Mann gezogen (120 Kilometer weit weg aus meiner Heimatstadt, von Freunden), wir waren grad 3 Monate verheiratet und hatten nie unsere Zweisamkeit gelebt, weil ich eben meine Ausbildung noch beenden mußte. So lebten wir eine WE-Beziehung über 1,5 Jahre.

Tja, nun saß ich also da und erwartete unser Wunschkind. Mein Mann ist 18 Jahre älter als ich; uns war klar, wir würden nicht warten und wir wollten unbedingt ein Kind und es sollte auch unbedingt ein Mädchen werden.

Die Monate der SS waren unschön. Ich habe noch bis zum 5. Monat erbrochen, mußte liegen, weil ich Vorwehen bekam und war alleine.
Den ganzen Tag, bis mein Mann von der Arbeit kam.
Bezug zu dem Wesen in mir konnte ich nicht so recht aufbauen, war erstaunt, das mein Bauch immer dicker wurde und alles drückte.
Es war beschwerlich, der Sommer super heiß.

Der Geburtstermin (errechnet) kam und ging. Jeden Tag zur FÄ zur Amniskopie (oder wie das heißt), jeden Tag bei brütender Hitze mit dem Bus in die Stadt. Ich war völlig fertig.
Das ging dann noch eine Woche so, plötzlich hieß es dann am 7.7. - die Geburt muss eingeleitet werden, dem Kind geht es nicht gut.

Eingeleitet, jo, das ist dann so in etwa wie "eben mal Milch und Brötchen" holen. Pustekuchen.
Um 11 Uhr lag ich am Wehentropf nach einem Bad und Einlauf.
Das war mir alles schon viel zu viel, zu nah, ich wollte das nicht.
Vielleicht war ich auch einfach nur müde, ängstlich, wo's doch nun losgehen sollte.

Und dann finden die Wehen an. Ich konnte alles vergessen: atmen in den Bauch ging überhaupt nicht mehr; die Wehen waren bei mir hauptsächlich im Rücken. Es tat so weh.
Mein Mann war immer an meiner Seite, die ganze Zeit.
Irgendwann wollte ich nicht mehr. Ich wollte die Schmerzen nicht mehr ertragen und ich wollte dieses Kind auch nicht mehr.
Als wenn mir so plötzlich in den Kopf schoss: und dann bin ich mit dem Kind wieder den ganzen Tag alleine - und ich kann das doch gar nicht.

Als sie dann nach 14 Stunden "das Licht der Welt erblickte" war ich wie in Trance. Freude wollte nicht so wirklich eintreten.
Sie lag auf meinem Bauch und schrie und schrie und schrie.
Volle zwei Stunden lang; mein Mann ging - glücklich und erschöpft - nach Hause zum Schlafen und ich wurde genäht (Scheidenriss, kein Dammschnitt oder -riß.

Die Schwester brachte mich nach oben und fragte, ob sie mir meine Tochter heut Nacht bringen soll. Bringen? Stillen?
Wie?
Nein, ist das schlimm, wenn ich das nicht möchte?
Sie lächelte und meinte, es wäre absolut okay.

Für mich wurde es eine lange, dunkle und unruhige Nacht. Ich hatte plötzlich so sehr Angst vor diesem Wesen, das nun mein Kind war und ich sollte eine Mutter sein?
Das Kriegen und Wünschen ist ja noch okay aber das "Haben" war mir völlig fremd.

Am nächsten Morgen brachte die Schwester mir meine Tochter; frisch gebadet und gefönt, hübsch angezogen. Mit stehenden, schwarzen langen Haaren.
Ein kleiner Anflug von Stolz kam in mir auf. Sie war schön, sie war perfekt, sie war riesig und schwer (57 cm, 4700 Gramm).
Ich nahm sie in den Arm und betrachtete sie. Mein Kind.
Mein Mann kam und wir waren ja nun eine kleine, glückliche Familie.
Ja, aber warum fühlte ich dann nicht so?
Wenn Besuch kam ging's immer "nur" um das Neugeborene.
Ich war dann immer so "außen vor".

Nach einer Woche fuhren wir nach Hause. Mein Mann war zur Arbeit, ich stieg in ein Taxi, kam nach Hause in ein Haus, in dem mein Mann nur das Nötigste gemacht hatte.
Ich fühlte mich völlig überfordert, wollte den Haushalt machen und fing an zu putzen. Dann fing die Kleine an zu schreien und ich saß im Seesel und weinte.
Ich würde das niemals schaffen.

Ich muss mal grad aufhören; hätte nie gedacht, was da jetzt noch für Gefühle hochkommen....

Danke für's Lesen
Deria
smaugerl

Beitrag von smaugerl »

Liebe Deria,

schön, das du uns deine Geschichte anvertraust - auch wenn sie noch nicht zu Ende ist :D das mit den Gefühlen, die hochkommen, kann ich gut verstehen - bei mir ist der Beginn meiner PPD zwar erst 11 Monate her, und wir sind noch lange nicht am Ende... aber auch ich denke mit Wehmut an diese Zeit zurück und empfinde beim Betrachten der ersten Babyfotos von meinem Jüngsten erst heute wirklich Glücksgefühle und bin traurig, das mir das damals nicht gelungen ist - aber wir können die Zeit nicht zurückdrehen - wir können nur daraus lernen aus dieser Situation.

lg
smaugerl
mici

Beitrag von mici »

Hallo Deria,

ich kann verstehen, wie Dich Deine Gefühle beim Schreiben der Geschichte übermannt haben müssen. Deine Erfahrungen lesen sich spannend und ich war richtig enttäuscht, dass Du Schluss machen musstest, um Atem zu schöpfen. Wie ist es weitergegangen? Ich selber habe auch große Schwierigkeiten, die Erfahrungen, die ich gemacht habe, in Worte zu fassen, ohne dabei gleich wieder ins Weinen zu geraten. Aber ich habe auch festgestellt, dass es wohltuend ist, sich anderen Menschen mitzuteilen, das erleichtert doch ein ganzes Stück. Vielleicht magst Du irgendwann fortsetzen? Deine Leser bei S & L werden Dich und Deine Gefühle verstehen.

Herzlichst,

MICI
Deria

Beitrag von Deria »

Ihr Lieben,

danke für Euer Feedback - ich schreibe mal weiter, auch wenn es lange her ist...und doch alles ein - mehr oder weniger - glückliches Ende nahm...

Die ersten Wochen mit unseren neugeborenen Tochter waren für mich die Hölle. Anders kann ich es nicht beschreiben; ich wollte sovieles richtig machen und kam ganz schnell an meine Grenzen.
Ich war immer alleine - am WE kam mal meine Mutter, aber, die war dann so präsent, das sie mich ständig verunsicherte. Ich war ja grad mal 23 Jahre alt und konnte mich nicht nach außen wehren.
Irgendwie war ich ja auch froh, das ich die Lütte wenigstens mal abgeben konnte - und war es nur für ein Stündchen.

Meine Tochter war ein schwieriges, unruhiges Baby. Sie schlief selten, aß schlecht (Stillen mußte ich nach drei Wochen aufgeben, meine Mutter meinte: große Brüste geben nicht unbedingt viel Milch!)...
Ich hatte gehört: Babys schlafen immer vier Stunden am Stück und essen und schlafen.
Pustkuchen. Was für ein Ammenmärchen.

Ich war nach 6 Wochen völlig am Ende meiner Kraft. Nach außen hin alles super, okay. Sie war immer hübsch angezogen, frisch und freundlich. Ich auch - und innen tobte das "schwarze Meer".
Ich vergesse nie, wie sie des nachts weinte und ich vor Erschöpfung, Wut und Überforderung den Stubenwagen hin- und her schüttelte und brüllte: schlaf doch endlich mal.
Das tut mir heute noch so in der Seele weh, ich würde alles geben, um diesen Moment vergessen zu machen.

Wir nahmen sie dann mit in unser Bett. Das machte die Nächte ruhiger.
Ich selber hatte aber auch den Anspruch an mich: ich wollte alles perfekt haben, Haushalt, Kind, Ehe und und und..
Das funktionierte nicht. Ich war einfach immer nur müde, ausgelaugt.

Nach drei Monaten ging ich zu meiner Gyn. Ich war am Ende meiner Kraft, ich konnte nicht mehr - und ich wollte nicht mehr.
Was sagte diese zu mir: "Seien Sie froh, das Ihr Kind gesund ist. Ihr Bluthochdruck und die frühzeitigen Wehen hätten dazu beitragen können, das Ihr Kind behindert zur Welt kommt!"
Was für ein Schock!
Und sie schob noch einen nach: "Von weiteren Kindern sollten Sie absehen. Es kann durchaus auch sein, das Gefahr für Sie besteht!"
Das war wie ein Trauma.
Mein Kind hat's grad nochmal so geschafft.
Mein Kind bleibt Einzelkind.
Ich darf keine weiteren Kinder mehr bekommen.
Ich, die doch einen ganzen Stall voll wollte.

Ich weinte. Ich glaube, eine Woche lang.
Weinte ich durch. Da habe ich mich auch das 1. Mal selbst verletzt.
Mit Absicht habe ich mir mit einem Messer eine Wunde zugefügt.
Mein Mann kümmerte sich um die Kleine, blieb zuhause und ich lag auf dem Bett, starrte an die Decke und konnte mit den Sätzen, der Wahrheit nicht umgehen.
Doch was blieb mir anderes übrig?
Ich mußte mein Leben wieder in den Griff bekommen und zwar schnell.

Ich muss allerdings auch schreiben, das ich anfing mich an Dinge zu erinnern, an die ich mich nicht erinnern wollte.
Da waren Sequenzen in meinem Kopf, die für mich damals keinen Sinn machten.

Das Schauspielern gelang mir weiterhin gut und ich kapselte mich ein. Nach außen hin war ich immer noch die Starke und die junge Mutti.
Ich war auch stolz auf mein Kind; sie war so ein Süße und machte so lustige Schnuten.
Wenn ich sie auf dem Arm hatten, dann wollte ich sie nur ganz für mich alleine. Ich wollte nicht, das sie unter mir leiden muss.
Ich habe sie geherzt, geknuddelt, sie wie eine kleine Porzellan-Puppe (diese Zerbrechlichkeit) behandelt.
Ich habe alles dafür getan, das sie nicht mitbekommt, was in mir los ist.
Dieses Herzen, dieses Liebhaben war in meinem Herz nicht angekommen.
Mit Schrecken stellte ich fest, das ich mich immer noch nicht wie ihre
Mutter fühlte, sondern mehr wie ihre große Schwester.

Mein Mann war der Kleinen ein liebevoller Vater, der versuchte, mich zu entlasten, wo es nur ging. Am WE lief er stundenlang mit ihr spazieren...gemeinsam im Kinderwagen.
Wenn er wieder kam, trug er L. auf dem Arm - sie wollte immer gucken und nicht "dumm rumliegen"...und sie schrie vor Hunger.
Also wurde diese - für mich ein seeliges Geschenk - Touren sehr viel kürzer.

Ich kann immer nur in Abschnitten schreiben; es ist, als würde ich das 1. Mal etwas beschreiben und ablegen, was ich soviel Jahre in mir gespeichert habe. ..und jedes Gefühl ist wieder da.

Für heute soll gut sein.
Deria
Leuchtkäfer

Beitrag von Leuchtkäfer »

Hallo Deria,

auch mich berührt Deine Geschichte sehr, vieles kommt mir so bekann vor.
Besonders das mit dem nachts nicht schlafen. Ich habe so Angst, daß ich den Kleinen mal vor Wut schlagen könnte, wenn ich so müde und kaputt bin, das macht mir so Angst.
Gräme Dich nicht mehr wegen dieses Moments, Deine Kleine hat sicher keinen Schaden deswegen, Du warst so stark für sie.
Ich versuche auch immer, den Kleinen ganz viel zu knuddeln und lieb zu haben, damit er nicht merkt, was los ist. Wenn er dann lacht, denke ich, daß es wohl richtig so ist.

Viele Grüße vom Leuchtkäfer
Geli
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Beitrag von Geli »

Hallo Deria,

eine ganz besondere Erfahrung, deine Geschichte zu lesen, die schon vor 22 Jahren begonnen hat. Eine solche Geschichte habe ich, seitdem zumindest ich hier mitlese, noch nicht gelesen. Deshalb bin ich auf den nächsten Teil gespannt. Dass die Gefühle jetzt so sehr in dir hochkommen ... ich finde es supermutig von dir, die Vergangenheit auf diese Weise noch einmal aufleben zu lassen und auch verarbeiten zu wollen. Vieles an Gefühlen hat sich in dir festgesetzt, die du jetzt endlich loslassen kannst. Lass den Tränen noch einmal freien Lauf und sprich auch mit deinem Mann darüber. All die Jahre hast du mit dir gehadert, doch eigentlich eine nicht so gute Mutter zu sein. Das ist aber nicht so. Hättest du nicht zu S + L gefunden, hätten dich diese Gefühle noch viel länger begleitet. Schön, dass du hier bist, schreib weiter - wir lesen gerne.
Lieben Gruß von mir

* Auszeit als Ausgleich - fühlen, was tut mir gut *
Irisches Segenswort:
"Mögen gute Tage deinen Weg begleiten, freundliche Menschen dir begegnen, und die Sehnsucht führe dich zum Ziel."
-----------------------
PPD: 2001
Schilddrüsen-Hormon (nie die Präparatfirmen wechseln!)
Gesprächstherapie
Mutter-Vater-Kind-Kur
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2014: Depression, Medikament Opipramol, seit 07/15: Escitalopram
Carolin

Beitrag von Carolin »

hey,

wow, großes kompliment. deine zeilen zu lesen sind spannender als jedes buch. du schreibst es wirklich toll. das du dich noch so gut erinnern kannst, und das es dir heute noch so weh tut, zeigt wie schlimm diese erkrankungen sind.

ich wünschte mir mein mann und meine familie würden mal dieses zeilen lesen. dann würden sie mich vielleicht verstehen. sie verstehen es schon igrendwie, aber sie kennen es nur von mir.

ich habe mir auch mal überlegt wenn alles irgendwann überstanden ist es schriftlich festzuhalten. damit ich es von zeit zu zeit mal nachlesen kann.

vielleicht werde ich es dann auch später den kindern mal vorlegen, damit sie es nachvollziehen können.

wenn man seine gedanken, seine grübeleien niederschreibt, finde ich das es einfach nur entlastet. das problem bleibt, keine frage, aber es tut so gut es auch mal "auszusprechen"! es ist so schwer sich zu öffnen weil man außerhalb von therapeuten nur auf unverständnis stößt. man wird als "verrückt" oder gar als "balla balla" im kopf abgestempelt.

jede krankheit ist schlimm, es gibt weiß gott schlimmere, aber psychische woher auch immer, sind sehr sehr schlimm. und ich kann nur hoffen es nie wieder erleben zu müssen. wenn man etwas gebrochen hat, weiß man das es in wenigen wochen wieder gut ist und der alltag einen wieder hat. aber bei diesen erkrankungen weiß man nicht wann ein ende kommt und was einem hilft. noch dazu ist hat alles andere irgendwie zu funktionieren. man hat verantwortung usw....man kann aber eigentlich nicht.
es ist sehr, sehr heftig und tut richtig weh. und ich glaube das es eine der wenigsten erkrankungen ist, die niemals sooooo richtig geheilt werden kann. nicht falsch verstehen, bestimmt wird man wieder gesund, da bin ich mir sehr sicher, aber man wird es nie vergessen und man merkt es ja auch bei dir, es wird ein leben lang weh tun! das wollte ich damit sagen.

an guten tagen vergisst man die schlechten von vor 3 wochen. und wenn es dann wieder konstant gut ist, denkt man auch wahrscheinlich nicht mehr so viel daran. aber jedes babyfoto hat seine geschichte bei mir und ich werde immer wissen wie es mir an den tagen ging. warum ich damals nicht zu der und der hochzeit konnte, wieso ich mit dem fußball aufgehört habe usw...

es ist eine verdammt harte zeit, aber es kommen auch bessere, ganz bestimmt....

bin sehr gespannt wie es bei dir weiter ging und vor allem: was hat dir geholfen?!?

schreibe bitte weiter, es liest sich sehr schön und gibt mut!

lieben gruß
Deria

Beitrag von Deria »

Ich danke euch für eure Rückmeldungen und ja, es tut mir gut, das von meiner Seele zu schreiben, meine heute 22 Jahre alte Tochter anzuschauen und zu spüren: vieles von dem ist trotzdem noch gut geworden.


Ich suchte schon den Kontakt nach außen und die Lütte war ein paar Wochen alt, da trafen wir uns zu fünft. Fünf junge Muttis, von denen alle bessere Mütter waren als ich.
Das empfand ich so, auch wenn es nicht der Tatsache entsprach.
Das war ein unsinniger Konkurrenzkampf; da wurde in die Kleidungslabel geschielt und nur für gut befunden, was eine Marke war.
Mein Mann verdiente nicht schlecht; wir konnten uns das eine oder andere leisten, so kaufte ich dann eben Markenklamotten.
Meiner Tochter war das völlig egal - und wenn wir nicht unterwegs waren, tat's auch eine Jogginghose vom Flohmarkt.

Die Nächte wurde nicht ruhiger. Im Gegenteil, manchmal rannten wir 8-12 Mal in einer Nacht zu ihr ins Zimmer.
Ich hatte ja immer gehört - und bekam das auch noch immer gesagt - "Babys schreien lassen, dann bekommen sie kräftige Lungen!"
oder "Schreien lassen, sonst verwöhnt man die zu sehr!"

Was ist am Verwöhnen schlecht? Ich wollte doch, das es ihr gut ging und die, die kamen, um mich zu besuchen, die blieben selten über Nacht und bekamen das Drama nicht mit!
Irgendwann war "Schicht im Schacht" - ich lief mehr auf Brustwarzen als auf meinen Beinen und entschloß mich: ich hole die Kleine jetzt zu uns ins Bett!
Punkt.
Mir war das sowas von egal, was andere sagten. Ich wollte endlich, endlich einmal schlafen und es funktionierte.
Wir schliefen alle ruhiger, sie wurde zwar auch wach, schlief aber beruhigt wieder ein, wenn sie spürte, sie war nicht alleine.
Manchmal lag ich nachts da und weinte leise, ich hatte immer noch das Gefühl keine "richtige" Mutter zu sein.
Und keine der Mütter in der Babygruppe gestand ein, auch ein nächtliches Problem zu haben - die dicken schwarzen Augenringe sprachen allerdings Bände.

Mit den ruhigeren Nächten, wurde ich auch wieder ruhiger.
Der lang ersehnte Schlaf trug erheblich dazu bei, das ich mich besser fühlte. Auch im Umgang mit meinem Kind.
Sie war mir näher als sonst und sie wurde ständig krank.
Alleine im ersten Jahr hatten wir 8 Erkältungen, 12 Magen-Darm-Virusse und 2 Blasenentzündungen.
Der Kinderarzt schaute mich immer sehr streng an - ja, was?
Ich konnte doch nichts dafür!
Aber, ich fühlte wieder so.
Unzureichend und prompt tapste ich in die nächste Falle.
Ich hatte die Phantasie, nichts und niemandem etwas recht machen zu können.
Ich fühlte mich wie ein Oktopus mit 10 Tentakeln und an jeder Tenktakel
riß jemand an mir.
War das wirklich so? Oder war das mein Anspruch an mich selbst, der mich so erschöpfte?

Als mein Mann von der Arbeit kam und meinte, er hätte einen Kollegen, der für seine Firma für 14 Tage eine Schreibkraft bräuchte.
Ob ich Lust dazu hätte?
L. war jetzt ein Jahr alt und ja, ich wollte.
Die Anerkennung, die mir so in meinem Leben fehlte, die wollte ich jetzt und ich wußte, über die Arbeit würde ich sie bekommen.
Ich gab mein Kind in die Obhut einer Tagesmutter (das fiel mir schwer) und ging für 2 volle Tage in ein Büro.
Das blieb nicht bei den 14 Tagen - ich arbeitete dort 2 volle Tage, bis L. in den Kindergarten kam, dann arbeitete ich halbtags.

Leider muss ich gestehen, das es tatsächlich die Arbeit war, die mich "rettete". Zunächst. Ich fühlte mich wieder frei! Ich mußte zwei Tage lang nicht die Mutterrolle spielen, durfte abgeben.
Ich atmete wieder und konnte das an meine Tochter weitergeben.
Ich freute mich auf die freien Tage mit ihr und mit jedem Monat, den sie wuchs, wurde es etwas besser.
Ich hatte nicht mehr das Gefühl, ich bin die Alleinige, die das Kind versorgen kann, das ich das nicht mehr so sehr muss.
Und ich bekam genug Nervenstärke und Rückhalt und hatte etwas was gut lief. In meinem Job wurde ich ein Ass - und die ließen mich eben nicht mehr gehen.

Heute.

Was hat mir geholfen?
Ich bin dann, als L. drei war, wegen schlimmer Kindheitserinnerungen in die Therapie gegangen.
Es ging mir sehr schlecht, die Depressionen wurde schlimm, ich wurde zeitweilig sogar suizidal.
Was folgte war eine Reihe von Krankhausaufenthalten, lange Jahre Therapie und meine Tochter war die Leidende.
Wieder.
Ich wieder nicht perfekt, nicht immer da (insgesamt war ich 2 Jahre in Kliniken in den letzten 10 Jahren).

Ich hätte mir sehr gewünscht, meine Tochter hätte Wut auf mich gespürt, das sie mich anschreit, eine Scheiß-Mutter gewesen zu sein.
Das sie auszieht, Drogen nimmt und versumpft, weil ihre Kindheit mit mir als Mutter sehr schwer war.

Viele Dinge machen heute Sinn. Ich kann mir wieder was zusammenreimen, ich kann sortieren und ich kann Dinge abgeben.
Meine Therapeutin hat mit mir auch über die Geburt gesprochen, über die Zeit danach und mir versichert, das ich das Beste geben konnte, was möglich war.
Ich habe meine Tochter nie geschlagen, nie mißbraucht - das war schon weniger, als ich erlebt habe.
Das ich die Starke war, ohne das nur zu ahnen.

Vor einigen Monaten hat meine Tochter neben mir im Auto gesessen - und fing an zu weinen. Wir kamen auf das Thema Nähe.
Das sie viel vermißt hat, gerade, was Berührungen angeht.
Kuscheln, umarmt werden...
Nach meinem Wissen hat sie das bekommen, für sie war''s nicht genug.
Sie hat das vermißt.
Wir haben beide geweint und ich habe sie gefragt: "Wäre das Nachholen jetzt zu spät?"
Sie schüttelte vorsichtig den Kopf.

Verzeihen kann ich mir noch nicht. Aber, ich versuche ein bißchen wieder gut zu machen. Indem ich heute sehr viel liebevoller bin (mensch, manchmal muss ich echt über meinen Schatten springen)...sie umarme.
Trotzdem ist dieses Gefühl von "ich bin ihre Mama" nicht in mir verankert.
Das ist noch immer ein Problem.

Danke für's Lesen
Deria
Geli
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Beitrag von Geli »

Hallo Deria

es gibt ja auf der Hauptseite eine Rubrik mit "Erfahrungsberichten". Vielleicht hast du Lust, deine Geschichte noch einmal dort hineinstellen zu lassen. Du kannst deinen Text ja kopieren - aber wahrscheinlich hast du ihn sowieso in Word abgespeichert. Man kann dies an die Hauptstelle von S+L schicken (siehe "Impressum" oder "Kontakt").

Würde die Überschrift auch so benennen, dass man sofort sieht, dass deine Geschichte schon 22 Jahre her ist. Viele der Geschichten sind doch von PPDs, die erst noch frisch sind.

Schreib noch weiter, freue mich auf mehr.
Lieben Gruß von mir

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omi 50

Hallo

Beitrag von omi 50 »

Liebe Deria ,du solltes dir verzeihen nein! nach so vielen Jahren musst du das endlich,vielleicht ist dann dein Gefühl für deine Tochter auch für dich greifbarer!!!
Liest deine Tochter was du schreibst??wenn nicht laß sie es tun-und sie ist alt genug dann zu verstehn warum nicht alles so glatt lief.
So könntet ihr euch sicher näher kommen als je zu vor :wink:

Es ist nie zu Spät für eine Mutter- Tochter Beziehungl :-)

Wünsch dir alles Liebe
Tina
Wally

Deria - bitte schreib weiter

Beitrag von Wally »

Hallo Deria,
sorry, vorhin habe ich es versehentlich abgeschickt.

Ich wollte fragen ob Du noch mehr von Dir schreiben könntest? Es ist wie wirklich schon jemand gesagt hat: Du schreibst so schön, es ist spannender wie jedes Buch.... und es macht mir irgendwie Hoffnung und Mut!...

Kannst Du Bitte, Bitte weiterschreiben?
Wollte Dich mal Fragen ob Du auch ZGs hattest?

Bei mir ist die PPD schon 2,5 Jahre her... sie wurde immer leichter.... Bzw. ich kann den Alltag immer besser bewältigen. - Ich sehe mich in Deiner Geschichte irgenwie so... nur irgenwie werden die ZGs mal leichter und zur Zeit machen Sie mir wieder ein bischen die Hölle.

Ich nehme 60 mg Fluoxetin, aber ich habe irgenwie das Gefühl, ich könnte immer mehr davon nehmen. Habe mich schon abgefunden immer Medis zu nehmen. Nicht schlimm. Weiss nur nicht ob ich mich nicht auch damit abfinden soll,dass mir einfach immer zum weinen zu Mute ist.... Wahrscheinlich muss ich immer noch meine Traurige Kindheit beweinen...

Vielelicht bin ich aber einfach nur ein Mensch, dessen Grundstimmung Traurig und Ängstlich ist.... ich beziehe alles in der Welt auf mich.... - habe ständig angst meinem Sohn könnte was passieren. (Überfallen, missbraucht, missachtet zu werden, oder entführt oder einfach nur vom Auto angefahren zu werden) Aber ich habe fürchterlich Angst.

Manchmal habe ich so blöde Gedanken, ich hätte lieber dass er Krebs bekommt, bevor er einem Gewaltverbrechen zum Oofer fällt! Als ob man sich das aussuchen könnte! - Kann ich nicht einfach genießen das er da ist`? Es ist so anstrengend und erschöpfend. Ich prüfe auch immer ob ich eine Gefahr für ihn sein könnte!.... Seit ein paar Tagen beschäftigt mich das in der Nacht.... das hatte ich schon lange nicht mehr.

Wenn ich in der Zeitung lese, dass wieder irgendwas einem Kind passiert ist, fühle ich total mit und es macht mich komplett fertig!


Als ich Schwanger war, habe ich geträumt mein Sohn ist 20 und ich habe irgendwie die 20 Jahre vepasst und konnte wirklich nichts dafür. Er war auf einmal als 20 jähriger da. Groß, hübsch und er wollte mit weggehen mit seiner Freundin. Er wollte mich nie wieder sehen, weil ich so war wie ich war. Ich konnte mich an nichts errinnern... Ich wusste nicht wie weit es gekommen war... ich habe geweint und gesagt, bitte, bitte geh nicht.... Ich werde alles gut nachen. Ich weiß nicht was ich getan habe, aber bitte gibt mir eine Chance. - Er sagte dass er gehen wird, aber er überlegt sich ob ich ihn beweisen darf dass ich eine gute Mutter bin und ihn liebe. Ich habe so geweint, wie noch nie in meinem (erwachsenen) Leben. Ich bin aufgewacht und habe nur geweint.... Es war so realisitsch und ich hatte das gGefühl ich bin völlig machtlos und ohnmächtig!

Ich denke ich habe Angst, er würde mich hassen wenn er groß ist, weil ich bin wie ich bin und nicht wie alle anderen. Vielleicht so wie ich meine Mutter manchmal hasse, weil sie so ist wie sie ist, und meine Mutter meine Oma gehasst hat wie sie war..... - -Echt Traurig...

Manchmal hab e ich das gefühl ich liebe ihn so sehr und kann mit meinem Gefühlen gar nicht so umgehen, sie sind so heftig! .- Und das macht dann das ich irgendwie sooo fertig...
Ich finde Deine Geschichte so interessant und sie ist schon sooooo lange her.... und ich finde es so hoffnungsvoll das Du immer noch weitermachst und dsa macht mir Mut!


Dankeschön! Alles LIebe!
WAllyx
Deria

Beitrag von Deria »

Ihr Lieben,


weiterschreiben...mh, meine Geschichte ist, was die evtl. tatsächlich vorhandene PPD angeht, wahrscheinlich zuende.

Oder auch nicht? Ihr möchtet das ich weiterschreibe...
Was kann ich euch noch berichten?

Ich hatte - neben meinem Mann und Kind - viele andere Probleme.
Darauf möchte ich aber hier nicht so eingehen, dafür bin ich in einem anderen Forum.
Nur, das ihr wißt, es gab da noch ganz viel mehr nebenbei.

Meine Tochter und ich hatten während der Kindergartenzeit eine
entspannte Phase. Ich wußte sie gut aufgehoben, ich ging meiner Arbeit nach und fühlte mich auch relativ gut.
Ich freute mich auch sehr, meine kleine Maus nach jedem Arbeitstag zu sehen und doch...
...mich zermürbten immer wieder die Gedanken: ich mache es nicht richtig, ich mache es nicht gut genug....irgendwas fehlt.

Das fing schon an mit ihrem Schlafen. Sie wollte nie ins Bett.
Als sie Baby war legte ich mich mit ihr oft in unser Bett, drei Finger steckte sie in meinen Mund und wühlte darin rum (manchmal bekam ich echt einen Würgereiz), langsam schlieg sie ein. Nach dreimaligem Versuch sie danach ins Kinderbettchen zu legen, schlugen fehl. So schlief sie die eine oder andere Nacht dann schon neben uns.
Ich glaube, das für mich mein Schlaf immer wichtig war und ich den nie so bekam, wie ich ihn brauchte.
Ich muss dazu schreiben, als unsere Tochter dann 7 Jahre alt wurde, schlief sie endlich durch - in ihrem eigenen Bett.
Habe ich da Fehler begangen? Nein, ich glaube nicht.
Meine SS war sehr beschwerlich und ich war innnerlich emotional sehr angeschlagen - das muss sie einfach gespürt haben.

Meine Traurigkeit wich selten und so fing dieses kleine Mädchen an, Verantwortung für mich zu übernehmen. Wie das aussah kann ich nicht beschreiben, aber, sie wollte immer, das es mir gut geht.
Sie tröstete mich manchmal und war eigentlich immer bei mir.
Sie ließ mich nicht los - weder bei einem Kindergeburtstag, noch bei sonstigen Veranstaltungen. Ich mußte immer bleiben. Das war sehr nervig; ich saß dann mit der Mutter des Geburtstagskindes (die ich oft nicht kannte) beim Kaffee und es war mir super-peinlich.
Mein Kind spielte dann aber auch nicht mit - hing mir förmlich am Rockzipfel.

Dann mußte sie akut ins Krankenhaus. Blinddarm. Nie werde ich vergessen, wie dieses klene Mädchen in dem riesigen Bett lag und mir weinend zuwinkte.
Sie war gerade vier Jahre alt geworden und im selben Alter wie ich, als ich meinen Blinddarm herausbekam.
Während der OP (später Abend) blieben wir in der Nähe.
Alles war gut verlaufen. Wir fuhren nach Hause, völlig aufgewühlt und schliefen ein. Um 1 Uhr nachts klingelte das Telefon; sie verlangte nach uns. Als wir ankamen, hatte man sie sediert, weil sie immer aufstehen wollte. Mein Schock war groß, als ich meine Maus mit Schläuchen und nackt im Bett liegen sah.
Es war kaum zum Aushalten.
Trotzdem ich mich immer noch nicht wie ihre Mutter fühlte, hatte ich doch Angst um sie. Naja, auch als "große Schwester" wollte man die "kleine Schwester" nicht verlieren.
Ich war dann jeden Tag da, von morgens um 8 bis abends 20 Uhr. Sie war in unserem Krankenhaus im Ort - bis zur Kinderklinik hatten wir es nicht mehr geschafft.
Dieses KH hat aber nur eine Kinder-Notstation, zwischen der Orthopädie und der Neurologie.
Ich war am Ende meiner Kraft. Das zehrte so an meinen Nerven.
Und sie hatte so Heimweh und weinte viel und ich wieder: hätte ich sie nicht geboren, würde sie hier nicht liegen.
Bekam immense Schuldgefühle.
Und der Schock folgte danach.
Sie kam nach Hause und fing an, merkwürdige Bilder zu malen. Mit schwarzen Männern und langen Penissen, aus denen eine Flüssigkeit kam. Ich drehte fast komplett am Rad - dann fingen diese Spiele an mit dem Puppenhäuschen. Ich kam dazu, wie sie spielte und sagte: "Das Kind liegt nackt auf dem Sofa, mit dem Mann!" - und schmiß die Mutter der Puppenfamilie in die Ecke. "Die Mama darf das nicht sehen!"
Mein Herz blieb stehen.
Ich rief sofort beim Beratungszentrum an und schilderte meine Not und meine Beobachtungen.
Wurde meine Tochter mißbraucht?

Ich halte mal wieder an....ich weiß gar nicht, wer das lesen möchte.
Ist so schrecklich graf...

LG
Deria
Geli
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Beitrag von Geli »

Hallo Deria,

auch wenn das schlimme Ereignis, an welches du dich erinnerst, nichts mit der eigentlichen PPD zu tun hat, so finde ich aber trotzdem, dass du dir wegen diesen Geschehnissen keine Schuld zuweisen darfst. Doch dieses Gedanken-/Gefühlsrad, in dem du dich seit der Geburt ja gedreht hast, war natürlich auch nach den 4 Jahren noch da, die deine Tochter da schon alt war. Und das ist ja die PPD. Du hast damals das getan, was zu dem Zeitpunkt das Beste war. Deine Tochter musste doch ins KH, es ging nicht anders, dass du sie dort lassen musstest. Ich kann mir gut vorstellen, dass diese Bilder deiner Tochter dir damals wie ein Vorwurf an dich selbst war, dass du eine schlechte Mutter bist? Oder, wie hast du dich gefühlt? Mach dich nicht schlecht, du hast doch alles getan, damit es deiner Tochter gutgeht.
Lieben Gruß von mir

* Auszeit als Ausgleich - fühlen, was tut mir gut *
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Wally

Ich

Beitrag von Wally »

Hallo Deria,

also, ich weiß ja nicht ob Du darüber reden willst... und ich will Dich nicht drängen... Wenn Du nicht willst, dann solltest Du es lassen.

Ich wollte Dich nur wissen lassen: Ich lese es!
Warum? Ich weiß es nicht... vielleicht, weil es einfach zeigt, das jeder sein Päckchen zu tragen hat. Das wir alle Gefühle haben. Das wir alle leiden.... das keiner alleine ist...

Wenn ich Deine Gedanken lese, finde ich im übrigen, Du bist eine tolle Mutter. Du konntest Deine Tochter vielleicht nicht von allem bewahren. Doch Du warst ihr immer zur Seite gestanden um mir ihr die schlechten Zeiten zu teilen. (Die leider jeder auf irgendeine Weise erfahren muss im Leben)

Ich denke jeder hat seine Geschichte, seine eigene... - und es ist für jeden eine Aufgabe.

WEnn Du reden möchtest, ich lese Deine Geschichte wirklich sehr gerne, sie gibt mir Mut, Hoffnung zeigt das wahre Leben...


Alles Gute!
!Wally!
Deria

Beitrag von Deria »

Ich habe beschlossen, nun den Rest der Geschichte zu erzählen.
Hat ja auch lange genug gedauert.

Wir sind mit unserer Tochter 2 Jahre in Therapie gegangen und letzendlich haben wir nie herausgefunden, ob es so war oder nicht.
Aber, als Mutter spürt frau das, ich wusste, da ist etwas, das schwebt über uns und wir können nichts daran ändern.
Ich war wütend und sauer und hätte am liebsten die Klinik verklagt.
Doch ich bzw. wir hatten keine Beweise.

Dann bekam sie weitere Symptome wie Wahrnehmungsschwierigkeiten und Gleichgewichtsstörungen. In einem Institut für die frühkindliche Entwicklung wurde uns dann gesagt, das bedingt durch die "Traurigkeit" während der SS schon ganz viel an das Ungeborene weitergegeben wird. Die spüren das.
Ich habe soviel geweint in der Zeit und mir ging's ja auch nicht gut.
Nun denn, wir hatten auch hier die Chance etwas zu verändern.

Ergotherapie und Krankengymnastik, wir sind nur noch gependelt.
Meine Sorgen und meine Ängste brachte ich dann in meine Therapie.
So wirklich wahrgenommen habe ich in dieser Zeit wenig.
Habe funktioniert, war perfekt - nach außen.
Innen war ich sehr durcheinander und fühlte mich so hilflos, so alleine und so schuldig.
Irgendwie muss ich doch was falsch gemacht haben?!
Manchmal bildete ich mir ein: hätte ich doch Silvester nicht mehr dieses eine Glas Bowle getrunken. Oder das eine Bier..als ich schwanger war.
Ich wollte unbedingt etwas Handfestes dafür haben, das ich meine elendigen Schuldgefühle auf etwas projezieren kann.

Pustekuchen. Da gab es nichts. Rein gar nichts.
Kranksein...
Wollte ich nicht. Nicht auch noch.

Wir haben in den Jahren danach immer wieder kämpfen müssen.
Vor allem ich.
Bis ich dann, da war meine Tochter 8 endlich zu der Therapeutin fand, bei der ich heute noch bin.
Sie war die Erste, die immer blieb, ob es schwierig wurde oder nicht.
Sie wurde so wichtig für mich, das selbst meine Tochter damals ein gemaltes Bild für sie mitgab, auf dem stand: "Mach, das meine Mama wieder lacht!"
Das hat mich so berührt, so tief in meinem Herzen, das ich große überschwängliche Liebe empfinden konnte.
So lange hatte es gedauert.
Ich hätte nicht mehr damit gerechnet.

Heute, nach so vielen Jahren kommen immer noch mal Zweifel hoch.
Weil ich - aus heutiger Sicht - vieles anders gemacht hätte.
5 auf jeden Fall grade sein lassen.
Scheiß auf perfekten Haushalt und das ganze Drumherum.
Nur Mama, Papa und Baby sind wichtig - und wenn die einen ganzen Tag lang im vollgekrümelten Bett dösen, schlafen, schmusen...ausruhen.
Ausruhen. Ich würde sofort alles beiseite werfen, sobald die Kleine die Augen geschlossen hätte und nicht den Wischmop in der Küche gewirbelt.

Hätte wenn und aber.
Ich musste lernen, das ich für die Situationen damals aus bestem Wissen und Gewissen gehandelt habt. Heute bin ich schlauer, reifer und weiter.
Damals wusste ich das "heute" aber noch nicht.
So möchte ich versuchen aufzuhören damit zu hadern nicht die perfekte Mutter gewesen zu sein.

Meine Tochter ist eine intelligente, hübsche junge Frau geworden.
Sie geht ihren Weg, er ist nicht leicht. Eine psychisch kranke Mutter ist nicht einfach, vor allem nicht das Leben mit ihr.
Aber, ich versichere, auch das Leben mit einem jungen pubärtierenden Mädchen auf dem Weg zu einer Frau war auch nicht easy.
Wir haben uns aber immer zusammengerauft.

Bedingt durch dieses schlechte Gewissen, für Jahre nicht genug gewesen zu sein, habe ich meiner Tochter viel abgenommen.
Das war nicht richtig, ich habe sie oft in Watte gepackt, wo ein kleiner Po-Tritt besser gewesen wäre.
Doch ich akzeptiere mittlerweile das sie ihren Weg hat und ich habe lange Jahre meine Hände offen gehalten und ihr zu wissen gegeben, das sie immer mit mir rechnen kann.
Und was ich auch empfehlen würde, nicht immer aus diesem schlechten Gewissen heraus, viele Dinge durchgehen lassen.
Meine Grenzen weichen bei meiner Tochter schnell auf.
Vor allem dort, wo Konsequenz nötig gewesen wäre.

Als ich dieses schreibe, sitzt sie auf dem Sofa neben mir und spielt WI Sports, kurvt mit irgendeinem Mario durch die Gegend und juchzt und lacht.
Wir sind uns sehr nahe, wir unternehmen viel zusammen und sie spricht viel und offen über viele Dinge, wo ich oft sehr staune.
Wir sind beide erwachsen geworden.
Denn ich bekam eine liebevolle Ersatz-Mutter (meine Thera), die mir zeigte, wie es auch für mich hätte sein können, liebevoll und behütet behandelt zu werden.
Sie hat mir viel gegeben und ich bin froh, das es sie gibt.

So sitzen L. und ich morgens im Auto, ich fahre sie zum Berufsförderungswerk, wo sie eine Reha-Ausbildung macht und wir
lachen....

Deria
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